Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 157/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 177/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 87/00 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26. August 1998 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob die Beklagte berechtigt ist, die dem Kläger bewilligte Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 aufzuheben.
Der am 08.04.1937 geborene Kläger bezog seit dem 01.09.1988 von d der Beklagten ununterbrochen Arbeitslosenhilfe mit Ausnahme eines Unterhaltsgeldbezuges in der Zeit vom 01.07. bis 31.12.1992. Mit Bescheid vom 05.09.1996 bewilligte die Beklagte ihm Arbeitslosenhilfe ab 02.09.1996 bis Ende des Bewilligungsabschnitts am 31.08.1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 409,20 DM. Mit Bescheid vom 07.01.1997 paßte die Beklagte die Arbeitslosenhilfe für Zeit vom 01.01.1997 bis 31.08.1997 an die Leistungsverordnung 1997 an. Der wöchentliche Leistungssatz betrug nunmehr 402,60 DM entsprechend monatlich 1.744,60 DM. Der Kläger ist verheiratet, seine Ehefrau verfügt über kein eigenes Einkommen.
Am 27.08.1996 forderte die Beklagte den Kläger auf, im Oktober/November 1996 einen Rentenantrag zu stellen, da er im April 1997 60 Jahre alt werde. Mit Schreiben vom 14.03.1997 wurde der Kläger unter Bezugnahme auf die ab 01.07.1996 geltende Rechtslage gemäß § 134 Abs. 3 c AFG erneut zur Beantragung von Altersrente innerhalb eines Monats ab Zugang des Schreibens aufgefordert. Die Beklagte wies darauf hin, dass der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe während der Zeit, für die eine Rente wegen Alters zuerkannt sei, gemäss § 134 Abs. 4 i.V.m. § 118 AFG ruhe. Auf der Rückseite des Schreibens war u.a. der Gesetzestext des § 134 Abs. 3c AFG abgedruckt. Der Kläger erwiderte daraufhin, er habe am 10.02.1997 Altersrente mit Wirkung vom 01.05.1997 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) beantragt.
Diese teilte der Beklagten mit Schreiben vom 24.04.1997, das am 05.05.1997 eingegangen ist, mit, dem Kläger sei ab 01.05.1997 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt worden. Die monatliche Rente betrage ab 01.05.1997 1.356,37 DM. Abzüglich des Beitragsanteils für die Kranken- und Pflegeversicherung ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag von 1.253,97 DM.
Mit Bescheid vom 07.05.1997 hob daraufhin die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, gestützt auf § 118 AFG i.V.m. § 48 SGB X, auf. Für Mai 1997 war bis dahin noch keine Arbeitslosenhilfe gezahlt worden.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.06.1997 Widerspruch. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Er habe die Altersrente auf Anraten seiner Arbeitsvermittlerin beantragt. Die Höhe der Rente sei jedoch niedriger als die der vorher bezogenen Arbeitslosenhilfe. Das Sozialamt werde zwar seine Rente aufstocken, sich jedoch die gezahlte Sozialhilfe von seinen Kindern erstatten lassen. Er habe nun erfahren, dass er gar keine Rente hätte beantragen müssen. Er hätte sich dann voll für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt.
Das Sozialamt der Stadt xxxx bewilligte mit Bescheid vom 21.05.1997 dem Kläger ergänzend zur Altersrente Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 252,03 DM als Darlehen. Gleichzeitig wurde der Kläger zur Verwertung seines Kraftfahrzeuges sowie zu Bemühungen um eine kostengünstigere Wohnung aufgefordert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Das Arbeitsamt solle dem Arbeitslosen, der in absehbarer Zeit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen Alters voraussichtlich erfülle, auffordern, diese Rente innerhalb eines Monats zu beantragen. Dies gelte nicht für Altersrenten, die vor dem für den Versicherten maßgeblichen Rentenalter in Anspruch genommen werden könnten. Während des Bezuges von Altersrente ruhe der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG. Gemäss § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 4 SGB X sei sie deshalb zur rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigt. Der Kläger habe das Merkblatt für Arbeitslose erhalten. Deshalb habe er leicht erkennen können, dass sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe wegen des Bezuges der Altersrente entfallen sei. Einer Ermessensausübung habe es gemäss § 152 Abs. 3 AFG nicht bedurft.
Hiergegen hat der Kläger am 21.07.1997 Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die Sollvorschrift des § 134 Abs. 3c AFG dürfe nicht angewandt werden, wenn die Altersrente deutlich niedriger ausfalle als die Arbeitslosenhilfe. Sofern er wieder Arbeitslosenhilfe erhalte, werde er gleichzeitig seinen Antrag auf Auszahlung der Altersrente zurücknehmen. Er begehre mithin keine Doppelleistung von Rente und Arbeitslosenhilfe. Er bewohne mit seiner Ehefrau ein Reihenhaus, dessen Miethöhe von 1.350,-- DM vom Sozialamt nur in Höhe von 550,-- DM berücksichtigt werde. Sein Pkw, den er verwerten solle, habe nur ein Restwert von 1.500,-- DM, liege also unter dem Vermögensfreibetrag. Die Inanspruchnahme seiner Kinder durch das Sozialamt habe zu familiären Zerwürfnissen geführt. Um diese wieder rückgängig zu machen, habe er seinen Antrag auf Sozialhilfe zurückgezogen. Um überhaupt leben zu können, sei er gezwungen, sich sehr stark einzuschränken und privat zu verschulden. Er habe bisher 33 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt. Bei Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe erreiche er in den nächsten Jahren eine Beitragszeit von 35 Versicherungsjahren. Seine spätere Rente würde durch die mit einem weiteren Arbeitslosenhilfebezug verbundenen weiteren Rentenbeitragszeiten noch steigen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die BfA für Angestellte hat mit Schreiben vom 28.11.1997 mitgeteilt, die Altersrente des Klägers werde in Umsetzung einer rentenrechtlichen Vertrauensschutzregelung ungemindert gezahlt. Falls die Rente erst als Regelaltersrente zum 65. Lebensjahr beantragt würde, würde sie nach derzeitiger Rechtslage nur dann höher ausfallen, wenn im Zeitraum vom 01.05.1997 bis zum 30.04.2002 weitere Beitrags-, Ersatz- oder Anrechnungszeiten zurückgelegt und anerkannt würden, so dass es zu einer Erhöhung der persönlichen Entgeltpunkte des Versicherten käme.
Durch Urteil vom 26.08.1998 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997 verletze den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte habe ihn zu Unrecht zur Beantragung von Altersrente aufgefordert und nach Bewilligung der Rente die Gewährung von Arbeitslosenhilfe eingestellt. Zwar solle das Arbeitsamt nach § 134 Abs. 3c AFG den Arbeitslosen zur Beantragung einer Altersrente auffordern. Nach Auskunft der BfA werde die Rente des Klägers aufgrund einer rentenrechtlichen Vertrauensschutzregelung auch nicht wegen vorzeitiger Inanspruchnahme gemindert. Gleichwohl habe die Beklagte den Kläger nicht zur Beantragung von Altersrente auffordern und damit durch die Bewilligung der Rente ein Ruhen des Arbeitslosenhilfeanspruchs (§ 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG) herbeiführen dürfen. Die Beklagte habe mit ihrer Aufforderung zum Rentenantrag das ihr durch die Gesetzesformulierung "soll" in § 134 Abs. 3c Satz 1 AFG eingeräumte Ermessen falsch ausgeübt. Der Gesetzeswortlaut zeige, dass es nach der Absicht des Gesetzgebers Fälle gebe, in denen von einer Aufforderung zum Rentenantrag aus nahmsweise Abstand zu nehmen sei. Weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien sei allerdings zu entnehmen, wann dies im Einzelnen der Fall sein soll. Durch Verwaltung und Rechtsprechung seien daher Fallgruppen herzustellen, in denen die Aufforderung zum Rentenantrag zu unterbleiben habe. Dabei seien auch die wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen bis zum regulären Ende des Bezuges von Arbeitslosenhilfe mit der Vollendung des 65. Lebensjahres zu berücksichtigen. Insoweit hätte das der Beklagten eingeräumte Ermessen aus zweierlei Gründen allein die Entscheidung erlaubt, auf die Antragsaufforderung zu verzichten. Zum einen möge zwar dem Gesetz die Absicht zu entnehmen sein, dem Bezug von Rente als auf Beitragszahlungen basierender Versicherungsleistung den Vorrang einzuräumen vor dem Bezug von Arbeitslosenhilfe, welche jedenfalls Elemente einer Sozialhilfeleistung in sich berge und damit keine reine beitragsbasierende Versicherungsleistung darstelle. Dieser Gedanke, welcher wegen des immensen, aus Steuermitteln finanzierten Zuschusses aus dem Bundeshaushalt zur Rentenversicherung ohnehin kein allzu grosses Gewicht haben könne, könne sich von vorn herein jedoch keine Bedeutung verschaffen in Fällen wie denen des Klägers, in denen die Beantragung von Altersrente zu einer Bedürftigkeit für ergänzende Sozialhilfe führen. Denn dann werde von der besonderen Sozialhilfeleistungsart Arbeitslosenhilfe jedenfalls zum Teil gewechselt zur reinen Sozialhilfe. Zum anderen sei von einer Aufforderung zum Rentenantrag dann abzusehen, wenn der Wechsel von der Arbeitslosenhilfe zur Rente bei Lebensverhältnissen, die sich wie im Falle des Klägers ohnehin im äußerst bescheidenen Rahmen bewegt, zu einer drastischen Verschlechterung des Familieneinkommens und zum Eintritt von Armut, z.B. durch Sozialhilfebedürftigkeit, führe. Der Kläger habe für sich und seiner Ehefrau bei einem Wechsel zur Altersrente für sein 60. bis 65. Lebensjahr einen Verlust in seinem ohnehin sehr geringen Einkommen von fast 1/3 hinzunehmen und werde dadurch ergänzend sozialhilfebedürftig. Zwar könnten aus dem grundgesetzlich garantierten Sozialstaats prinzip keine direkten Leistungsansprüche des Einzelnen abgeleitet werden. Jedes Prinzip würde jedoch zur blossen Verfassungspoesie verkommen, könnte es nicht als Auslegungstopos in Fällen, wie dem vorliegenden, herangezogen werden. Räume deshalb der Gesetzgeber wie in § 134 Abs. 3c AFG der Arbeitsverwaltung in Ausnahmefällen die Möglichkeit einer Ermessensausübung ein und sei die anzuwendende Vorschrift allein unter dem Gesichtspunkt geschaffen worden, Einsparungen bei den Sozialleistungen herbeizuführen, so verbiete eine Auslegung des § 134 Abs. 3c AFG im Lichte des Sozialstaats prinzip bei derart drastischen wirtschaftlichen Folgen das Verweisen des Betroffenen auf Inanspruchnahme auf Altersrente vor Erreichen der Regelaltersrente von 65 Jahren. Dies gelte jedenfalls dann, solange sich der Betroffene, wie der Kläger, weiterhin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stelle. Dem gegenüber könne nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Bezug von Rente bringe nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zum Ruhen. Diese Ansicht greife in Fällen eines Rentenantrags im Zusammenhang mit der Umsetzung des § 134 Abs. 3c AFG erkennbar zu kurz. Denn sie würde zur offensichtlichen Recht losigkeit des Betroffenen führen. Stelle der Arbeitslose den Antrag auf Rente nicht, ruhe sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe vom Tag nach Ablauf der ihm gesetzten Antragsfrist bis zu dem Tag, an dem er Rente wegen Alters beantrage. Beantrage er aber die Altersrente und erhalte die Rente bewilligt, ruhe sein Anspruch ebenfalls. Gegen die Aufforderung zum Rentenantrag allein könne er nicht erfolgreich Anfechtungsklage erheben, da ihr noch keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen zukomme und sie somit nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei, gegen den die Anfechtungsklage zulässig wäre. Dieses Dilemma des Arbeitslosen im Falle des § 134 Abs. 3c AFG sei vom Gesetzgeber offensichtlich übersehen worden. Er habe es versäumt, die ältere Regelung in § 118 AFG um eine Regelung zu ergänzen, die dem neuen Sonderfall Rechnung trage. Da dies nicht zur Rechtschutzlosigkeit des Betroffenen führen könne, sei § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG er gänzend dahin auszulegen, dass er in Fällen des § 134 Abs. 3c AFG nur mit der Maßgabe Anwendung finde, dass bereits gewährte Altersrente nach den üblichen Erstattungsregeln wieder an den Rentenversicherungsträger zurückzuführen sei, sobald rechtskräftig geklärt sei, dass der betroffene Arbeitslose keinen Antrag auf Altersrente i.S.v. § 134 Abs. 3c AFG zu stellen hatte.
Gegen das ihr am 08.10.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.11.1998 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Für eine Ermessensausübung bestehe erst dann Raum, wenn tatsächliche Umstände auf einen atypischen Fall schließen ließen. Im Gegensatz zur Annahme des Sozialgerichts stelle die Höhe der Rente, selbst wenn durch den Wegfall der Arbeitslosenhilfe aufgrund des Rentenbezuges Sozialhilfebedürftigkeit eintrete, nach Auffassung des Gesetzgebers keinen die Atypik begründenden Umstand dar. Vielmehr liege ein atypischer Fall vor, wenn die Nachrangigkeit der Arbeitslosenhilfe gegenüber der Altersrente nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand hergestellt werden könne. Das sei dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit auf Dauer entfalle, z.B. durch Aufnahme einer nicht selbständigen Tätigkeit oder Wegfall der Bedürftigkeit. Anhaltspunkte für eine solche Annahme lägen nicht vor. Darüber hinaus spreche gegen die Entscheidung des Sozialgerichts, dass nach der Regelung der § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG für den Eintritt bzw. die Dauer der Ruhenswirkung nur der formale Akt der Zuerkennung/Bewilligung der Altersrente und dessen Wirksamkeit entscheidend sei. Die Rentenbewilligung habe aber nach wie vor Bestand. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass nach Einführung des § 134 Abs. 3c AFG ein Ruhen nach § 134 Abs. 3c Satz 3 AFG auch z.B. bei Rücknahme des Rentenantrags bzw. Verzicht auf die Rente eintrete, wenn die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch grundsätzlich gegeben seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.08.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997, mit dem die Beklagte die dem Kläger bewilligte Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 aufgehoben hat. Nur über die Rechtmäßigkeit dieser Aufhebungsentscheidung hatte der Senat zu befinden.
Die Aufhebungsentscheidung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend stützt die Beklagte ihre Entscheidung auf § 48 SGB X. Soweit hiernach in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass einer Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 05.09.1996, mit dem die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe vom 02.09.1996 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 31.08.1997 bewilligt hat, ist deshalb eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers eingetreten, weil die BfA ihm mit Bescheid vom 24.04.1997 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.05.1997 bewilligt und tatsächlich gezahlt hat. Deshalb ruhte der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 in voller Höhe gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG. Die einschränkende Vorschrift des § 118 Abs. 2 Nr. 2 AFG gilt gemäß § 134 Abs. 4 Satz 3 AFG im Rahmen der Arbeitslosenhilfe nicht. Zwar führt die Zuerkennung der Altersrente nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG nur zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist indessen auf Ruhensfälle entsprechend anwendbar (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 26). Die Jahresfrist hat die Beklagte eingehalten. Einer Ermessensausübung bedurfte es gemäß § 152 Abs. 3 AFG nicht. Die Entscheidung der Beklagten, die dem Kläger bewilligte Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 aufzuheben, er weist sich somit als rechtens. Dem steht nicht entgegen, dass die Aufforderung der Beklagten zur Rentenantragstellung vom 14.03.1997 möglicherweise deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte in ihr kein Ermessen ausgeübt hat. Denn in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Altersrente niedriger ist als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe, ist von einem atypischen Fall auszugehen, der die Beklagte zur Ermessensausübung verpflichtet (vgl. BSG vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R -). Die mögliche Rechtswidrigkeit des Aufforderungsschreibens vom 14.03.1997 hat jedoch auf den vorliegenden Fall keine Auswirkung. Denn für das Vorliegen der Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X kommt es nur darauf an, dass gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt und diese Leistung auch tatsächlich bezogen wird. Dass ist hier der Fall. Soweit und solange die bestandskräftig gewordene Rentenbewilligungsentscheidung besteht, sind die Beteiligten hieran gebunden. Der Senat vermag der dies bezüglichen Auffassung des Sozialgerichts, § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG sei ergänzend dahin auszulegen, dass er in Fällen des § 134 Abs. 3c AFG nur mit der Maßgabe Anwendung finde, dass die bereits gewährte Altersrente nach den üblichen Erstattungsregeln wieder an den Rentenversicherungsträger zurückzuführen sei, sobald rechtskräftig geklärt sei, dass der betroffene Arbeitslose keinen Antrag auf Altersrente i.S.v. § 134 Abs. 3c AFG zu stellen hatte, nicht zu folgen. Insoweit stützt das Sozialgericht seine Ansicht darauf, dass der Betroffene schutzlos sei, weil er die Aufforderung zur Rentenantragstellung mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht anfechten könne. Diese Auffassung ist unzutreffend. Denn die Aufforderung der Beklagten vom 14.03.1997 ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren (vgl. BSG vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R -). Daher war dem Kläger die Möglichkeit des Widerspruchs und nach ablehnendem Widerspruchsbescheid die der Erhebung einer Anfechtungsklage gegeben.
Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis läßt sich schließlich auch nicht aus dem sogenannten sozialrechtlichem Herstellungsanspruch herleiten. Dieser setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, verletzt (§ vgl. BSG vom 25.01.1994 - 7 RAr 50/93 - m.w.N.). Mit Hilfe des Herstellungsanspruchs läßt sich ein Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers jedoch nur insoweit berichtigen, als die Korrektur mit dem Gesetzeszweck in Einklang steht. Das kann bei verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, wenn die Verspätung auf einem pflichtwidrigem Verhalten des Leistungsträger beruht (vgl. BSG a.a.O.). Dagegen können im Wege des Herstellungsan spruchs jedoch tatsächliche Verhältnisse nicht geändert werden. Die Zuerkennung der Altersrente und deren tatsächliche Zahlung ist indessen eine Begebenheit tatsächlicher Art, die nicht der Gestaltung durch Verwaltungsakte der Beklagten zugänglich ist. Sie kann nicht im Wege der Fiktion ungeschehen gemacht werden (vgl. dazu BSG a.a.O.).
Auch die Entscheidung des BSG vom 29.09.1987 - 7 RAr 23/86 - in SozR 4100 § 125 Nr. 3 führt zu keiner anderen Beurteilung. Hier nach kann zwar in Fällen der Versäumung von gesetzlichen Antragsfristen und von Ausschlußfristen unter Umständen ein Herstellungsanspruch gegeben sein. Diese Rechtsgedanken können jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Denn für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG ist allein maßgebend, dass die Altersrente zuerkannt und tatsächlich gezahlt wird (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 118 Nr. 10). Bei Vorliegen dieser Voraussetzung tritt die Ruhenswirkung kraft Gesetzes ein. Ein wirksamer Verzicht des Klägers auf die Zuerkennung der Altersrente, dem die Regelung des § 134 Abs. 3 c Satz 3 AFG entgegensteht, ist von ihm nicht ausgesprochen.
Über einen etwaigen Schadensersatzanspruch gemäss Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB hatte der Senat nicht zu befinden. Der Kläger hat einen solchen bisher nicht geltend gemacht. Im übrigen wäre insoweit der Zivilrechtsweg eröffnet (Art. 34 Satz 3 GG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Umstritten ist, ob die Beklagte berechtigt ist, die dem Kläger bewilligte Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 aufzuheben.
Der am 08.04.1937 geborene Kläger bezog seit dem 01.09.1988 von d der Beklagten ununterbrochen Arbeitslosenhilfe mit Ausnahme eines Unterhaltsgeldbezuges in der Zeit vom 01.07. bis 31.12.1992. Mit Bescheid vom 05.09.1996 bewilligte die Beklagte ihm Arbeitslosenhilfe ab 02.09.1996 bis Ende des Bewilligungsabschnitts am 31.08.1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 409,20 DM. Mit Bescheid vom 07.01.1997 paßte die Beklagte die Arbeitslosenhilfe für Zeit vom 01.01.1997 bis 31.08.1997 an die Leistungsverordnung 1997 an. Der wöchentliche Leistungssatz betrug nunmehr 402,60 DM entsprechend monatlich 1.744,60 DM. Der Kläger ist verheiratet, seine Ehefrau verfügt über kein eigenes Einkommen.
Am 27.08.1996 forderte die Beklagte den Kläger auf, im Oktober/November 1996 einen Rentenantrag zu stellen, da er im April 1997 60 Jahre alt werde. Mit Schreiben vom 14.03.1997 wurde der Kläger unter Bezugnahme auf die ab 01.07.1996 geltende Rechtslage gemäß § 134 Abs. 3 c AFG erneut zur Beantragung von Altersrente innerhalb eines Monats ab Zugang des Schreibens aufgefordert. Die Beklagte wies darauf hin, dass der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe während der Zeit, für die eine Rente wegen Alters zuerkannt sei, gemäss § 134 Abs. 4 i.V.m. § 118 AFG ruhe. Auf der Rückseite des Schreibens war u.a. der Gesetzestext des § 134 Abs. 3c AFG abgedruckt. Der Kläger erwiderte daraufhin, er habe am 10.02.1997 Altersrente mit Wirkung vom 01.05.1997 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) beantragt.
Diese teilte der Beklagten mit Schreiben vom 24.04.1997, das am 05.05.1997 eingegangen ist, mit, dem Kläger sei ab 01.05.1997 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bewilligt worden. Die monatliche Rente betrage ab 01.05.1997 1.356,37 DM. Abzüglich des Beitragsanteils für die Kranken- und Pflegeversicherung ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag von 1.253,97 DM.
Mit Bescheid vom 07.05.1997 hob daraufhin die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, gestützt auf § 118 AFG i.V.m. § 48 SGB X, auf. Für Mai 1997 war bis dahin noch keine Arbeitslosenhilfe gezahlt worden.
Hiergegen erhob der Kläger am 09.06.1997 Widerspruch. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Er habe die Altersrente auf Anraten seiner Arbeitsvermittlerin beantragt. Die Höhe der Rente sei jedoch niedriger als die der vorher bezogenen Arbeitslosenhilfe. Das Sozialamt werde zwar seine Rente aufstocken, sich jedoch die gezahlte Sozialhilfe von seinen Kindern erstatten lassen. Er habe nun erfahren, dass er gar keine Rente hätte beantragen müssen. Er hätte sich dann voll für die Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt.
Das Sozialamt der Stadt xxxx bewilligte mit Bescheid vom 21.05.1997 dem Kläger ergänzend zur Altersrente Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 252,03 DM als Darlehen. Gleichzeitig wurde der Kläger zur Verwertung seines Kraftfahrzeuges sowie zu Bemühungen um eine kostengünstigere Wohnung aufgefordert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Das Arbeitsamt solle dem Arbeitslosen, der in absehbarer Zeit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente wegen Alters voraussichtlich erfülle, auffordern, diese Rente innerhalb eines Monats zu beantragen. Dies gelte nicht für Altersrenten, die vor dem für den Versicherten maßgeblichen Rentenalter in Anspruch genommen werden könnten. Während des Bezuges von Altersrente ruhe der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG. Gemäss § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und Nr. 4 SGB X sei sie deshalb zur rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigt. Der Kläger habe das Merkblatt für Arbeitslose erhalten. Deshalb habe er leicht erkennen können, dass sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe wegen des Bezuges der Altersrente entfallen sei. Einer Ermessensausübung habe es gemäss § 152 Abs. 3 AFG nicht bedurft.
Hiergegen hat der Kläger am 21.07.1997 Klage vor dem Sozialgericht Detmold erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die Sollvorschrift des § 134 Abs. 3c AFG dürfe nicht angewandt werden, wenn die Altersrente deutlich niedriger ausfalle als die Arbeitslosenhilfe. Sofern er wieder Arbeitslosenhilfe erhalte, werde er gleichzeitig seinen Antrag auf Auszahlung der Altersrente zurücknehmen. Er begehre mithin keine Doppelleistung von Rente und Arbeitslosenhilfe. Er bewohne mit seiner Ehefrau ein Reihenhaus, dessen Miethöhe von 1.350,-- DM vom Sozialamt nur in Höhe von 550,-- DM berücksichtigt werde. Sein Pkw, den er verwerten solle, habe nur ein Restwert von 1.500,-- DM, liege also unter dem Vermögensfreibetrag. Die Inanspruchnahme seiner Kinder durch das Sozialamt habe zu familiären Zerwürfnissen geführt. Um diese wieder rückgängig zu machen, habe er seinen Antrag auf Sozialhilfe zurückgezogen. Um überhaupt leben zu können, sei er gezwungen, sich sehr stark einzuschränken und privat zu verschulden. Er habe bisher 33 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt. Bei Weitergewährung von Arbeitslosenhilfe erreiche er in den nächsten Jahren eine Beitragszeit von 35 Versicherungsjahren. Seine spätere Rente würde durch die mit einem weiteren Arbeitslosenhilfebezug verbundenen weiteren Rentenbeitragszeiten noch steigen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die BfA für Angestellte hat mit Schreiben vom 28.11.1997 mitgeteilt, die Altersrente des Klägers werde in Umsetzung einer rentenrechtlichen Vertrauensschutzregelung ungemindert gezahlt. Falls die Rente erst als Regelaltersrente zum 65. Lebensjahr beantragt würde, würde sie nach derzeitiger Rechtslage nur dann höher ausfallen, wenn im Zeitraum vom 01.05.1997 bis zum 30.04.2002 weitere Beitrags-, Ersatz- oder Anrechnungszeiten zurückgelegt und anerkannt würden, so dass es zu einer Erhöhung der persönlichen Entgeltpunkte des Versicherten käme.
Durch Urteil vom 26.08.1998 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997 verletze den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte habe ihn zu Unrecht zur Beantragung von Altersrente aufgefordert und nach Bewilligung der Rente die Gewährung von Arbeitslosenhilfe eingestellt. Zwar solle das Arbeitsamt nach § 134 Abs. 3c AFG den Arbeitslosen zur Beantragung einer Altersrente auffordern. Nach Auskunft der BfA werde die Rente des Klägers aufgrund einer rentenrechtlichen Vertrauensschutzregelung auch nicht wegen vorzeitiger Inanspruchnahme gemindert. Gleichwohl habe die Beklagte den Kläger nicht zur Beantragung von Altersrente auffordern und damit durch die Bewilligung der Rente ein Ruhen des Arbeitslosenhilfeanspruchs (§ 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG) herbeiführen dürfen. Die Beklagte habe mit ihrer Aufforderung zum Rentenantrag das ihr durch die Gesetzesformulierung "soll" in § 134 Abs. 3c Satz 1 AFG eingeräumte Ermessen falsch ausgeübt. Der Gesetzeswortlaut zeige, dass es nach der Absicht des Gesetzgebers Fälle gebe, in denen von einer Aufforderung zum Rentenantrag aus nahmsweise Abstand zu nehmen sei. Weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien sei allerdings zu entnehmen, wann dies im Einzelnen der Fall sein soll. Durch Verwaltung und Rechtsprechung seien daher Fallgruppen herzustellen, in denen die Aufforderung zum Rentenantrag zu unterbleiben habe. Dabei seien auch die wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen bis zum regulären Ende des Bezuges von Arbeitslosenhilfe mit der Vollendung des 65. Lebensjahres zu berücksichtigen. Insoweit hätte das der Beklagten eingeräumte Ermessen aus zweierlei Gründen allein die Entscheidung erlaubt, auf die Antragsaufforderung zu verzichten. Zum einen möge zwar dem Gesetz die Absicht zu entnehmen sein, dem Bezug von Rente als auf Beitragszahlungen basierender Versicherungsleistung den Vorrang einzuräumen vor dem Bezug von Arbeitslosenhilfe, welche jedenfalls Elemente einer Sozialhilfeleistung in sich berge und damit keine reine beitragsbasierende Versicherungsleistung darstelle. Dieser Gedanke, welcher wegen des immensen, aus Steuermitteln finanzierten Zuschusses aus dem Bundeshaushalt zur Rentenversicherung ohnehin kein allzu grosses Gewicht haben könne, könne sich von vorn herein jedoch keine Bedeutung verschaffen in Fällen wie denen des Klägers, in denen die Beantragung von Altersrente zu einer Bedürftigkeit für ergänzende Sozialhilfe führen. Denn dann werde von der besonderen Sozialhilfeleistungsart Arbeitslosenhilfe jedenfalls zum Teil gewechselt zur reinen Sozialhilfe. Zum anderen sei von einer Aufforderung zum Rentenantrag dann abzusehen, wenn der Wechsel von der Arbeitslosenhilfe zur Rente bei Lebensverhältnissen, die sich wie im Falle des Klägers ohnehin im äußerst bescheidenen Rahmen bewegt, zu einer drastischen Verschlechterung des Familieneinkommens und zum Eintritt von Armut, z.B. durch Sozialhilfebedürftigkeit, führe. Der Kläger habe für sich und seiner Ehefrau bei einem Wechsel zur Altersrente für sein 60. bis 65. Lebensjahr einen Verlust in seinem ohnehin sehr geringen Einkommen von fast 1/3 hinzunehmen und werde dadurch ergänzend sozialhilfebedürftig. Zwar könnten aus dem grundgesetzlich garantierten Sozialstaats prinzip keine direkten Leistungsansprüche des Einzelnen abgeleitet werden. Jedes Prinzip würde jedoch zur blossen Verfassungspoesie verkommen, könnte es nicht als Auslegungstopos in Fällen, wie dem vorliegenden, herangezogen werden. Räume deshalb der Gesetzgeber wie in § 134 Abs. 3c AFG der Arbeitsverwaltung in Ausnahmefällen die Möglichkeit einer Ermessensausübung ein und sei die anzuwendende Vorschrift allein unter dem Gesichtspunkt geschaffen worden, Einsparungen bei den Sozialleistungen herbeizuführen, so verbiete eine Auslegung des § 134 Abs. 3c AFG im Lichte des Sozialstaats prinzip bei derart drastischen wirtschaftlichen Folgen das Verweisen des Betroffenen auf Inanspruchnahme auf Altersrente vor Erreichen der Regelaltersrente von 65 Jahren. Dies gelte jedenfalls dann, solange sich der Betroffene, wie der Kläger, weiterhin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stelle. Dem gegenüber könne nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Bezug von Rente bringe nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zum Ruhen. Diese Ansicht greife in Fällen eines Rentenantrags im Zusammenhang mit der Umsetzung des § 134 Abs. 3c AFG erkennbar zu kurz. Denn sie würde zur offensichtlichen Recht losigkeit des Betroffenen führen. Stelle der Arbeitslose den Antrag auf Rente nicht, ruhe sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe vom Tag nach Ablauf der ihm gesetzten Antragsfrist bis zu dem Tag, an dem er Rente wegen Alters beantrage. Beantrage er aber die Altersrente und erhalte die Rente bewilligt, ruhe sein Anspruch ebenfalls. Gegen die Aufforderung zum Rentenantrag allein könne er nicht erfolgreich Anfechtungsklage erheben, da ihr noch keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen zukomme und sie somit nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei, gegen den die Anfechtungsklage zulässig wäre. Dieses Dilemma des Arbeitslosen im Falle des § 134 Abs. 3c AFG sei vom Gesetzgeber offensichtlich übersehen worden. Er habe es versäumt, die ältere Regelung in § 118 AFG um eine Regelung zu ergänzen, die dem neuen Sonderfall Rechnung trage. Da dies nicht zur Rechtschutzlosigkeit des Betroffenen führen könne, sei § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG er gänzend dahin auszulegen, dass er in Fällen des § 134 Abs. 3c AFG nur mit der Maßgabe Anwendung finde, dass bereits gewährte Altersrente nach den üblichen Erstattungsregeln wieder an den Rentenversicherungsträger zurückzuführen sei, sobald rechtskräftig geklärt sei, dass der betroffene Arbeitslose keinen Antrag auf Altersrente i.S.v. § 134 Abs. 3c AFG zu stellen hatte.
Gegen das ihr am 08.10.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.11.1998 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Für eine Ermessensausübung bestehe erst dann Raum, wenn tatsächliche Umstände auf einen atypischen Fall schließen ließen. Im Gegensatz zur Annahme des Sozialgerichts stelle die Höhe der Rente, selbst wenn durch den Wegfall der Arbeitslosenhilfe aufgrund des Rentenbezuges Sozialhilfebedürftigkeit eintrete, nach Auffassung des Gesetzgebers keinen die Atypik begründenden Umstand dar. Vielmehr liege ein atypischer Fall vor, wenn die Nachrangigkeit der Arbeitslosenhilfe gegenüber der Altersrente nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand hergestellt werden könne. Das sei dann der Fall, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit auf Dauer entfalle, z.B. durch Aufnahme einer nicht selbständigen Tätigkeit oder Wegfall der Bedürftigkeit. Anhaltspunkte für eine solche Annahme lägen nicht vor. Darüber hinaus spreche gegen die Entscheidung des Sozialgerichts, dass nach der Regelung der § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG für den Eintritt bzw. die Dauer der Ruhenswirkung nur der formale Akt der Zuerkennung/Bewilligung der Altersrente und dessen Wirksamkeit entscheidend sei. Die Rentenbewilligung habe aber nach wie vor Bestand. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass nach Einführung des § 134 Abs. 3c AFG ein Ruhen nach § 134 Abs. 3c Satz 3 AFG auch z.B. bei Rücknahme des Rentenantrags bzw. Verzicht auf die Rente eintrete, wenn die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch grundsätzlich gegeben seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.08.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid der Beklagten vom 07.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1997, mit dem die Beklagte die dem Kläger bewilligte Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 aufgehoben hat. Nur über die Rechtmäßigkeit dieser Aufhebungsentscheidung hatte der Senat zu befinden.
Die Aufhebungsentscheidung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend stützt die Beklagte ihre Entscheidung auf § 48 SGB X. Soweit hiernach in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass einer Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 05.09.1996, mit dem die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe vom 02.09.1996 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 31.08.1997 bewilligt hat, ist deshalb eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen des Klägers eingetreten, weil die BfA ihm mit Bescheid vom 24.04.1997 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 01.05.1997 bewilligt und tatsächlich gezahlt hat. Deshalb ruhte der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 in voller Höhe gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG. Die einschränkende Vorschrift des § 118 Abs. 2 Nr. 2 AFG gilt gemäß § 134 Abs. 4 Satz 3 AFG im Rahmen der Arbeitslosenhilfe nicht. Zwar führt die Zuerkennung der Altersrente nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AFG nur zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe. Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist indessen auf Ruhensfälle entsprechend anwendbar (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 und 26). Die Jahresfrist hat die Beklagte eingehalten. Einer Ermessensausübung bedurfte es gemäß § 152 Abs. 3 AFG nicht. Die Entscheidung der Beklagten, die dem Kläger bewilligte Arbeitslosenhilfe ab 01.05.1997 aufzuheben, er weist sich somit als rechtens. Dem steht nicht entgegen, dass die Aufforderung der Beklagten zur Rentenantragstellung vom 14.03.1997 möglicherweise deshalb rechtswidrig ist, weil die Beklagte in ihr kein Ermessen ausgeübt hat. Denn in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Altersrente niedriger ist als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe, ist von einem atypischen Fall auszugehen, der die Beklagte zur Ermessensausübung verpflichtet (vgl. BSG vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R -). Die mögliche Rechtswidrigkeit des Aufforderungsschreibens vom 14.03.1997 hat jedoch auf den vorliegenden Fall keine Auswirkung. Denn für das Vorliegen der Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X kommt es nur darauf an, dass gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 4 Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt und diese Leistung auch tatsächlich bezogen wird. Dass ist hier der Fall. Soweit und solange die bestandskräftig gewordene Rentenbewilligungsentscheidung besteht, sind die Beteiligten hieran gebunden. Der Senat vermag der dies bezüglichen Auffassung des Sozialgerichts, § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG sei ergänzend dahin auszulegen, dass er in Fällen des § 134 Abs. 3c AFG nur mit der Maßgabe Anwendung finde, dass die bereits gewährte Altersrente nach den üblichen Erstattungsregeln wieder an den Rentenversicherungsträger zurückzuführen sei, sobald rechtskräftig geklärt sei, dass der betroffene Arbeitslose keinen Antrag auf Altersrente i.S.v. § 134 Abs. 3c AFG zu stellen hatte, nicht zu folgen. Insoweit stützt das Sozialgericht seine Ansicht darauf, dass der Betroffene schutzlos sei, weil er die Aufforderung zur Rentenantragstellung mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht anfechten könne. Diese Auffassung ist unzutreffend. Denn die Aufforderung der Beklagten vom 14.03.1997 ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren (vgl. BSG vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R -). Daher war dem Kläger die Möglichkeit des Widerspruchs und nach ablehnendem Widerspruchsbescheid die der Erhebung einer Anfechtungsklage gegeben.
Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis läßt sich schließlich auch nicht aus dem sogenannten sozialrechtlichem Herstellungsanspruch herleiten. Dieser setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, verletzt (§ vgl. BSG vom 25.01.1994 - 7 RAr 50/93 - m.w.N.). Mit Hilfe des Herstellungsanspruchs läßt sich ein Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers jedoch nur insoweit berichtigen, als die Korrektur mit dem Gesetzeszweck in Einklang steht. Das kann bei verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, wenn die Verspätung auf einem pflichtwidrigem Verhalten des Leistungsträger beruht (vgl. BSG a.a.O.). Dagegen können im Wege des Herstellungsan spruchs jedoch tatsächliche Verhältnisse nicht geändert werden. Die Zuerkennung der Altersrente und deren tatsächliche Zahlung ist indessen eine Begebenheit tatsächlicher Art, die nicht der Gestaltung durch Verwaltungsakte der Beklagten zugänglich ist. Sie kann nicht im Wege der Fiktion ungeschehen gemacht werden (vgl. dazu BSG a.a.O.).
Auch die Entscheidung des BSG vom 29.09.1987 - 7 RAr 23/86 - in SozR 4100 § 125 Nr. 3 führt zu keiner anderen Beurteilung. Hier nach kann zwar in Fällen der Versäumung von gesetzlichen Antragsfristen und von Ausschlußfristen unter Umständen ein Herstellungsanspruch gegeben sein. Diese Rechtsgedanken können jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Denn für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe nach § 118 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 134 Abs. 4 AFG ist allein maßgebend, dass die Altersrente zuerkannt und tatsächlich gezahlt wird (vgl. dazu BSG SozR 4100 § 118 Nr. 10). Bei Vorliegen dieser Voraussetzung tritt die Ruhenswirkung kraft Gesetzes ein. Ein wirksamer Verzicht des Klägers auf die Zuerkennung der Altersrente, dem die Regelung des § 134 Abs. 3 c Satz 3 AFG entgegensteht, ist von ihm nicht ausgesprochen.
Über einen etwaigen Schadensersatzanspruch gemäss Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB hatte der Senat nicht zu befinden. Der Kläger hat einen solchen bisher nicht geltend gemacht. Im übrigen wäre insoweit der Zivilrechtsweg eröffnet (Art. 34 Satz 3 GG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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