Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 2905/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2010 verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in gesetzmäßiger Höhe zu bewilligen. Die Beklagte trägt die außergerichtlich erstattungsfähigen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin C.
Der Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch). Bei seiner Antragstellung legte der Kläger einen Untermietvertrag, datiert auf den 18.11.2002, für die aktuell noch bewohnte Wohnung auf der "Tstraße" in L vor und gab an, mit der Zeugin C und deren Tochter in einer Wohngemeinschaft zu wohnen. Dem Kläger wurden sodann zunächst die beantragten Grundsicherungsleistungen gewährt. Im Folgenden führte der Ermittlungsdienst der Beklagten drei Hausbesuche bei dem Kläger durch. Wegen der Ergebnisse dieser Wohnungsbegehungen wird auf die Protokolle vom 25.01.2006, 27.05.2008 und 23.10.2008 verwiesen.
Am 19.10.2009 stellte der Kläger erneut einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab Dezember 2009. Im Rahmen dieses Fortzahlungsantrags wurde der Kläger sowie die Zeugin C aufgefordert ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Nach der Übersendung entsprechender Nachweise wurde der Antrag auf Leistungen mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.01.2010 ab dem 01.12.2009 abgelehnt. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, in welchem er - entsprechend seines früheren Vortrags - ausführt, dass zwischen ihm und der Zeugin C lediglich eine Wohngemeinschaft bestehe, welche auch durch den Untermietvertrag bestätigt werde. Aus den von ihm eingereichten Quittung über die Mietzahlungen ergebe sich zudem, dass er seinen Mietanteil immer "in bar" an die Zeugen C abgeführt habe. Er bewohne lediglich ein Zimmer und dürfe darüber hinaus nur die Küche und das Bad mitbenutzen. Die Haushaltsführung erfolge getrennt. Darüber hinaus bestünden auch keine gegenseitigen Kontovollmachten oder andere Einstandspflichten. Es würden auch keine gemeinsamen Urlaube verbracht.
Zudem verfolgte der Kläger seine Interessen im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (Az.: S 10 AS 669/10 ER) vor dem erkennenden Gericht, in welchem seine Mitbewohnerin Frau C als Zeugin vernommen wurde. Hinsichtlich des Ergebnisses des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und der Zeugenvernehmung wird auf das Sitzungsprotokoll der Sitzung des erkennenden Gerichts vom 24.03.2010 und dessen Anlage verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter der Begründung als unbegründet zurück, dass zwischen dem Kläger und der Zeugin C sehr wohl eine Bedarfsgemeinschaft bestehe. Insbesondere könne das reine Vorliegen eines Untermietvertrages die gemäß § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II bestehende Vermutung einer Bedarfsgemeinschaft nicht widerlegen. Dies sei auch in Anbetracht der zahlreichen Hausbesuche nicht möglich gewesen. Danach sei weder eine räumliche noch eine organisatorische Trennung erkennbar gewesen. Mithin müsse das Einkommen der Zeugin C bedarfsmindernd angerechnet werden, was – zwischen den Beteiligten unstreitig – zu einem Ausschluss des Leistungsanspruchs des Klägers führe.
Sodann hat der Kläger vor dem erkennenden Gericht um Rechtsschutz nachgesucht. Der Kläger trägt insoweit ergänzend vor, dass die von der Beklagten zitierte Vermutung für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft vorliegend nicht zum Tragen komme. Dies sei erst dann der Fall, wenn "Partner" länger als ein Jahr "zusammen leben". Mithin reiche die unstreitige Tatsache, dass der Kläger mit der Zeugen C schon seit dem Jahr 2002 zusammen wohne nicht für die Begründung der Vermutung aus. Im Übrigen verweist der Kläger im Grunde auf seinen Vortrag im Vorverfahren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2010 Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger stehen für den streitgegenständlichen Zeitraum ab Antragstellung am 19.10.2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) in gesetzmäßiger Höhe zu.
Der Kläger hat glaubhaft darlegen können, dass er in dem obengenannten Zeitraum hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II gewesen ist. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit und aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Vorliegend war bei einer Gesamtwürdigung der Umstände davon auszugehen, dass das Einkommen der Zeugin C nicht i.S.d. § 9 Abs. 2 S. 1, 2 SGB II bei der Ermittlung des Hilfebedarfs des Klägers berücksichtigt werden dufte.
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Kläger und die Zeugin C in dem streitbefangenen Zeitraum keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gebildet haben.
Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen "nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten" im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar (BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87; dass., Beschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04).
Dieser Wille wird nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II u.a. dann vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben. Auf diese Weise soll dem Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den häuslichen Verhältnisse entgegengewirkt werden (amtl. Begr. BT-Drs. 16/1410, S. 19). Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist anhand von Hilfstatsachen (Indizien) und einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob eine Einstandsgemeinschaft im obengenannten Sinne vorliegt (LSG NRW, Beschluss vom 14.07.2006 – L 9 B 63/06 AS ER). Insoweit löst jedoch nicht jede Form des Zusammenlebens, sondern nur ein "qualifiziertes" Zusammenleben in einer Haushaltsgemeinschaft, die Vermutungsfolge des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II aus. Die Vorschrift ist insoweit verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Vermutungstatbestand erst dann erfüllt ist, wenn die Personen als Partner zusammen wohnen und zusammen wirtschaften, was vom SGB II-Träger nachzuweisen ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.11.2007 – L 1 B 55/07 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.09.2007 – L 9 AS 439/07 ER).
Im vorliegenden Fall hat die durchgeführte Beweiserhebung nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts führen können, dass zwischen dem Kläger und Frau C eine Einstandsgemeinschaft bzw. "Partnerschaft" i.S.d. §§ 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3 a SGB II besteht. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG ist unter einer solchen eheähnlichen Beziehung eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Dies hat der Gesetzgeber mit dem verwendeten Begriff des "Partners" in den Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 SGB II nochmals konkret zum Ausdruck gebracht.
Die obige Überzeugung hat das Gericht insbesondere aus der durchgeführten Zeugenvernehmung gewonnen. Die Zeugin C hat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Klägers angegeben, dass das Verhältnis zwischen dem Kläger und ihr lediglich freundschaftlicher Natur sei und keinesfalls eine Partnerschaft bestehe bzw. bestanden habe. Die Aussage war in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Selbst wenn hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Person der Zeugin C leichte Bedenken bestehen könnten, da diese aufgrund der Anrechnung ihres Einkommens ein erhebliches Eigeninteresse an dem positiven Ausgang des Rechtsstreits haben dürfte, so haben diese Bedenken letztlich nicht zu einer Unglaubwürdigkeit der Zeugin geführt.
Zwar ist den Ausführungen der Beklagten insoweit beizupflichten, als dass die objektive Sachlage Indizien für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bzw. Partnerschaft der Zeugin C mit dem Kläger aufweist. So ist insbesondere das Begehungsprotokoll der Beklagten vom 27.05.2008 (Bl. 120 d. VA) geeignet, leichte Zweifel an dem Vorbringen des Klägers und der Zeugin C zu begründen. So war das Zimmer des Klägers am Tag der Wohnungsbegehung wohl nur spärlich eingerichtet und mit wenigen persönlichen Sachen ausgestattet. Nach der Wertung der Ermittlungspersonen vermittelte der Raum des Klägers keinen bewohnten Eindruck. Der Kläger gab ab als Begründung für den Zustands des Raumes an, dass dieser gerade renoviert werde. Ob der Kläger in diesem Raum geschlafen hat, ließ sich im Rahmen der Wohnungsbegehung nicht feststellen, da das Oberbett zum Zeitpunkt der Besichtigung (ca. 08.00 Uhr) bereits im Bettkasten verstaut war. Nach den Angaben der Ermittlungspersonen war das Oberbett allerdings unbezogen. Das Bett im Schlafzimmer der Zeugin C war zu diesem Zeitpunkt doppelseitig bezogen. Auch die Verteilung der Kleidungsstücke hat bei der Kammer geringe Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Angaben des Klägers und der Zeugin C hervorgerufen.
Allerdings haben diese Gegebenheiten nur indiziellen Charakter, welche eine volle Überzeugung des Gerichts hinsichtlich des Bestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft bzw. Partnerschaft vorliegend nicht begründen konnten. So stellte sich die Einrichtung des vom Kläger bewohnten Zimmers bei einem erneuten Hausbesuch durch den Ermittlungsdienst der Beklagten am 23.10.2008 (Bl. 128 d. VA) bereits gänzlich anders da. Das Zimmer des Klägers war an diesem Tag vollständig eingerichtet (Kleiderschrank, Stereoanlage, Fernseher etc.) und auf dem ausgeklappten Schlafsofa lag noch das bezogene Bettzeug. Dies lässt nach Auffassung der Kammer eine deutliche Trennung der Wohnbereiche des Klägers und der ZeuginC erkennen, welche geeignet ist, die Intimsphäre hinreichend zu wahren. Das Gericht hielt es auch für fernliegend, dass die Raumsituation lediglich im Hinblick auf die Beanstandungen im letzten Begehungsprotokoll vom 27.05.2008 so "hergerichtet" wurde, da der Kläger für den damaligen Zustand des Zimmer einen plausiblen und glaubhaften Grund (Renovierung) angegeben hatte. Zudem musste der Kläger nach zwei vergangenen Hausbesuchen nicht mehr mit einer Wohnungsbegehung seitens der Beklagten rechnen.
Darüber hinaus decken sich die Angaben der Zeugin C mit den Angaben des Klägers hinsichtlich der Motivation des Zusammenzugs. Beide haben übereinstimmend angegeben, sich in ihrer Stammgaststätte kennengelernt zu haben. Aufgrund des Todes des Ehemannes der Zeugin C geriet diese hinsichtlich der Begleichung der Mietzahlungen in finanzielle Probleme und suchte deshalb einen Untermieter. Der Kläger, welcher aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen eine Wohnung in unteren Geschossen suchte, kam sodann mit der Zeugin C ins Gespräch. Da der Kläger aufgrund seiner finanziellen Situation Probleme bei der Wohnungssuche hatte, einigte man sich darauf, dass dieser als Untermieter bei der Zeugin C einziehen sollte. Der Vortrag der Zeugin ist insoweit nachvollziehbar und glaubhaft. Die Glaubhaftigkeit der Aussage wird insbesondere dadurch unterstützt, dass der Untermietvertrag zwischen dem Kläger und der Zeugin C (Bl. I 1 d. VA) bereits am 18.11.2002 - und mithin vor Beginn des Leistungsbezugs - unterzeichnet wurde.
Letztlich hat die Zeugin C glaubhaft vorgetragen, dass Sie den Kläger in keinerlei Hinsicht finanziell unterstütze. So liegen insbesondere keine gemeinsamen Konten bzw. Kontovollmachten vor und jeder kauft die Dinge des täglichen Bedarfs in eigener Verantwortung für sich selber ein. Der Kläger zahlt regelmäßig eine (Pauschal-) Miete an die Zeugin C, welche durch Mietquittungen belegt wird. Es werden keine gemeinsamen Urlaube verbracht und - mit Ausnahme gelegentlicher Feiern bei den Nachbarn - auch keine gemeinsamen Aktivitäten unternommen. Letztlich hat die Zeugin C auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts glaubhaft angegeben, dass Sie dem Kläger auch in Notsituationen kein Geld schenken würde.
Mithin war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin C.
Der Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch). Bei seiner Antragstellung legte der Kläger einen Untermietvertrag, datiert auf den 18.11.2002, für die aktuell noch bewohnte Wohnung auf der "Tstraße" in L vor und gab an, mit der Zeugin C und deren Tochter in einer Wohngemeinschaft zu wohnen. Dem Kläger wurden sodann zunächst die beantragten Grundsicherungsleistungen gewährt. Im Folgenden führte der Ermittlungsdienst der Beklagten drei Hausbesuche bei dem Kläger durch. Wegen der Ergebnisse dieser Wohnungsbegehungen wird auf die Protokolle vom 25.01.2006, 27.05.2008 und 23.10.2008 verwiesen.
Am 19.10.2009 stellte der Kläger erneut einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab Dezember 2009. Im Rahmen dieses Fortzahlungsantrags wurde der Kläger sowie die Zeugin C aufgefordert ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Nach der Übersendung entsprechender Nachweise wurde der Antrag auf Leistungen mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.01.2010 ab dem 01.12.2009 abgelehnt. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, in welchem er - entsprechend seines früheren Vortrags - ausführt, dass zwischen ihm und der Zeugin C lediglich eine Wohngemeinschaft bestehe, welche auch durch den Untermietvertrag bestätigt werde. Aus den von ihm eingereichten Quittung über die Mietzahlungen ergebe sich zudem, dass er seinen Mietanteil immer "in bar" an die Zeugen C abgeführt habe. Er bewohne lediglich ein Zimmer und dürfe darüber hinaus nur die Küche und das Bad mitbenutzen. Die Haushaltsführung erfolge getrennt. Darüber hinaus bestünden auch keine gegenseitigen Kontovollmachten oder andere Einstandspflichten. Es würden auch keine gemeinsamen Urlaube verbracht.
Zudem verfolgte der Kläger seine Interessen im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (Az.: S 10 AS 669/10 ER) vor dem erkennenden Gericht, in welchem seine Mitbewohnerin Frau C als Zeugin vernommen wurde. Hinsichtlich des Ergebnisses des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und der Zeugenvernehmung wird auf das Sitzungsprotokoll der Sitzung des erkennenden Gerichts vom 24.03.2010 und dessen Anlage verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter der Begründung als unbegründet zurück, dass zwischen dem Kläger und der Zeugin C sehr wohl eine Bedarfsgemeinschaft bestehe. Insbesondere könne das reine Vorliegen eines Untermietvertrages die gemäß § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II bestehende Vermutung einer Bedarfsgemeinschaft nicht widerlegen. Dies sei auch in Anbetracht der zahlreichen Hausbesuche nicht möglich gewesen. Danach sei weder eine räumliche noch eine organisatorische Trennung erkennbar gewesen. Mithin müsse das Einkommen der Zeugin C bedarfsmindernd angerechnet werden, was – zwischen den Beteiligten unstreitig – zu einem Ausschluss des Leistungsanspruchs des Klägers führe.
Sodann hat der Kläger vor dem erkennenden Gericht um Rechtsschutz nachgesucht. Der Kläger trägt insoweit ergänzend vor, dass die von der Beklagten zitierte Vermutung für das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft vorliegend nicht zum Tragen komme. Dies sei erst dann der Fall, wenn "Partner" länger als ein Jahr "zusammen leben". Mithin reiche die unstreitige Tatsache, dass der Kläger mit der Zeugen C schon seit dem Jahr 2002 zusammen wohne nicht für die Begründung der Vermutung aus. Im Übrigen verweist der Kläger im Grunde auf seinen Vortrag im Vorverfahren.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2010 Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger stehen für den streitgegenständlichen Zeitraum ab Antragstellung am 19.10.2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) in gesetzmäßiger Höhe zu.
Der Kläger hat glaubhaft darlegen können, dass er in dem obengenannten Zeitraum hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II gewesen ist. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit und aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Vorliegend war bei einer Gesamtwürdigung der Umstände davon auszugehen, dass das Einkommen der Zeugin C nicht i.S.d. § 9 Abs. 2 S. 1, 2 SGB II bei der Ermittlung des Hilfebedarfs des Klägers berücksichtigt werden dufte.
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Kläger und die Zeugin C in dem streitbefangenen Zeitraum keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gebildet haben.
Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen "nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten" im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar (BVerfG, Urteil vom 17. November 1992 - 1 BvL 8/87; dass., Beschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04).
Dieser Wille wird nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II u.a. dann vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben. Auf diese Weise soll dem Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den häuslichen Verhältnisse entgegengewirkt werden (amtl. Begr. BT-Drs. 16/1410, S. 19). Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist anhand von Hilfstatsachen (Indizien) und einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob eine Einstandsgemeinschaft im obengenannten Sinne vorliegt (LSG NRW, Beschluss vom 14.07.2006 – L 9 B 63/06 AS ER). Insoweit löst jedoch nicht jede Form des Zusammenlebens, sondern nur ein "qualifiziertes" Zusammenleben in einer Haushaltsgemeinschaft, die Vermutungsfolge des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II aus. Die Vorschrift ist insoweit verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Vermutungstatbestand erst dann erfüllt ist, wenn die Personen als Partner zusammen wohnen und zusammen wirtschaften, was vom SGB II-Träger nachzuweisen ist (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.11.2007 – L 1 B 55/07 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.09.2007 – L 9 AS 439/07 ER).
Im vorliegenden Fall hat die durchgeführte Beweiserhebung nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts führen können, dass zwischen dem Kläger und Frau C eine Einstandsgemeinschaft bzw. "Partnerschaft" i.S.d. §§ 7 Abs. 3 Nr. 3c, Abs. 3 a SGB II besteht. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG ist unter einer solchen eheähnlichen Beziehung eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Dies hat der Gesetzgeber mit dem verwendeten Begriff des "Partners" in den Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 SGB II nochmals konkret zum Ausdruck gebracht.
Die obige Überzeugung hat das Gericht insbesondere aus der durchgeführten Zeugenvernehmung gewonnen. Die Zeugin C hat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Klägers angegeben, dass das Verhältnis zwischen dem Kläger und ihr lediglich freundschaftlicher Natur sei und keinesfalls eine Partnerschaft bestehe bzw. bestanden habe. Die Aussage war in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Selbst wenn hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Person der Zeugin C leichte Bedenken bestehen könnten, da diese aufgrund der Anrechnung ihres Einkommens ein erhebliches Eigeninteresse an dem positiven Ausgang des Rechtsstreits haben dürfte, so haben diese Bedenken letztlich nicht zu einer Unglaubwürdigkeit der Zeugin geführt.
Zwar ist den Ausführungen der Beklagten insoweit beizupflichten, als dass die objektive Sachlage Indizien für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bzw. Partnerschaft der Zeugin C mit dem Kläger aufweist. So ist insbesondere das Begehungsprotokoll der Beklagten vom 27.05.2008 (Bl. 120 d. VA) geeignet, leichte Zweifel an dem Vorbringen des Klägers und der Zeugin C zu begründen. So war das Zimmer des Klägers am Tag der Wohnungsbegehung wohl nur spärlich eingerichtet und mit wenigen persönlichen Sachen ausgestattet. Nach der Wertung der Ermittlungspersonen vermittelte der Raum des Klägers keinen bewohnten Eindruck. Der Kläger gab ab als Begründung für den Zustands des Raumes an, dass dieser gerade renoviert werde. Ob der Kläger in diesem Raum geschlafen hat, ließ sich im Rahmen der Wohnungsbegehung nicht feststellen, da das Oberbett zum Zeitpunkt der Besichtigung (ca. 08.00 Uhr) bereits im Bettkasten verstaut war. Nach den Angaben der Ermittlungspersonen war das Oberbett allerdings unbezogen. Das Bett im Schlafzimmer der Zeugin C war zu diesem Zeitpunkt doppelseitig bezogen. Auch die Verteilung der Kleidungsstücke hat bei der Kammer geringe Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Angaben des Klägers und der Zeugin C hervorgerufen.
Allerdings haben diese Gegebenheiten nur indiziellen Charakter, welche eine volle Überzeugung des Gerichts hinsichtlich des Bestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft bzw. Partnerschaft vorliegend nicht begründen konnten. So stellte sich die Einrichtung des vom Kläger bewohnten Zimmers bei einem erneuten Hausbesuch durch den Ermittlungsdienst der Beklagten am 23.10.2008 (Bl. 128 d. VA) bereits gänzlich anders da. Das Zimmer des Klägers war an diesem Tag vollständig eingerichtet (Kleiderschrank, Stereoanlage, Fernseher etc.) und auf dem ausgeklappten Schlafsofa lag noch das bezogene Bettzeug. Dies lässt nach Auffassung der Kammer eine deutliche Trennung der Wohnbereiche des Klägers und der ZeuginC erkennen, welche geeignet ist, die Intimsphäre hinreichend zu wahren. Das Gericht hielt es auch für fernliegend, dass die Raumsituation lediglich im Hinblick auf die Beanstandungen im letzten Begehungsprotokoll vom 27.05.2008 so "hergerichtet" wurde, da der Kläger für den damaligen Zustand des Zimmer einen plausiblen und glaubhaften Grund (Renovierung) angegeben hatte. Zudem musste der Kläger nach zwei vergangenen Hausbesuchen nicht mehr mit einer Wohnungsbegehung seitens der Beklagten rechnen.
Darüber hinaus decken sich die Angaben der Zeugin C mit den Angaben des Klägers hinsichtlich der Motivation des Zusammenzugs. Beide haben übereinstimmend angegeben, sich in ihrer Stammgaststätte kennengelernt zu haben. Aufgrund des Todes des Ehemannes der Zeugin C geriet diese hinsichtlich der Begleichung der Mietzahlungen in finanzielle Probleme und suchte deshalb einen Untermieter. Der Kläger, welcher aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen eine Wohnung in unteren Geschossen suchte, kam sodann mit der Zeugin C ins Gespräch. Da der Kläger aufgrund seiner finanziellen Situation Probleme bei der Wohnungssuche hatte, einigte man sich darauf, dass dieser als Untermieter bei der Zeugin C einziehen sollte. Der Vortrag der Zeugin ist insoweit nachvollziehbar und glaubhaft. Die Glaubhaftigkeit der Aussage wird insbesondere dadurch unterstützt, dass der Untermietvertrag zwischen dem Kläger und der Zeugin C (Bl. I 1 d. VA) bereits am 18.11.2002 - und mithin vor Beginn des Leistungsbezugs - unterzeichnet wurde.
Letztlich hat die Zeugin C glaubhaft vorgetragen, dass Sie den Kläger in keinerlei Hinsicht finanziell unterstütze. So liegen insbesondere keine gemeinsamen Konten bzw. Kontovollmachten vor und jeder kauft die Dinge des täglichen Bedarfs in eigener Verantwortung für sich selber ein. Der Kläger zahlt regelmäßig eine (Pauschal-) Miete an die Zeugin C, welche durch Mietquittungen belegt wird. Es werden keine gemeinsamen Urlaube verbracht und - mit Ausnahme gelegentlicher Feiern bei den Nachbarn - auch keine gemeinsamen Aktivitäten unternommen. Letztlich hat die Zeugin C auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts glaubhaft angegeben, dass Sie dem Kläger auch in Notsituationen kein Geld schenken würde.
Mithin war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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