Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3706/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2758/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.5.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Balance-Trainer (Stehtrainer mit dynamischer Stehfunktion) als Hilfsmittel.
Die 1983 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, ist seit 2001 (Erstdiagnose) an Multipler Sklerose erkrankt. Sie leidet zumindest seit dem Jahr 2007 unter einer Tetraspastik links und ist lediglich noch für kurze Schritte gehfähig; deswegen ist sie auf den Gebrauch eines Rollators bzw. eines Rollstuhls angewiesen.
Unter dem 28.2.2007 verordnete der Allgemeinarzt Dr. K. der Klägerin einen Balance-Trainer als Hilfsmittel. Im Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen sind in der Produktgruppe 28 (Stehhilfen) unter Anwendungsort 29 (Ganzkörper) in der Untergruppe 01 (Stehständer) die Produktarten Stehständer feststehend (0000-0999), Stehständer fahrbar (1000-1999), Stehständer zur Wandmontage (2000-2999) und Stehständer zur selbständigen Fortbewegung (3000-3999) aufgeführt. Unter der Produktart "Stehständer fahrbar" ist unter Nr. 1042 ein "Balance-Trainer" (Art.-Nr. 07001-000) aufgeführt.
Mit Bescheid vom 6.3.2007 lehnte die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit einem Balance- Trainer ab; dabei handele es sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zur Begründung des dagegen am 28.2.2007 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, mit dem Balance-Trainer könne sie die noch vorhandene Kraft erhalten, die Muskulatur stärken, Durchblutungsstörungen vorbeugen und das Gleichgewicht trainieren. Der Balance-Trainer sei auch im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Dem Widerspruch waren (u.a.) eine Bescheinigung des Krankengymnasten Barth vom 12.3.2006 und ein Attest des Dr. K. vom 13.3.2007 beigefügt. Dr. K. teilte mit, die Klägerin könne nur noch ein bis zwei Schritte ohne Hilfe gehen, mit Gehwagen etwa 5 m. Durch die Gangataxie, Schwindel und Sehstörungen bestehe erhöhte Sturzgefahr. Zur Verbesserung der Standfähigkeit und der Gangsicherheit werde eine Erprobung des Balance-Trainers empfohlen, um über eine Tonusregulierung mehr Stabilität im Schulter- und Hüftgürtelbereich zu erreichen, eine Verbesserung des Gleichgewichts zu erzielen und so die Sturzgefahr zu vermindern.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Im MDK-Gutachten vom 16.4.2007 führte Dr. A. aus, Indikation für den beantragten Balance-Trainer sei u.a. Multiple Sklerose im fortgeschrittenen Stadium. Den vorliegenden Unterlagen könne ein fortgeschrittenes Stadium in diesem Sinne nicht entnommen werden. Bei Vorliegen eines fortgeschrittenen Stadiums könne aus der einschlägigen Gruppe des Hilfsmittelverzeichnisses auch ein günstigeres Produkt ausgewählt werden.
In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 3.5.2007 ist festgehalten, gegenüber dem fahrbaren Stehständern der Produktgruppe 28.29.01.1042 sei der Balance-Trainer ein neues Produkt. Die Pendelfunktion stelle insoweit offenbar einen Zusatznutzen dar. Offenbar habe die Klägerin über den Balance-Trainer in einer Fachzeitschrift gelesen und wolle auch wegen der Optik nur dieses Produkt.
Die Beklagte, die zur Gewährung eines fahrbaren Stehständers offenbar bereit ist, befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 4.6.2007 führte Dr. Kr. aus, nach einer Produktbeschreibung werde der Balance-Trainer professionell in der Rehabilitation eingesetzt. Er solle bewegungseingeschränkten Personen, die noch nicht selbständig sicher stehen könnten, ein noch wirksameres Stehtraining ermöglichen als mit dem klassischen Stehtrainer. Als Nebeneffekt erzeuge der Balance-Trainer auch mehr Spaß als der konventionelle Stehtrainer. Mittlerweile sei der Balance-Trainer im Hilfsmittelverzeichnis unter der Produktgruppe 28 (Stehhilfen) aufgenommen worden (Hilfsmittelnummer 28.29.01.1042), allerdings nicht in seiner Funktion als dynamisches Stehgerät, sondern als fahrbares statisches Gerät. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zählten bei der schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose medikamentöse Therapie, symptomatische Therapie und Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Vermeidung von Sekundärfolgen und zur Verbesserung funktioneller Einschränkungen zur Basisversorgung der MS-Patienten mit Gehbehinderung und Koordinationsstörung. Erste kontrollierte Studien belegten den Effekt gezielter physiotherapeutischer Maßnahmen. Das häusliche instrumentelle Beüben mit dem Balance-Trainer erwähnten die Leitlinien nicht. Eine Kostenübernahme durch die Versichertengemeinschaft könne nicht begründet werden. Bei der Klägerin solle vorrangig neben der medikamentösen Therapie die aktive Beübung durch Physiotherapie erfolgen. Die angestrebten Ziele der Verbesserung von Tonus und Gleichgewicht und der Verringerung der Sturzgefahr seien durch die genannten etablierten Verfahren zu erreichen. Eine therapeutische Überlegenheit des Balance-Trainers oder eine additive therapeutische Wirkung sei bislang durch Studien mit ausreichender Evidenz für die zugrunde liegende Erkrankung nicht belegt. Der Balance-Trainer sei im Hilfsmittelverzeichnis unter den Stehgeräten aufgenommen. Ein Stehtraining sei aber bei derzeit noch gegebener Stehfähigkeit nicht begründet und könnte im Übrigen mit wirtschaftlicheren Hilfsmitteln aus der Produktgruppe 28.29.01 erfolgen. Es lägen keine wissenschaftlich kontrollierten Studien vor, die evidenzbasiert eine Überlegenheit des Balance-Trainers gegenüber den klassischen Stehtrainern hinsichtlich der therapeutischen Zielsetzung (Stehtraining, Dekubitus-Kontraktur-Pneumonieprophylaxe u.ä.) belegten. Bei weiterer Abnahme der Gehfähigkeit könnte ggf. ein fremdkraftbetriebener Beintrainer sinnvoll sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.9.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Versorgung mit einem herkömmlichen Stehständer sei medizinisch ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich.
Am 11.10.2007 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung verweis sie auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27.11.2007(- S 81 KR 1185/06 -, SG-Akte S. 39). Außerdem legte sie weitere Unterlagen vor. In einer Bescheinigung der Physiotherapeutin H. vom 17.11.2007 ist ausgeführt, die Klägerin sei in die Therapie mit dem Balance-Trainer (im Gesundheitszentrum Bietigheim) eingewiesen worden und habe bei zweimal wöchentlichem Training in ca. drei Monaten eine deutliche Kräftigung der Bein- und besonders der Rumpfmuskulatur erreicht. Die häusliche Versorgung mit einem Balance-Trainer zu täglichem Training werde daher befürwortet.
Das Sozialgericht befragte den behandelnden Internisten Dr. K ... Dieser führte im Bericht vom 20.5.2008 aus, die Klägerin werde (u.a.) kontinuierlich physiotherapeutisch behandelt und erhalte Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage. Der Balance-Trainer könne vom Patienten selbst beliebig häufig angewendet werden, um stehend die in diesem Fall eingeschränkte Balancefunktion im Körperstammbereich zu beüben und damit den status quo zumindest zu erhalten. Die Klägerin könne damit ohne Sturzgefahr ihr dynamisches Stehvermögen trainieren. Dies sei besonders wichtig, da sie sich in der 15. Schwangerschaftswoche befinde. Physiotherapie sei insoweit begrenzt, als die Klägerin maximal 3 Termine in der Woche habe. Optimal und auch dringend geboten sei eine Kombination von Physiotherapie und Balance-Trainer-Anwendung durch die Klägerin selbst.
Die Beklagte legte das MDK-Gutachten des Dr. Kr. vom 3.7.2008 vor. Dieser führte aus, die Klägerin leide an Multipler Sklerose mit schubförmigem, chronisch progredientem Verlauf. Außerdem sei im Dezember 2005 eine Neuroborreliose diagnostiziert und anschließend antibiotisch behandelt worden. Die Klägerin sei u. a. mit einem Badewannenlifter, einer Kniegelenksorthese links, einem Rollstuhl und einem Rollator versorgt. Bei einer stationären neurologischen Rehabilitationsbehandlung im November/Dezember 2007 sei abschließend eine Verbesserung der Mobilität dokumentiert worden. Transfers in den Stand seien selbständig möglich, die Klägerin könne frei statisch stehen, bei spastischer beinbetonter Tetraparese sei das Gehen mit Rollator ohne Fremdhilfe für 2 x 5 Meter möglich, für längere Wegstrecken sei personelle Unterstützung notwendig gewesen; ein Rollstuhl werde empfohlen. Die Rumpfkontrolle sei eingeschränkt. Aus dem aktuell vorgelegten Bericht gehe hervor, dass die neurologische Grunderkrankung medikamentös lediglich noch mit naturheilkundlichen Präparaten behandelt werde. Physiotherapie werde regelmäßig weiter wahrgenommen.
Stehtrainer im Sinne Produktgruppe 28 des Hilfsmittelverzeichnisses (Stehhilfen) seien fahrbare oder feststehende Stehständer oder Schrägliegebretter, mit denen ein häusliches Stehtraining absolviert werden könne, entweder bei begründeter Aussicht auf (Wieder-)Erlangung der Gehfähigkeit oder im Rahmen der Langzeitbehandlung gelähmter Patienten zur Gleichgewichtsschulung, zur Kreislaufkonditionierung, zur Dekubitus- und Kontrakturprophylaxe. Die Klägerin sei allerdings noch steh- und bedingt gehfähig, so dass ein Stehtrainer derzeit nicht zwangsläufig erforderlich sei. Hilfen zum Mobilitätsausgleich (Gehwagen, Rollstuhl) stünden zur Verfügung. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 28.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -) müssten bei einem Hilfsmittel, welches wie hier therapeutischen Zwecken diene, nicht in jedem Fall die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden. Gehe es nur um eine Alternative zu einem gelisteten herkömmlichen Hilfsmittel oder Verbandmittel, reiche es aus, wenn die Produkte zumindest den gleichen therapeutischen Nutzen (bspw. Ruhigstellung, Fixierung, Möglichkeit der Mobilisation) wie die herkömmlicherweise benutzten Produkte (Gipsverband, Orthese, orthopädische Schuhe) aufwiesen. Das Gesetz verlange nur den Nachweis eines therapeutischen Nutzens eines neuen Hilfsmittels, nicht aber einen therapeutischen Zusatznutzen oder Vorteil gegenüber der bisherigen Behandlungsweise. Soweit Hilfsmittel nicht zum Behinderungsausgleich, sondern der Unterstützung der Krankenbehandlung dienten, also therapeutisch eingesetzt würden, sei indessen weiterhin ein Nachweis des therapeutischen Nutzens zu fordern.
Dass der Balancetrainer als Stehgerät einsetzbar sei und dem Stehtraining diene, könne vorausgesetzt werden. In das Hilfsmittelverzeichnis sei der Balance-Trainer als fahrbarer Stehständer aufgenommen worden unter Verweis darauf, dass für die vom Hersteller zusätzlich beworbene Balancefunktion der therapeutische Nutzen nicht belegt sei. Dieser Nachweis stehe weiterhin aus. Die Balancefunktion wie auch die weiteren vom verordnenden Arzt angestrebten Ziele könnten vielmehr - leitlinienorientiert - vorrangig durch etablierte physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen gefördert bzw. erreicht werden (z. B. durch Krankengymnastik nach Bobath, Vojta, durch propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation, Koordinationstraining, außerdem durch Ergotherapie mit Training alltagspraktischer Fähigkeiten, Anleitung zu gefahrlos durchführbaren Übungen in Eigenregie, Feinmotoriktraining, sensorische Stimulation). Das BSG habe auch in dem genannten Urteil bekräftigt, dass die Therapiefreiheit als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten bzw. der Berufsausübungsfreiheit des Arztes durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt werde.
Nach den bereits im Vorgutachten zitierten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie der Multiplen Sklerose zähle zur Basisversorgung der Multiple Sklerose-Patienten mit Gehbehinderung und Koordinationsstörung neben medikamentöser und symptomatischer Therapie die Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Vermeidung von Sekundärfolgen und zur Verbesserung funktioneller Einschränkungen; kontrollierte Studien belegten bereits den Effekt gezielter physiotherapeutischer Maßnahmen. Hingegen lägen außer Einzelfallberichten und Erfahrungsberichten verschiedener Anwender und Kliniken weiterhin keine Veröffentlichungen klinisch kontrollierter, ausreichend evidenter Studien vor (d. h. Studien mit ausreichender Probandenzahl, mit Vergleichs- bzw. Kontrollgruppe und genügend langer Nachbeobachtungszeit), die den Nutzen des Balance-Trainers in häuslicher Anwendung bei Multipler Sklerose hinsichtlich der Therapieziele Verbesserung des Gleichgewichts, der Koordination, des Tonus, der Stand- und Gangsicherheit belegten. Insofern ergeben sich keine neuen Aspekte aus sozialmedizinischer Sicht. Alternativ sei auf die angeführten Therapiemöglichkeiten im Rahmen der Heilmittelverordnung verwiesen. Dass ein häusliches Training mit dem beantragten Gerät zusätzlich zur etablierten Therapie effektiv sei, sei nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Der vom Physiotherapeutischen Zentrum dargestellte Behandlungserfolg beruhe auf dem Gesamtpaket der Therapiemaßnahmen; es sei nicht belegt, dass er dem Einsatz des Balance-Trainers zuzuschreiben sei.
Nachdem das Sozialgericht am 12.8.2009 eine Erörterungsverhandlung durchgeführt hatte, trug die Klägerin abschließend vor, nach Ansicht des Dr. K. (Bericht vom 20.5.2008) sei für sie eine Kombination von Physiotherapie und dem selbst angewandten Balance-Trainer optimal. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 3.8.2006, - B 3 KR 25/05 R -) komme es letztlich nur darauf an, dass das jeweilige Hilfsmittel dem Versicherten zugutekomme. Der vom MDK geforderte Nachweis bzw. wissenschaftliche Beleg für die Wirkung der Balance-Funktion sei nicht notwendig.
In einer zur weiteren Klagebegründung vorgelegten Bescheinigung der Physiotherapeutin Z. vom 26.11.2009 heißt es, die Klägerin könne nicht mehr am Rollator gehen, weshalb die Möglichkeit zum Stehen im Balance-Trainer umso wichtiger sei. Durch das Stehen in diesem Hilfsmittel werde außerdem die Rumpfspannung verbessert. Die Klägerin könne dadurch beim Transfer aus und in den Rollstuhl besser mitarbeiten. Sie stehe dreimal wöchentlich (im Reha-Zentrum Bietigheim-Bissingen) im Balance-Trainer. In dieser kurzen Zeit habe sie enorme Fortschritte gemacht, sitze etwa aufrecht im Rollstuhl und könne auch auf einem Stuhl sitzen. Nur mit dem Einsatz des beantragten Hilfsmittels könne die bisher gewonnene Rumpfspannung erhalten werden.
Die Beklagte trug vor, das beantragte Gerät sei als Stehständer in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden. Für die vom Hersteller sehr massiv beworbene zusätzliche Balancefunktion sei der therapeutische Nutzen jedoch nicht belegt. Die Leistungen der Krankenkasse müssten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der begehrte Balance-Trainer überschreite das Maß des Notwendigen. Die Bewilligung scheitere am Wirtschaftlichkeitsgebot.
Mit Urteil vom 20.5.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen seien. Bei dem Balance-Trainer handele es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (SG Berlin, Urt. v. 27.11.2007, - S 81 KR 1185/06 - ). Die Listung im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) begründe für sich allein nicht die Erforderlichkeit zur Erreichung der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGG V genannten Ziele. Das Hilfsmittelverzeichnis stelle vielmehr eine Meinungsäußerung (jetzt) des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen dar und gebe nur unverbindliche Auslegungshilfen. Da die Klägerin den Balance-Trainer zur Erhaltung der Beweglichkeit benötige, stehe nicht der Behinderungsausgleich bzw. die Behinderungsvorsorge, sondern nur die Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung in Rede. Hierfür sei der Einsatz des Balance-Trainers aber nicht erforderlich; die dreimal wöchentlich angewandte Physiotherapie sei dazu geeignet und auch ausreichend. Das gehe aus den MDK-Gutachten des Dr. Kr. vom 4.6.2007 und 3.7.2008 hervor. Dieser habe nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Beweglichkeit der Klägerin und die Kräftigung der Rumpfmuskulatur mit dem Balance-Trainer zwar gefördert werden könne, diese Förderung jedoch in gleicher Weise und mit gleichem Effekt durch die praktizierte Physiotherapie zu gewährleisten sei. Damit sei der Balance-Trainer zusätzlich zur Physiotherapie nicht erforderlich (so auch BSG, Beschl. v. 27.07.2006, - B 3 KR 11/06 B - und BSG, Urt. v. 21.11.2002, - B 3 KR 8/02 R -: Therapietandem). Mit dem Einsatz des Balance-Trainers würden die Kosten für Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auch nicht vermindert, da der Balance-Trainer zusätzlich zur Physiotherapie angewendet werden solle. Damit wäre die Verordnung des Balance-Trainers auch unwirtschaftlich gem. § 12 Abs. 1 SGB V (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.4.2005, - L 11 KR 2161/04 -: fremdkraftbetriebener Beintrainer MOTOmed letto). Der Auffassung des SG Berlin (a. a. O.) sei nicht zu folgen, da sich dieses allein auf die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis stütze, was für die Erforderlichkeit nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht genüge.
Auf das ihr am 25.4.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.6.2010 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe nicht ausreichend ermittelt und die vorliegenden Beweismittel nicht zutreffend gewürdigt. Aus dem MDK-Gutachten des Dr. Kr. ergebe sich nicht hinreichend, dass die Rumpfmuskulatur durch Physiotherapie bzw. Krankengymnastik ausreichend gekräftigt werden könne. Das gehe auch aus dem Schreiben des Reha-Zentrums Bietigheim-Bissingen vom 26.11.2009. Physiotherapie und Krankengymnastik seien für den Behandlungserfolg nicht ausreichend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.5.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.9.2007 zu verurteilen, sie mit einem Balance-Trainer (Nr. 28.29.01.1042 des Hilfsmittelverzeichnisses) als Hilfsmittel zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Klägerin mit einem Balance-Trainer zu versorgen; sie hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Untergesetzliche Einzelbestimmungen zur Hilfsmittelversorgung hat der Gemeinsame Bundesausschuss gestützt auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V mit den Hilfsmittelrichtlinien (Neufassung vom 16.10.2008, BAnz 2009, Nr. 61 S. 462) erlassen. Außerdem haben die Spitzenverbände der Krankenkassen (jetzt Spitzenverband Bund der Krankenkassen) ein Hilfsmittelverzeichnis erstellt, in dem die von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzuführen sind (§ 139 Abs. 1 SGB V).
Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V sind Sachen, die durch ersetzende, unterstützende und entlastende Wirkung den Erfolg der Krankenbehandlung sichern oder die Überwindung von körperlichen Behinderungen ermöglichen. Als Hilfsmittel sind auch alle ärztlich verordneten Sachen anzusehen, die therapeutischen Zwecken dienen, also den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel (BSG Urt. v. 4.4.2006 - B 1 KR 12/04 R), aber auch Geräte, die den Erfolg einer Heilbehandlung bei Anwendung durch den Versicherten selbst sicherstellen sollen (BSG Urt. v. 20.1.2001, - B 3 KR 6/00 -; Urt. v. 31.8.2000 - B 3 KR 21/99 R). Demgegenüber sind Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen (BSG, Urt. v. 20.1.2001 - B 3 KR 6/00 R).
Mit der Zielsetzung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V – Sicherung des Erfolgs der Krankeichen - knüpft das Gesetz an die Bestimmung des § 27 SGB V an, in der die Krankenbehandlung näher geregelt ist. Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst (u.a.) die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Die Hilfsmittelversorgung zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung betrifft solche Gegenstände, die auf Grund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSG, Urt. v. 19.4.2007, - B 3 KR 9/06 R -). Notwendig ist nicht, dass der therapeutische Erfolg bereits vorliegt und nur noch zu sichern ist; es genügt, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg (nur) angestrebt wird (BSG, Urt. v. 19.4.2007, - B 3 KR 9/06 R -).
Das Hilfsmittel muss gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Einzelfall erforderlich sein, was wiederum die Eignung bzw. die Zweckdienlichkeit des Hilfsmittels zur Erreichung der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB genannten Ziele (für sich allein oder im Zusammenwirken mit anderen Bedingungen; vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 3, 25) voraussetzt. Besteht das Ziel der Hilfsmittelanwendung in der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V) sind Eignung und Zweckdienlichkeit des Hilfsmittels nur bei einem entsprechenden medizinischen Nutzen nachgewiesen. Dieser Nachweis ist auch dann nicht entbehrlich, wenn das Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen aufgeführt (gelistet) ist. Die Listung setzt gem. § 139 Abs. 4 SGB V (n.F.) zwar ebenfalls – soweit erforderlich – den Nachweis des medizinischen Nutzens voraus. Der Nachweis nach § 139 Abs. 4 SGB V bezieht sich im Unterschied zum Erforderlichkeitsmerkmal des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V aber nicht auf den Einzelfall (vgl. auch BSG, Urt. v. 8.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -). Außerdem stellt das Hilfsmittelverzeichnis in rechtlicher Hinsicht nur eine nicht verbindliche Auslegungshilfe dar. In tatsächlicher Hinsicht kann es den medizinischen Nutzen des Hilfsmittels auch für den jeweiligen Einzelfall freilich indizieren (dazu und zur Nichtigkeit der in II Nr. der Hilfsmittelrichtlinien angeordneten Bindung des Vertragsarztes an das Hilfsmittelverzeichnis etwa Senatsurteil vom 16.6.2010, - L 5 KR 4929/07 – m. w. zur Rspr. des BSG), jedoch nur nach näherer Maßgabe des Listeneintrags, etwa bezogen auf die Festlegungen zum Anwendungsort und zur Indikation. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die Erforderlichkeit des Hilfsmittels i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V und damit auch seine Eignung bzw. sein medizinischer Nutzen im Einzelfall nachzuweisen sind.
Soll ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) deren Erfolg sichern (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V), ist seine Verwendung – anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 SGB V) – nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden rechtlichen Anforderungen zu trennen. Erfolgt die Hilfsmittelanwendung im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode als deren Bestandteil sind daher die Maßgaben des § 135 Abs. 1 SGB V zu beachten, weswegen eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses für den ambulanten Einsatz des Hilfsmittels notwendig ist (vgl. näher BSG, v. 12.8.2009, - B 3 KR 10/07 R -; auch Urt. v. 8.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -; Senatsurteil vom 16.6.2010, - L 5 KR 4929/07 -: CPM-Kniegelenksbewegungsschienen in der Nachbehandlung operativer Kniegelenkseingriffe).
Schließlich ist auch bei der Hilfsmittelversorgung das Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V zu wahren. Danach muss das Hilfsmittel, nicht nur ausreichend und zweckmäßig, sondern auch wirtschaftlich sein. Das Maß des Notwendigen darf nicht überschritten werden. Nicht notwendige oder unwirtschaftliche Hilfsmittel können Versicherte nicht beanspruchen und dürfen die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Hilfsmittel (im Wege der ärztlichen Leistungsvermittlung) gem. § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V vertragsärztlich zu verordnen. Die vertragsärztliche Verordnung stellt eine formale Leistungsvoraussetzung dar. Sie konkretisiert das Rahmenrecht des Versicherten (vgl. zur Verordnung von Krankenhausbehandlung LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.11.2009, - L 9 KR 11/08 -). Da die Krankenkasse das vertragsärztlich verordnete Hilfsmittel vor der Leistungserbringung aber genehmigen muss (vgl. § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV und § 30 Abs. 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte - BMV-Ä; dazu näher auch BSG, Urt. v. 24.9.2002, - B 3 KR 2/02 R -; Urt. v. 17.4.1996, - 3 RK 19/95 -), muss der Versicherte die Hilfsmittelverordnung des Vertragsarztes vorbehaltlich anderweitiger Regelungen jedoch zunächst der Krankenkasse vorlegen. Diese entscheidet sodann – ggf. nach Befragung des MDK (§ 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V) – über die Bewilligung des Hilfsmittels. Erst nach der Bewilligungsentscheidung darf der Versicherte die (etwa mit einem Genehmigungsvermerk versehene) Verordnung bei einem zur Hilfsmittelabgabe berechtigten Hersteller bzw. Lieferanten (Leistungserbringer) einreichen.
II. Davon ausgehend hat die Beklagte die Gewährung eines Balance-Trainers zu Recht abgelehnt. Es fehlt an der Erforderlichkeit dieses Hilfsmittels i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Für die rechtliche Beurteilung ist der Balance-Trainer als eigenständiges Hilfsmittel anzusehen, das sich von den herkömmlichen Stehtrainern bzw. Stehständern durch die besondere Balance-Funktion qualitativ unterscheidet. Der Klägerin kommt es nämlich gerade auf die therapeutische Nutzung der Balance-Funktion (dynamische Stehfunktion) an. Die ebenfalls mögliche Nutzung des Balance-Trainers ohne Balance-Funktion (mit statischer Stehfunktion) steht hingegen nicht in Rede. Hierfür würde – unstreitig – ein herkömmliches Gerät ausreichen, das die Balance-Funktion nicht bietet und demzufolge auch einen geringeren Preis hat. Der Balance-Trainer wäre in diesem Fall weder erforderlich noch wirtschaftlich und schon deswegen von der Klägerin nicht zu beanspruchen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V); die Beklagte ist offenbar auch bereit, die Klägerin mit einem solchen Hilfsmittel zu versorgen.
1.) Die Klägerin kann einen Leistungsanspruch nicht schon daraus ableiten, dass Dr. K. eine Hilfsmittelverordnung für einen Balance-Trainer ausgestellt hat. Die vertragsärztliche Verordnung stellt nach dem Gesagten lediglich eine verfahrensrechtliche Leistungsvoraussetzung dar, kann den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch aber nicht ersetzen. Entsprechendes gilt für die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis. Rechtswirkungen für den Versicherten gehen davon nicht aus. Es bleibt bei der Maßgeblichkeit der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorausgesetzten Erforderlichkeit des Hilfsmittels im Einzelfall.
2.) Die Gewährung eines Balance-Trainers ist nicht i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich, da der medizinische Nutzen dieses Hilfsmittels bzw. seiner Balance-Funktion (dynamische Stehfunktion) für die Behandlung der MS-Erkrankung der Klägerin nicht feststeht.
a.) Die Anwendung des Balance-Trainers als dynamischer Stehtrainer mit Balance-Funktion dient (unstreitig) nicht dazu, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 und 3 SGB V). Sie soll vielmehr als Bestandteil der multimodalen Behandlung der MS-Erkrankung der Klägerin (i. S. d. § 27 Abs. 1 SGB V) den Erfolg der Krankenbehandlung sichern. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zählen bei der schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose medikamentöse Therapie, symptomatische Therapie und Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Vermeidung von Sekundärfolgen und zur Verbesserung funktioneller Einschränkungen zur Basisversorgung der MS-Patienten mit Gehbehinderung und Koordinationsstörung. In diesem Behandlungsrahmen sollen mit dem Balance-Trainer i. W. die Rumpfmuskulatur gestärkt, der Tonus und das Gleichgewicht verbessert werden.
b.) Die Erforderlichkeit des Balance-Trainers bzw. der Einsatz seiner besonderen Balance-Funktion setzt damit einen entsprechenden medizinischen Nutzen voraus; andernfalls fehlt es an der Eignung bzw. Zweckdienlichkeit des Hilfsmittels für das Ziel "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V.
Für die Feststellung des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels sind die besonderen Maßgaben, die § 135 Abs. 1 SGB V für die Bewertung neuer Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung festlegt, nicht einschlägig; die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis war demzufolge auch ohne besondere Anerkennungsentscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich. Der Balance-Trainer wird als dynamischer Stehtrainer mit Balance-Funktion nicht im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode als deren Bestandteil angewendet. Er soll vielmehr im Rahmen der bereits eingeführten Methoden zur Behandlung der MS-Krankheit, namentlich der physiotherapeutischen Behandlungselemente, eingesetzt werden (vgl. BSG, Urt. v. 28.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -), um ähnlich wie die herkömmlichen Stehtrainer mit statischer Stehfunktion vor allem die Rumpfmuskulatur zu stärken und den Muskeltonus zu verbessern. Das ändert freilich nichts daran, dass der medizinische Nutzen des Hilfsmittels als Unterkriterium des Erforderlichkeitsmerkmals in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V feststehen muss.
Die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis indiziert den medizinischen Nutzen der Balance-Funktion für die Behandlung von MS-Erkrankungen nicht. Der Balance-Trainer ist unter der Produktart "Stehständer fahrbar" aufgeführt und zwar neben den herkömmlichen fahrbaren Stehständern ohne Balancefunktion. Das Hilfsmittelverzeichnis verhält sich damit zum medizinischen Nutzen der Balance-Funktion als dynamischer Stehfunktion nicht und schreibt ihr damit einen besonderen medizinischen Nutzen auch nicht zu.
Aus den MDK-Gutachten des Dr. Kr. geht hervor, dass der Balance-Trainer bzw. dessen Balance-Funktion als statische Stehfunktion einen medizinischen Nutzen zur Sicherung des Behandlungserfolgs der MS-Erkrankung der Klägerin nicht bietet.
Im MDK-Gutachten vom 4.6.2007 hat Dr. Kr. ausgeführt, dass in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie für die Behandlung der MS-Krankheit das häusliche instrumentelle Beüben mit dem Balance-Trainer nicht erwähnt wird; dies spricht bereits gegen einen entsprechenden medizinischen Nutzen dieses Hilfsmittels. Der Balance-Trainer mit dynamischer Stehfunktion wird offenbar vor allem in der stationären medizinischen Rehabilitation eingesetzt, um bewegungseingeschränkten Personen, die noch nicht selbständig sicher stehen können, ein noch wirksameres Stehtraining zu ermöglichen als mit dem klassischen (statischen) Stehtrainer. Darum geht es hier indessen nicht, da die häusliche Anwendung des Hilfsmittels in Rede steht und die Klägerin, wie Dr. Kr. dargelegt hat, noch steh- und bedingt gehfähig ist. Nach Auffassung des Dr. Kr. soll bei ihr vorrangig neben der medikamentösen Therapie die aktive Beübung durch Physiotherapie erfolgen. Der Effekt (der medizinische Nutzen) gezielter physiotherapeutischer Maßnahmen ist aber – so Dr. Kr. im MDK-Gutachten vom 3.8.2007 – durch erste Studien hinreichend belegt, was für den Einsatz des Balance-Trainers jedoch nicht gilt. Außer Einzelfallberichten und Erfahrungsberichten verschiedener Anwender und Kliniken gibt es keine Veröffentlichungen klinisch kontrollierter, ausreichend evidenter Studien mit ausreichender Probandenzahl, mit Vergleichs- bzw. Kontrollgruppe und genügend langer Nachbeobachtungszeit, die den Nutzen des Balance-Trainers in häuslicher Anwendung bei Multipler Sklerose hinsichtlich der Therapieziele Verbesserung des Gleichgewichts, der Koordination, des Tonus, der Stand- und Gangsicherheit belegen würden. Die Behandlungsziele Verbesserung von Tonus und Gleichgewicht und Verringerung der Sturzgefahr sind damit durch die etablierten Verfahren zu erreichen, wie physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen (z. B. durch Krankengymnastik nach Bobath, Vojta, durch propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation, Koordinationstraining, außerdem durch Ergotherapie mit Training alltagspraktischer Fähigkeiten, Anleitung zu gefahrlos durchführbaren Übungen in Eigenregie, Feinmotoriktraining, sensorische Stimulation). Der vom Therapiezentrum Bietigheim-Bissingen dargestellte Behandlungserfolg der Klägerin beruht nach Ansicht des Dr. Kr. demzufolge auch auf dem Gesamtpaket der Therapiemaßnahmen und kann nachvollziehbar dem Einsatz des Balance-Trainers nicht zugeschrieben werden. Die Einschätzung des Dr. Kr. ist für den Senat nachvollziehbar und überzeugend. Sie beruht auf den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie für die Behandlung der MS-Krankheit, die auch in der zuletzt geänderten Fassung von 2008 den Einsatz eines Balance-Trainers o.ä. zur häuslichen Anwendung in Übereinstimmung mit den Aktuellen Therapieempfehlungen (August 2004) der Multiplen Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) nicht vorsehen, sondern ambulante und stationäre physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen empfehlen. Demgegenüber hat Dr. K. lediglich Vorteile für die Klägerin bei dem von ihr gewünschten häuslichen Gebrauch des Balance-Trainers hervorgehoben, ohne dessen konkreten medizinischen Nutzen substantiiert darzutun.
Weitere Ermittlungen drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Arztunterlagen und Gutachten nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Balance-Trainer (Stehtrainer mit dynamischer Stehfunktion) als Hilfsmittel.
Die 1983 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, ist seit 2001 (Erstdiagnose) an Multipler Sklerose erkrankt. Sie leidet zumindest seit dem Jahr 2007 unter einer Tetraspastik links und ist lediglich noch für kurze Schritte gehfähig; deswegen ist sie auf den Gebrauch eines Rollators bzw. eines Rollstuhls angewiesen.
Unter dem 28.2.2007 verordnete der Allgemeinarzt Dr. K. der Klägerin einen Balance-Trainer als Hilfsmittel. Im Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen sind in der Produktgruppe 28 (Stehhilfen) unter Anwendungsort 29 (Ganzkörper) in der Untergruppe 01 (Stehständer) die Produktarten Stehständer feststehend (0000-0999), Stehständer fahrbar (1000-1999), Stehständer zur Wandmontage (2000-2999) und Stehständer zur selbständigen Fortbewegung (3000-3999) aufgeführt. Unter der Produktart "Stehständer fahrbar" ist unter Nr. 1042 ein "Balance-Trainer" (Art.-Nr. 07001-000) aufgeführt.
Mit Bescheid vom 6.3.2007 lehnte die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit einem Balance- Trainer ab; dabei handele es sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Zur Begründung des dagegen am 28.2.2007 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, mit dem Balance-Trainer könne sie die noch vorhandene Kraft erhalten, die Muskulatur stärken, Durchblutungsstörungen vorbeugen und das Gleichgewicht trainieren. Der Balance-Trainer sei auch im Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Dem Widerspruch waren (u.a.) eine Bescheinigung des Krankengymnasten Barth vom 12.3.2006 und ein Attest des Dr. K. vom 13.3.2007 beigefügt. Dr. K. teilte mit, die Klägerin könne nur noch ein bis zwei Schritte ohne Hilfe gehen, mit Gehwagen etwa 5 m. Durch die Gangataxie, Schwindel und Sehstörungen bestehe erhöhte Sturzgefahr. Zur Verbesserung der Standfähigkeit und der Gangsicherheit werde eine Erprobung des Balance-Trainers empfohlen, um über eine Tonusregulierung mehr Stabilität im Schulter- und Hüftgürtelbereich zu erreichen, eine Verbesserung des Gleichgewichts zu erzielen und so die Sturzgefahr zu vermindern.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Im MDK-Gutachten vom 16.4.2007 führte Dr. A. aus, Indikation für den beantragten Balance-Trainer sei u.a. Multiple Sklerose im fortgeschrittenen Stadium. Den vorliegenden Unterlagen könne ein fortgeschrittenes Stadium in diesem Sinne nicht entnommen werden. Bei Vorliegen eines fortgeschrittenen Stadiums könne aus der einschlägigen Gruppe des Hilfsmittelverzeichnisses auch ein günstigeres Produkt ausgewählt werden.
In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 3.5.2007 ist festgehalten, gegenüber dem fahrbaren Stehständern der Produktgruppe 28.29.01.1042 sei der Balance-Trainer ein neues Produkt. Die Pendelfunktion stelle insoweit offenbar einen Zusatznutzen dar. Offenbar habe die Klägerin über den Balance-Trainer in einer Fachzeitschrift gelesen und wolle auch wegen der Optik nur dieses Produkt.
Die Beklagte, die zur Gewährung eines fahrbaren Stehständers offenbar bereit ist, befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten vom 4.6.2007 führte Dr. Kr. aus, nach einer Produktbeschreibung werde der Balance-Trainer professionell in der Rehabilitation eingesetzt. Er solle bewegungseingeschränkten Personen, die noch nicht selbständig sicher stehen könnten, ein noch wirksameres Stehtraining ermöglichen als mit dem klassischen Stehtrainer. Als Nebeneffekt erzeuge der Balance-Trainer auch mehr Spaß als der konventionelle Stehtrainer. Mittlerweile sei der Balance-Trainer im Hilfsmittelverzeichnis unter der Produktgruppe 28 (Stehhilfen) aufgenommen worden (Hilfsmittelnummer 28.29.01.1042), allerdings nicht in seiner Funktion als dynamisches Stehgerät, sondern als fahrbares statisches Gerät. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zählten bei der schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose medikamentöse Therapie, symptomatische Therapie und Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Vermeidung von Sekundärfolgen und zur Verbesserung funktioneller Einschränkungen zur Basisversorgung der MS-Patienten mit Gehbehinderung und Koordinationsstörung. Erste kontrollierte Studien belegten den Effekt gezielter physiotherapeutischer Maßnahmen. Das häusliche instrumentelle Beüben mit dem Balance-Trainer erwähnten die Leitlinien nicht. Eine Kostenübernahme durch die Versichertengemeinschaft könne nicht begründet werden. Bei der Klägerin solle vorrangig neben der medikamentösen Therapie die aktive Beübung durch Physiotherapie erfolgen. Die angestrebten Ziele der Verbesserung von Tonus und Gleichgewicht und der Verringerung der Sturzgefahr seien durch die genannten etablierten Verfahren zu erreichen. Eine therapeutische Überlegenheit des Balance-Trainers oder eine additive therapeutische Wirkung sei bislang durch Studien mit ausreichender Evidenz für die zugrunde liegende Erkrankung nicht belegt. Der Balance-Trainer sei im Hilfsmittelverzeichnis unter den Stehgeräten aufgenommen. Ein Stehtraining sei aber bei derzeit noch gegebener Stehfähigkeit nicht begründet und könnte im Übrigen mit wirtschaftlicheren Hilfsmitteln aus der Produktgruppe 28.29.01 erfolgen. Es lägen keine wissenschaftlich kontrollierten Studien vor, die evidenzbasiert eine Überlegenheit des Balance-Trainers gegenüber den klassischen Stehtrainern hinsichtlich der therapeutischen Zielsetzung (Stehtraining, Dekubitus-Kontraktur-Pneumonieprophylaxe u.ä.) belegten. Bei weiterer Abnahme der Gehfähigkeit könnte ggf. ein fremdkraftbetriebener Beintrainer sinnvoll sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.9.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Versorgung mit einem herkömmlichen Stehständer sei medizinisch ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich.
Am 11.10.2007 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung verweis sie auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27.11.2007(- S 81 KR 1185/06 -, SG-Akte S. 39). Außerdem legte sie weitere Unterlagen vor. In einer Bescheinigung der Physiotherapeutin H. vom 17.11.2007 ist ausgeführt, die Klägerin sei in die Therapie mit dem Balance-Trainer (im Gesundheitszentrum Bietigheim) eingewiesen worden und habe bei zweimal wöchentlichem Training in ca. drei Monaten eine deutliche Kräftigung der Bein- und besonders der Rumpfmuskulatur erreicht. Die häusliche Versorgung mit einem Balance-Trainer zu täglichem Training werde daher befürwortet.
Das Sozialgericht befragte den behandelnden Internisten Dr. K ... Dieser führte im Bericht vom 20.5.2008 aus, die Klägerin werde (u.a.) kontinuierlich physiotherapeutisch behandelt und erhalte Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage. Der Balance-Trainer könne vom Patienten selbst beliebig häufig angewendet werden, um stehend die in diesem Fall eingeschränkte Balancefunktion im Körperstammbereich zu beüben und damit den status quo zumindest zu erhalten. Die Klägerin könne damit ohne Sturzgefahr ihr dynamisches Stehvermögen trainieren. Dies sei besonders wichtig, da sie sich in der 15. Schwangerschaftswoche befinde. Physiotherapie sei insoweit begrenzt, als die Klägerin maximal 3 Termine in der Woche habe. Optimal und auch dringend geboten sei eine Kombination von Physiotherapie und Balance-Trainer-Anwendung durch die Klägerin selbst.
Die Beklagte legte das MDK-Gutachten des Dr. Kr. vom 3.7.2008 vor. Dieser führte aus, die Klägerin leide an Multipler Sklerose mit schubförmigem, chronisch progredientem Verlauf. Außerdem sei im Dezember 2005 eine Neuroborreliose diagnostiziert und anschließend antibiotisch behandelt worden. Die Klägerin sei u. a. mit einem Badewannenlifter, einer Kniegelenksorthese links, einem Rollstuhl und einem Rollator versorgt. Bei einer stationären neurologischen Rehabilitationsbehandlung im November/Dezember 2007 sei abschließend eine Verbesserung der Mobilität dokumentiert worden. Transfers in den Stand seien selbständig möglich, die Klägerin könne frei statisch stehen, bei spastischer beinbetonter Tetraparese sei das Gehen mit Rollator ohne Fremdhilfe für 2 x 5 Meter möglich, für längere Wegstrecken sei personelle Unterstützung notwendig gewesen; ein Rollstuhl werde empfohlen. Die Rumpfkontrolle sei eingeschränkt. Aus dem aktuell vorgelegten Bericht gehe hervor, dass die neurologische Grunderkrankung medikamentös lediglich noch mit naturheilkundlichen Präparaten behandelt werde. Physiotherapie werde regelmäßig weiter wahrgenommen.
Stehtrainer im Sinne Produktgruppe 28 des Hilfsmittelverzeichnisses (Stehhilfen) seien fahrbare oder feststehende Stehständer oder Schrägliegebretter, mit denen ein häusliches Stehtraining absolviert werden könne, entweder bei begründeter Aussicht auf (Wieder-)Erlangung der Gehfähigkeit oder im Rahmen der Langzeitbehandlung gelähmter Patienten zur Gleichgewichtsschulung, zur Kreislaufkonditionierung, zur Dekubitus- und Kontrakturprophylaxe. Die Klägerin sei allerdings noch steh- und bedingt gehfähig, so dass ein Stehtrainer derzeit nicht zwangsläufig erforderlich sei. Hilfen zum Mobilitätsausgleich (Gehwagen, Rollstuhl) stünden zur Verfügung. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 28.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -) müssten bei einem Hilfsmittel, welches wie hier therapeutischen Zwecken diene, nicht in jedem Fall die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden. Gehe es nur um eine Alternative zu einem gelisteten herkömmlichen Hilfsmittel oder Verbandmittel, reiche es aus, wenn die Produkte zumindest den gleichen therapeutischen Nutzen (bspw. Ruhigstellung, Fixierung, Möglichkeit der Mobilisation) wie die herkömmlicherweise benutzten Produkte (Gipsverband, Orthese, orthopädische Schuhe) aufwiesen. Das Gesetz verlange nur den Nachweis eines therapeutischen Nutzens eines neuen Hilfsmittels, nicht aber einen therapeutischen Zusatznutzen oder Vorteil gegenüber der bisherigen Behandlungsweise. Soweit Hilfsmittel nicht zum Behinderungsausgleich, sondern der Unterstützung der Krankenbehandlung dienten, also therapeutisch eingesetzt würden, sei indessen weiterhin ein Nachweis des therapeutischen Nutzens zu fordern.
Dass der Balancetrainer als Stehgerät einsetzbar sei und dem Stehtraining diene, könne vorausgesetzt werden. In das Hilfsmittelverzeichnis sei der Balance-Trainer als fahrbarer Stehständer aufgenommen worden unter Verweis darauf, dass für die vom Hersteller zusätzlich beworbene Balancefunktion der therapeutische Nutzen nicht belegt sei. Dieser Nachweis stehe weiterhin aus. Die Balancefunktion wie auch die weiteren vom verordnenden Arzt angestrebten Ziele könnten vielmehr - leitlinienorientiert - vorrangig durch etablierte physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen gefördert bzw. erreicht werden (z. B. durch Krankengymnastik nach Bobath, Vojta, durch propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation, Koordinationstraining, außerdem durch Ergotherapie mit Training alltagspraktischer Fähigkeiten, Anleitung zu gefahrlos durchführbaren Übungen in Eigenregie, Feinmotoriktraining, sensorische Stimulation). Das BSG habe auch in dem genannten Urteil bekräftigt, dass die Therapiefreiheit als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten bzw. der Berufsausübungsfreiheit des Arztes durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt werde.
Nach den bereits im Vorgutachten zitierten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Diagnostik und Therapie der Multiplen Sklerose zähle zur Basisversorgung der Multiple Sklerose-Patienten mit Gehbehinderung und Koordinationsstörung neben medikamentöser und symptomatischer Therapie die Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Vermeidung von Sekundärfolgen und zur Verbesserung funktioneller Einschränkungen; kontrollierte Studien belegten bereits den Effekt gezielter physiotherapeutischer Maßnahmen. Hingegen lägen außer Einzelfallberichten und Erfahrungsberichten verschiedener Anwender und Kliniken weiterhin keine Veröffentlichungen klinisch kontrollierter, ausreichend evidenter Studien vor (d. h. Studien mit ausreichender Probandenzahl, mit Vergleichs- bzw. Kontrollgruppe und genügend langer Nachbeobachtungszeit), die den Nutzen des Balance-Trainers in häuslicher Anwendung bei Multipler Sklerose hinsichtlich der Therapieziele Verbesserung des Gleichgewichts, der Koordination, des Tonus, der Stand- und Gangsicherheit belegten. Insofern ergeben sich keine neuen Aspekte aus sozialmedizinischer Sicht. Alternativ sei auf die angeführten Therapiemöglichkeiten im Rahmen der Heilmittelverordnung verwiesen. Dass ein häusliches Training mit dem beantragten Gerät zusätzlich zur etablierten Therapie effektiv sei, sei nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Der vom Physiotherapeutischen Zentrum dargestellte Behandlungserfolg beruhe auf dem Gesamtpaket der Therapiemaßnahmen; es sei nicht belegt, dass er dem Einsatz des Balance-Trainers zuzuschreiben sei.
Nachdem das Sozialgericht am 12.8.2009 eine Erörterungsverhandlung durchgeführt hatte, trug die Klägerin abschließend vor, nach Ansicht des Dr. K. (Bericht vom 20.5.2008) sei für sie eine Kombination von Physiotherapie und dem selbst angewandten Balance-Trainer optimal. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 3.8.2006, - B 3 KR 25/05 R -) komme es letztlich nur darauf an, dass das jeweilige Hilfsmittel dem Versicherten zugutekomme. Der vom MDK geforderte Nachweis bzw. wissenschaftliche Beleg für die Wirkung der Balance-Funktion sei nicht notwendig.
In einer zur weiteren Klagebegründung vorgelegten Bescheinigung der Physiotherapeutin Z. vom 26.11.2009 heißt es, die Klägerin könne nicht mehr am Rollator gehen, weshalb die Möglichkeit zum Stehen im Balance-Trainer umso wichtiger sei. Durch das Stehen in diesem Hilfsmittel werde außerdem die Rumpfspannung verbessert. Die Klägerin könne dadurch beim Transfer aus und in den Rollstuhl besser mitarbeiten. Sie stehe dreimal wöchentlich (im Reha-Zentrum Bietigheim-Bissingen) im Balance-Trainer. In dieser kurzen Zeit habe sie enorme Fortschritte gemacht, sitze etwa aufrecht im Rollstuhl und könne auch auf einem Stuhl sitzen. Nur mit dem Einsatz des beantragten Hilfsmittels könne die bisher gewonnene Rumpfspannung erhalten werden.
Die Beklagte trug vor, das beantragte Gerät sei als Stehständer in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden. Für die vom Hersteller sehr massiv beworbene zusätzliche Balancefunktion sei der therapeutische Nutzen jedoch nicht belegt. Die Leistungen der Krankenkasse müssten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der begehrte Balance-Trainer überschreite das Maß des Notwendigen. Die Bewilligung scheitere am Wirtschaftlichkeitsgebot.
Mit Urteil vom 20.5.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen seien. Bei dem Balance-Trainer handele es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (SG Berlin, Urt. v. 27.11.2007, - S 81 KR 1185/06 - ). Die Listung im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) begründe für sich allein nicht die Erforderlichkeit zur Erreichung der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGG V genannten Ziele. Das Hilfsmittelverzeichnis stelle vielmehr eine Meinungsäußerung (jetzt) des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen dar und gebe nur unverbindliche Auslegungshilfen. Da die Klägerin den Balance-Trainer zur Erhaltung der Beweglichkeit benötige, stehe nicht der Behinderungsausgleich bzw. die Behinderungsvorsorge, sondern nur die Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung in Rede. Hierfür sei der Einsatz des Balance-Trainers aber nicht erforderlich; die dreimal wöchentlich angewandte Physiotherapie sei dazu geeignet und auch ausreichend. Das gehe aus den MDK-Gutachten des Dr. Kr. vom 4.6.2007 und 3.7.2008 hervor. Dieser habe nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Beweglichkeit der Klägerin und die Kräftigung der Rumpfmuskulatur mit dem Balance-Trainer zwar gefördert werden könne, diese Förderung jedoch in gleicher Weise und mit gleichem Effekt durch die praktizierte Physiotherapie zu gewährleisten sei. Damit sei der Balance-Trainer zusätzlich zur Physiotherapie nicht erforderlich (so auch BSG, Beschl. v. 27.07.2006, - B 3 KR 11/06 B - und BSG, Urt. v. 21.11.2002, - B 3 KR 8/02 R -: Therapietandem). Mit dem Einsatz des Balance-Trainers würden die Kosten für Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auch nicht vermindert, da der Balance-Trainer zusätzlich zur Physiotherapie angewendet werden solle. Damit wäre die Verordnung des Balance-Trainers auch unwirtschaftlich gem. § 12 Abs. 1 SGB V (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.4.2005, - L 11 KR 2161/04 -: fremdkraftbetriebener Beintrainer MOTOmed letto). Der Auffassung des SG Berlin (a. a. O.) sei nicht zu folgen, da sich dieses allein auf die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis stütze, was für die Erforderlichkeit nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht genüge.
Auf das ihr am 25.4.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.6.2010 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe nicht ausreichend ermittelt und die vorliegenden Beweismittel nicht zutreffend gewürdigt. Aus dem MDK-Gutachten des Dr. Kr. ergebe sich nicht hinreichend, dass die Rumpfmuskulatur durch Physiotherapie bzw. Krankengymnastik ausreichend gekräftigt werden könne. Das gehe auch aus dem Schreiben des Reha-Zentrums Bietigheim-Bissingen vom 26.11.2009. Physiotherapie und Krankengymnastik seien für den Behandlungserfolg nicht ausreichend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.5.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.9.2007 zu verurteilen, sie mit einem Balance-Trainer (Nr. 28.29.01.1042 des Hilfsmittelverzeichnisses) als Hilfsmittel zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Klägerin mit einem Balance-Trainer zu versorgen; sie hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Untergesetzliche Einzelbestimmungen zur Hilfsmittelversorgung hat der Gemeinsame Bundesausschuss gestützt auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V mit den Hilfsmittelrichtlinien (Neufassung vom 16.10.2008, BAnz 2009, Nr. 61 S. 462) erlassen. Außerdem haben die Spitzenverbände der Krankenkassen (jetzt Spitzenverband Bund der Krankenkassen) ein Hilfsmittelverzeichnis erstellt, in dem die von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzuführen sind (§ 139 Abs. 1 SGB V).
Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V sind Sachen, die durch ersetzende, unterstützende und entlastende Wirkung den Erfolg der Krankenbehandlung sichern oder die Überwindung von körperlichen Behinderungen ermöglichen. Als Hilfsmittel sind auch alle ärztlich verordneten Sachen anzusehen, die therapeutischen Zwecken dienen, also den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel (BSG Urt. v. 4.4.2006 - B 1 KR 12/04 R), aber auch Geräte, die den Erfolg einer Heilbehandlung bei Anwendung durch den Versicherten selbst sicherstellen sollen (BSG Urt. v. 20.1.2001, - B 3 KR 6/00 -; Urt. v. 31.8.2000 - B 3 KR 21/99 R). Demgegenüber sind Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen (BSG, Urt. v. 20.1.2001 - B 3 KR 6/00 R).
Mit der Zielsetzung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V – Sicherung des Erfolgs der Krankeichen - knüpft das Gesetz an die Bestimmung des § 27 SGB V an, in der die Krankenbehandlung näher geregelt ist. Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst (u.a.) die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Die Hilfsmittelversorgung zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung betrifft solche Gegenstände, die auf Grund ihrer Hilfsmitteleigenschaft spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt werden, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSG, Urt. v. 19.4.2007, - B 3 KR 9/06 R -). Notwendig ist nicht, dass der therapeutische Erfolg bereits vorliegt und nur noch zu sichern ist; es genügt, wenn mit dem Hilfsmittel ein therapeutischer Erfolg (nur) angestrebt wird (BSG, Urt. v. 19.4.2007, - B 3 KR 9/06 R -).
Das Hilfsmittel muss gem. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Einzelfall erforderlich sein, was wiederum die Eignung bzw. die Zweckdienlichkeit des Hilfsmittels zur Erreichung der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB genannten Ziele (für sich allein oder im Zusammenwirken mit anderen Bedingungen; vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 3, 25) voraussetzt. Besteht das Ziel der Hilfsmittelanwendung in der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V) sind Eignung und Zweckdienlichkeit des Hilfsmittels nur bei einem entsprechenden medizinischen Nutzen nachgewiesen. Dieser Nachweis ist auch dann nicht entbehrlich, wenn das Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen aufgeführt (gelistet) ist. Die Listung setzt gem. § 139 Abs. 4 SGB V (n.F.) zwar ebenfalls – soweit erforderlich – den Nachweis des medizinischen Nutzens voraus. Der Nachweis nach § 139 Abs. 4 SGB V bezieht sich im Unterschied zum Erforderlichkeitsmerkmal des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V aber nicht auf den Einzelfall (vgl. auch BSG, Urt. v. 8.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -). Außerdem stellt das Hilfsmittelverzeichnis in rechtlicher Hinsicht nur eine nicht verbindliche Auslegungshilfe dar. In tatsächlicher Hinsicht kann es den medizinischen Nutzen des Hilfsmittels auch für den jeweiligen Einzelfall freilich indizieren (dazu und zur Nichtigkeit der in II Nr. der Hilfsmittelrichtlinien angeordneten Bindung des Vertragsarztes an das Hilfsmittelverzeichnis etwa Senatsurteil vom 16.6.2010, - L 5 KR 4929/07 – m. w. zur Rspr. des BSG), jedoch nur nach näherer Maßgabe des Listeneintrags, etwa bezogen auf die Festlegungen zum Anwendungsort und zur Indikation. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die Erforderlichkeit des Hilfsmittels i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V und damit auch seine Eignung bzw. sein medizinischer Nutzen im Einzelfall nachzuweisen sind.
Soll ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) deren Erfolg sichern (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V), ist seine Verwendung – anders als etwa bei Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 SGB V) – nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden rechtlichen Anforderungen zu trennen. Erfolgt die Hilfsmittelanwendung im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode als deren Bestandteil sind daher die Maßgaben des § 135 Abs. 1 SGB V zu beachten, weswegen eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses für den ambulanten Einsatz des Hilfsmittels notwendig ist (vgl. näher BSG, v. 12.8.2009, - B 3 KR 10/07 R -; auch Urt. v. 8.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -; Senatsurteil vom 16.6.2010, - L 5 KR 4929/07 -: CPM-Kniegelenksbewegungsschienen in der Nachbehandlung operativer Kniegelenkseingriffe).
Schließlich ist auch bei der Hilfsmittelversorgung das Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V zu wahren. Danach muss das Hilfsmittel, nicht nur ausreichend und zweckmäßig, sondern auch wirtschaftlich sein. Das Maß des Notwendigen darf nicht überschritten werden. Nicht notwendige oder unwirtschaftliche Hilfsmittel können Versicherte nicht beanspruchen und dürfen die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Hilfsmittel (im Wege der ärztlichen Leistungsvermittlung) gem. § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V vertragsärztlich zu verordnen. Die vertragsärztliche Verordnung stellt eine formale Leistungsvoraussetzung dar. Sie konkretisiert das Rahmenrecht des Versicherten (vgl. zur Verordnung von Krankenhausbehandlung LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.11.2009, - L 9 KR 11/08 -). Da die Krankenkasse das vertragsärztlich verordnete Hilfsmittel vor der Leistungserbringung aber genehmigen muss (vgl. § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV und § 30 Abs. 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte - BMV-Ä; dazu näher auch BSG, Urt. v. 24.9.2002, - B 3 KR 2/02 R -; Urt. v. 17.4.1996, - 3 RK 19/95 -), muss der Versicherte die Hilfsmittelverordnung des Vertragsarztes vorbehaltlich anderweitiger Regelungen jedoch zunächst der Krankenkasse vorlegen. Diese entscheidet sodann – ggf. nach Befragung des MDK (§ 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V) – über die Bewilligung des Hilfsmittels. Erst nach der Bewilligungsentscheidung darf der Versicherte die (etwa mit einem Genehmigungsvermerk versehene) Verordnung bei einem zur Hilfsmittelabgabe berechtigten Hersteller bzw. Lieferanten (Leistungserbringer) einreichen.
II. Davon ausgehend hat die Beklagte die Gewährung eines Balance-Trainers zu Recht abgelehnt. Es fehlt an der Erforderlichkeit dieses Hilfsmittels i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Für die rechtliche Beurteilung ist der Balance-Trainer als eigenständiges Hilfsmittel anzusehen, das sich von den herkömmlichen Stehtrainern bzw. Stehständern durch die besondere Balance-Funktion qualitativ unterscheidet. Der Klägerin kommt es nämlich gerade auf die therapeutische Nutzung der Balance-Funktion (dynamische Stehfunktion) an. Die ebenfalls mögliche Nutzung des Balance-Trainers ohne Balance-Funktion (mit statischer Stehfunktion) steht hingegen nicht in Rede. Hierfür würde – unstreitig – ein herkömmliches Gerät ausreichen, das die Balance-Funktion nicht bietet und demzufolge auch einen geringeren Preis hat. Der Balance-Trainer wäre in diesem Fall weder erforderlich noch wirtschaftlich und schon deswegen von der Klägerin nicht zu beanspruchen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V); die Beklagte ist offenbar auch bereit, die Klägerin mit einem solchen Hilfsmittel zu versorgen.
1.) Die Klägerin kann einen Leistungsanspruch nicht schon daraus ableiten, dass Dr. K. eine Hilfsmittelverordnung für einen Balance-Trainer ausgestellt hat. Die vertragsärztliche Verordnung stellt nach dem Gesagten lediglich eine verfahrensrechtliche Leistungsvoraussetzung dar, kann den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch aber nicht ersetzen. Entsprechendes gilt für die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis. Rechtswirkungen für den Versicherten gehen davon nicht aus. Es bleibt bei der Maßgeblichkeit der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorausgesetzten Erforderlichkeit des Hilfsmittels im Einzelfall.
2.) Die Gewährung eines Balance-Trainers ist nicht i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlich, da der medizinische Nutzen dieses Hilfsmittels bzw. seiner Balance-Funktion (dynamische Stehfunktion) für die Behandlung der MS-Erkrankung der Klägerin nicht feststeht.
a.) Die Anwendung des Balance-Trainers als dynamischer Stehtrainer mit Balance-Funktion dient (unstreitig) nicht dazu, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 und 3 SGB V). Sie soll vielmehr als Bestandteil der multimodalen Behandlung der MS-Erkrankung der Klägerin (i. S. d. § 27 Abs. 1 SGB V) den Erfolg der Krankenbehandlung sichern. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zählen bei der schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose medikamentöse Therapie, symptomatische Therapie und Physiotherapie bzw. Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Vermeidung von Sekundärfolgen und zur Verbesserung funktioneller Einschränkungen zur Basisversorgung der MS-Patienten mit Gehbehinderung und Koordinationsstörung. In diesem Behandlungsrahmen sollen mit dem Balance-Trainer i. W. die Rumpfmuskulatur gestärkt, der Tonus und das Gleichgewicht verbessert werden.
b.) Die Erforderlichkeit des Balance-Trainers bzw. der Einsatz seiner besonderen Balance-Funktion setzt damit einen entsprechenden medizinischen Nutzen voraus; andernfalls fehlt es an der Eignung bzw. Zweckdienlichkeit des Hilfsmittels für das Ziel "Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGB V.
Für die Feststellung des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels sind die besonderen Maßgaben, die § 135 Abs. 1 SGB V für die Bewertung neuer Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung festlegt, nicht einschlägig; die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis war demzufolge auch ohne besondere Anerkennungsentscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich. Der Balance-Trainer wird als dynamischer Stehtrainer mit Balance-Funktion nicht im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode als deren Bestandteil angewendet. Er soll vielmehr im Rahmen der bereits eingeführten Methoden zur Behandlung der MS-Krankheit, namentlich der physiotherapeutischen Behandlungselemente, eingesetzt werden (vgl. BSG, Urt. v. 28.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -), um ähnlich wie die herkömmlichen Stehtrainer mit statischer Stehfunktion vor allem die Rumpfmuskulatur zu stärken und den Muskeltonus zu verbessern. Das ändert freilich nichts daran, dass der medizinische Nutzen des Hilfsmittels als Unterkriterium des Erforderlichkeitsmerkmals in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V feststehen muss.
Die Listung des Balance-Trainers im Hilfsmittelverzeichnis indiziert den medizinischen Nutzen der Balance-Funktion für die Behandlung von MS-Erkrankungen nicht. Der Balance-Trainer ist unter der Produktart "Stehständer fahrbar" aufgeführt und zwar neben den herkömmlichen fahrbaren Stehständern ohne Balancefunktion. Das Hilfsmittelverzeichnis verhält sich damit zum medizinischen Nutzen der Balance-Funktion als dynamischer Stehfunktion nicht und schreibt ihr damit einen besonderen medizinischen Nutzen auch nicht zu.
Aus den MDK-Gutachten des Dr. Kr. geht hervor, dass der Balance-Trainer bzw. dessen Balance-Funktion als statische Stehfunktion einen medizinischen Nutzen zur Sicherung des Behandlungserfolgs der MS-Erkrankung der Klägerin nicht bietet.
Im MDK-Gutachten vom 4.6.2007 hat Dr. Kr. ausgeführt, dass in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie für die Behandlung der MS-Krankheit das häusliche instrumentelle Beüben mit dem Balance-Trainer nicht erwähnt wird; dies spricht bereits gegen einen entsprechenden medizinischen Nutzen dieses Hilfsmittels. Der Balance-Trainer mit dynamischer Stehfunktion wird offenbar vor allem in der stationären medizinischen Rehabilitation eingesetzt, um bewegungseingeschränkten Personen, die noch nicht selbständig sicher stehen können, ein noch wirksameres Stehtraining zu ermöglichen als mit dem klassischen (statischen) Stehtrainer. Darum geht es hier indessen nicht, da die häusliche Anwendung des Hilfsmittels in Rede steht und die Klägerin, wie Dr. Kr. dargelegt hat, noch steh- und bedingt gehfähig ist. Nach Auffassung des Dr. Kr. soll bei ihr vorrangig neben der medikamentösen Therapie die aktive Beübung durch Physiotherapie erfolgen. Der Effekt (der medizinische Nutzen) gezielter physiotherapeutischer Maßnahmen ist aber – so Dr. Kr. im MDK-Gutachten vom 3.8.2007 – durch erste Studien hinreichend belegt, was für den Einsatz des Balance-Trainers jedoch nicht gilt. Außer Einzelfallberichten und Erfahrungsberichten verschiedener Anwender und Kliniken gibt es keine Veröffentlichungen klinisch kontrollierter, ausreichend evidenter Studien mit ausreichender Probandenzahl, mit Vergleichs- bzw. Kontrollgruppe und genügend langer Nachbeobachtungszeit, die den Nutzen des Balance-Trainers in häuslicher Anwendung bei Multipler Sklerose hinsichtlich der Therapieziele Verbesserung des Gleichgewichts, der Koordination, des Tonus, der Stand- und Gangsicherheit belegen würden. Die Behandlungsziele Verbesserung von Tonus und Gleichgewicht und Verringerung der Sturzgefahr sind damit durch die etablierten Verfahren zu erreichen, wie physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen (z. B. durch Krankengymnastik nach Bobath, Vojta, durch propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation, Koordinationstraining, außerdem durch Ergotherapie mit Training alltagspraktischer Fähigkeiten, Anleitung zu gefahrlos durchführbaren Übungen in Eigenregie, Feinmotoriktraining, sensorische Stimulation). Der vom Therapiezentrum Bietigheim-Bissingen dargestellte Behandlungserfolg der Klägerin beruht nach Ansicht des Dr. Kr. demzufolge auch auf dem Gesamtpaket der Therapiemaßnahmen und kann nachvollziehbar dem Einsatz des Balance-Trainers nicht zugeschrieben werden. Die Einschätzung des Dr. Kr. ist für den Senat nachvollziehbar und überzeugend. Sie beruht auf den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie für die Behandlung der MS-Krankheit, die auch in der zuletzt geänderten Fassung von 2008 den Einsatz eines Balance-Trainers o.ä. zur häuslichen Anwendung in Übereinstimmung mit den Aktuellen Therapieempfehlungen (August 2004) der Multiplen Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) nicht vorsehen, sondern ambulante und stationäre physiotherapeutische und ergotherapeutische Maßnahmen empfehlen. Demgegenüber hat Dr. K. lediglich Vorteile für die Klägerin bei dem von ihr gewünschten häuslichen Gebrauch des Balance-Trainers hervorgehoben, ohne dessen konkreten medizinischen Nutzen substantiiert darzutun.
Weitere Ermittlungen drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Arztunterlagen und Gutachten nicht auf.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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