Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 177/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 42/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Der 1940 geborene Kläger, der seit Juli 2000 Rentner ist, wandte sich am 3. April 2000 an die Beklagte und trug vor, während einer Dienstreise im Dezember 1967 einen Verkehrsunfall erlitten zu haben. Zum Unfallhergang gab er am 4. Mai 2000 ergänzend an, dass es am 21. Dezember 1967 während eines Überholvorgangs zwischen D und D (S) zu einem Frontalzusammenstoß gekommen sei; er habe sich als Beifahrer beim Aufprall ein schweres Koma zugezogen. Die medizinische Behandlung sei im damaligen Bezirkskrankenhaus H.-D erfolgt. Noch heute leide er an anfallsartigen Schmerzen im Kopf-Nacken-Schulterbereich und sei dann zwei bis drei Tage "außer Gefecht" gesetzt. Aus einem vom Kläger nachfolgend eingereichten (undatierten) Zeitungsausschnitt ging hervor, dass ein Pkw durch einen falschen Überholvorgang zwischen D und D mit einem Lastzug frontal zusammengestoßen war. Dabei seien zwei Personen schwer und zwei weitere leicht verletzt worden. Am Fahrzeug sei Sachschaden in Höhe von 15.000 Mark entstanden. Zwei vom Kläger als mögliche Zeugen benannte ehemalige Arbeitskollegen, die ihn zwei Tage nach dem Unfall im Krankenhaus besucht hatten, gaben an, er habe Schnittverletzungen und Prellungen im Gesicht sowie Prellungen am Kopf und Oberkörper gehabt.
Aus Einträgen in den vom Kläger vorgelegten Sozialversicherungsausweisen (SV-Ausweise) ging hervor, dass bei ihm vom 16. bis 21. August 1965 wegen einer Neurose bzw. Trigeminusneuralgie (ICD-6 Diagnose-Nr. 368/344) Arbeitsunfähigkeit bestanden hatte. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit wegen Neurose bzw. eines Herzleidens (ICD-6 Diagnose-Nr. 368/466) ist für die Zeit vom 3. bis 25. Juli 1967 vermerkt. Vom 21. Dezember 1967 bis zum 2. Januar 1968 war der Kläger wegen einer Gehirnerschütterung (ICD-6 Diagnose-Nr. 941 K) stationär im Bezirkskrankenhaus H.-D behandelt worden. Arbeitsunfähigkeit hatte danach bis zum 31. März 1968 bestanden. Ein weiterer Eintrag mit der Diagnose Gehirnerschütterung (ICD-8 Diagnose-Nr. 850) datiert vom 9. September 1968; Arbeitsunfähigkeit ist insoweit vom 23. September bis 4. Oktober 1968 verzeichnet. Außerdem bestand unter der Diagnose Neurose (ICD-8 Diagnose-Nr. 300) vom 30. Juni bis 24. Juli 1969 Arbeitsunfähigkeit. Weitere von der Abteilung für Nervenkrankheiten der Poliklinik H. Nord bzw. der Nervenfachärztin Dr. W. gestempelte Arbeitsunfähigkeitszeiten datieren vom 25. November bis 16. Dezember 1969, 24. Juni bis 17. Juli 1970, 25. Februar bis 24. März 1971 sowie 15. bis 23. Mai 1973. Unter der Diagnose körperliche psychogene Störung (ICD-8 Diagnose-Nr. 305) ist vom 26. Februar bis 8. März 1974 eine Arbeitsunfähigkeit verzeichnet, unter der Diagnose Migräne (ICD-8 Diagnose-Nr. 346) bestand am 11. Oktober 1974 Arbeitsunfähigkeit, vom 23. September bis 4. Dezember 1975 war der Kläger wiederum wegen einer Neurose arbeitsunfähig und vom 26. April bis 3. Mai 1976 hatte der Allgemeinmediziner Dipl.-Med. C. nochmals Arbeitsunfähigkeit infolge Migräne bescheinigt. Der letzte Eintrag einer durch Migräne bedingten Arbeitsunfähigkeit betrifft die Zeit vom 21. bis 30. Juni 1976.
Nachforschungen der Beklagten zu relevanten Unterlagen beim Amtsgericht H.-S, der Allianz AG, dem Krankenhaus H.-D, dem Gewerbeaufsichtsamt H. und der D GmbH blieben ebenso erfolglos wie beim Gesundheitsamt H ...
Der Internist Dr. A. berichtete der Beklagten unter dem 20. April 2001, er habe den Kläger erstmals 1998 nach dessen Rückübersiedlung aus den alten Bundesländern wegen psychischer Labilität, Wetterfühligkeit, eingeschränkter Leistungsfähigkeit, eines HWS-Syndroms, Herzrasens, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie Benommenheit behandelt. Aufgrund der Anamnese lasse sich ein Zusammenhang zum Unfall herstellen. Nach seinen Angaben sei der Kläger 24 Stunden bewusstlos mit retrograder Amnesie gewesen. Die stationäre Behandlung habe 14 Tage gedauert, die Arbeitsunfähigkeit ein Vierteljahr. Er habe ein HWS-Schleudertrauma, eine offene Nasenbeinfraktur sowie eine große Riss- und Quetschwunde im Zungengrundbereich erlitten.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2001 erklärte der Kläger, die ihn bis zur Ausbürgerung 1983 behandelnden Ärzte praktizierten längst nicht mehr und seien zum Teil verstorben. Auch seien Unterlagen wegen der Umgestaltungen und Abwicklungen des Gesundheitswesens der DDR nicht mehr auffindbar. Nachforschungen in seinem ehemaligen Beschäftigungsbetrieb seien nach dessen Auflösung zwecklos gewesen.
Nach einem Magnetresonanztomogramm (MRT) der HWS, angefertigt vom Radiologen Dr. W. am 20. September 1999, fanden sich altersbedingte Degenerationszeichen und Bandscheibenvorwölbungen zwischen den Wirbelkörpern 2/3 und 3/4. Aus dem elektroenzephalographischen (EEG) Befund der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 13. August 2001 ging als klinische Diagnose Demenz bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma hervor. Bioelektrisch fänden sich keine eindeutig pathologischen Hirnfunktionsstörungen, was nicht gegen deren Vorliegen spreche. In ihrem Bericht vom 15. August 2001 diagnostizierte sie ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom, vermutlich nach Schädel-Hirn-Trauma bei Autounfall. Psychopathologisch liege ein erheblicher Unfallschaden und keine Krankheitseinsicht beim Kläger vor. Er sei bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person orientiert, ausgesprochen logorrhoisch, weitschweifig und schwer konzentrierbar. Seine Auffassung sei wenig erschwert, der Gedankengang zum Teil sprunghaft und die Wahrnehmung nicht gestört. Bei der elektroneurographischen Untersuchung der oberen und unteren Extremitäten am 20. August 2001 fanden sich laut Dr. S. eine verzögerte Nervenleitgeschwindigkeit im distalen Anteil des Nervus ulnaris links, ein dezentes Schädigungsmuster dieses Nervs in der Loge de Guyon rechts sowie verzögerte motorische und sensible Nervenleitgeschwindigkeiten der unteren Extremitäten in nahezu allen Messgebieten, was auf wurzelnahe Irritationen in Höhe von L4/5 und L5/S1 (im unteren Lendenwirbelsäulenbereich) hinweise. Bei einer Knochenszintigraphie der Hals- und Brustwirbelsäule am 24. August 2001 zeigten sich nach der Auswertung des Facharztes für Nuklearmedizin Dr. H. dort bestehende degenerative Veränderungen. Ein MRT des Schädels und der HWS vom 26. September 2001 erbrachte Zeichen einer beginnenden kortikalen Groß- und Kleinhirnatrophie ohne Nachweis einer intracerebralen Raumforderung oder Blutung sowie im Bereich der HWS eine ausgeprägte Retrospondylophytenbildung zwischen dem dritten und vierten Wirbelkörper mit einem Aufbrauch des Subarachnoidalraumes und einer knöchernen Einengung des rechten Neuroforamens (Nervenaustrittsloch).
In ihrem Befundbericht vom 14. November 2001 schilderte die Schmerztherapeutin Dr. A., dass der Kläger sich seit dem 30. Januar 2001 in ihrer Behandlung befinde und über ständige Hinterkopfschmerzen nach Schädel-Hirn-Trauma 1967 mit Bewusstseinsstörung geklagt habe. Im Ergebnis der eingeleiteten Akupunkturtherapie habe er eine Reduktion der Kopfschmerzattackenfrequenzen, eine Linderung des Leidensdrucks bei akuten Anfällen sowie davon berichtet, dass Kopfschmerzauslöser nur noch Stress und Wetterwechsel seien.
Zur Feststellung und Bewertung der Unfallfolgen ließ die Beklagte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. nach ambulanter Untersuchung am 6. Februar 2002 das Gutachten vom 8. Februar 2002 erstellen. Gegenüber diesem gab der Kläger an, er habe nach dem Abitur zunächst Ingenieurwesen studiert, sei danach Architekt geworden, habe später Weiterbildungen zum Diplom-Kunsthistoriker und zum Diplom-Musikwissenschaftler absolviert, in der Musikwissenschaft promoviert und sei bis 1998 an der Bergischen Universität als Dozent tätig gewesen. Dr. S. diagnostizierte ein folgenlos ausgeheiltes Schädel-Hirn-Trauma; unfallunabhängig liege eine Migräne ohne Aura und möglicherweise ein schmerzmittelinduzierter Kopfschmerz vor. Psychisch liege ein normaler Querschnittsbefund bei extrovertierter, mitteilsamer Persönlichkeitsstruktur vor. Die Neurologie sei bei unauffälligem EEG intakt; die durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen hätten keine Hinweise auf Demenz ergeben. Die behandelnden Ärzte, deren Ausführungen auf den Angaben des Klägers beruhten, übernähmen kritiklos die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms, obschon das MRT von November (gemeint September) 2001 keine Hirnsubstanzschädigung gezeigt habe. Zudem lägen über die Schwere des damals abgelaufenen Schädel-Hirn-Traumas außer den Angaben des Klägers keine Informationen vor.
Der Augenarzt Dr. A. führte in seinem Gutachten vom 6. Februar 2002 aus, die Funktion der Augen sei gut. Am rechten Auge finde sich eine abgeheilte Netzhautnarbe, wie sie bei Behandlungen mit Lasern oder Kältesonden zu beobachten sei. Die Narbe verursache keine Gesichtsfeldeinschränkung. Verletzungszeichen an den Augen und den Lidern seien nicht zu erkennen. Eine Augenverletzung sei auch weder den Akten zu entnehmen noch habe der Kläger darüber berichtet.
Zusammenfassend kamen die Orthopäden Dres. S. und T in ihrem Gutachten vom 26. Februar 2002 nach ambulanter Untersuchung am 6. Februar 2002 zu dem Schluss, unfallbedingte Gesundheitsstörungen seien mangels belegter struktureller Verletzungen nicht feststellbar; eine MdE lasse sich demnach nicht beziffern. Im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule liege eine hyperostotische Spondylose im Sinne eines Morbus Forrestier vor.
Schließlich erstellte der Zahnarzt und Oralchirurg Dr. E. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11. Juni 2002 das Gutachten vom 28. Juni 2002. Diesem gegenüber gab der Kläger an, anlässlich des Unfalls einen oberen linken Prämolaren (Zahn 24 bzw. 25) und einen Frontzahn verloren zu haben. Dieser Verlust sei seinerzeit durch Brückenversorgung ausgeglichen worden. Später seien einige Seitenzähne entfernt und nochmals eine Frontzahnbrücke ohne Wiederherstellung der seitlichen Stützzonen gefertigt worden. Dr. E. dokumentierte eine reizlose submentale (unterhalb des Kinns liegende) Narbe sowie eine geringgradige Nasenschiefe nach rechts. Beides bedinge keine messbare MdE. Die durch eine Prothese versorgte fehlende Bezahnung im Oberkiefer stehe ebenfalls nicht mit dem Unfall in Verbindung. Insoweit habe der Kläger nämlich berichtet, früher oftmals unter Zahnfleischbluten und Entzündungen gelitten zu haben, was eine parodontale Erkrankung belege, in deren Folge aufgrund von Knochenschwund die Oberkieferzähne hätten entfernt werden müssen. Hinweise auf abgelaufene Frakturen der Kiefer seien nicht zu finden. Vielmehr wiesen die Kiefergelenke verschmälerte Gelenkspalte und entrundete Kieferkopfbereiche auf und bestehe eine Myoarthropathie (Erkrankung der Kaumuskulatur), speziell im rechten Kiefergelenkbereich, die mit Wahrscheinlichkeit auf dem langzeitigen Fehlen der seitlichen Stützzonen im Oberkiefer beruhe. Auch im Unterkieferbereich sei ein starker horizontaler und vertikaler Knochenabbau bei einem Restgebiss von Zahn 33 bis 44 zu finden. Der Unterkiefer sei mit einer Gussprothese mit Auflageklammern an den Zähnen 47, 44, 33 und 32 versorgt. Der Zungenkörper weise keine auffälligen Narben mehr auf.
Mit Bescheid vom 12. September 2002 erkannte die Beklagte den Unfall – mit einer folgenlos ausgeheilten Gehirnerschütterung, folgenlos ausgeheilten Schnittverletzungen und Prellungen im Bereich des Gesichts und des Oberkörpers sowie einem folgenlos verheilten Bruch des Nasenbeins – als Arbeitsunfall an und lehnte mangels rentenberechtigender MdE einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Keine Unfallfolgen seien anlagenbedingte Veränderungen der Hals- und Brustwirbelsäule mit Bewegungsstörung, Migräne, Kopfschmerz, eine kleine Narbe an der Netzhaut des rechten Auges, eine Gelenkerkrankung des rechten Kiefergelenkes sowie Zahnschäden im Ober- und Unterkiefer. Den hiergegen am 2. Oktober 2002 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit auf dem Postweg übersandtem Widerspruchsbescheid vom 8. August 2003 als unbegründet zurück.
Am 11. September 2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und vorgetragen, die DDR-Behörden hätten medizinische Unterlagen bei Ausgebürgerten absichtlich vernichtet. Auch aus seiner Stasi-Akte seien mehrere Seiten entfernt worden. Er könne hierfür nicht verantwortlich gemacht werden. Seine ständige ärztliche Behandlung gehe jedenfalls aus den Einträgen im SV-Ausweis hervor. Er wende sich gegen die von der Beklagten eingeholten Gutachten, in denen andere ärztliche Äußerungen abqualifiziert worden seien.
Der Kläger hat weitere Unterlagen zu den Akten gereicht: Dr. S. hat auf Grundlage ihrer Untersuchung vom 23. Oktober 2003 bei unauffälliger Hirnnervenfunktion nochmals ein hirnorganisches Psychosyndrom mit intellektuell-konzentrativer Leistungseinschränkung diagnostiziert und in ihrem Bericht vom 15. Februar 2005 angegeben, beim Kläger liege sicherlich auch eine primär akzentuierte Persönlichkeitsstruktur vor. Der Befund gehe aber über das Altersmaß hinaus, so dass äußere Umstände mit Wahrscheinlichkeit zu dem jetzigen psychopathologischen Bild geführt hätten. Dr. A. hat unter dem 12. Dezember 2003 attestiert, die Frontalkollision bei 100 km/h sei ursächlich für das Schleudertrauma gewesen, welches die Kopfschmerzen bedingt habe, auch wenn bildgebend keine morphologischen Strukturveränderungen zu erkennen seien. Nach dem Attest von Dipl.-Med. C. vom 21. April 2004 sei der Kläger bei ihm nach seinem Unfall sehr oft mit Kopfschmerzen, Drehschwindel etc. in Behandlung gewesen. In dessen Folge habe sich ein hirnorganisches Psychosyndrom mit deutlichen Wesensveränderungen, psychischen Auffälligkeiten und Zelluntergängen im Zentralnervensystem entwickelt. Der Internist und Psychotherapeut Dr. C. hat dem Kläger unter dem 4. Februar 2004 und dem 22. April 2005 attestiert, ihm seien der Unfall und seine Folgen noch aus seiner Tätigkeit als Chefarzt der Inneren Abteilung des Bezirkskrankenhauses H.-D in blasser Erinnerung. Es habe eine Bewusstlosigkeit über 24 Stunden bestanden. Außerdem hätten sich Gesichtsverletzungen gefunden, die von vornherein eine Schädigung des Gehirns gesichert hätten. Als Spätfolge bestehe ein hirnorganisches Psychosyndrom, welches durch einen Ausfall von Nervenzellen und einer dadurch bedingten Veränderung der Hirntätigkeit gekennzeichnet sei. Der Gedankenfluss sei inhaltlich keinen Veränderungen unterworfen, zeige jedoch einen erheblich vermehrten Sprachfluss mit reichlichen Gedankensprüngen. Einen solchen Befund habe auch Dr. S. betont. Nach der Bescheinigung des den Kläger von 1983 bis 1989 behandelnden Internisten Dr. G. vom 19. Januar 2005 sei ihm eine deutliche innere Unruhe mit Neigung zu weitschweifigen Gesprächen aufgefallen. Auch hätten erhebliche Konzentrationsstörungen bestanden. Die Auffälligkeiten habe er als Anzeichen eines hirnorganischen Psychosyndroms, verursacht durch ein früheres schweres Hirntrauma nach Verkehrsunfall gedeutet. Mit Urteil vom 26. Januar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Mangels jeder Brückensymptomatik ließen sich die mehr als 32 Jahre nach dem Unfall geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht in ursächlicher Beziehung zum Ereignis setzen. So hätten die eingeschalteten Gutachter keine Unfallfolgen, sondern lediglich unfallunabhängige Leiden festgestellt. Insbesondere seien keine objektiven Hinweise auf ein hirnorganisches Psychosyndrom zu sichern. Als Erstschaden seien nur Prellungen und Schnittverletzungen im Gesicht und am Oberkörper belegt. Gegen eine substantielle Hirnschädigung spreche neben den unauffälligen neurologischen und bildgebenden Befunden auch die nur zweiwöchige stationäre Primärbehandlung. Dr. C. sei kein behandelnder Arzt gewesen und habe zeitnah keine Befunde erhoben sowie Diagnosen gestellt. Dipl.-Med. C. habe nicht dargelegt, aufgrund welcher Befunde er seine Einschätzung getroffen habe. Die Dres. G., A und S hätten ihre Zusammenhangsdiskussion schließlich nur auf Angaben des Klägers gestützt.
Gegen das ihm am 28. Februar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. März 2006 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und zur Begründung insbesondere das von ihm veranlasste Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. vom 21. Juni 2007 vorgelegt, die im Ergebnis ein ausgeprägtes posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom mit Antriebs-, Merkfähigkeits-, Affekt- und Emotionsstörungen sowie weitschweifigem Gedankengang ausgemacht hat. Aus dem von ihr beigefügten Befund der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie des Universitätsklinikums L. über die am 27. Februar 2007 durchgeführte Untersuchung geht der Ausschluss einer kognitiven Störung hervor. Psychopathologisch imponiere eine psychosomatische Unruhe mit weitschweifigem Gedankengang und Distanzminderung. In ihrem Befundbericht vom 17. November 2009 hat Prof. Dr. G. u.a. ein am 6. Juni 2007 gefertigtes MRT des Schädels mit unauffälligem Befund zitiert.
In einem darüber hinaus für ihn erstellten und vom Kläger beigebrachten "Kurzgutachten" vom 9. September 2007 hat der Psychotherapeut Doz. Dr. S. die Ansicht vertreten, beim Kläger, der fanatisch für die Anerkennung seiner Unfallfolgen kämpfe, liege ein organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma vor. Der ehemals im Bezirkskrankenhaus H.-D tätige Chirurg Dr. I. hat im Auftrag des Klägers unter dem 19. August 2008 die Ansicht vertreten, eine jahrelange nervenärztliche Behandlung sei ein sicheres Indiz für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Januar 2006 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2003 abzuändern, festzustellen, dass auch ein hirnorganisches Psychosyndrom mit posttraumatischem Kopfschmerz Folge des Arbeitsunfalls vom 21. Dezember 1967 ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. April 2000 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem Urteil des SG an und hat die ergänzende Stellungnahme Dr. S.s vom 7. September 2007 übersandt. Hierin hat Dr. S. gemeint, Prof. Dr. G. habe nicht nur die MRT-Untersuchung des Schädels vom 26. September 2001 außer acht gelassen. Vielmehr widerspreche ihre Einschätzung auch dem von ihr selbst beigefügten Untersuchungsbefund des Universitätsklinikums L ...
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums H. Prof. Dr. Z. das Gutachten vom 2. Juli 2010 nach ambulanter Untersuchung am 16. bzw. 25. Februar 2010 eingeholt. Prof. Dr. Z. hat einen im Wesentlichen unauffälligen neurologischen und psychischen Befund mit weitschweifig sprunghaftem Gedankengang erhoben; insbesondere habe das am 25. Februar 2010 gefertigte EEG keinen Herdbefund erbracht. Auch wenn in den aktuell durchgeführten bildgebenden Untersuchungen keine Hinweise auf eine zurückliegende Hirnschädigung zu finden seien, spreche dies nicht gegen ein Schädel-Hirn-Trauma im Rahmen des Unfalls. Denn dieser habe jedenfalls eine tiefe Bewusstlosigkeit hinterlassen. Auch die Angaben von Dipl.-Med. C. stünden mit der Behandlung eines Schädel-Hirn-Traumas mit nachfolgender neurologischer Symptomatik im Einklang. Da die aktuellen Befunde offenbar seit dem Unfallereignis bestünden, sei von einem chronischen hirnorganischen Psychosyndrom mit ausgeprägten Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Schwindel, Unwohlsein und Belastungsintolerenz auszugehen. Hinweise für eine differentialdiagnostisch in Frage kommende Demenz seien nicht zu finden. Auch ein Zusammenhang der Kopfschmerzen vom Spannungstyp mit dem Unfallereignis sei wahrscheinlich. Die MdE sei um 30 vH zu veranschlagen.
Die Beklagte ist dem Gutachten unter Bezugnahme auf die von ihr vorgelegte beratende Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 13. August 2010 entgegen getreten. Dr. B. hat ausgeführt, das im Jahr 2001 gefertigte MRT des Schädels habe anstatt verletzungsspezifischen Befunden Zeichen einer beginnenden corticalen Groß- und Kleinhirnatrophie erbracht, die mit einer altersbedingten Hirnleistungsschwäche vereinbar sein könnten. Eine kontusionelle Hirnschädigung mit daraus resultierender Narbenbildung bleibe typischerweise lebenslänglich im MRT nachweisbar, wenngleich dies nicht immer zwingend sei. Eine Erklärung für die jahrzehntelang fehlenden Brückenbefunde habe Prof. Dr. Z. nicht geliefert. Er habe auch nicht plausibel gemacht, wie der Kläger seine hochdifferenzierte Tätigkeit nach dem Unfall ohne erkennbare Einschränkungen weiter habe ausüben können. Hirnverletzungsfolgen zeigten einen decrescendoartigen Charakter mit maximaler Ausprägung unmittelbar nach dem Unfall und dann langsamer Besserung bis zur Ausheilung oder zum bleibenden Defekt. Der Heilverlauf betrage drei bis fünf Jahre. Werde davon ausgehend das von Prof. Dr. Z. angenommene hirnorganische Syndrom auf die ersten Jahre nach dem Unfall extrapoliert, müsse damals eine schwere Symptomatik bestanden haben, die angesichts eines bis heute gleichbleibenden Schweregrades mit der vom Kläger ausgeübten Berufstätigkeit als Dozent nicht zu vereinbaren sei.
Unter dem 17. November 2009 hatte Prof. Dr. Z. die Erstellung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens durch den Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie H. Prof. Dr. M. angeregt, der Kläger dies nach § 109 SGG mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 beantragt und war der Senat dem mit Beweisanordnung vom 7. Juli 2010 nachgekommen. Mit Schreiben vom 19. Juli 2010 hat der Kläger der Begutachtung durch Prof. Dr. M. widersprochen. Er sei hieran nicht mehr interessiert; bis eine Entscheidung getroffen werden könne, würden erneut mehrere Monate vergehen. Mit Beschluss vom 20. Juli 2010 hat der Senat die Beweisanordnung vom 7. Juli 2010 daraufhin aufgehoben. Am 21. Oktober 2010 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach § 109 SGG beantragt, Dr. L. mit der Erstellung eines testpsychologischen Gutachtens zu betrauen. Nur durch eine neuropsychologische Testung ließen sich die Einwände Dr. B.s überprüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er weder Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als zusätzliche Folge des Arbeitsunfalls (nachfolgend unter 1.) noch auf die Gewährung einer Verletztenrente (hierzu unter 2.) hat.
Die vom Kläger verfolgten Ansprüche richten sich noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der vorliegende Arbeitsunfall bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254; §§ 212 ff. SGB VII). Nach § 215 Abs. 1 SGB VII ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der DDR) eingetretenen Unfälle als Arbeitsunfälle nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3 RVO weiter, also über das Inkrafttreten des SGB VII hinaus, anzuwenden. Für die Feststellung und Zahlung von Renten bei Versicherungsfällen, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind, gilt § 1154 RVO in der am 31. Dezember 1996 gültigen Fassung mit der Maßgabe, dass die §§ 56 und 81 bis 91 SGB VII entsprechend heranzuziehen sind (§ 215 Abs. 6 SGB VII).
1. Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn zwischen dem Unfallereignis und ihnen entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 548 Abs. 1 RVO (nunmehr § 8 Abs. 1 SGB VII) besteht. Dabei gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht (vgl. hierzu näher Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Ausgehend hiervon ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 21. Dezember 1967 und der als zusätzliche Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsstörung zwar möglich. Hierfür lässt sich etwa anführen, dass entsprechend den diagnostischen Einordnungen der Dres. A., S, Prof. G und Prof. Z auch beim Senat keine durchgreifenden Bedenken am Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms beim Kläger bestehen (vgl. hierzu die Definitionskriterien nach F07.2 der ICD-10-GM 2010 [10. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modifikation 2010; abrufbar unter: www.dimdi.de]) und der geschilderte Unfallhergang generell geeignet war, ein erhebliches Schädel-Hirn-Trauma hervorzurufen.
Erste Zweifel an dieser Ursachenbeziehung werden jedoch schon dadurch geweckt, dass in den erfolgten MRT- und EEG-Untersuchungen weder bildgebend noch elektroenzephalographisch ein morphologisches Substrat für ein tatsächlich abgelaufenes schweres Schädel-Hirn-Trauma zu sichern war, wie es bei der vorgetragenen Krafteinwirkung infolge Frontalzusammenstoßes zumindest nicht ferngelegen hätte. Denn wenngleich die Rückstände einer kontusionellen Hirnschädigung nicht immer im MRT abgebildet werden, ist dies laut Dr. B. jedoch typischerweise der Fall. Gegenteiliges haben auch Prof. Dr. Z. und Dr. S. nicht dargelegt.
Indiz dafür, dass es beim Kläger trotz der im Rahmen des Unfalls aktiv gewordenen erheblichen Energie anstatt zu einer Gehirnprellung bzw. -quetschung "nur" zu einer Gehirnerschütterung gekommen ist, ist mangels eines ärztlich dokumentierten Erstschadens weiterhin die im einschlägigen SV-Ausweis als Diagnose-Nr. 941 K vermerkte Gehirnerschütterung. Obgleich auch in der ICD-6 unter der Schlüsselnummer 942 K die diagnostische Erfassung einer Contusio cerebri zur Verfügung stand, wurde als Unfalldiagnose keine Gehirnquetschung, sondern lediglich eine Gehirnerschütterung verwandt. Unterstützung erfährt die in der gewählten Diagnosenummer zum Ausdruck kommende ärztliche Wertung eines eher leichten Schädel-Hirn-Traumas überdies durch die relativ kurze stationäre Primärbehandlung von nicht einmal 14 Tagen, zumal insoweit auch die beim Kläger entstandenen Schnitt- und Prellungsverletzungen im Kopf- und Oberkörperbereich mit zu integrieren sind. Allein die von Dr. C. mitgeteilte 24stündige Bewusstlosigkeit des Klägers, die er als nicht behandelnder Arzt nach eigenen Angaben aus lediglich blasser Erinnerung geschöpft hat, in Verbindung mit dessen bis Ende März 1968 belegter Arbeitsunfähigkeit erlaubt damit keinen sicheren Rückschluss auf das wirkliche Ausmaß des damals geschehenen Schädel-Hirn-Traumas.
Entscheidende Zweifel an der kausalen Verknüpfung zwischen dem anerkannten Arbeitsunfall und dem beim Kläger diagnostizierten hirnorganischen Psychosyndrom werden ferner durch die jedenfalls für den Zeitraum von 1989 bis 1998 fehlende Brückensymptomatik hervorgerufen. Selbst wenn nämlich alle in den SV-Ausweisen nach März 1968 wegen Gehirnerschütterung, Neurose, körperlich psychogener Störung sowie Migräne eingetragenen Arbeitsunfähigkeitszeiten zusammen mit den sonstigen nervenärztlich bescheinigten Ausfallzeiträumen (23. September bis 4. Oktober 1968, 30. Juni bis 24. Juli 1969, 25. November bis 16. Dezember 1969, 24. Juni bis 17. Juli 1970, 25. Februar bis 24. März 1971, 15. bis 23. Mai 1973, 26. Februar bis 8. März 1974, am 11. Oktober 1974, 23. September bis 4. Dezember 1975, 26. April bis 3. Mai 1976 sowie 21. bis 30. Juni 1976) als Nachwirkung des Unfallereignisses gedeutet, die von Dipl.-Med. C. durchgeführte Behandlung bis 1983 hinzugerechnet und von einer anschließenden Übernahme der Betreuung durch Dr. G. ausgegangen würde, verbleibt für fast zehn Jahre eine Lücke. Denn Dr. G. hat ausdrücklich angegeben, den Kläger nur bis 1989 betreut zu haben. Damit fehlt bis zu der ab 1998 durch Dr. A. erfolgten Behandlung jeder Befund.
Gewichtig gegen die Wesentlichkeit des Unfalls für die Verursachung eines Psychosyndroms beim Kläger spricht schließlich, dass eine unfallunabhängige Erklärung der Symptomatik greifbar ist. So hat bereits Dr. S. der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zwar keine entscheidende, andererseits aber auch nicht nur unerhebliche Bedeutung beigemessen. Dies lässt sich jedoch dann nicht mehr bruchlos aufrecht erhalten, wenn die vor dem Arbeitsunfall in den SV-Ausweisen dokumentierten Arbeitsunfähigkeitszeiträume in Betracht gezogen werden. Neben einer Vielzahl vor allem internistischer Behandlungen war der Kläger insoweit nämlich nicht nur im August 1965, sondern auch fünf Monate vor dem Unfall wegen psychischer Leiden in Behandlung und deswegen vom 16. bis 21. August 1965 bzw. 3. bis 25. Juli 1967 arbeitsunfähig erkrankt. Angesichts des Umstandes, dass die ab dem Jahr 1968 in der DDR verwendete ICD-8 für die Spätfolgen eines Kfz-Unfalls eine eigene Schlüsselnummer vorsah (E 940), leuchtet nicht ein, warum die seither in den SV-Ausweisen vermerkten Erkrankungen wie Gehirnerschütterung, Neurose, Migräne oder psychogene Störung anstatt mit einem solchen Zusatz – ebenso wie vor dem Unfallzeitpunkt – lediglich als primäre Krankheitsbilder festgehalten worden sind. Dies erstaunt umso mehr, als der vermeintliche Unfallzusammenhang nach Angaben des Klägers für die behandelnden Ärzte offensichtlich gewesen sei. Gerade für Dipl.-Med. C. hätte sich eine entsprechende Reaktion nahezu aufgedrängt. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die zuvor anhand der SV-Ausweis-Eintragungen unterstellte Brückensymptomatik in einem anderen Licht. Denn die vor und nach dem Unfallgeschehen bis Ende Juni 1976 belegten Behandlungen wegen psychischer Leiden mit monate- und jahrelangen Unterbrechungen ergeben auch unabhängig von den im Zeitraum vom 21. Dezember 1967 bis 31. März 1968 verzeichneten Einträgen eine Krankheitsgeschichte, bei der eine entscheidende Einflussnahme durch das Trauma gerade nicht zwingend zu erkennen ist. Fehlt aber die Abgrenzbarkeit, verbleibt auch kein Raum für eine anteilige Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens.
Da somit beim Senat ernste Zweifel am Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 21. Dezember 1967 und dem Psychosyndrom mit posttraumatischem Kopfschmerz verbleiben, besteht kein Anspruch auf Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als zusätzliche Unfallfolge.
2. Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verletztenrente sind nicht erfüllt. War die geltend gemachte Unfallfolge aus den zuvor genannten Gründen weder im Sinne der Entstehung noch Verschlimmerung anzuerkennen bzw. ist keine MdE-relevante Einflussnahme auf einen unfallunabhängigen Vorschaden fassbar, kann das Psychosyndrom bei der nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorzunehmenden Bemessung der MdE keine Berücksichtigung finden. Was die anerkannten Unfallfolgen anbelangt (Gehirnerschütterung, Schnittverletzungen und Prellungen im Bereich des Gesichts und des Oberkörpers sowie Bruch des Nasenbeins), so sind diese folgenlos ausgeheilt und bedingen demnach keine MdE um mindestens 20 vH (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Dem am 21. Oktober 2010 gestellten Antrag war nach § 109 Abs. 2 SGG wegen Verzögerung durch grobe Nachlässigkeit nicht stattzugeben, nachdem der Kläger auf seinen ersten Antrag auf Einholung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens unter dem 19. Juli 2010 ausdrücklich verzichtet hat und keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die einen erneuten Antrag rechtfertigen könnten (vgl. näher Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 Rn. 10b). Allein der Umstand, dass die Beklagte unter ärztlicher Beratung die Ansicht von Prof. Dr. Z. nicht geteilt hat, genügt hierfür jedenfalls nicht. Mit einem solchen Verlauf muss ein Beteiligter auch bei geringer Sorgfalt rechnen.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Der 1940 geborene Kläger, der seit Juli 2000 Rentner ist, wandte sich am 3. April 2000 an die Beklagte und trug vor, während einer Dienstreise im Dezember 1967 einen Verkehrsunfall erlitten zu haben. Zum Unfallhergang gab er am 4. Mai 2000 ergänzend an, dass es am 21. Dezember 1967 während eines Überholvorgangs zwischen D und D (S) zu einem Frontalzusammenstoß gekommen sei; er habe sich als Beifahrer beim Aufprall ein schweres Koma zugezogen. Die medizinische Behandlung sei im damaligen Bezirkskrankenhaus H.-D erfolgt. Noch heute leide er an anfallsartigen Schmerzen im Kopf-Nacken-Schulterbereich und sei dann zwei bis drei Tage "außer Gefecht" gesetzt. Aus einem vom Kläger nachfolgend eingereichten (undatierten) Zeitungsausschnitt ging hervor, dass ein Pkw durch einen falschen Überholvorgang zwischen D und D mit einem Lastzug frontal zusammengestoßen war. Dabei seien zwei Personen schwer und zwei weitere leicht verletzt worden. Am Fahrzeug sei Sachschaden in Höhe von 15.000 Mark entstanden. Zwei vom Kläger als mögliche Zeugen benannte ehemalige Arbeitskollegen, die ihn zwei Tage nach dem Unfall im Krankenhaus besucht hatten, gaben an, er habe Schnittverletzungen und Prellungen im Gesicht sowie Prellungen am Kopf und Oberkörper gehabt.
Aus Einträgen in den vom Kläger vorgelegten Sozialversicherungsausweisen (SV-Ausweise) ging hervor, dass bei ihm vom 16. bis 21. August 1965 wegen einer Neurose bzw. Trigeminusneuralgie (ICD-6 Diagnose-Nr. 368/344) Arbeitsunfähigkeit bestanden hatte. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit wegen Neurose bzw. eines Herzleidens (ICD-6 Diagnose-Nr. 368/466) ist für die Zeit vom 3. bis 25. Juli 1967 vermerkt. Vom 21. Dezember 1967 bis zum 2. Januar 1968 war der Kläger wegen einer Gehirnerschütterung (ICD-6 Diagnose-Nr. 941 K) stationär im Bezirkskrankenhaus H.-D behandelt worden. Arbeitsunfähigkeit hatte danach bis zum 31. März 1968 bestanden. Ein weiterer Eintrag mit der Diagnose Gehirnerschütterung (ICD-8 Diagnose-Nr. 850) datiert vom 9. September 1968; Arbeitsunfähigkeit ist insoweit vom 23. September bis 4. Oktober 1968 verzeichnet. Außerdem bestand unter der Diagnose Neurose (ICD-8 Diagnose-Nr. 300) vom 30. Juni bis 24. Juli 1969 Arbeitsunfähigkeit. Weitere von der Abteilung für Nervenkrankheiten der Poliklinik H. Nord bzw. der Nervenfachärztin Dr. W. gestempelte Arbeitsunfähigkeitszeiten datieren vom 25. November bis 16. Dezember 1969, 24. Juni bis 17. Juli 1970, 25. Februar bis 24. März 1971 sowie 15. bis 23. Mai 1973. Unter der Diagnose körperliche psychogene Störung (ICD-8 Diagnose-Nr. 305) ist vom 26. Februar bis 8. März 1974 eine Arbeitsunfähigkeit verzeichnet, unter der Diagnose Migräne (ICD-8 Diagnose-Nr. 346) bestand am 11. Oktober 1974 Arbeitsunfähigkeit, vom 23. September bis 4. Dezember 1975 war der Kläger wiederum wegen einer Neurose arbeitsunfähig und vom 26. April bis 3. Mai 1976 hatte der Allgemeinmediziner Dipl.-Med. C. nochmals Arbeitsunfähigkeit infolge Migräne bescheinigt. Der letzte Eintrag einer durch Migräne bedingten Arbeitsunfähigkeit betrifft die Zeit vom 21. bis 30. Juni 1976.
Nachforschungen der Beklagten zu relevanten Unterlagen beim Amtsgericht H.-S, der Allianz AG, dem Krankenhaus H.-D, dem Gewerbeaufsichtsamt H. und der D GmbH blieben ebenso erfolglos wie beim Gesundheitsamt H ...
Der Internist Dr. A. berichtete der Beklagten unter dem 20. April 2001, er habe den Kläger erstmals 1998 nach dessen Rückübersiedlung aus den alten Bundesländern wegen psychischer Labilität, Wetterfühligkeit, eingeschränkter Leistungsfähigkeit, eines HWS-Syndroms, Herzrasens, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie Benommenheit behandelt. Aufgrund der Anamnese lasse sich ein Zusammenhang zum Unfall herstellen. Nach seinen Angaben sei der Kläger 24 Stunden bewusstlos mit retrograder Amnesie gewesen. Die stationäre Behandlung habe 14 Tage gedauert, die Arbeitsunfähigkeit ein Vierteljahr. Er habe ein HWS-Schleudertrauma, eine offene Nasenbeinfraktur sowie eine große Riss- und Quetschwunde im Zungengrundbereich erlitten.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2001 erklärte der Kläger, die ihn bis zur Ausbürgerung 1983 behandelnden Ärzte praktizierten längst nicht mehr und seien zum Teil verstorben. Auch seien Unterlagen wegen der Umgestaltungen und Abwicklungen des Gesundheitswesens der DDR nicht mehr auffindbar. Nachforschungen in seinem ehemaligen Beschäftigungsbetrieb seien nach dessen Auflösung zwecklos gewesen.
Nach einem Magnetresonanztomogramm (MRT) der HWS, angefertigt vom Radiologen Dr. W. am 20. September 1999, fanden sich altersbedingte Degenerationszeichen und Bandscheibenvorwölbungen zwischen den Wirbelkörpern 2/3 und 3/4. Aus dem elektroenzephalographischen (EEG) Befund der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 13. August 2001 ging als klinische Diagnose Demenz bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma hervor. Bioelektrisch fänden sich keine eindeutig pathologischen Hirnfunktionsstörungen, was nicht gegen deren Vorliegen spreche. In ihrem Bericht vom 15. August 2001 diagnostizierte sie ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom, vermutlich nach Schädel-Hirn-Trauma bei Autounfall. Psychopathologisch liege ein erheblicher Unfallschaden und keine Krankheitseinsicht beim Kläger vor. Er sei bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person orientiert, ausgesprochen logorrhoisch, weitschweifig und schwer konzentrierbar. Seine Auffassung sei wenig erschwert, der Gedankengang zum Teil sprunghaft und die Wahrnehmung nicht gestört. Bei der elektroneurographischen Untersuchung der oberen und unteren Extremitäten am 20. August 2001 fanden sich laut Dr. S. eine verzögerte Nervenleitgeschwindigkeit im distalen Anteil des Nervus ulnaris links, ein dezentes Schädigungsmuster dieses Nervs in der Loge de Guyon rechts sowie verzögerte motorische und sensible Nervenleitgeschwindigkeiten der unteren Extremitäten in nahezu allen Messgebieten, was auf wurzelnahe Irritationen in Höhe von L4/5 und L5/S1 (im unteren Lendenwirbelsäulenbereich) hinweise. Bei einer Knochenszintigraphie der Hals- und Brustwirbelsäule am 24. August 2001 zeigten sich nach der Auswertung des Facharztes für Nuklearmedizin Dr. H. dort bestehende degenerative Veränderungen. Ein MRT des Schädels und der HWS vom 26. September 2001 erbrachte Zeichen einer beginnenden kortikalen Groß- und Kleinhirnatrophie ohne Nachweis einer intracerebralen Raumforderung oder Blutung sowie im Bereich der HWS eine ausgeprägte Retrospondylophytenbildung zwischen dem dritten und vierten Wirbelkörper mit einem Aufbrauch des Subarachnoidalraumes und einer knöchernen Einengung des rechten Neuroforamens (Nervenaustrittsloch).
In ihrem Befundbericht vom 14. November 2001 schilderte die Schmerztherapeutin Dr. A., dass der Kläger sich seit dem 30. Januar 2001 in ihrer Behandlung befinde und über ständige Hinterkopfschmerzen nach Schädel-Hirn-Trauma 1967 mit Bewusstseinsstörung geklagt habe. Im Ergebnis der eingeleiteten Akupunkturtherapie habe er eine Reduktion der Kopfschmerzattackenfrequenzen, eine Linderung des Leidensdrucks bei akuten Anfällen sowie davon berichtet, dass Kopfschmerzauslöser nur noch Stress und Wetterwechsel seien.
Zur Feststellung und Bewertung der Unfallfolgen ließ die Beklagte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. nach ambulanter Untersuchung am 6. Februar 2002 das Gutachten vom 8. Februar 2002 erstellen. Gegenüber diesem gab der Kläger an, er habe nach dem Abitur zunächst Ingenieurwesen studiert, sei danach Architekt geworden, habe später Weiterbildungen zum Diplom-Kunsthistoriker und zum Diplom-Musikwissenschaftler absolviert, in der Musikwissenschaft promoviert und sei bis 1998 an der Bergischen Universität als Dozent tätig gewesen. Dr. S. diagnostizierte ein folgenlos ausgeheiltes Schädel-Hirn-Trauma; unfallunabhängig liege eine Migräne ohne Aura und möglicherweise ein schmerzmittelinduzierter Kopfschmerz vor. Psychisch liege ein normaler Querschnittsbefund bei extrovertierter, mitteilsamer Persönlichkeitsstruktur vor. Die Neurologie sei bei unauffälligem EEG intakt; die durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen hätten keine Hinweise auf Demenz ergeben. Die behandelnden Ärzte, deren Ausführungen auf den Angaben des Klägers beruhten, übernähmen kritiklos die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms, obschon das MRT von November (gemeint September) 2001 keine Hirnsubstanzschädigung gezeigt habe. Zudem lägen über die Schwere des damals abgelaufenen Schädel-Hirn-Traumas außer den Angaben des Klägers keine Informationen vor.
Der Augenarzt Dr. A. führte in seinem Gutachten vom 6. Februar 2002 aus, die Funktion der Augen sei gut. Am rechten Auge finde sich eine abgeheilte Netzhautnarbe, wie sie bei Behandlungen mit Lasern oder Kältesonden zu beobachten sei. Die Narbe verursache keine Gesichtsfeldeinschränkung. Verletzungszeichen an den Augen und den Lidern seien nicht zu erkennen. Eine Augenverletzung sei auch weder den Akten zu entnehmen noch habe der Kläger darüber berichtet.
Zusammenfassend kamen die Orthopäden Dres. S. und T in ihrem Gutachten vom 26. Februar 2002 nach ambulanter Untersuchung am 6. Februar 2002 zu dem Schluss, unfallbedingte Gesundheitsstörungen seien mangels belegter struktureller Verletzungen nicht feststellbar; eine MdE lasse sich demnach nicht beziffern. Im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule liege eine hyperostotische Spondylose im Sinne eines Morbus Forrestier vor.
Schließlich erstellte der Zahnarzt und Oralchirurg Dr. E. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11. Juni 2002 das Gutachten vom 28. Juni 2002. Diesem gegenüber gab der Kläger an, anlässlich des Unfalls einen oberen linken Prämolaren (Zahn 24 bzw. 25) und einen Frontzahn verloren zu haben. Dieser Verlust sei seinerzeit durch Brückenversorgung ausgeglichen worden. Später seien einige Seitenzähne entfernt und nochmals eine Frontzahnbrücke ohne Wiederherstellung der seitlichen Stützzonen gefertigt worden. Dr. E. dokumentierte eine reizlose submentale (unterhalb des Kinns liegende) Narbe sowie eine geringgradige Nasenschiefe nach rechts. Beides bedinge keine messbare MdE. Die durch eine Prothese versorgte fehlende Bezahnung im Oberkiefer stehe ebenfalls nicht mit dem Unfall in Verbindung. Insoweit habe der Kläger nämlich berichtet, früher oftmals unter Zahnfleischbluten und Entzündungen gelitten zu haben, was eine parodontale Erkrankung belege, in deren Folge aufgrund von Knochenschwund die Oberkieferzähne hätten entfernt werden müssen. Hinweise auf abgelaufene Frakturen der Kiefer seien nicht zu finden. Vielmehr wiesen die Kiefergelenke verschmälerte Gelenkspalte und entrundete Kieferkopfbereiche auf und bestehe eine Myoarthropathie (Erkrankung der Kaumuskulatur), speziell im rechten Kiefergelenkbereich, die mit Wahrscheinlichkeit auf dem langzeitigen Fehlen der seitlichen Stützzonen im Oberkiefer beruhe. Auch im Unterkieferbereich sei ein starker horizontaler und vertikaler Knochenabbau bei einem Restgebiss von Zahn 33 bis 44 zu finden. Der Unterkiefer sei mit einer Gussprothese mit Auflageklammern an den Zähnen 47, 44, 33 und 32 versorgt. Der Zungenkörper weise keine auffälligen Narben mehr auf.
Mit Bescheid vom 12. September 2002 erkannte die Beklagte den Unfall – mit einer folgenlos ausgeheilten Gehirnerschütterung, folgenlos ausgeheilten Schnittverletzungen und Prellungen im Bereich des Gesichts und des Oberkörpers sowie einem folgenlos verheilten Bruch des Nasenbeins – als Arbeitsunfall an und lehnte mangels rentenberechtigender MdE einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Keine Unfallfolgen seien anlagenbedingte Veränderungen der Hals- und Brustwirbelsäule mit Bewegungsstörung, Migräne, Kopfschmerz, eine kleine Narbe an der Netzhaut des rechten Auges, eine Gelenkerkrankung des rechten Kiefergelenkes sowie Zahnschäden im Ober- und Unterkiefer. Den hiergegen am 2. Oktober 2002 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit auf dem Postweg übersandtem Widerspruchsbescheid vom 8. August 2003 als unbegründet zurück.
Am 11. September 2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und vorgetragen, die DDR-Behörden hätten medizinische Unterlagen bei Ausgebürgerten absichtlich vernichtet. Auch aus seiner Stasi-Akte seien mehrere Seiten entfernt worden. Er könne hierfür nicht verantwortlich gemacht werden. Seine ständige ärztliche Behandlung gehe jedenfalls aus den Einträgen im SV-Ausweis hervor. Er wende sich gegen die von der Beklagten eingeholten Gutachten, in denen andere ärztliche Äußerungen abqualifiziert worden seien.
Der Kläger hat weitere Unterlagen zu den Akten gereicht: Dr. S. hat auf Grundlage ihrer Untersuchung vom 23. Oktober 2003 bei unauffälliger Hirnnervenfunktion nochmals ein hirnorganisches Psychosyndrom mit intellektuell-konzentrativer Leistungseinschränkung diagnostiziert und in ihrem Bericht vom 15. Februar 2005 angegeben, beim Kläger liege sicherlich auch eine primär akzentuierte Persönlichkeitsstruktur vor. Der Befund gehe aber über das Altersmaß hinaus, so dass äußere Umstände mit Wahrscheinlichkeit zu dem jetzigen psychopathologischen Bild geführt hätten. Dr. A. hat unter dem 12. Dezember 2003 attestiert, die Frontalkollision bei 100 km/h sei ursächlich für das Schleudertrauma gewesen, welches die Kopfschmerzen bedingt habe, auch wenn bildgebend keine morphologischen Strukturveränderungen zu erkennen seien. Nach dem Attest von Dipl.-Med. C. vom 21. April 2004 sei der Kläger bei ihm nach seinem Unfall sehr oft mit Kopfschmerzen, Drehschwindel etc. in Behandlung gewesen. In dessen Folge habe sich ein hirnorganisches Psychosyndrom mit deutlichen Wesensveränderungen, psychischen Auffälligkeiten und Zelluntergängen im Zentralnervensystem entwickelt. Der Internist und Psychotherapeut Dr. C. hat dem Kläger unter dem 4. Februar 2004 und dem 22. April 2005 attestiert, ihm seien der Unfall und seine Folgen noch aus seiner Tätigkeit als Chefarzt der Inneren Abteilung des Bezirkskrankenhauses H.-D in blasser Erinnerung. Es habe eine Bewusstlosigkeit über 24 Stunden bestanden. Außerdem hätten sich Gesichtsverletzungen gefunden, die von vornherein eine Schädigung des Gehirns gesichert hätten. Als Spätfolge bestehe ein hirnorganisches Psychosyndrom, welches durch einen Ausfall von Nervenzellen und einer dadurch bedingten Veränderung der Hirntätigkeit gekennzeichnet sei. Der Gedankenfluss sei inhaltlich keinen Veränderungen unterworfen, zeige jedoch einen erheblich vermehrten Sprachfluss mit reichlichen Gedankensprüngen. Einen solchen Befund habe auch Dr. S. betont. Nach der Bescheinigung des den Kläger von 1983 bis 1989 behandelnden Internisten Dr. G. vom 19. Januar 2005 sei ihm eine deutliche innere Unruhe mit Neigung zu weitschweifigen Gesprächen aufgefallen. Auch hätten erhebliche Konzentrationsstörungen bestanden. Die Auffälligkeiten habe er als Anzeichen eines hirnorganischen Psychosyndroms, verursacht durch ein früheres schweres Hirntrauma nach Verkehrsunfall gedeutet. Mit Urteil vom 26. Januar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Mangels jeder Brückensymptomatik ließen sich die mehr als 32 Jahre nach dem Unfall geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht in ursächlicher Beziehung zum Ereignis setzen. So hätten die eingeschalteten Gutachter keine Unfallfolgen, sondern lediglich unfallunabhängige Leiden festgestellt. Insbesondere seien keine objektiven Hinweise auf ein hirnorganisches Psychosyndrom zu sichern. Als Erstschaden seien nur Prellungen und Schnittverletzungen im Gesicht und am Oberkörper belegt. Gegen eine substantielle Hirnschädigung spreche neben den unauffälligen neurologischen und bildgebenden Befunden auch die nur zweiwöchige stationäre Primärbehandlung. Dr. C. sei kein behandelnder Arzt gewesen und habe zeitnah keine Befunde erhoben sowie Diagnosen gestellt. Dipl.-Med. C. habe nicht dargelegt, aufgrund welcher Befunde er seine Einschätzung getroffen habe. Die Dres. G., A und S hätten ihre Zusammenhangsdiskussion schließlich nur auf Angaben des Klägers gestützt.
Gegen das ihm am 28. Februar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. März 2006 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und zur Begründung insbesondere das von ihm veranlasste Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. vom 21. Juni 2007 vorgelegt, die im Ergebnis ein ausgeprägtes posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom mit Antriebs-, Merkfähigkeits-, Affekt- und Emotionsstörungen sowie weitschweifigem Gedankengang ausgemacht hat. Aus dem von ihr beigefügten Befund der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie des Universitätsklinikums L. über die am 27. Februar 2007 durchgeführte Untersuchung geht der Ausschluss einer kognitiven Störung hervor. Psychopathologisch imponiere eine psychosomatische Unruhe mit weitschweifigem Gedankengang und Distanzminderung. In ihrem Befundbericht vom 17. November 2009 hat Prof. Dr. G. u.a. ein am 6. Juni 2007 gefertigtes MRT des Schädels mit unauffälligem Befund zitiert.
In einem darüber hinaus für ihn erstellten und vom Kläger beigebrachten "Kurzgutachten" vom 9. September 2007 hat der Psychotherapeut Doz. Dr. S. die Ansicht vertreten, beim Kläger, der fanatisch für die Anerkennung seiner Unfallfolgen kämpfe, liege ein organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma vor. Der ehemals im Bezirkskrankenhaus H.-D tätige Chirurg Dr. I. hat im Auftrag des Klägers unter dem 19. August 2008 die Ansicht vertreten, eine jahrelange nervenärztliche Behandlung sei ein sicheres Indiz für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Januar 2006 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2003 abzuändern, festzustellen, dass auch ein hirnorganisches Psychosyndrom mit posttraumatischem Kopfschmerz Folge des Arbeitsunfalls vom 21. Dezember 1967 ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. April 2000 an eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem Urteil des SG an und hat die ergänzende Stellungnahme Dr. S.s vom 7. September 2007 übersandt. Hierin hat Dr. S. gemeint, Prof. Dr. G. habe nicht nur die MRT-Untersuchung des Schädels vom 26. September 2001 außer acht gelassen. Vielmehr widerspreche ihre Einschätzung auch dem von ihr selbst beigefügten Untersuchungsbefund des Universitätsklinikums L ...
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums H. Prof. Dr. Z. das Gutachten vom 2. Juli 2010 nach ambulanter Untersuchung am 16. bzw. 25. Februar 2010 eingeholt. Prof. Dr. Z. hat einen im Wesentlichen unauffälligen neurologischen und psychischen Befund mit weitschweifig sprunghaftem Gedankengang erhoben; insbesondere habe das am 25. Februar 2010 gefertigte EEG keinen Herdbefund erbracht. Auch wenn in den aktuell durchgeführten bildgebenden Untersuchungen keine Hinweise auf eine zurückliegende Hirnschädigung zu finden seien, spreche dies nicht gegen ein Schädel-Hirn-Trauma im Rahmen des Unfalls. Denn dieser habe jedenfalls eine tiefe Bewusstlosigkeit hinterlassen. Auch die Angaben von Dipl.-Med. C. stünden mit der Behandlung eines Schädel-Hirn-Traumas mit nachfolgender neurologischer Symptomatik im Einklang. Da die aktuellen Befunde offenbar seit dem Unfallereignis bestünden, sei von einem chronischen hirnorganischen Psychosyndrom mit ausgeprägten Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Schwindel, Unwohlsein und Belastungsintolerenz auszugehen. Hinweise für eine differentialdiagnostisch in Frage kommende Demenz seien nicht zu finden. Auch ein Zusammenhang der Kopfschmerzen vom Spannungstyp mit dem Unfallereignis sei wahrscheinlich. Die MdE sei um 30 vH zu veranschlagen.
Die Beklagte ist dem Gutachten unter Bezugnahme auf die von ihr vorgelegte beratende Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 13. August 2010 entgegen getreten. Dr. B. hat ausgeführt, das im Jahr 2001 gefertigte MRT des Schädels habe anstatt verletzungsspezifischen Befunden Zeichen einer beginnenden corticalen Groß- und Kleinhirnatrophie erbracht, die mit einer altersbedingten Hirnleistungsschwäche vereinbar sein könnten. Eine kontusionelle Hirnschädigung mit daraus resultierender Narbenbildung bleibe typischerweise lebenslänglich im MRT nachweisbar, wenngleich dies nicht immer zwingend sei. Eine Erklärung für die jahrzehntelang fehlenden Brückenbefunde habe Prof. Dr. Z. nicht geliefert. Er habe auch nicht plausibel gemacht, wie der Kläger seine hochdifferenzierte Tätigkeit nach dem Unfall ohne erkennbare Einschränkungen weiter habe ausüben können. Hirnverletzungsfolgen zeigten einen decrescendoartigen Charakter mit maximaler Ausprägung unmittelbar nach dem Unfall und dann langsamer Besserung bis zur Ausheilung oder zum bleibenden Defekt. Der Heilverlauf betrage drei bis fünf Jahre. Werde davon ausgehend das von Prof. Dr. Z. angenommene hirnorganische Syndrom auf die ersten Jahre nach dem Unfall extrapoliert, müsse damals eine schwere Symptomatik bestanden haben, die angesichts eines bis heute gleichbleibenden Schweregrades mit der vom Kläger ausgeübten Berufstätigkeit als Dozent nicht zu vereinbaren sei.
Unter dem 17. November 2009 hatte Prof. Dr. Z. die Erstellung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens durch den Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie H. Prof. Dr. M. angeregt, der Kläger dies nach § 109 SGG mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 beantragt und war der Senat dem mit Beweisanordnung vom 7. Juli 2010 nachgekommen. Mit Schreiben vom 19. Juli 2010 hat der Kläger der Begutachtung durch Prof. Dr. M. widersprochen. Er sei hieran nicht mehr interessiert; bis eine Entscheidung getroffen werden könne, würden erneut mehrere Monate vergehen. Mit Beschluss vom 20. Juli 2010 hat der Senat die Beweisanordnung vom 7. Juli 2010 daraufhin aufgehoben. Am 21. Oktober 2010 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach § 109 SGG beantragt, Dr. L. mit der Erstellung eines testpsychologischen Gutachtens zu betrauen. Nur durch eine neuropsychologische Testung ließen sich die Einwände Dr. B.s überprüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er weder Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als zusätzliche Folge des Arbeitsunfalls (nachfolgend unter 1.) noch auf die Gewährung einer Verletztenrente (hierzu unter 2.) hat.
Die vom Kläger verfolgten Ansprüche richten sich noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der vorliegende Arbeitsunfall bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254; §§ 212 ff. SGB VII). Nach § 215 Abs. 1 SGB VII ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der DDR) eingetretenen Unfälle als Arbeitsunfälle nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3 RVO weiter, also über das Inkrafttreten des SGB VII hinaus, anzuwenden. Für die Feststellung und Zahlung von Renten bei Versicherungsfällen, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind, gilt § 1154 RVO in der am 31. Dezember 1996 gültigen Fassung mit der Maßgabe, dass die §§ 56 und 81 bis 91 SGB VII entsprechend heranzuziehen sind (§ 215 Abs. 6 SGB VII).
1. Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn zwischen dem Unfallereignis und ihnen entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang im Sinne von § 548 Abs. 1 RVO (nunmehr § 8 Abs. 1 SGB VII) besteht. Dabei gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht (vgl. hierzu näher Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Ausgehend hiervon ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 21. Dezember 1967 und der als zusätzliche Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsstörung zwar möglich. Hierfür lässt sich etwa anführen, dass entsprechend den diagnostischen Einordnungen der Dres. A., S, Prof. G und Prof. Z auch beim Senat keine durchgreifenden Bedenken am Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms beim Kläger bestehen (vgl. hierzu die Definitionskriterien nach F07.2 der ICD-10-GM 2010 [10. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modifikation 2010; abrufbar unter: www.dimdi.de]) und der geschilderte Unfallhergang generell geeignet war, ein erhebliches Schädel-Hirn-Trauma hervorzurufen.
Erste Zweifel an dieser Ursachenbeziehung werden jedoch schon dadurch geweckt, dass in den erfolgten MRT- und EEG-Untersuchungen weder bildgebend noch elektroenzephalographisch ein morphologisches Substrat für ein tatsächlich abgelaufenes schweres Schädel-Hirn-Trauma zu sichern war, wie es bei der vorgetragenen Krafteinwirkung infolge Frontalzusammenstoßes zumindest nicht ferngelegen hätte. Denn wenngleich die Rückstände einer kontusionellen Hirnschädigung nicht immer im MRT abgebildet werden, ist dies laut Dr. B. jedoch typischerweise der Fall. Gegenteiliges haben auch Prof. Dr. Z. und Dr. S. nicht dargelegt.
Indiz dafür, dass es beim Kläger trotz der im Rahmen des Unfalls aktiv gewordenen erheblichen Energie anstatt zu einer Gehirnprellung bzw. -quetschung "nur" zu einer Gehirnerschütterung gekommen ist, ist mangels eines ärztlich dokumentierten Erstschadens weiterhin die im einschlägigen SV-Ausweis als Diagnose-Nr. 941 K vermerkte Gehirnerschütterung. Obgleich auch in der ICD-6 unter der Schlüsselnummer 942 K die diagnostische Erfassung einer Contusio cerebri zur Verfügung stand, wurde als Unfalldiagnose keine Gehirnquetschung, sondern lediglich eine Gehirnerschütterung verwandt. Unterstützung erfährt die in der gewählten Diagnosenummer zum Ausdruck kommende ärztliche Wertung eines eher leichten Schädel-Hirn-Traumas überdies durch die relativ kurze stationäre Primärbehandlung von nicht einmal 14 Tagen, zumal insoweit auch die beim Kläger entstandenen Schnitt- und Prellungsverletzungen im Kopf- und Oberkörperbereich mit zu integrieren sind. Allein die von Dr. C. mitgeteilte 24stündige Bewusstlosigkeit des Klägers, die er als nicht behandelnder Arzt nach eigenen Angaben aus lediglich blasser Erinnerung geschöpft hat, in Verbindung mit dessen bis Ende März 1968 belegter Arbeitsunfähigkeit erlaubt damit keinen sicheren Rückschluss auf das wirkliche Ausmaß des damals geschehenen Schädel-Hirn-Traumas.
Entscheidende Zweifel an der kausalen Verknüpfung zwischen dem anerkannten Arbeitsunfall und dem beim Kläger diagnostizierten hirnorganischen Psychosyndrom werden ferner durch die jedenfalls für den Zeitraum von 1989 bis 1998 fehlende Brückensymptomatik hervorgerufen. Selbst wenn nämlich alle in den SV-Ausweisen nach März 1968 wegen Gehirnerschütterung, Neurose, körperlich psychogener Störung sowie Migräne eingetragenen Arbeitsunfähigkeitszeiten zusammen mit den sonstigen nervenärztlich bescheinigten Ausfallzeiträumen (23. September bis 4. Oktober 1968, 30. Juni bis 24. Juli 1969, 25. November bis 16. Dezember 1969, 24. Juni bis 17. Juli 1970, 25. Februar bis 24. März 1971, 15. bis 23. Mai 1973, 26. Februar bis 8. März 1974, am 11. Oktober 1974, 23. September bis 4. Dezember 1975, 26. April bis 3. Mai 1976 sowie 21. bis 30. Juni 1976) als Nachwirkung des Unfallereignisses gedeutet, die von Dipl.-Med. C. durchgeführte Behandlung bis 1983 hinzugerechnet und von einer anschließenden Übernahme der Betreuung durch Dr. G. ausgegangen würde, verbleibt für fast zehn Jahre eine Lücke. Denn Dr. G. hat ausdrücklich angegeben, den Kläger nur bis 1989 betreut zu haben. Damit fehlt bis zu der ab 1998 durch Dr. A. erfolgten Behandlung jeder Befund.
Gewichtig gegen die Wesentlichkeit des Unfalls für die Verursachung eines Psychosyndroms beim Kläger spricht schließlich, dass eine unfallunabhängige Erklärung der Symptomatik greifbar ist. So hat bereits Dr. S. der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zwar keine entscheidende, andererseits aber auch nicht nur unerhebliche Bedeutung beigemessen. Dies lässt sich jedoch dann nicht mehr bruchlos aufrecht erhalten, wenn die vor dem Arbeitsunfall in den SV-Ausweisen dokumentierten Arbeitsunfähigkeitszeiträume in Betracht gezogen werden. Neben einer Vielzahl vor allem internistischer Behandlungen war der Kläger insoweit nämlich nicht nur im August 1965, sondern auch fünf Monate vor dem Unfall wegen psychischer Leiden in Behandlung und deswegen vom 16. bis 21. August 1965 bzw. 3. bis 25. Juli 1967 arbeitsunfähig erkrankt. Angesichts des Umstandes, dass die ab dem Jahr 1968 in der DDR verwendete ICD-8 für die Spätfolgen eines Kfz-Unfalls eine eigene Schlüsselnummer vorsah (E 940), leuchtet nicht ein, warum die seither in den SV-Ausweisen vermerkten Erkrankungen wie Gehirnerschütterung, Neurose, Migräne oder psychogene Störung anstatt mit einem solchen Zusatz – ebenso wie vor dem Unfallzeitpunkt – lediglich als primäre Krankheitsbilder festgehalten worden sind. Dies erstaunt umso mehr, als der vermeintliche Unfallzusammenhang nach Angaben des Klägers für die behandelnden Ärzte offensichtlich gewesen sei. Gerade für Dipl.-Med. C. hätte sich eine entsprechende Reaktion nahezu aufgedrängt. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die zuvor anhand der SV-Ausweis-Eintragungen unterstellte Brückensymptomatik in einem anderen Licht. Denn die vor und nach dem Unfallgeschehen bis Ende Juni 1976 belegten Behandlungen wegen psychischer Leiden mit monate- und jahrelangen Unterbrechungen ergeben auch unabhängig von den im Zeitraum vom 21. Dezember 1967 bis 31. März 1968 verzeichneten Einträgen eine Krankheitsgeschichte, bei der eine entscheidende Einflussnahme durch das Trauma gerade nicht zwingend zu erkennen ist. Fehlt aber die Abgrenzbarkeit, verbleibt auch kein Raum für eine anteilige Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens.
Da somit beim Senat ernste Zweifel am Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 21. Dezember 1967 und dem Psychosyndrom mit posttraumatischem Kopfschmerz verbleiben, besteht kein Anspruch auf Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als zusätzliche Unfallfolge.
2. Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Verletztenrente sind nicht erfüllt. War die geltend gemachte Unfallfolge aus den zuvor genannten Gründen weder im Sinne der Entstehung noch Verschlimmerung anzuerkennen bzw. ist keine MdE-relevante Einflussnahme auf einen unfallunabhängigen Vorschaden fassbar, kann das Psychosyndrom bei der nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorzunehmenden Bemessung der MdE keine Berücksichtigung finden. Was die anerkannten Unfallfolgen anbelangt (Gehirnerschütterung, Schnittverletzungen und Prellungen im Bereich des Gesichts und des Oberkörpers sowie Bruch des Nasenbeins), so sind diese folgenlos ausgeheilt und bedingen demnach keine MdE um mindestens 20 vH (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Dem am 21. Oktober 2010 gestellten Antrag war nach § 109 Abs. 2 SGG wegen Verzögerung durch grobe Nachlässigkeit nicht stattzugeben, nachdem der Kläger auf seinen ersten Antrag auf Einholung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens unter dem 19. Juli 2010 ausdrücklich verzichtet hat und keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die einen erneuten Antrag rechtfertigen könnten (vgl. näher Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 109 Rn. 10b). Allein der Umstand, dass die Beklagte unter ärztlicher Beratung die Ansicht von Prof. Dr. Z. nicht geteilt hat, genügt hierfür jedenfalls nicht. Mit einem solchen Verlauf muss ein Beteiligter auch bei geringer Sorgfalt rechnen.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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