L 2 U 1142/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 320/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 1142/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit (BK) Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Erkrankungen der Sehnenscheiden und des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können -.

Die 1973 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01. August 1995 bis 04. Oktober 1996 eine Ausbildung in der Kunst- und Bauschlosserei M in W. Im unmittelbaren Anschluss daran wurde sie für die L Metallwerkstatt GmbH tätig, wo sie zunächst bis 26. August 1998 ihre Ausbildung fortsetzte. Nach deren Abschluss arbeitete sie dort als Metallbauerin und Konstruktionstechnikerin. Zu ihren Tätigkeiten gehörten ausweislich des Zwischenzeugnisses der Arbeitgeberin vom 14. Januar 2000 allgemeine Schlosserarbeiten wie die Herstellung und Montage von Balkon- und Treppengeländern, Zaunanlagen mit Toren, Verarbeitung von Rosten, Änderung von Gittern, Blechverarbeitung, Anschlussarbeiten, der Stahlbau, die Herstellung und Montage von Spindel- sowie geraden Treppen, Verglasungsarbeiten von Wintergärten, Trennwänden, Überdachungen und die Herstellung und Montage von Türen und Dreh-/Kippflügeln aus Winkelstahlkonstruktionen und thermisch getrennten Profilen. Das Beschäftigungsverhältnis bestand bis 31. Mai 2002. In der Zeit vom 01. April 2003 bis 30. November 2007 absolvierte die Klägerin ein Studium, welches sie als diplomierte Wirtschaftsingenieurin abschloss. Seitdem ist sie für die Firma S AG tätig.

Im April 2002 wandte sich die behandelnde Praktische Ärztin und Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. K an die Beklagte und bat um Überprüfung, ob eine BK vorliege. Die Beklagte befragte die Klägerin zu ihren Tätigkeiten und Beschwerden, die am 10. April 2002 in einem Fragebogen die Frage nach dem erstmaligen Bemerken der möglicherweise als BK zu wertenden Erkrankungen dahin beantwortete, dass dies im August 2001 geschehen sei, in diesem Monat habe sie sich auch in ärztliche Behandlung begeben. Die Beklagte befragte die Krankenkasse der Klägerin, die IKK Brandenburg und Berlin, nach Vorerkrankungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten, aus deren Unterlagen sich eine erstmalige Diagnosestellung einer Synovitis und Tenosynovitis und eine entsprechende Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit am 28. August 2001 durch den Arzt für Orthopädie J ergab. Die Klägerin teilte mit Tätigkeitsbeschreibung vom 13. Mai 2001 mit, im Vorfeld ihrer Erkrankung mit der Montage einer Fassade von rund 1 200 m² in der Fstraße in B betraut gewesen zu sein, hier habe die Montage schwerer Bauteile, besonders aber das Ablagern per Hand durchgeführt werden müssen. Des Weiteren sei eine Belastung des Armes durch vielfaches Anziehen und Lösen von Schraubverbindungen erfolgt, teilweise in schwer zugänglichen Lagen und von Leitern aus. Die Beklagte holte einen Befundbericht der Dr. K vom 29. Mai 2002 ein, die ausführte, dass die Klägerin sie am 22. November 2001 erstmals aufgesucht habe. Die L Metallwerkstatt übersandte am 10. Juni 2002 ihre Beantwortung einer Arbeitgeberanfrage.

Die Beklagte befragte sodann ihre Abteilung Prävention, für die nach einem Gespräch mit der Klägerin am 16. Juli 2002 der Dipl. Phys. K eine Stellungnahme dahingehend abgab, dass während der Ausbildungszeit im Betrieb M von August 1995 bis Oktober 1996 eine gefährdende Tätigkeit nicht vorgelegen habe, es habe sich hier um eine berufstypische Ausbildungssituation gehandelt. Bei der Tätigkeit für die L Metallwerkstatt GmbH sei die Klägerin als Metallbauerin mit vielfältigen Arbeiten ohne eine bestimmte Spezialisierung betraut gewesen. Eine gefährdende Tätigkeit habe auch hier nicht vorgelegen. Ab Februar 2001 sei bis August 2001 eine Fassadenbautätigkeit ausgeführt worden. Die hier langzeitig auszuführenden Schraubarbeiten im Zusammenhang mit Ausrichtarbeiten und manuellen Transport- und Haltearbeiten seien als Überlastung im Sinne von Kraftaufwendungen bei unphysiologischer Haltung der beteiligten Gliedmaßen anzusehen. Die gefährdenden Tätigkeiten hätten einmalig in zirka 120 Schichten mit einem Zeitanteil von 1/3 bis der Hälfte der täglichen Arbeitszeit vorgelegen. Die entsprechend Mehrtens/Perlebach (Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, M 2101) angegebene Mindesteinwirkung von fünf Jahren sei damit mit einigem Abstand nicht erreicht worden. Auf Rückfrage der Beklagten teilte die Abteilung Prävention mit Stellungnahme vom 24. Juli 2002 ferner mit, dass es sich bei der von der Klägerin zuvor ausgeübten Tätigkeit von Juni 1994 bis Juni 1995 als Verkäuferin in der B und von Ende 1992 bis Mitte 1993 als Reinigungskraft nicht um eine belastende Tätigkeit im Sinne der BK 2101 gehandelt habe. Prof. Dr. L übersandte das Ergebnis eines auf Veranlassung der Dr. K durchgeführten MRT des rechten Handgelenkes vom 05. Juli 2002, in dem ausgeführt ist, dass bei der Klägerin eine Ulna Plus Variante mit konsekutiver moderater Arthrose im distalen Radioulnargelenk und eine kleine Zyste im distalen Anteil des Os scaphoideum vorlägen. Eine Alteration des fibrokartilaginären triangulären Komplexes sei zumindest nicht auszuschließen (unübersichtliche Strukturen), eine Assoziation mit der Ulna Plus Variante sei anzunehmen, es bestehe kein sicherer Hinweis für eine Tendovaginitis bei dezentem Reizerguss vorgenannter Extensorensehnen.

Auf eine Anhörung der Beklagten zum Ermittlungsergebnis teilte die Klägerin mit Schreiben vom 14. August 2002 mit, um weitere Überprüfung zu bitten. Eine Gefährdung ihrer oberen Extremitäten habe im Zeitraum von Februar 2001 bis August 2001 in bis zu 2/3 der jeweiligen Schichten vorgelegen. Hierzu äußerte sich erneut die Abteilung Prävention der Beklagten mit Schreiben vom 01. Oktober 2002 dahin, dass als gefährdend im Sinne der BK 2101 nur die kraftaufwendigen Schraubbewegungen bei der Fassadenbautätigkeit anzusehen seien, die typische Tätigkeit eines Metallbauers enthalte diese Belastungen anteilig auch. Der Zeitanteil dieser Tätigkeiten liege jedoch nicht über 1/3 der täglichen Arbeitszeit. Das von der Beklagten gehörte Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Technische Sicherheit Berlin empfahl mit Stellungnahme vom 23. Oktober 2002, die Klägerin weiter aufzuklären über die Wirkung repetitiver kraftvoller Bewegungen auf den Stütz- und Halteapparat, ein arbeitsflankierendes Training sei dringend angeraten, eine Anerkennung als entschädigungspflichtige BK Nr. 2101 könne jedoch nicht erfolgen.

Mit Bescheid vom 26. November 2002 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass bei ihr zwar eine Entzündung der Synovialmembran des rechten Handgelenkes vorliege, dass eine Anerkennung der Erkrankung als BK Nr. 2101, ein Anspruch auf Entschädigung wegen dieser Erkrankung oder auf Leistungen nach § 3 BKV jedoch nicht in Betracht kämen. Denn das geforderte Mindestmaß einer Gesamtbelastungszeit von fünf Jahren sei bei Weitem nicht gegeben. Da nach August 2001 eine Gefährdung nicht mehr vorgelegen habe, sei die Klägerin auch nicht gezwungen gewesen, ihre beruflichen Tätigkeiten zu unterlassen.

Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass eine Gefährdung im Sinne der BK 2101 auch im Zeitraum vor Februar 2001 vorgelegen habe. Beigefügt war eine "Checkliste" zur BK 2101 sowie ein Gutachten des Dr. K vom 12. September 2002, erstellt für das Arbeitsamt Berlin-Mitte, in dem ausgeführt ist, dass die Klägerin für leichte und mittelschwere Arbeiten ohne besondere Belastung des rechten Handgelenkes vollschichtig arbeitsfähig sei. Beigebracht wurde ferner eine Stellungnahme der Dr. K vom 08. Januar 2003, die ausführte, dass bei der Klägerin eine ausgesprochen chronische und therapieresistente Erkrankung der Sehnenscheiden und des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- und Muskelansätze im Bereich des rechten Unterarmes vorlägen, außerberufliche Schädigungsmöglichkeiten seien nach ihrer Ansicht ausgeschlossen. Die Beklagte zog einen Reha Entlassungsbericht der Fachklinik und Moorbad B vom 07. Januar 2003 bei, wo die Klägerin in der Zeit vom 11. bis 31. Dezember 2002 zu Lasten der Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin stationär behandelt worden war. Sie holte ferner eine weitere Stellungnahme ihrer Abteilung Prävention ein, für die der Dipl. Phys. K am 19. März 2003 nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der früheren Arbeitgeberin der Klägerin, Herrn P, der längerzeitig mit der Klägerin zusammengearbeitet habe, unter Berücksichtigung der von der Klägerin beigebrachten "Checkliste" mitteilte, dass die als arbeitstechnische Voraussetzung vordergründig geforderte repetitive Tätigkeit vergleichsweise selten vorgelegen habe. Ein Zeitanteil von 1/3 der Arbeitszeit werde mit Sicherheit nicht erreicht. Die zeitweilig aufzubringende Kraft habe zwar nahe der Maximalkraft gelegen, an einzelnen Tagen könne die Grenze von 1/3 der Arbeitszeit hierbei erreicht, aber nicht wesentlich überschritten gewesen sein. Dies sei in unter 10 % der jährlichen Schichten der Fall gewesen. Für die Anerkennung einer BK 2101 müssten die - im Einzelnen genannten - belastenden Tätigkeiten jeweils zu 30 % der Arbeitszeit ausgeübt werden, dies sei bei der normalen Tätigkeit eines Metallbauers wegen der ständig wechselnden Aufgaben nicht der Fall. Die Tätigkeit einer Frau sei hierbei allerdings eine vergleichsweise seltene Ausnahme, wobei anzunehmen sei, dass insbesondere die aufzuwendende Kraft zwar nicht häufiger, aber näher an der Maximalkraft liege als bei Männern. Eine gefährdende Tätigkeit sei für die Zeit von Februar 2001 bis August 2001 anzunehmen.

Im März 2003 beantragte die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und der beruflichen Rehabilitation in Form des Studiums des Wirtschaftsrechts an der F B im laufenden Verfahren der Anerkennung einer BK. Die Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme ihres Beratenden Arztes Dr. B vom 10. April 2003 ein, der ausführte, dass die bei der Klägerin vorliegende Ulna Plus Variante die Belastungsbeschwerden erkläre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Mai 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass die Klägerin in der Zeit von Februar 2001 bis August 2001 einmalig in zirka 120 Schichten einer Gefährdung im Sinne der BK 2101 ausgesetzt gewesen sei, wobei die allein in diesem Zeitraum langzeitig auszuführenden Schraubarbeiten im Zusammenhang mit Ausrichtarbeiten und manuellen Transport- und Haltearbeiten als Überlastung im Sinne von Kraftaufwendungen bei unphysiologischer Haltung der beteiligten Gliedmaßen anzusehen sei. Das für eine Gefährdung im Sinne der BK 2101 zu fordernde Tätigkeitsbild orientiere sich an dem entsprechenden ärztlichen Merkblatt und habe außerhalb des benannten Zeitraumes weder von der Art noch der Intensität her vorgelegen. Die geforderte Mindesteinwirkung von fünf Jahren werde mit Abstand nicht erreicht. Die bei der Klägerin aufgetretenen Beschwerden seien vielmehr auf die anlagebedingte Veränderung der Elle in Richtung des rechten Handgelenkes zurückzuführen, hier liege ein regelabweichender Befund vor, denn üblicherweise sei die Speiche der längere Unterarmknochen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin erneut eine Aufstellung der von ihr ausgeübten Tätigkeiten überreicht, gegliedert nach Baustellen, zu welcher die Abteilung Prävention der Beklagten am 11. November 2003 Stellung nahm. Diese führte erneut aus, dass eine höhere Belastung lediglich im Zeitraum Februar bis August 2001 bei den Fassadenbauarbeiten vorgelegen hätte, die mit einem Zeitanteil von 1/3 bis 1/2 der täglichen Arbeitszeit bestätigt würde. Bei den übrigen Baustellentätigkeiten habe es sich um ständig wechselnde Belastungssituationen gehandelt, wie sie für die Ausübung des Berufes der Klägerin auch typisch seien, eine Belastung durch kurzzyklische repetitive Tätigkeiten sei hierbei nicht anzunehmen. Zeitweilige Übergangssituationen habe man mit bis zu 10 % der jährlichen Schichten abgeschätzt, hierbei habe man 1/3 der täglichen Arbeitszeit berücksichtigt, weil es sich bei der Klägerin um eine weibliche Beschäftigte handele.

Das Gericht hat ein Gutachten des Arztes für Orthopädie, Rheumatologie, Handchirurgie und Physikalische Medizin Prof. Dr. S vom 27. Juli 2004 eingeholt, der ausführte, dass bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet eine chronifizierte Sehnenscheidenentzündung am rechten Handgelenk, eine Ulna-Variante und eine zystische Veränderung im Kahnbein vorlägen. Keine dieser Erkrankungen könne im Sinne der erstmaligen Entstehung auf die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Metallbauerin zurückgeführt werden. Wegen der krankhaften Veränderungen am Handgelenk (Ulna Variante) sei es zu einer vermehrten Belastung im Handgelenk gekommen. Die berufliche Tätigkeit als Metallbauerin habe dann zu einer wesentlichen Verschlimmerung eines berufsunabhängigen Leidens geführt, sofern eine ausreichende Arbeitsbelastung vorgelegen habe. Ob diese ausreichend gewesen sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Die berufsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage - sofern die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien - 10 v. H.

Die Beklagte brachte hierzu eine Stellungnahme des Chirurgen M vom 15. November 2004 bei, der ausführte, dass schädigend im Sinne der BK 2101 nicht die schwere Arbeit, sondern die ungewohnte Beanspruchung bzw. die Änderung der Beanspruchung ohne Anpassung sei. Es handele sich um eine klassische Anpassungsstörung, die zeitnah zur Aufnahme der gefährdenden Tätigkeit bzw. zeitnah zur Umstellungsphase einer Tätigkeit auftrete. Die Erkrankung müsse daher unmittelbar nach Tätigkeitsbeginn oder Tätigkeitswechsel auftreten. Die Anpassungsstörungen würden ausgelöst durch kurze hochfrequente wiederkehrende Bewegungsabläufe, ruckartig geführte kräftige Bewegungen sowie Extremstellungen der Gelenke. Analysiere man die Tätigkeit der Klägerin, so handele es sich um eine handwerkliche Tätigkeit mit verschiedenen Tätigkeitsprofilen, die in der Regel nicht die Voraussetzungen erfüllten, Anpassungsstörungen hervorzurufen. Allenfalls könne die vermehrte Schraubtätigkeit, wie sie Anfang 2001 gefordert worden sei, eine gewisse Gefährdung darstellen. Der Erkrankungsbeginn im August 2001 liege jedoch nicht mehr im Bereich einer zu fordernden Anpassungs- oder Umstellungsphase.

Der Auffassung des Prof. Dr. S, dass sich die Tätigkeit verschlimmernd auf die anlagebedingte Fehlbildung der Handgelenke ausgewirkt habe, könne nicht gefolgt werden. Die Fehlbildung des Handgelenkes stelle keine Erkrankung dar, die Klägerin sei deswegen vor Aufnahme der Tätigkeit weder arbeitsunfähig noch behandlungsbedürftig gewesen, sie stelle lediglich eine Schadensanlage dar. Eine Schadensanlage könne sich nicht verschlimmern. Schadensanlage einerseits und berufliche Tätigkeit andererseits könnten beide wesentliche Ursachen sein, hier fehle es an der notwendigen Überprüfung. Nicht erklärt worden sei durch den Gutachter auch, weshalb er von einer Chronifizierung ausgehe, zumal sich Hinweise für eine manifeste Erkrankung bei seiner Untersuchung nicht gezeigt hätten. Chronifizierung bedeute nicht, dass eine Neigung zu Sehnenscheidenentzündungen vorliege, es müsse vielmehr zu strukturellen Veränderungen gekommen sein, derartige Veränderungen hätten sich jedoch nicht gefunden. Auch wenn die Erkrankung der Klägerin langwierig gewesen sei, sei sie doch vorübergehender Natur gewesen. Derartige Erkrankungen kämen nach Mehrtens/Perlebach (a. a. O.) jedoch als BK nicht in Betracht.

Das Gericht hat hierzu eine Rückäußerung des Prof. Dr. S vom 20. Dezember 2004 eingeholt, der ausführte, dass in der Tat die Fehlbildung des Handgelenkes als Schadensanlage zu betrachten sei, die keine Verschlimmerung erfahren könne, und dass der zeitliche Zusammenhang zwischen dem ersten Auftreten der Beschwerden und dem Beginn der möglichen berufsbedingten Belastung nicht der BK 2101 entspräche. Eine berufsbedingte MdE liege daher nicht vor.

Die Klägerin brachte hierzu ein Attest ihrer behandelnden Ärztin Dr. K vom 18. Februar 2005 bei, die die Auffassung vertrat, dass die Erkrankung der Klägerin eindeutig mit ihrer beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang stehe. Das rechte Handgelenk der Klägerin habe bei der Erstvorstellung der Klägerin in ihrer Sprechstunde im November 2001 bereits eine deutliche Schwellung und einen Druckschmerz aufgewiesen.

Mit Urteil vom 28. Oktober 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Denn in Anwendung der im Unfallversicherungsrecht geltenden Grundsätze habe sich nicht feststellen lassen, dass die bei der Klägerin vorliegende Sehnenscheidenentzündung am rechten Handgelenk beruflich verursacht worden sei. Gegen eine berufliche Verursachung spreche, dass die BK 2101 als klassische Anpassungsstörung zeitnah zur Aufnahme der gefährdenden Tätigkeit bzw. zur Umstellungsphase einer Tätigkeit auftrete. Die Erkrankung sei vorliegend erst im August 2001 aufgetreten, die gefährdende Tätigkeit sei jedoch bereits im Januar 2001 aufgenommen worden. Herr M habe mit seiner Stellungnahme lediglich im Ergebnis Recht, da ein eingetretener Gesundheitsschaden auch bei Vorbestehen einer körpereigenen Ursache in seiner Verschlimmerung wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht sein könne. Zu prüfen sei, ob diese im Sinne der Wesentlichkeitstheorie ursächlich geworden sei. Vorliegend sei die bei der Klägerin vorliegende Krankheitsanlage jedoch auch durch andere Ereignisse als die bereits aufgegebene versicherte Tätigkeit so leicht ansprechbar gewesen, dass die Krankheitserscheinungen auch dadurch ausgelöst werden konnten. Mit der BK 2101 als Anpassungsstörung sei es nicht recht vereinbar, wenn diese erst nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit eintrete. Darüber hinaus habe die Klägerin im Termin mitgeteilt, weiter unter denselben Beschwerden zu leiden, obwohl sie mittlerweile studiere und den Belastungen nicht mehr ausgesetzt sei. Auch dieser Umstand spreche dafür, dass die belastende Tätigkeit während der versicherten Tätigkeit als Metallbauerin nicht als in ihrer Eigenart einzige Bedingung für die Auslösung des Gesundheitsschadens angesehen werden könne.

Gegen dieses ihr am 23. November 2005 zugegangene Urteil richtet sich die am 16. Dezember 2005 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass bei ihr eine BK Nr. 2101 vorläge und anzuerkennen sei. Sie führt weiter aus, dass sie zwar erst im August 2001 einen Arzt aufgesucht habe, zu diesem Zeitpunkt seien ihre Schmerzen so stark geworden, dass ihr ein Fortsetzen ihrer Tätigkeit nicht weiter möglich gewesen sei. Sie habe jedoch schon zu früheren Zeitpunkten Schmerzen bemerkt, obwohl sie die Tätigkeit deswegen nicht unterbrochen habe und keine ärztliche Konsultation und keine Krankschreibung erfolgt seien. Durch die Sonderstellung als Frau im Handwerk würden mehr Beschwerden und körperliche Einschränkungen verdrängt, weil die männlichen Kollegen auf Schwächen der weiblichen Kolleginnen zu warten schienen. Die Einschränkungen im Alltag seien bis heute für sie spürbar. Offensichtlich sei aber ihre tägliche Belastung derweil so verringert worden, so dass selten Verschlechterungen einträten. Es sei allerdings von einem chronischen Zustand zu sprechen, der von ihrer behandelnden Ärztin Dr. K jederzeit bestätigt werden könne. Die Höhe der von ihr nunmehr für ihr Studium geltend gemachten Kosten errechne sich unter Zugrundelegung des Bafög Höchstsatzes von 524,00 EUR monatlich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine Berufskrankheit Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihr für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit von August 2001 bis zum Ausscheiden am 31. Mai 2002 Verletztengeld und im Anschluss hieran Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 der Berufskrankheiten-Verordnung sowie Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation dem Grunde nach zu gewähren bzw. nunmehr ihr die Kosten für ihre Weiterbildung in Höhe von rund 28 900,00 EUR zzgl. der durchschnittlichen Preissteigerung und üblichen Zinsen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2101 nicht gegeben seien, so dass auch Leistungen nicht zu erbringen seien. Es mangele an den zeitlichen Zusammenhängen des Auftretens der Erkrankung mit der beruflichen Exposition. Eine ärztliche Behandlung der geltend gemachten Beschwerden sei für Zeiträume vor dem ärztlich dokumentierten Zeitpunkt im August 2001 nicht erfolgt. Die Beklagte weist weiter darauf hin, die Arbeitsanamnese bereits kurz nach Beginn des Ermittlungsverfahrens direkt von der Klägerin eruiert zu haben. Es gäbe keinen Grund zu der Annahme, dass die Klägerin ihre beruflichen Belastungen nicht umfassend und vollständig dargestellt habe.

Im Berufungsverfahren hat das Gericht auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr. K eingeholt. Dieser forderte unter dem 10. August 2007 zunächst weitere Angaben und Unterlagen an. Die Klägerin überreichte u. a. nochmals den MRT Befund des rechten Handgelenkes vom 05. Juli 2002, die Stellungnahme der Dr. K vom 08. Januar 2003 sowie den Entlassungsbericht der Fachklinik und Moorbad B vom 07. Januar 2003. Mit Gutachten vom 10. Juni 2008 führte Dr. K daraufhin aus, dass unter Berücksichtigung der mitgeteilten Befunde von Frau Dr. K bei der Klägerin ein vollkommen typischer Symptomkomplex hinweisend auf eine Sehnenscheidenentzündung vorhanden gewesen sei. Nunmehr bestehe eine chronische Sehnenscheidenentzündung im Bereich des rechten Handgelenkes. Entscheidend für die Anerkennung einer beruflichen Erkrankung sei die Therapieresistenz mit rezidivierenden Befunden, wenn auch hier die Gesamtexpositionszeit zu kurz gewesen sein möge. Die beidseitige Ulna Plus Variante und eine nicht zeitnah eingetretene Anpassungsreaktion könnten für die Ablehnung einer BK 2101 aber keinesfalls herangezogen werden. Da die Klägerin die Lehre und die ersten Berufsjahre ohne Erkrankungen oder Hinweiszeichen auf eine verminderte Konstitution bei voller Leistungsfähigkeit absolviert habe, sei nicht von einer besonders schwachen Konstitution auszugehen. Er halte es für sehr wahrscheinlich, dass eine veränderte berufliche Belastung im Sinne einer stärkeren Beanspruchung der rechten oberen Extremität beginnend im Februar 2001 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 28. August 2001 eine Gefährdung für eine BK 2101 dargestellt habe, wenn auch die Dauer der Gefährdungsexposition nicht wie gefordert fünf Jahre mit einer mindestens drei Stunden währenden täglichen Exposition betragen habe und somit auch die Anerkennung einer BK 2101 generell zunächst ausgeschlossen sei. Dennoch müsse hier gründlich analysiert werden, ob nicht im Zeitraum während der Berufsausübung zuvor eine Gefährdung vorgelegen haben könnte. Es überzeuge ihn als Gutachter nicht, die arbeitstechnische Belastung nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer des früheren Arbeitgebers der Klägerin, der mit ihr zusammengearbeitet habe, zu erstellen. Er halte die TAD Ermittlungen nicht für ausreichend. Entscheidend für die Entstehung der Erkrankung im Bereich der Sehnen bzw. des Sehnengleitgewebes sei nicht die Schwere der Arbeit, sondern die Maximalzahl der Bewegungen, die in einer bestimmten Zeiteinheit geleistet werden müssten. Es sei dabei richtig, dass die beanspruchende Tätigkeit meist zu Beginn weniger toleriert werde, so dass oft, aber eben nicht immer und ausschließlich in der Anfangs- bzw. Umstellungsphase Beschwerden auftreten würden. Die gefährdenden Tätigkeiten zeichneten sich durch gleichförmige anhaltende, schnell hintereinander ausgeführte Bewegungen aus. Insgesamt sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bedingt durch die beruflich höhere Belastung im Zeitraum zwischen Februar 2001 und August 2001 bei der Ausübung von Fassadenbauarbeiten eine zunächst akute Sehnenscheidenentzündung der rechten Hand behandlungsbedürftig gewesen sei. Hieraus sei eine chronische Erkrankung der Sehnen des rechten Unterarmes/der rechten Hand resultiert, die bei seiner Untersuchung klinisch objektiv feststellbar gewesen sei und Schmerzen hervorrufe sowie eine verminderte Belastungsfähigkeit der rechten Hand/des rechten Unterarmes bedinge. Konkurrierende Einflüsse, die die Beschwerden des rechten Handgelenkes begünstigt oder alleinig hervorgerufen hätten, seien nicht erkennbar.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes sodann einen Erörterungstermin vom 21. Oktober 2009 durchgeführt und hierzu insbesondere die Klägerin zu ihrer früheren Tätigkeit befragt.

Die Beklagte hat nach erneuter Befragung der Klägerin eine weitere Stellungnahme ihres TAD vom 12. Januar 2010 beigebracht. Sie führte aus, dass danach eine Überbeanspruchung durch ungewohnte Arbeiten mit statischen und dynamischen Anteilen zu 30 bis 40 % der Arbeitszeit über gut 5 ½ Jahre (August 1995 bis Februar 2001) anzunehmen sei. Für die Zeit von Februar 2001 bis August 2001 sei eine Belastung durch monotone kraftaufwändige Drehungen, z. B. Schrauben, anzunehmen. Ausgehend von den ersten dokumentierten Behandlungen im August 2001 fehle es damit am zeitnahen Auftreten der Erkrankung zur Aufnahme oder Änderung einer Tätigkeit. Das Auftreten von Beschwerden sei für verschiedene Zeitpunkte angegeben worden, die Beschwerden seien jedoch nicht zeitnah zum Beginn der Tätigkeit im August 1995 aufgetreten. Auch wenn man auf die Änderung des Tätigkeitsprofils im Februar 2001 abstellte, sei der zeitliche Zusammenhang zu verneinen, da beim erstmaligen Behandlungsbeginn ein halbes Jahr abgelaufen gewesen sei. Hinsichtlich der von Februar bis August 2001 ausgeübten Schraubarbeiten fehle zudem das Kriterium der Langjährigkeit. Eine Chronifizierung oder zumindest eine länger als vorübergehend andauernde Erkrankung sei damit nicht zu begründen. Abgesehen davon bestünden weiterhin Zweifel, ob tatsächlich eine chronifizierte Erkrankung mit entsprechenden strukturellen Veränderungen vorliege. Dr. K habe seine Beurteilung nicht mit entsprechenden, insbesondere bildgebenden Befunden untermauert. Die aktenkundigen bildtechnischen Untersuchungen, insbesondere das MRT vom 04. Juli 2002 und Röntgenaufnahmen vom 12. Oktober 2001 und 19. Juli 2004, belegten dies nicht.

Das Gericht hat die Klägerin mit Schreiben vom 03. Juni 2010 und erneut mit Schreiben vom 28. Juli 2010 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden, und Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden, weil das Gericht die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und den Beteiligten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Oktober 2005 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil und der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. Mai 2003 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf die Anerkennung ihrer Erkrankung als BK Nr. 2101 noch auf die Gewährung von Leistungen wegen einer BK.

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV sind Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, eine BK.

Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die vorliegende Erkrankung konkret individuell durch entsprechende Einwirkungen des Stoffes wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden ist und dass die Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sind. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG Urteil vom 02. Mai 2001, Az. B 2 U 16/00 RSozR 3-2200 § 551 RVO Nr. 16 m. w. N., Urteil vom 2. April 2009, Az. B 2 U 7/98 R, zitiert nach juris.de). Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Faktoren ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass die richterliche Überzeugung hierauf gestützt werden kann (BSG, Urteil vom 06. April 1989, Az. 2 RU 69/87, zitiert nach Juris; Urteil vom 02. Februar 1978, Az. 8 RU 66/77, BSGE 45, 285, 286).

Unter Beachtung dieser Vorgaben ist nach dem Gesamtergebnis der arbeitstechnischen und medizinischen Ermittlungen nicht nachgewiesen, dass bei der Klägerin eine BK 2101 vorliegt. Nach dem Merkblatt zur BK 43 der Anlage 1 zur 7. BKVO (Bekanntmachung des BMA vom 18. Februar 1963, BArbBl. Fachteil Arbeitsschutz 1963, 24 f.; geändert durch Bekanntmachung des BMAS vom 01. Dezember 2007, GMBl 2008 S.2; abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, Stand Mai 2010, M 2101 S. 1 f.), kann die Erkrankung durch einseitige langdauernde mechanische Beanspruchung und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen. Als für die Verursachung ursächlich anzusehende berufliche Einwirkungen kommen in Betracht einseitige, langandauernde mechanische Beanspruchungen wie 1. kurzzyklische, repetitive feinmotorische Handtätigkeiten mit hoher Bewegungsfrequenz (mindestens 10.000 Bewegungsabläufe pro Stunde = 3 pro Sekunde), bei denen im Handbereich dieselben Muskeln und Sehnen unter gleichartiger Belastung betätigt werden; gemeint sind dabei Wiederholungen immer der gleichen Bewegungsabläufe mit stets einförmiger Belastung der entsprechenden Muskel- und Sehnengruppen, überwiegend der Streckseite (Beispiele: Maschinenschreiben, Klavierspielen); 2. hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten, bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk (Beispiele: Stricken, Handnähen, Stopfen; Verwendung von PC-Tastatur und Maus als Eingabegerät des PC, wenn die Fingersehnen durch einen ungünstigen Winkel der Hand zum Unterarm umgelenkt werden); 3. Überbeanspruchung durch ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung bzw. bei repetitiver Arbeitsverrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige von der Ruhestellung stark abweichende Haltung der Gliedmaßen erforderlich ist mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftanwendung (Beispiele: Drehen, Montieren und Bügeln); 4. forcierte Dorsalextensionen der Hand (Beispiele: Rückhandschlag beim Tennis, Hämmern) und 5. monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms (Beispiel: Betätigen eines Schraubendrehers).

Die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2101 sind nach herrschender Meinung dann erfüllt, wenn diese Einwirkungen arbeitstäglich jeweils mindestens drei Stunden bei einer Gesamtbelastungszeit von in der Regel fünf Jahren vorgelegen haben (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 1166, m. w. N., Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, Kommentar, M 2101, Seite 8, m. w. N.). Die entzündlichen Veränderungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze treten dabei relativ kurzfristig nach nicht gewohnter einseitiger Belastung bei entweder fehlender Anpassung oder aber aufgrund körperlicher Gegebenheiten auf. Die akute entzündliche Reaktion kann in ein chronisches Stadium übergehen oder bei entsprechender Belastung immer wieder aufflackern, weshalb ihr dann (erst) der Status einer BK zugeordnet wird (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a. a. O. Rdnr. 4.4; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O. S. 1166).

Diese arbeitstechnischen Voraussetzungen sind nach erneuter Überprüfung des TAD vom 12. Januar 2010 insoweit (teilweise) erfüllt, als von einer Überbeanspruchung durch Arbeiten mit statischen und dynamischen Anteilen zu 30 bis 40 % der Arbeitszeit über gut 5 ½ Jahre (von August 1995 bis Februar 2001) auszugehen ist. Dies ist für eine Anerkennung als BK 2101 jedoch nicht ausreichend, weil von einer Verursachung durch arbeitsbedingte Belastungen im Sinne dieser BK nur dann auszugehen ist, wenn die entzündlichen Veränderungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze relativ kurzfristig nach nicht gewohnter einseitiger Belastung auftreten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 1166, Mehrtens/Brandenburg, a. a. O., Seite 11 f., LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2009, L 3 U 309/08, zitiert nach juris.de, und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08. August 2007, Az.: L 17 U 28/04, zitiert nach juris.de, m. w. N.).

Diese weitere zeitliche Vorgabe im Sinne eines kurzfristigen Auftretens der Beschwerden nach einer Umstellung ist im Falle der Klägerin nicht erfüllt, weil mit den Feststellungen des TAD vom 12. Januar 2010 entsprechend dem Vortrag der Klägerin von der Aufnahme einer gefährdenden Tätigkeit bereits im August 1995 auszugehen ist. Aber auch wenn man auf die Umstellung in der Tätigkeit durch den im Februar 2001 begonnenen Fassadenbau abstellt, ist der erforderliche zeitliche Zusammenhang nicht gegeben. Die Klägerin hat diesbezüglich im Erörterungstermin vom 21. Oktober 2009 ausgeführt, sich an den Beginn der Fassadenbautätigkeiten nicht mehr genau erinnern zu können, sie meine, dass es Mitte Februar 2001 gewesen sei. Beschwerden der Klägerin im Sinne einer BK 2101 wurden jedoch erst 6 ½ Monate nach diesem Zeitpunkt Mitte Februar 2001 dokumentiert. Denn die Erkrankung "Synovitis und Tenosynovitis" wurde erstmalig durch den Arzt für Orthopädie J am 28. August 2001 festgestellt. Eine frühere ärztliche Untersuchung erfolgte diesbezüglich nicht. Dies ist für das geforderte zeitnahe Auftreten im Sinne einer Anpassungsstörung nicht ausreichend. Die Klägerin hat zwar teilweise vorgetragen, nicht gleich beim ersten Auftreten von Beschwerden, sondern erst mit beträchtlicher Zeitverzögerung zum Arzt gegangen zu sein. Eigene Angaben sind jedoch bereits grundsätzlich nicht geeignet, die erforderlichen zeitnahen ärztlichen Feststellungen zu ersetzen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. S in dessen Gutachten vom 27. Juli 2004 auf Befragen noch angegeben hatte, "vor dem August 2001 nie Probleme im Handgelenk und im Unterarm" gehabt zu haben. Auch in dem unter dem 10. April 2002 ausgefüllten Fragebogen hatte die Klägerin mitgeteilt, Beschwerden erstmals im August 2001 bemerkt zu haben. Angesichts dessen sind spätere anders lautende Angaben der Klägerin erst recht nicht geeignet, einen früheren Erkrankungsbeginn im Vollbeweis zu sichern. Auch nichtärztliche Zeugen sind diesbezüglich kein geeignetes Beweismittel.

Mit dem Auftreten von Beschwerden im August 2001 ist der erforderliche zeitliche Zusammenhang nicht gewahrt. Der für die Beklagte Stellung nehmende Herr M hat zu dem nach der oben zitierten wissenschaftlichen Lehrmeinung erforderlichen Kriterium des kurzfristigen Auftretens nach einer nicht gewohnten Belastung ausgeführt, dass ausgehend von einer Umstellung im Februar 2001 der Erkrankungsbeginn im August 2001 nicht mehr im Bereich einer zu fordernden Anpassungs- oder Umstellungsphase liegt. Auch der vom Gericht gehörte Gutachter Prof. Dr. S hat in seiner Rückäußerung vom 20. Dezember 2004 ausgeführt, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen dem ersten Auftreten der Beschwerden und dem Beginn der möglichen berufsbedingten Belastung des Handgelenkes nicht der BK 2101 entspricht. Dem schließt sich das Gericht an.

Etwas anderes folgt auch nicht aufgrund der Feststellungen des auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörten Dr. K in dessen Gutachten vom 10. Juni 2008. Wie auch von Dr. K angeregt, ist zwar im Hinblick auf die arbeitstechnische Gesamtbelastung der Klägerin durch den TAD am 12. Januar 2010 nachermittelt worden. Dies führte jedoch trotz Annahme einer ausreichenden Belastung bereits ab August 1995 aus den genannten Gründen nicht zur Anerkennung einer BK 2101. Dr. K bestätigte anhand der Aktenlage, dass sich erst ab August 2001 die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung ergeben habe, während im gesamten Ausbildungszeitraum und der daran anschließenden späteren Berufstätigkeit sich keine aktenkundigen Ausfallzeiten und keine zu berücksichtigenden Leistungseinschränkungen aufgetreten seien und nach dem Zwischenzeugnis des Arbeitgebers vom 14. Januar 2000 eine volle Leistungsfähigkeit der Klägerin bestanden habe. Die später aufgetretene chronifizierte Sehnenscheidenentzündung führt Dr. K dann zwar ursächlich auf die Tätigkeit der Klägerin zurück. Auf erforderliche Voraussetzung eines zeitnahen Auftretens der ersten Beschwerden zum Tätigkeitsbeginn bzw. zu einer Umstellung der Tätigkeit ging Dr. K jedoch nicht ein, vielmehr hielt er dieses Erfordernis entgegen der oben dargestellten und maßgebenden herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung – ohne jede Begründung – für nicht ergebnisrelevant. Seiner Schlussfolgerung konnte daher nicht gefolgt werden.

Da das Vorliegen einer BK 2101 nach allem nicht feststeht, kam auch die Gewährung von Verletztengeld nicht in Betracht. Verletztengeld wird gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 dann erbracht, wenn Versicherte "infolge" des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind. Der Versicherungsfall einer BK 2101 lag bzw. liegt im Falle der Klägerin aus den genannten Gründen jedoch nicht vor.

Auch ein Anspruch auf Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV besteht nicht. Nach § 3 Abs. 2 BKV haben Versicherte, die eine gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen, deren Höhe, Dauer und Zahlungsart allerdings im Ermessen des Unfallversicherungsträgers steht. Die Vorschrift regelt dabei einen eigenständigen ("kleinen") Versicherungsfall, der nicht den Eintritt des ("großen") Versicherungsfalls einer BK voraussetzt. Für den Anspruch auf Übergangsleistungen ist es deshalb ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Versicherte aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt ist, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr u. a. des Entstehens einer BK begründen, wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdende Tätigkeit eingestellt wird und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung und/oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen kommt (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010, Az.: B 2 U 33/08 R, zitiert nach juris.de). Auch diese Voraussetzungen sind aus den oben bereits genannten Gründen nicht gegeben. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der BK 2101 um eine Anpassungsstörung, die zeitnah zu einer Aufnahme oder Umstellung der Tätigkeit auftreten muss. Die Voraussetzung des zeitnahen Auftretens war im Falle der Klägerin nicht erfüllt und hätte bei weiterer Ausübung der gefährdenden Tätigkeit auch nicht mehr erfüllt werden können.

Über die von der Klägerin ferner begehrten Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation bzw. nach der durch das Neunte Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) vom 19. Juni 2001 (BGBl I 1046) zum 1. Juli 2001 geänderten Terminologie "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" nach §§ 26 Abs. 1 S. 1, 35 Abs. 1 S. 1 SGB VII in Verbindung mit § 33 Abs. 1 SGBB IX war nicht zu entscheiden, weil es insoweit bereits an einer zu überprüfenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehlt. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist nach § 54 Abs. 1 SGG, dass der Verwaltungsträger zuvor einen (belastenden) Verwaltungsakt erlassen hat. Eine Entscheidung über den von der Klägerin während des Widerspruchsverfahrens gestellten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe hat die Beklagte, soweit ersichtlich, jedoch nicht getroffen, jedenfalls wäre ein solche Entscheidung auch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Zudem ist erstinstanzlich ein entsprechender Antrag nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, so dass eine Überprüfung im Berufungsverfahren auch deswegen nicht in Betracht kommt.

Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG bestanden nicht.
Rechtskraft
Aus
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