L 5 AS 103/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 957/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 103/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 11/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2007 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen seine Verurteilung zur Leistung einer einmaligen Beihilfe für Schul- und Arbeitsmittel für die Kläger zu 1. bis 3 ...

Der am 1992 geborene Kläger zu 1., der am 1997 geborene Kläger zu 2. sowie der am 1999 geborene Kläger zu 3. leben zusammen mit ihrer Mutter, Frau , und zwei weiteren Brüdern in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie beziehen seit 1. Januar 2005 vom Beklagten Sozialgeld nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheid vom 27. Juni 2006 bewilligte der Beklagte ihnen und den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen i.H.v. 889,37 EUR/Monat für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2006. Mit Schreiben vom 30. Juni 2006 beantragten die Kläger, die Kosten für den Schulbedarf (Arbeitsmittel, Arbeitsmaterialien) zu übernehmen. Sie hätten keinerlei Rücklagen bilden können. Zusätzlich zu den Kosten der anstehenden Einschulung des Klägers zu 3. fielen für ihn außer den Arbeitsmitteln und des Schulbedarfs die kompletten Kosten für die Lehrbücher an. Die verwendeten Lehrbücher würden unterrichtsbezogen von den Schülern beschrieben. Es bestehe daher keine Möglichkeit, ein Leihexemplar zu erwerben. Dem Antrag fügten sie Bestelllisten für Bücher sowie Listen von zu beschaffenden Arbeitsmaterialien und weiteren Schulutensilien bei. Der Antrag umfasste auch den Schulbedarf des Klägers zu 1. für die Sekundarschule und den des Klägers zu 2. für die Grundschule.

Weiterhin sollten die Kosten für die Einschulung des Klägers zu 3. (Kosten für die Feier einschließlich der Schultüte und u.a. Turnzeug) vom Beklagten übernommen werden (hinsichtlich der Einzelheiten der begehrten Materialien wird auf Bl. 43 bis 49 der VA Bezug genommen).

Mit Bescheid vom 5. Juli 2006 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die begehrten Bedarfe seien grundsätzlich aus der Regelleistung zu decken. Die Aufstockung des Regelsatzes vor Inkrafttreten des SGB II um 16% sowie der Vermögensfreibetrag von 750,00 EUR pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sollten es den Leistungsempfängern ermöglichen, Geld für die Finanzierung solcher Bedarfe zurückzulegen. Eine gesetzliche Regelung für Sonderbedarfe fehle. Unter dem 11. Juli 2006 legten die Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Sie verfügten über keine Ersparnisse, mithin auch nicht über den Vermögensfreibetrag. Stetig steigende Preise für den täglichen Bedarf sowie für schulische Aktivitäten fänden keine Berücksichtigung. Sie benötigten Lebensmittel und Bekleidung. Da mit der Dekkung dieser Bedarfe die an sie geleisteten Zahlungen erschöpft seien, sei die Verwirklichung ihrer rechtlichen Ansprüche auf eine individuelle, altersgerechte Entwicklung nicht möglich. Sie verwiesen auf die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1989.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2006 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Neben den bereits im Ablehnungsbescheid geäußerten Argumenten verwies er darauf, dass auch eine darlehensweise Übernahme der Kosten nicht in Betracht komme. In der Regelleistung sei ein Anteil von 16% für einmalige Leistungen enthalten. Bezogen auf die der Mutter gezahlten Regelleistung und des Sozialgeldes der Kinder seien dies 165,00 EUR/Monat. Die Kläger könnten die vom Beklagten angenommenen Kosten von 108,20 EUR davon begleichen.

Gegen den Bescheid haben die Kläger am 22. August 2006 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und gleichzeitig um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Mit Beschluss vom 6. September 2006 hat das SG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 8 AS 953/06 ER) den Beklagten verpflichtet, den Klägern für den Erwerb von Lern- und Arbeitsmitteln 198,65 EUR vorläufig als Darlehen zu gewähren. Sie hätten glaubhaft gemacht, dass es ihnen nicht möglich gewesen sei, Rücklagen für Schulbedarfe zu bilden. Die Höhe der Leistung ergebe sich aus den Kosten für die Lernmittel für den Kläger zu 3. i.H.v. 54,75 EUR, für den Kläger zu 2. i.H.v. 38,95 EUR sowie für den Kläger zu 1. i.H.v. 35,95 EUR. Für die begehrten Hefte, Schnellhefter, Geodreieck und den Zirkel hat das SG einen Bedarf von 15,00 EUR sowie für die Ausstattung mit Federmappe, Farbkasten, Ringordner, Schnellhefter, Umschläge, Blöcke und Schreibhefte einen Bedarf i.H.v. 35,00 EUR als angemessen erachtet. Die Kosten für die Einschulungsfeier des Klägers zu 3. seien vom Beklagten dagegen nicht zu übernehmen. Es handele sich insoweit nicht um einen unabweisbaren Bedarf. In Ausführung dieses Beschlusses hat der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 15. September 2006 ein Darlehen gewährt, dessen Rückzahlung er ab Oktober 2006 mit 124,20 EUR/Monat (10% der Regelleistung) festgesetzt und mit der auszuzahlenden Regelleistung verrechnet hat. Im Klageverfahren haben die Kläger unter Hinweis auf weitere zu leistende Beträge für die Schule (beispielsweise für Kopiergeld oder die Klassenkasse) darauf hingewiesen, dass die Gewährung eines Darlehens wegen der Rückzahlungsverpflichtung nicht ausreichend sei. Mit dem Regelsatz ließen sich die Schulkosten nicht decken.

Das SG hat mit Urteil vom 22. Mai 2007 den Bescheid des Beklagten vom 5. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2006 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Klägern endgültig eine einmalige Beihilfe für Schul- und Arbeitsmittel sowie zur Einschulung des Klägers zu 3. i.H.v. 198,65 EUR zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die nachgewiesenen Kosten für das Arbeits- und Lernmaterial lägen in einer Höhe, die die Kläger nicht mehr aus der Regelleistung bestreiten könnten. Aus ihr seien so viele "Einmalbedarfe" zu realisieren, dass ein Ansparen nahezu unmöglich sei. Die streitgegenständlichen Bedarfe für Lehr- und Arbeitsmittel seien als Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II zu gewähren. Da das SGB II für die Realisierung solcher Mehrbedarfe nur die darlehensweise Gewährung zulasse, es jedoch um die Bildung der Kläger gehe, sei bei verfassungskonformer Auslegung das eingeräumte Ermessen, den Betrag zurückzufordern, auf Null reduziert. Im Vergleich zu den Beziehern von Leistungen nach dem SGB II hätten die Leistungsbezieher nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches – Sozialhilfe (SGB XII) die Möglichkeit, solch einen Sonderbedarf nach §§ 27, 37 Abs. 2 SGB XII zu decken. Eine Differenzierung ließe sich vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots nicht rechtfertigen. Hinsichtlich der Kosten für die Einschulungsfeier hat das SG die Klage abgewiesen. Während die Lern- und Arbeitsmittel für die schulische Entwicklung unerlässlich seien, gelte dies weder für die Feier noch für die Schultüte. Es sei davon auszugehen, dass Turnzeug in der Familie vorhanden sei. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gegen das ihm am 5. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 18. Juni 2007 Berufung eingelegt. Da das Sozialgeld pauschal den gesamten Lebensunterhalt mit Ausnahme der gesetzlich geregelten Sonderbedarfe erfasse, komme eine Zuschussgewährung für die geltend gemachten Kosten nicht in Betracht. Eine entsprechende gesetzliche Anspruchsgrundlage zur Deckung dieser Kosten sehe das SGB II nicht vor. Auch eine Darlehensgewährung komme nicht in Betracht. Zum einen sei dies nicht beantragt worden, zum anderen liege kein unabweisbarer Bedarf vor. Insbesondere sei nicht geprüft worden, ob aus dem vorhandenen Vermögen der Kläger eine Bedarfsdeckung hätte vorgenommen werden können.

Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2007 die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie haben darauf verwiesen, dass die schulischen Kosten über die durch das Sozialgeld abgedeckten Beträge hinausgingen. Sie hätten einen Antrag auf einmalige Beihilfe gestellt, nicht auf ein Darlehen. Es sei auch nicht akzeptabel, dass dieses unverzüglich in größeren Raten wieder zurückgefordert worden sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 3. November 2009 den Landkreis Harz als Träger der Sozialhilfe beigeladen.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2009 die Klage der Frau, des Herrn sowie des Herrn zurückgenommen.

Die Gerichtsakte dieses Verfahrens und des Verfahrens S 8 AS 953/06 ER sowie die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

I.

Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben.

Die Berufung ist auch zulässig gemäß § 144 Abs. 2, Abs. 3 SGG.

Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen. Der Senat ist an die Berufungszulassung gebunden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rn. 43a). II. Streitgegenstand sind ausschließlich die Ansprüche der Kläger auf Übernahme der Kosten der geltend gemachten Lern- und Arbeitsmittel durch den Beklagten und nicht etwa weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Nur hierauf bezieht sich das im Klagantrag zum Ausdruck gekommene Klagebegehren.

Den streitgegenständlichen Bedarf machten die Kläger ausdrücklich zusätzlich zum Leistungsanspruch nach §§ 19, 20, 28, 22 SGB II geltend. Der Leistungsbescheid vom 27. Juni 2006 ist bestandskräftig. Der Beklagte hat in einem selbstständigen Bescheid eine Regelung zu einem Lebenssachverhalt getroffen, der hinreichend von den nach §§ 19, 20, 28, 22 SGB II getroffenen Entscheidungen abgrenzbar ist. Der streitgegenständliche Anspruch kann mithin isoliert verfolgt werden (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2008, B 11b AS 19/07 R, Rn. 18, juris für die Kosten des Schulessens).

III.

Der Landkreis als örtlicher Sozialhilfeträger war diesem Verfahren nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen. Die Entscheidung kann nur einheitlich gegenüber dem Beklagten und dem Sozialhilfeträger ergehen, weil sie unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingreifen kann und damit die für die notwendige Beiladung erforderliche Identität des Streitgegenstandes zu bejahen ist. B. Die Berufung des Beklagten ist begründet, da das Sozialgericht zu Unrecht den Bescheid vom 5. Juli 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2006 teilweise aufgehoben hat. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bewilligung einer einmaligen Beihilfe zur Deckung des Bedarfs für die streitgegenständlichen Lern- und Arbeitsmittel.
I.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 23 Abs. 1 SGB II in Form eines "rückzahlungsfreien Darlehens". Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit nach dieser Regelung bei entsprechendem Nachweis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. a. Ein Grundbedarf für Lernmittel und Schulbedarfe ist in der Regelleistung nach § 20 SGB II enthalten (vgl. BT-Drs. 15/5928, S. 11 – Anfrage der Abgeordneten Ingrid Fischbach an die Bundesregierung). In der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahr 2003 (EVS 2003) wurden in der Abteilung 09 "Freizeit, Unterhaltung, Kultur" u.a. Ausgaben für Bücher und Broschüren, sonstige Gebrauchgüter für Bildung, Unterhaltung, Freizeit sowie sonstige Verbrauchsgüter (Schreibwaren, Zeichenmaterial u.Ä.) berücksichtigt (vgl. Ausschuss-Drs. 16(11)286, S. 30). Ob die in den Regelsätzen hierin enthaltenen Pauschalen ausreichend sind, um die Lernmittelkosten zu decken, bedarf hier keiner Prüfung. Die Kläger haben nicht die Höhe ihrer Regelsätze in Zweifel gezogen. Diese sind auch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. (s.o. A.II.) b. Die Kosten, die die Kläger für die zu beschaffenden Lern- und Arbeitsmittel aufwenden mussten, stellten einen unabweisbaren Bedarf dar. Die Kläger haben angegeben, über kein Vermögen außerhalb ihrer laufenden Regelleistungen zu verfügen. Ein Ansparen aus früheren Regelleistungen war ihnen offenbar nicht möglich. Sie konnten auch ihren Bedarf nicht etwa durch einen Antrag auf Kostenbefreiung beim Schulträger decken. So bestimmt zwar § 72 Abs. 1 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (SchulG LSA), dass die Eltern von den Kosten der Lernmittel entlastet werden sollen. In der nach § 72 Abs. 2 SchulG LSA erlassenen Lernmittelkostenentlastungsverordnung vom 30. April 2003 fallen unter diese Entlastung jedoch nicht die Lernmittel, in denen Raum für Eintragungen der Schüler und Schülerinnen vorgesehen ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung) sowie die Fibel und das Mathematikbuch im ersten Schuljahrgang (§ 2 Abs. 2 Nr. 3) und sonstige Unterrichtsmittel und gegenstände, soweit sie nach Art und Umfang nicht ausschließlich für den Unterricht, sondern ebenso für den Privatgebrauch bestimmt sind oder zur persönlichen Ausstattung der Schülerinnen und Schüler gehören (§ 2 Abs. 2 Nr. 4). Die von den Klägern begehrten Gegenstände fallen mithin gerade nicht unter die Lernmittelkostenentlastungsverordnung. c. Dem Begehren der Kläger auf einmalige Beihilfe kann nicht faktisch auf dem Wege entsprochen werden, ein nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu gewährendes Darlehen entgegen § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II von der Tilgungspflicht auszunehmen. Das Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II unterliegt der Rückzahlung. Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II wird das Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung getilgt. Entgegen der Ansicht des SG steht dem Beklagten insoweit kein Ermessen zu. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das Darlehen durch monatliche Aufrechnung zurückzuzahlen. Wegen dieses eindeutigen Wortlauts ist eine andere Auslegung nicht möglich. aa. Die Rückzahlungsverpflichtung führt auch nicht zu verfassungswidrigen Auswirkungen, wie es das BSG im Rahmen der Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts angenommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7a AS 14/06 R, Rn. 20, juris). Die Aufrechnung wird nicht zu einer "belastenden Hypothek" für die Zukunft. Im Gegensatz zu den Kosten des Umgangsrechts fallen die Kosten für die Beschaffung von Lern- und Arbeitsmitteln i.d.R. in der hier streitgegenständlichen Höhe nur einmal jährlich, nämlich zu Beginn eines Schuljahres an. Härten können also vermieden werden, indem der Leistungsträger das ihm eingeräumte Ermessen bei der Höhe der Tilgungsraten ausübt. Die Dauer der Rückzahlung kann er durch Festsetzung geringer Raten strecken. bb. Die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II verstößt im Hinblick auf die entsprechende Regelung der §§ 27, 37 Abs. 2 SGB XII entgegen der Ansicht des SG auch nicht gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Zwar hat der Gesetzgeber die Gewährung und die Rückzahlung der für unabweisbare Bedarfe gewährten Darlehen für Empfänger von Leistungen nach dem SGB II und denen nach dem SGB XII im Detail unterschiedlich geregelt. Während in § 23 Abs. 1 SGB II bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Darlehen zu gewähren ist, das durch Aufrechnung mit den gewährten Leistungen i.H.v. bis zu 10% zu tilgen ist, soll im Rahmen des § 37 Abs. 1 SGB XII bei Vorliegen eines unabweisbaren Bedarfs ein Darlehen gewährt werden, das durch Einbehalten von der gewährten Leistung i.H.v. bis zu 5% getilgt werden kann. Dem Sozialhilfeträger ist folglich sowohl bei der Gewährung der Leistung als Darlehen als auch bei deren Rückzahlung ein Ermessen eingeräumt, d.h. im atypischen Einzelfall steht es ihm offen, die Leistung nach § 37 SGB XII als Beihilfe zu gewähren. Es kann dahinstehen, ob diese unterschiedlichen Regelungen durch die Verschiedenartigkeit der Leistungssysteme gerechtfertigt sind. Die beiden Vorschriften führen nämlich hinsichtlich der Frage, ob vom Leistungsträger gewährte Darlehen vom Leistungsempfänger zurückzuzahlen sind, im Normalfall nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auch dem Grundsicherungsträger nach dem SGB II bleibt die Möglichkeit, nach § 44 SGB II die Rückforderung des Darlehens zu erlassen (s. unten). Eine generelle Verknüpfung des Erlasses mit der Darlehensgewährung kommt zwar nicht in Betracht, denn dies würde sie ad absurdum führen. Eine solche Lösung wäre im Ergebnis eine Umgehung der vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Erhöhung der Regelsätze (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 14/06 R, Rn. 20, juris). Jedoch darf der Leistungsträger die Forderung im Einzelfall erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Mithin ist auch im SGB II die Möglichkeit eröffnet, in begründeten atypischen Fällen die Leistung nach § 23 Abs. 1 SGB II wirtschaftlich gesehen als Zuschuss zu gewähren. Eine Ungleichbehandlung liegt insoweit nicht vor. d. Im vorliegenden Fall ergibt sich für die Kläger jedoch auch im Wege des Erlasses der Forderung nach § 44 SGB II kein Anspruch, das Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen. Es liegen die Tatbestandsvoraussetzungen eines Erlasses nicht vor. Eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen kann angenommen werden, wenn sich der Schuldner in einer Notlage befindet und zu besorgen ist, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führt (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 9. Aufl. 2008, § 44, Rn. 10). Dafür sind im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Im Gegenteil: Der Beklagte hatte das Darlehen in zwei Monatsraten zurückgefordert, ohne dass es zu einer Existenzgefährdung der Kläger kam. Jedenfalls haben die Kläger dies nicht behauptet. Umstände, die solch eine Vermutung nahe legen könnten, sind nicht erkennbar. Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist im Fall der Kläger ebenfalls nicht gegeben. Diese ist zu bejahen, wenn die Forderung des Leistungsträgers gegen den Schuldner auf einem Mitverschulden bei der Entstehung des Anspruchs beruht, wie etwa bei einem Erstattungsanspruch gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) (vgl. Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rn. 13). Das für die Deckung des Schulbedarfs ausgereichte Darlehen lässt den Fall eines Mitverschuldens des Beklagten nicht erkennen. II. Auch aus § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II ergibt sich kein Anspruch auf einen verlorenen Zuschuss. Von dieser abschließenden Regelung sind die geltend gemachten Kosten nicht erfasst. Hierunter fallen als Sonderbedarfe, die nicht von der Regelleistung umfasst sind, nur Sonderleistungen für die Erstausstattung der Wohnung, für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt sowie für mehrtägige Klassenfahrten. Es handelt sich um eine abschließende, einer ergänzenden Anwendung auf andere Sachverhalte nicht zugängliche Regelung. Auch eine "verfassungskonforme Erweiterung" des § 23 Abs. 3 SGB II auf Lernmittel ist abzulehnen. Arbeits- und Lernmittel sind Bestandteil des Regelsatzes (s.o. unter B.I.a.), d.h. sie fallen bereits nicht in den Anwendungsbereich der Norm (so auch Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 6. Februar 2008, L 2 B 601/07 AS-ER, juris, Rn. 25 für Schülerbeförderungskosten). Es bestand im streitgegenständlichen Zeitraum keine Regelung über die Gewährung von einmaligen Beihilfen - mit Ausnahme der mehrtägigen Klassenfahrten - für Bedarfe aus Anlass des Schulbesuches.

III.

Auch aus § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II ergibt sich kein Anspruch der Kläger auf eine einmalige Beihilfe in Form eines Zuschusses, denn auch diese Regelung erfasst nur Leistungen für Mehrbedarfe, die nicht durch die Regelleistung umfasst sind. Eine hiervon abweichende Festlegung der Bedarfe ist ausgeschlossen, die Regelung insoweit abschließend (vgl. BSG, B 7b AS 14/06 R, a.a.O., Rn. 19). Leistungen für Lern- und Arbeitsmittel für die Schule sind Bestandteil der Regelleistung (s.o.); sie können zudem weder unter den Mehrbedarf für Schwangere (Abs. 2), für Alleinerziehende (Abs. 3), für behinderte Menschen (Abs. 4) noch für medizinisch notwendige besondere Ernährung (Abs. 5) subsumiert werden. C.I. Es ergibt sich ebenfalls kein Anspruch gegen den Beigeladenen als örtlichen Sozialhilfeträger nach § 73 SGB XII. Die Anwendung dieser Norm neben den Regelungen des SGB II setzt das Vorliegen einer außerplanmäßigen Regelungslücke im SGB II sowie einer atypischen Bedarfslage voraus. Erforderlich ist das Vorliegen einer besonderen Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und dadurch eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellt, und die nicht durch die Regelungen des SGB II hinreichend befriedigt werden kann. Der Weg zur Anwendung des § 73 SGB XII ist bereits wegen Fehlens einer außerplanmäßigen Regelungslücke verwehrt. Vorliegend ist eine Darlehensgewährung möglich und auch aus den bereits o.g. Gründen für die Hilfebedürftigen hinreichend befriedigend. Zudem besteht auch keine atypische Bedarfslage. Eine derartige Bedarfslage, und nicht nur ein erhöhter Bedarf wie im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, ist beispielsweise in der mit der Scheidung der Eltern verbundenen besonderen Schwierigkeit der Aufrechterhaltung des Umgangs der Kinder mit dem anderen Elternteil bei unterschiedlichen, voneinander entfernt liegenden Wohnorten zu sehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 14/06 R, a.a.O., Rn. 22). Eine solche atypische Bedarfslage ist im Rahmen der Kostendeckung für den Erwerb notwendiger Schul- und Lernmittel gerade nicht gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 14 AS 44/08 R für die Kosten der Schülerbeförderung, als Terminsbericht vorliegend). Diese kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass es sich bei dem Bedarf an Schulbüchern einerseits um einen Bedarf handelt, der Erwachsenen in der Regel nicht entsteht und daher auch in die Berechnung der Regelsätze nicht mit einfließen konnte, andererseits aber die Kosten für Lernmittel zwingend anfallen (so aber LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. November 2008, L 3 AS 76/07, Rn. 33, juris unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. Oktober 1997, 5 C 34/95, Rn. 21, juris, wonach zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens i.S. § 12 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) nicht solche Bedürfnisse zugeordnet seien, die dem Hilfeempfänger unabhängig von seinem Willen entstünden). Eine atypische Bedarfslage besteht schon deswegen nicht, da sich Bedarfe und Leistungen, die regelhaft anfallen, nicht unter die "Hilfe in besonderen Lebenslagen" subsumieren lassen. Ein generelles Verständnis von § 73 SGB XII als Auffangregelung für Leistungsempfänger nach dem SGB II wäre systemwidrig und kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. zur einschränkenden Anwendbarkeit der Norm BSG, Urteil vom 7. November 2006 a.a.O., Rn. 22, juris). Die Regelung würde - wenn sie generalisierend und damit auch für ungedeckte, regelhaft auftretende Bedarfe herangezogen würde - eine vom Gesetzgeber gerade nicht gewollte zentrale Bedeutung als Auffangnorm erhalten (vgl. Hessisches LSG, Vorlagebeschluss vom 29. Oktober 2008, L 6 AS 336/07, Rn. 32, juris). Die streitgegenständlichen Schulmaterialien stellen zudem keine Sonderbedarfe dar, sondern Materialien, die regelhaft für den Schulunterricht benötigt werden. Auch die besonderen persönlichen Verhältnisse der Mutter der Kläger, die für mindestens drei ihrer schulpflichtigen Kinder Kosten für den Erwerb von Lern- und Arbeitsmitteln aufzubringen hat, ändert nichts an der Annahme einer eher typischen Bedarfslage (anders LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. April 2009, L 7 B 401/08 AS, Rn. 7, juris, wonach das SGB II bei dem "Leitbild" einer Bedarfsgemeinschaft nicht von einer allein erziehenden Mutter mit fünf Kindern ausgehe; auch in der Lebenswirklichkeit sei dies nicht der Normalfall). Dem SGB II ist ein allein erziehender Elternteil nicht fremd. Es sieht in § 21 Abs. 3 SGB II eine erhöhte Leistung für diese Personengruppe vor. Das SGB II hat zwar als "Leitbild" die Bedarfsgemeinschaft, diese bildet aber auch eine allein erziehende Mutter mit ihren Kindern. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Kosten für Lern- und Arbeitsmittel im Verhältnis zu den gewährten Leistungen gleich hoch sind, unabhängig davon, ob ein oder fünf Kinder zu versorgen sind. Im Gegenteil, bei mehreren Kindern können Synergieeffekte auftreten, wie beispielsweise bei der Turnbekleidung oder dem Zirkel. Daher konnte der Senat offen lassen, ob der Lebensgefährte der Mutter, der im streitigen Zeitraum mit in der Wohnung lebte, einen Anteil an der Erziehung der Kinder und der Deckung ihrer finanziellen Bedarfe hatte. II. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Lern- und Arbeitsmittel gegen den Beigeladenen ergibt sich auch nicht aus § 54 SGB XII. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII gehören zu den Leistungen der Eingliederungshilfe Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht, und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, wobei die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Voraussetzung allerdings ist, dass die Kläger Leistungsberechtigte i.S. § 53 SGB XII sind. Danach erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Zwar setzt die Anwendung des § 53 SGB XII keine förmliche Feststellung einer Behinderung voraus (vgl. BSG, B 11b AS 19/07 R, a.a.O., Rn. 25). Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kläger eine Behinderung hatten oder von einer solchen bedroht waren. Zudem sind die hier begehrten Lern- und Arbeitsmittel nicht geeignet, etwaige Behinderungen auszugleichen.

D.
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus der UN-Kinderrechts-Konvention (vom 20. November 1989, in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 5. April 1992, BGBl. II S. 990). Das Völkerrecht, zu dem die Konvention als zwischenstaatliches Recht gehört, versteht den Einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährt ihm nur mittelbaren internationalen Schutz (BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1996, 2 BvL 33/93, Rn. 48, juris). Die Konvention bildet keine individuelle Anspruchsgrundlage, sondern normiert allein Pflichten der Vertragsstaaten. So verpflichtet die UN-Kinderrechtskonvention in Art. 3 Abs. 2 die Vertragsstaaten – und damit weder unmittelbar den Beklagten noch den Beigeladenen –, dem Kind ... Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie (die Vertragsstaaten) alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen. In Art. 28 der Konvention ist die Verpflichtung der Vertragsstaaten niedergeschrieben, das Recht des Kindes auf Bildung zu verwirklichen und insbesondere den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen, sowie die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen allgemein bildender und berufsbildender Art fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich zu machen und geeignete Maßnahmen wie die Einführung der Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung finanzieller Unterstützung bei Bedürftigkeit treffen (Art. 28 Abs. 1a,b).

Unabhängig davon lässt sich der UN-Kinderrechtskonvention angesichts dieser nur sehr allgemein staatlichen Pflichten der Bundesrepublik Deutschland ein Anspruch auf die Finanzierung von Lern- und Arbeitsmitteln nicht entnehmen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 4. September 2008, L 13 AS 104/08, Rn. 35, juris für die Kosten eines Schultaschenrechners). E. Nach alledem war auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufzuheben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage, ob sich aus den Leistungssystemen des SGB II und SGB XII ein Anspruch auf Übernahme von Kosten für nicht nur geringwertige Lern- und Arbeitsmittel ergibt, grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst.
Rechtskraft
Aus
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