L 12 AL 156/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AL 248/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 156/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 192/01 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 6. Juli 2000 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist der Eintritt einer 12-wöchigen-Sperrzeit vom 01.09.1999 bis zum 23.11.1999 und das hiermit verbundene Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.

Die am ...1941 geborene Klägerin war seit dem 01.10.1977 bei der ...-GmbH in ... beschäftigt, zuletzt als Sekretärin. Sie meldete sich zum 01.09.1999 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die ...-GmbH gab unter anderem an, das Arbeitsverhältnis sei am 25.02.1999 zum 31.08.1999 "durch Auflösungsvertrag gekündigt" worden. Beigefügt wurde eine schriftliche Vereinbarung vom 25.02.1999 zwischen den Arbeitsvertragsparteien, wo es in Ziffer 1 wörtlich heißt: "Das Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung der ...-GmbH zur Vermeidung einer sonst unumgänglichen arbeitgeberseitigen Kündigung wegen Reorganisation in beiderseitigen Einvernehmen mit Wirkung zum 31.08.1999. Ein anderer adäquater Arbeitsplatz ist nicht vorhanden". Es wurde eine Abfindung in Höhe von 108.000,00 DM vereinbart und auch tatsächlich gezahlt. Die Beteiligten gingen offenbar von einer Kündigungsfrist des Arbeitgebers von 6 Monaten zum Monatsende aus.

Die Klägerin gab bei der Beklagten an: Es habe keine Möglichkeit bestanden, weiterbeschäftigt zu werden, da ihr Arbeitsplatz ersatzlos entfallen sei. Auf einer Betriebsversammlung und durch den Betriebsrat habe sie erfahren, dass es ein Kostenproblem in der allgemeinen Verwaltung sowie im Vertrieb gebe und daher Mitarbeiter abgebaut werden sollten.

Mit Bescheid vom 09.09.1999 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen-Sperrzeit ab dem 01.09.1999 und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verbunden mit einer Minderung der Anspruchsdauer um 1/4 gem. § 128 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) fest. Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin habe ihr Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag gelöst. Sie habe voraussehen können, dass sie arbeitslos werden würde. Ihr Einwand, dass ihr Beschäftigungsverhältnis wäre zu einen späteren Zeitpunkt ohnehin gekündigt worden, könne den Eintritt einer Sperrzeit nicht abwenden.

Die Klägerin erhob Widerspruch und wies darauf hin, dass ihr keinesfalls zu einen späteren Zeitpunkt, sondern zum gleichen Zeit punkt gekündigt worden wäre, wenn sie dem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt hätte. Die frühere Arbeitgeberin teilte der Beklagten unter dem 14.09.1999 nochmals ausdrücklich mit, dass auf ihre Veranlassung das Arbeitsverhältnis fristgerecht gelöst worden sei und dass auf jeden Fall fristgerecht gekündigt worden wäre, wenn die Klägerin dem Aufhebungsvertrag vom 25.02.1999 nicht zugestimmt hätte. - Mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis auch durch eine rechtmäßige Kündigung hätte beendet werden können. Entscheidend sei allein, dass der Aufhebungsvertrag gegen den Willen der Klägerin nicht hätte zustande kommen können.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.10.1999 Klage vor den Sozialgericht in Köln erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und darauf hingewiesen, es fehle an der Kausalität zwischen der Arbeitslosigkeit und der Einwilligung zu dem Aufhebungsvertrag, da zum gleichen Zeitpunkt von der Arbeitgeberin gekündigt worden wäre.

Im November 1999 hat die Klägerin bei der früheren Arbeitgeberin eine Nebentätigkeit in der Präsentationserstellung im Umfang von 15 Stunden pro Woche als Urlaubsvertretung ausgeübt. Seit dem 24.11.1999 bezieht die Klägerin Arbeitslosengeld von anfangs 390,88 DM pro Woche.

Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 09.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1999 zu verurteilen, ihr auch für die Zeit vom 01.09.1999 bis 23.11.1999 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat an ihrer bisher vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zum 31.08.1999 durch die frühere Arbeitgeberin gekündigt worden wäre und wenn ja, aus welchen Gründen und ob diese Gründe einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung stand geahlten hätten durch Vernehmung des Personalleiters bei der ... GmbH ... D ... und des Systemanalytikers und freigestellten Betriebsrates ... L ... Herr D ... hat bestätigt, dass im Jahr 1999 eine starke Reduzierung der Mitarbeiter erfolgt sei wenn sie dem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt hätte, und dass der Klägerin wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes gekündigt worden wäre. Herr L ... hat diese Ausführungen bestätigt. Ihm seien als Betriebsratvorsitzenden die Probleme der Firma bekannt gewesen. Wegen des genauen Wortlautes der Zeugenaussagen wird auf die Sitzungniederschrift vom 06.07.2000 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 06.07.2000 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben sowie die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.09.1999 bis 23.11.1999 verurteilt.

Zur Begründung hat es ausgeführt: Es fehle an der Kausalität zwischen der Arbeitslosigkeit und dem Aufhebungsvertrag. Bei der ... GmbH sei es zu einem erheblichen Arbeitsplatzabbau gekommen. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei weggefallen. Ihr wäre bei Nichtzustimmung zum Aufhebungsvertrag aus sozial gerechtfertigten Gründen zum gleichen Termin gekündigt worden. Eine solche Kündigung hätte auch Bestand vor den Arbeitsgerichten gehabt.

Gegen dieses der Beklagten am 07.08.2000 zugestellte Urteil richtet sich deren am 28.08.2000 eingegangene Berufung. Die Beklagte hält das angefochtene Urteil schon deshalb für unzutreffend, weil es irrtümlich davon ausgehe, dass der Klägerin wirksam zum 30.08.1999 hätte gekündigt werden können. Unzutreffend sei die Annahme, am 25.02.1999 hätte auch bei Anhörung des Betriebsrates zum 31.08.1999 sozial gerechtfertigt gekündigt werden können. Die Anhörungsfrist habe eine Woche betragen und sei üblicherweise ausgeschöpft worden. Dann aber hätte die Kündigung unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist frühestens zum 30.09.1999 ausgesprochen werden können. Aber selbst wenn man einmal davon ausgehe, dass die Kündigung zum 31.08.1999 arbeitsrechtlich zulässig gewesen wäre, so müssten für die Anerkennung eines wichtigen Grundes weitere Gründe hinzutreten. Wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten habe, die der Höhe nach einer Vorruhestandsregelung entspreche, könne sich der Arbeitnehmer nur in besonders begründeten Fällen darauf berufen, er habe die arbeitgeberseitige Kündigung nicht abzuwarten brauchen. Die Klägerin habe eine Abfindung von 108.000,00 DM erhalten, die unter Berücksichtigung der Zahlung von Arbeitslosengeld von der Größenordnung her voll ausgereicht hätte, den Lebensunterhalt bis zur Rentengewährung auf bis zu 65 % des Bemessungsentgeltes aufzustocken. Daher könne ein wichtiger Grund, der arbeitgeberseitigen Kündigung durch Zustimmung eines Aufhebungsvertrages zuvorzukommen, nicht anerkannt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.07.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Beteiligten auf § 20 Ziffer 3b des Tarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen hingewiesen, wonach bei Angestellten nach eine Betriebszugehörigkeit von 12 Jahren die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres beträgt. Ferner wurde auf § 622 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufmerksam gemacht, wo nach bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren die Kündigungsfrist sieben Monate beträgt.

Die Klägerin hat daraufhin ihren Dienstvertrag vom 04.10.1977 vorgelegt und hervorgehoben, dort sei eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende vereinbart worden. Diese Vereinbarung gehe allen anderen Regelungen vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist ferner begründet, denn die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin wegen ihrer Mitwirkung am Aufhebungsvertrag ihre Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat ohne hierfür ein wichtigen Grund zu haben und dass deshalb eine Sperrzeit eingetreten ist.

Nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat und er dadurch seine Arbeitslosigkeit grob vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes erfüllt. Die Klägerin hat durch ihr Mitwirken am Aufhebungsvertrag ihre mit Ablauf des 31.08.1999 ein getretene Arbeitslosigkeit wissentlich herbeigeführt (vgl. Niesel, SGB III, § 144, Rn. 28 - 30). Dieses Mitwirken war auch kausal für ihre Arbeitslosigkeit. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes hätte der Klägerin nicht durch sozial gerechtfertigte Kündigung zum gleichen Zeitpunkt gekündigt werden können. Das Sozialgericht ist, wie wohl auch die Arbeitsvertragsparteien, unzutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin arbeitgeberseitig zum 31.08.1999 hätte gekündigt werden können. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages 57 Jahre als und 21 volle Jahre bei der Firma ... GmbH beschäftigt. Nach § 20 Nr. 3b des Tarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen in der am 23.10.1997 geltenden Fassung beträgt die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber bei Angestellten nach einer Betriebszugehörigkeit von 12 Jahren sechs Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB beträgt die Kündigungsfrist nach 20jähriger Beschäftigungszeit sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. Damit hätte der Klägerin am 25.02.1999 sowohl nach dem BGB als auch nach dem Tarifvertrag frühestens zum 30.09.1999 gekündigt werden können. Es kommt aber noch hinzu, dass der Betriebsrat in der Regel die Anhörungsfrist von einer Woche nach § 102 Abs. 2 BetrVG ausschöpft um Zeit zu gewinnen (vgl. Aussage des Zeugen L ...). Dies ist für den Senat glaubhaft und nachvollziehbar, denn es ist nicht anzunehmen, dass ein Betriebsrat auf die Anhörungsfrist zum Nachteil des Beschäftigten verzichtet, um dem Arbeitgeber einen höheren Kündigungstermin zu ermöglichen. Es muss davon ausgegangen werden, dass bei einer Anhörung des Betriebsrates und dessen unterstellter Zustimmung eine Kündigung nach dem BGB erst zum 31.10.1999 möglich gewesen wäre.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass die Kündigungsfrist eingehalten sei, weil in § 8.3 ihres Arbeitsvertrages vom 04.10.1977 eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende vereinbart worden sei, so vermag der Senat dem nicht zu folgen. Diese Regelung entspricht genau der tarifvertraglichen Regelung nach § 20 Nr 1b des Tarifvertrages. Es ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Beteiligten mit dieser Regelung durch Zeitablauf (Betriebszugehörigkeit) eintretende Verbesserungen für den Arbeitnehmer ausschließen wollten, zumal außerdem aus den Ziffern 8.4 und 9.3 des Arbeitsvertrages folgt, dass gesetzliche und traifvertragliche Änderungen zu beachten sind.

Da feststeht, dass die Klägerin selbst bei unterstelltem Vorliegen der Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung nicht zum 31.08.1999, sondern erst zum 31.10.1999 hätte gekündigt werden können, ist eine Sperrzeit eingetreten. Einen wichtigen Grund für den Aufhebungsvertrag vermag der Senat nicht zu erkennen. Als solcher kann grundsätzlich nur anerkannt werden, wenn eine sozial gerechtfertigte Kündigung zum gleichen Zeitpunkt möglich gewesen wäre (Niesel a.a.O.). Der Umstand, dass die Beteiligten sich möglicherweise über die zutreffende Kündigungsfrist geirrt haben, kann ebenfalls einen wichtigen Grund nicht herbeiführen (Niesel a.a.O. und Rnr. 78 und 110).

Eine Halbierung der Sperrzeit auf sechs Wochen wegen einer unbilligen Härte nach § 144 Abs 3 Satz 1 SGB III war nicht vorzunehmen. Die Klägerin hat eine Abfindung von 108.000,00 DM erhalten, so dass finanzielle Gründe für eine besondere Härte nicht vorliegen. Eine Verkürzung der Sperrzeit nach § 144 Abs 3 Satz 2 SGB III kam ebenfalls nicht in Betracht, da gerade nicht festgestellt werden kann, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem sperrzeitbegründenen Ereignis ohnehin geendet hätte. Eine sozialg erichtfertigte Kündigung hätte nach ordnungsgemäße Einschaltung des Betriebsrates frühestens zum 31.10.1999 wirksam ausgesprochen werden können, wenn alle übrigen Voraussetzungen hierfür vorgelegen haben sollten. Auf die obigen Ausführungen hierzu wird Bezug genommen.

Der Senat brauchte nicht darüber zu befinden, ob die Klägerin für den streitigen Zeitraum vom 01.09. bis 23.11.1999 auch aus einem anderen Grund keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt hätte. Da die arbeitgeberseitige Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist und die Klägerin eine Abfindung erhalten hat, wäre an sich auch das Ruhen des Anspruchs nach § 143a SGB III in Betracht gekommen. Außerdem wäre zu prüfen gewesen, wie sich die Aushilfstätigkeit im November 1999 ausgewirkt hätte. Da aber der Klägerin ab dem 24.11.1999 tatsächlich Arbeitslosengeld gezahlt worden ist, brauchte hierauf nicht näher eingegangen zu werden. Auf die Berufung der Beklagten hin war somit das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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