L 5 R 1367/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3703/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1367/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.2.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit ab dem 1.1.2005 bzw. die Nachzahlung von Erwerbsminderungsrente für die Monate Januar bis Juli 2005.

Die 1950 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt; eine Ausbildung zu Steuerfachangestellten hatte sie abgebrochen. Von April 1980 und Oktober 2004 arbeitete die Klägerin als kaufmännische Angestellte. Zuletzt war sie seit Februar 2005 als Bürokraft in der Steuerberaterkanzlei ihres Ehemannes im Umfang von 1 bis 2 Stunden an 4 Tagen pro Woche geringfügig beschäftigt. Die Klägerin hat zwei Söhne und zwei Stiefkinder; ein Sohn war 1999 tödlich verunglückt.

Seit dem 26.6.2003 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt. Dem liegen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: Kleinwuchs, Wirbelsäulenverformung, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Beinverkürzung links, Migräne, depressive Verstimmung, Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks bei degenerativen Gelenkveränderungen, Gebrauchseinschränkung der rechten Hand, Bluthochdruck, Teilverlust beider Brüste und Afterschließmuskelschwäche.

Am 27.1.2005 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Sie leide unter einer unklaren Durchfallerkrankung mit bis zu 50 Toilettengängen am Tag, einem Leberschaden mit chronischer Müdigkeit, therapieresistenten Schulterbeschwerden rechts und einem Erschöpfungszustand.

Die Beklagte holte den Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. T. vom 7.3.2005 ein (eingeschränkte Leistungsfähigkeit bei unklaren Durchfällen mit Afterschließmuskelschwäche, Polyarthrose, chronisch Lumboischialgie, Depression, Angstzustände und Hypertonie, keine Arbeitsunfähigkeit, Besserung der Leistungsfähigkeit nicht beurteilbar) und erhob die Gutachten des Orthopäden Dr. V. vom 28.4.2005 und des Internisten Dr. T. vom 19.3.2005.

Dr. V. diagnostizierte altersentsprechende Abnutzungsveränderungen der gesamten Wirbelsäule, eine Lumbalisation von Th12 mit angeborener Instabilität von Brust- und Lendenwirbelsäule sowie eine somatoforme Schmerzstörung. Letztere stehe ganz im Vordergrund und sei bisher weder diagnostiziert noch therapiert worden. Auf orthopädischem Fachgebiet seien Einschränkungen der Belastbarkeit gering bis nicht vorhanden, weswegen ein weiteres Gutachten durch einen Schmerztherapeuten erstellt werden solle. Als Steuerfachangestellte könne die Klägerin sechs Stunden täglich und mehr arbeiten und auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Leistungseinschränkungen) sechs Stunden täglich und mehr verrichten.

Dr. T. diagnostizierte ein Hypophysenadenom mit Hyperprolactinämie, cystische Mastopathie, Mikroverkalkungen linke Brust, Hypertonie, Reizdarm, Schließmuskelschwäche, Hepatitis wohl aethyltoxisch, Schilddrüsenadenome, Migräne, Schulter- und Wirbelsäulenbeschwerden, Agarophobie und Hypercholesterinämie. Im Mittelpunkt stehe die cystische Mastopathie. Stuhlgang habe die Klägerin mehrere 10mal täglich, gelegentlich sei sie inkontinent. Als Steuerfachangestellte könne die Klägerin sechs Stunden täglich und mehr arbeiten und leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen, wie jederzeit verfügbarer Toilette) ebenfalls sechs Stunden täglich und mehr verrichten.

Die beratende Ärztin Dr. R. nahm unter dem 6.5.2005 an, schwerwiegende Funktionseinschränkungen bestünden nicht und durch fachärztliche Diagnostik und Behandlung könnten die somatoforme Schmerzstörung, das Reizdarmsyndrom, das Hypophysenadenom und die cystische Mastopathie gebessert werden.

Mit Bescheid vom 26.5.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin könne (auch) in der zuletzt verrichteten Tätigkeit als Steuerfachgehilfin mindestens sechs Stunden täglich arbeiten und sei daher nicht erwerbsgemindert.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs verwies die Klägerin (unter Vorlage von Attesten des Dr. T. vom 2.6.2005 und 6.7.2005: mit Besserungstendenz nicht zu rechnen, depressive Entwicklung, wegen Stuhlinkontinenz auch erheblich erschwerte Wegefähigkeit; Fibromyalgie mit großen Schmerzen im ganzen Körper und praktisch Resistenz auf Schmerzmittel) auf ihre Durchfallerkrankung, den Leberschaden, die Angstzustände und Schmerzen.

Die Beklagte erhob die Gutachten des Internisten Dr. G. vom 21.7.2005 und der Neurologin und Psychiaterin Dr. M. vom 11.10.2005.

Dr. G. diagnostizierte: Colon irritable, minimale Darminkontinenz, leichtes Asthma bronchiale, Mastopathie beidseits, arterielle Hypertonie und wahrscheinlich toxische Hepatopathie. Die angegebenen Durchfälle träten ausschließlich tagsüber, nicht während des Schlafs (auch bei Tag) auf. Der Beginn der Durchfallerkrankung stehe im Zusammenhang mit dem Unfalltod eines Sohnes 1999, eine Darmerkrankung habe weder makro- noch mikroskopisch festgestellt werden können. Mit Immodium könnten die Durchfälle gesteuert werden. Hinsichtlich der geklagten Inkontinenz komme es nur ganz selten zu leichten Inkontinenz-Erscheinungen, wobei vermutlich lediglich eine Innervationsstörung nach mehreren Analoperationen als Ursache vorliege. Nach dem aktuellen Befund seien erhebliche Beeinträchtigungen durch die geringe Inkontinenz unwahrscheinlich. Die Klägerin sei für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen, wie Erreichbarkeit einer Toilette, kein häufiger Kundenkontakt) wie für die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Steuerfachgehilfin vollschichtig (sechs Stunden täglich und mehr) leistungsfähig.

Dr. M. diagnostizierte eine anhaltende Depression mit somatischen Beschwerden im Rahmen einer Anpassungsstörung (nach dem Unfalltod des Sohnes), Migräne, Enddarminsuffizienz, Hypophysenadenom, Teilverlust der Brüste und funktionsabhängige Beschwerden in der Wirbelsäule und den Gelenken. Auf Grund des psychischen Befindens und der körperlichen Symptome könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bzw. als angestellte Bürokraft tätig sein. Sie benötige eine suffiziente medikamentöse antidepressive Therapie und eine (in der Vergangenheit offenbar gescheiterte) Gesprächstherapie, welche zur Besserung des Befindens beitragen könnten. Eine Besserung sei nicht unwahrscheinlich. Die Leistungseinschränkung bestehe ab der Begutachtung voraussichtlich bis 1.10.2007.

Der beratungsärztliche Dienst der Beklagten nahm an, volle Erwerbsminderung bestehe ab Januar 2005 bis Dezember 2006; eine Besserung durch Psychotherapie sei möglich (Dr. A. vom 28.11.2005).

Mit Bescheid vom 7.12.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, ausgehend von einem Leistungsfall 27.1.2005, vom 1.8.2005 bis 31.12.2006 (monatlicher Zahlbetrag 478,73 EUR). Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.

Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die Befristung der Rente und legte das Attest des Internisten und Rheumatologen Dr. W. vom 9.11.2005 vor (Zur Besserung des Fibromyalgie- Syndroms Empfehlung von Krankengymnastik, Erlernen von Entspannungstechniken, regelmäßige Outdoor-Aktivitäten, wie Radfahren und Schwimmen, versuchsweiser Einsatz von Katodolon ggf. in Kombination mit Serotoninaufnahmehemmern; bei fortwährenden Schmerzen ggf. stationäre Behandlung in einer Fachklinik). Unter dem 24.1.2006 führte sie ergänzend aus, die vorgeschlagene Vorstellung bei einer Schmerztherapeutin sei am 18.1.2006 erfolgt. Eine im Gutachten von Dr. M. empfohlene Gesprächstherapie habe sie am 17.1.2006 bei Dr. H. begonnen.

In der Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. A. vom 4.1.2006 ist ausgeführt, die Befristung der Rente beruhe auf der Möglichkeit der Therapie. An dieser Einschätzung hielt Dr. A. in der Stellungnahme vom 31.1.2006 fest. Die Befristung sei sachgerecht; die Klägerin habe mitgeteilt (Widerspruchsbegründung vom 24.1.2006), sie habe sowohl eine schmerz- wie psychotherapeutische Behandlung begonnen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.3.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Behebung der vollen Erwerbsminderung sei nicht unwahrscheinlich. Nach Auffassung des beratungsärztlichen Dienstes seien die Ergebnisse der schmerztherapeutischen und psychotherapeutischen Behandlung abzuwarten. Klage wurde nicht erhoben.

Am 30.8.2006 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung der Erwerbsminderungsrente. Sie legte das Attest des Dr. T. vom 23.08.2006 vor. Darin heißt es, die Klägerin werde hausärztlich, flankierend psychiatrisch/psychotherapeutisch und rheumatologisch (mit-)behandelt. Die ärztlichen Verordnungen hinsichtlich Autogenem Training, Schwimmen und Krankengymnastik hätten keinen ausreichenden Therapieerfolg gebracht. Die medikamentöse Behandlung gestalte sich schwierig. Durch das neu diagnostizierte Fibromyalgie-Syndrom habe sich der Allgemeinzustand der Klägerin in den letzten Monaten verschlechtert. Es sei von Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen.

Die Beklagte erhob das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. K. vom 16.11.2006. Die Gutachterin eruierte den Tagesablauf der Klägerin und fand bei der Schilderung der Lebensgewohnheiten keine Auffälligkeiten. Antrieb und Psychomotorik seien ungestört, bei guter affektiver Schwingungsfähigkeit bestehe eine subdepressive Grundstimmung. Dr. K. diagnostizierte ein Fibromyalgie-Syndrom, Zustand nach mittelgradiger depressiver Episode, Migräne, Enddarminsuffizienz, Hypophysenadenom, Teilverlust der Brüste sowie funktionsabhängige Beschwerden in der Wirbelsäule. Im Vergleich zu den Vorbefunden habe sich das Befinden subjektiv eher verschlechtert. Die Klägerin könne die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokauffrau sowie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts auf Dauer nur unter drei Stunden täglich verrichten. Die getroffenen Feststellungen gälten seit 1.8.2005 voraussichtlich auf Dauer. Eine Besserung sei unwahrscheinlich.

Mit Bescheid vom 19.12.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.1.2007 bis 31.12.2008 (monatlicher Zahlbetrag 478,73 EUR); auf Grund der medizinischen Untersuchungsbefunde sei wahrscheinlich, dass die Erwerbsminderung in absehbarer Zeit behoben sein könne.

Die Kläger erhob gegen die (erneute) Befristung der Rente Widerspruch. Zur Begründung legte sie das Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 14.2.2007 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin werde seit April 2000 regelmäßig ambulant behandelt. Es bestehe Erwerbsminderung auf Dauer.

Die Beklagte holte Befundberichte behandelnder Ärzte ein. Dr. H. führte unter dem 28.2.2007 aus, in den letzten 12 Monaten habe sich keine Befundänderung ergeben und eine Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht möglich. Im Bericht der Dres. St./K. vom 12.3.2007 (Behandlungsbeginn 1.7.2006) heißt es, das Fibromyalgie-Syndom führe in Zusammenschau mit der reaktiven Depression zu einer erheblichen Einschränkung der allgemeinen Leistungsfähigkeit. Sei den letzten 12 Monaten hätten sich die Befunde nicht geändert.

Unter dem 28.3.2007 führte die beratende Ärztin der Beklagten H. aus, nach nochmaliger Durchsicht der medizinischen Unterlagen könne davon ausgegangen werden, dass auf Grund der Befunde eine relevante Besserung in absehbarer Zeit nicht eintreten werde.

Mit Bescheid vom 13.4.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer ab 1.1.2007.

Am 26.5.2008 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 7.12.2005 gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Sie sei bereits bei Stellung des Rentenantrags dauerhaft erwerbsgemindert gewesen.

Unter dem 9.6.2008 führte der beratende Arzt der Beklagten Dr. Sch. aus, die Befristung der Rente sei korrekt gewesen. Man sei von einer Besserungsfähigkeit der psychischen Leiden ausgegangen. Auf den Weitergewährungsantrag sei die Klägerin begutachtet worden, wobei die 2005 zur Rente führende Anpassungsstörung nicht mehr habe nachgewiesen werden können. Dauerhafte Erwerbsminderung sei 12/2006 auf Grund eines Fibromyalgie-Syndroms, Migräne und einem Zustand nach mittelgradiger depressiver Episode attestiert worden.

Mit Bescheid vom 16.6.2008 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 7.12.2005 zurückzunehmen bzw. hinsichtlich der Befristung der Rente abzuändern. Mit Rentenbescheid vom 17.6.2008 wurde die Erwerbsminderungsrente der Klägerin ab 1.1.2007 endgültig festgesetzt (ab 1.7.2008 monatlich 488,25 EUR).

Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2008 zurück. Die für die Rentengewährung maßgeblichen Leiden und die damit assoziierten Funktionsstörungen und organischen Beeinträchtigungen seien rückschauend durch eine zumutbare Therapie als besserungsfähig anzusehen gewesen. Erst in der Folgezeit habe eine dauerhafte Leistungsminderung attestiert werden können.

Am 14.11.2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Sie trug vor, bei Rentenantragstellung habe eine Besserungsaussicht wegen der psychischen Erkrankung und des Fibromyalgie-Syndroms nicht bestanden; das gehe aus Attesten der Dres. H. und T. (vom 2.6.2005 bzw. 2.6. und 6.7.2005) hervor. Die schwere Depression habe nicht kurzfristig zu der Fibromyalgieerkrankung geführt; dabei habe es sich um einen längeren Prozess gehandelt. Sie habe schon vor der Beantragung von Erwerbsminderungsrente zahlreiche Therapien wie Physiotherapie, Akkupunktur und psychiatrische Behandlungen ohne ausreichenden Erfolg durchgeführt. Ihr stehe Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit mit Leistungsfall 27.1.2005 zu. Die Beklagte habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt.

Die Beklagte trug ergänzend vor, grundsätzlichen seien Erwerbsminderungsrenten als (befristete) Zeitrenten zu gewähren. Eine Dauerrente komme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es aufgrund schwerwiegender medizinischer Gründe unwahrscheinlich sei, dass die Erwerbsminderung behoben werden könne. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.

Die Klägerin legte weitere Arztatteste vor. Unter dem 7.1.2009 führte Dr. H. aus, er behandele die Klägerin regelmäßig seit dem Jahr 2000; spätestens seit Rentenantragstellung im Januar 2005 habe das Restleistungsvermögen nur täglich unter 3 Stunden betragen. Dr. T. teilte Konsultationen mit (2004: 7; 2005: 37) und vertrat die Auffassung, die Fibromyalgieerkrankung habe schon bei Beantragung der Rente vorgelegen und sich im Laufe der Zeit erheblich verschlechtert. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei schon damals auf unter drei Stunden abgesunken gewesen. Damals sei eine Besserung der Leistungsfähigkeit nicht zu erwarten gewesen. (Bescheinigung vom 15.1.2009).

Mit Urteil vom 24.2.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klägerin könne die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 7.12.2005/ Widerspruchbescheids vom 17.3.2006 nicht beanspruchen. Die Beklagte habe ihr zu Recht (zunächst) nur Erwerbsminderungsrente auf Zeit gewährt.

Gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sei die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht maßgeblich. Der Klägerin stehe auch bei rückwirkender Betrachtung Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit ab 1.2.2005 nicht zu.

Gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) würden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erfolge die Befristung für längstens 3 Jahre nach Rentenbeginn. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage bestehe, würden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne; hiervon sei nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).

Nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht, das auf die Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit einer Behebung der Erwerbsminderung nicht abgestellt habe, seien Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der Regel unbefristet gewährt worden. Eine Befristung habe man nur verfügt, wenn die "begründete Aussicht" bestanden habe, dass die Erwerbsminderung in absehbarer Zeit behoben sein würde. Darunter sei die Wahrscheinlichkeit der Behebung der Erwerbsunfähigkeit zu verstehen gewesen (BSG, Urt. v. 29.3.2006, - B 13 RJ 31/05 R -). Mit der Neuregelung der Erwerbsminderungsrenten zum 1.1.2001 habe der Gesetzgeber das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. In bewusster und gewollter Abkehr vom alten Recht würden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI regelmäßig nur noch auf Zeit geleistet. Daher müsse für die Gewährung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente nunmehr unwahrscheinlich sein, dass die Erwerbsminderung behoben werden könne. "Unwahrscheinlichkeit" in diesem Sinne liege vor, wenn schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht sprächen. Davon könne man erst dann ausgehen, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen vorliege. Aus ärztlicher Sicht müsse bei Betrachtung des bisherigen Verlaufs nach medizinischen Erkenntnissen auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten nach allgemein anerkannten medizinischen Erfahrungen eine Besserung nicht anzunehmen sein, durch welche sich eine rentenrechtlich relevante Steigerung der Leistungsfähigkeit des Versicherten ergeben würde. Nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse müssten alle Therapien in Betracht gezogen werden, um ein qualitatives oder quantitatives Leistungshindernis zu beheben. Solange die bloße Möglichkeit bestehe, das rentenrechtlich relevante Leistungsvermögen eines Versicherten auf Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wiederherzustellen und im Einzelfall keine gesundheitsspezifischen Kontraindikationen entgegenstünden, sei von Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Erwerbsminderung nicht auszugehen. Unsicherheiten bei der Prognose gingen zu Lasten des Versicherten (BSG; Urt. v. 29.3.2006, - B 13 RJ 31/05 R -; KassKomm/Kater, SGBVI § 102 SGB Rdnr. 12).

Hier seien die Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI mit Leistungsfall 27.1.2005 unstreitig. Die Feststellung der quantitativen Leistungseinschränkung und des Leistungsfalles beruhe auf der Einschätzung des Dr. M. und der Beratungsärzte der Beklagten sowie der behandelnden Ärzte Dres. H. und T ... Diese gingen übereinstimmend von einer Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte körperliche Tätigkeiten von unter 3 Stunden ab dem 27.1.2005 aus. Die Gutachterin Dr. K. habe verminderte Erwerbsfähigkeit zwar ab dem 1.8.2005 angenommen. Dies könne im Hinblick auf das Gutachten des Dr. M. nicht überzeugen, zumal Dr. K. sich mit der abweichenden Auffassung zum Leistungsfall nicht auseinandersetzt habe. Daher müsse angenommen werden, dass sich die Feststellung des Leistungsfalles entweder auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer beziehe oder Dr. K. den Leistungsfall rückwirkend (vermeintlich) im Einklang mit der ihr bekannten Rentengewährung festgestellt habe. Im Übrigen sei die Klägerin durch einen früheren Leistungsfall ohnehin nicht beschwert.

Nach der am 27.1.2005 gegebenen Sach- und Rechtslage sei es nicht unwahrscheinlich gewesen, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Aus heutiger Sicht sei unter Berücksichtigung allgemeiner medizinischer Erfahrung eine Behebung der vollen Erwerbsminderung der Klägerin durch eine Gesprächstherapie, eine suffiziente medikamentöse Therapie und eine rheumatologisch-schmerztherapeutische Behandlung möglich gewesen. Die Gewährung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1.8.2005 und die Gewährung der Dauerrente ab dem 1.1.2007 hätten im Wesentlichen auf der somatoformen Schmerzstörung und dem Fibromyalgie-Syndrom beruht. Hierzu habe Dr. V. aber im Gutachten vom April 2005 dargelegt, die somatoforme Schmerzstörung sei bisher nicht therapiert worden; außerdem habe er die Klägerin auf eine entsprechende Therapie hingewiesen. Dr. M. habe in ihrem Gutachten vom Oktober 2005 ebenfalls die Notwendigkeit einer suffizienten medikamentösen antidepressiven Therapie und einer Gesprächstherapie festgestellt; dies könne zu einer Besserung des Befindens beitragen. Die Beratungsärzte der Beklagten hätten eine Besserungsmöglichkeit (insbesondere) durch Psychotherapie ebenfalls bestätigt. Im März 2005 habe auch Dr. T. (als behandelnder) Arzt eine Besserung der Leistungsfähigkeit nicht ausgeschlossen, vielmehr nur angegeben, die Klägerin sei zur Zeit nicht arbeitsunfähig und er könne nicht beurteilen, ob eine Besserung der Leistungsfähigkeit möglich sei. Eine andere Auffassung habe Dr. T. – erkennbar vom Willen zur Unterstützung der Klägerin getragen - erst im Schreiben vom 2.6.2005 vertreten. Die Auffassung der Dres. M. und V. sei demgegenüber überzeugend. Bei Eintritt des Leistungsfalles habe die Klägerin die geforderte Gesprächstherapie und die suffiziente medikamentöse antidepressive Therapie noch nicht erfolglos durchgeführt, sondern, wie aus dem Gutachten des Dr. M. hervorgehe, den Versuch einer Gesprächstherapie in der Vergangenheit abgebrochen. Ein behandelnder Psychiater oder Psychotherapeut werde auch weder im Rentenantrag noch im Gutachten des Dr. M. benannt. Erstmals im Januar 2006 habe die Klägerin die Aufnahme einer Gesprächstherapie bei Dr. H./Dr. R. mit Terminen in Abständen von 6 Wochen angegeben. Eine erfolgversprechende Gesprächstherapie sei jedoch nur bei wöchentlichen Sitzungen über einen längeren Zeitraum möglich. Erwähnt werde auch nur die bedarfsweise Einnahme des Medikaments Adumbran, eines Beruhigungsmittels bei Angstzuständen. Erst im Gutachten der Dr. K. würden in Sechs-Wochen-Abständen stattfindende Konsultationen bei Dr. H. und seine aktuelle antidepressive Behandlung mit dem Medikament Jarsin berichtet. Insgesamt könne von einer konsequenten durchgängigen antidepressiven Behandlung zum Zeitpunkt des Leistungsfalles nicht ausgegangen werden.

Schwerwiegende medizinische Gründe sprächen nicht gegen eine Besserung auf rheumatologischem und schmerztherapeutischem Fachgebiet. Im Bericht vom März 2005 habe Dr. T. – den die Klägerin im Jahr 2005 (weitgehend nach dem Leistungsfall) 37 Mal aufgesucht habe - eine Behandlung unter anderem mit Medikamenten, Ganzkörpermassage, manueller Therapie und Neuraltherapie angegeben. Die Klägerin habe offenbar auch Therapieversuche mit Krankengymnastik und Akkupunktur unternommen. Der Rheumatologe Dr. W. habe am 9.11.2005 weitere Therapien wie regelmäßige Outdoor-Aktivitäten (z.B. Schwimmen und Radfahren), das Praktizieren von Entspannungstechniken und eine medikamentös-symptomatische Behandlung mit dem Medikament Katodolon gegebenenfalls in Kombination mit einem Serotoninwiederaufnahmehemmer vorgeschlagen und der Klägerin die baldmögliche Vorstellung bei einem Schmerztherapeuten nahegelegt. Bei Fortbestehen der Beschwerden habe er zudem eine stationäre Behandlung in einer Fachklinik erwogen.

Nach damaliger Sach- und Rechtslage sei die Ausschöpfung aller relevanten Behandlungsmöglichkeiten auch deshalb nicht anzunehmen gewesen, weil eine somatoforme Schmerzstörung und ein Fibromyalgie-Syndrom erstmals im Laufe des Jahres 2005 diagnostiziert worden seien. Eine effiziente und erfolgreiche Therapie komme erst nach entsprechender Diagnostik in Frage; die Klägerin selbst habe ihren Rentenantrag im Wesentlichen mit der Durchfallerkrankung, dem Leberschaden, Schulterbeschwerden rechts und einem Erschöpfungszustand begründet. Die psychiatrisch-psychotherapeutischen Maßnahmen hätten auch eine Besserung bewirken können, da die körperlichen Schmerzen in erheblichem Maße psychisch überlagert seien, zumal die Klägerin ihre körperlichen Beschwerden mit dem Unfalltod des Sohnes in Zusammenhang bringe. Ein beachtliches Hindernis für eine medikamentöse Antidepressionsbehandlung habe es nicht gegeben; Dr. H. habe eine entsprechende Therapie mit dem Medikament Jarsin eingeleitet. Davon abgesehen wäre zumindest eine Gesprächstherapie zur Aufarbeitung des Unfalltodes des Sohnes aufzunehmen gewesen. Auch eine konsequente rheumatologisch-schmerztherapeutische Behandlung, ggf. stationär in einer Fachklinik, hätte nach allgemeiner medizinischer Erfahrung eine Besserung bewirken können, zumal die Klägerin - wenn auch nur geringfügig - in der Steuerberatungskanzlei ihres Ehemannes weiterhin beschäftigt gewesen sei.

Der Rechtmäßigkeit der Prognoseentscheidung stehe nicht entgegen, dass die Prognose sich letztendlich nicht bewahrheitet habe und es nicht zu einer Besserung, sondern zumindest subjektiv eher zu einer Verschlechterung gekommen sei. Zudem sei fraglich, ob die Klägerin die angeratenen fachärztlichen Behandlungen überhaupt in Anspruch genommen habe. Im Gutachten von Dr. K. werde die Gesprächstherapie bei Dr. H./Dr. R. jedenfalls nicht erwähnt. Die rheumatologische Betreuung durch Dr. K. sei am 1.7.2006 aufgenommen worden; dieser Arzt habe die Klägerin jedoch nur lediglich gelegentlich (mit)behandelt. Auch dürfte eine konsequente Schmerztherapie eher nicht stattgefunden haben. Dr. E. sei im Gutachten von Dr. K. nicht als behandelnde Ärztin aufgeführt worden, weswegen die von Dr. T. im August 2008 angeratene psychiatrisch-psychotherapeutische und rheumatologische Mitbehandlung und die ärztlich verordneten Maßnahmen wie Autogenes Training, Schwimmen etc. - wenn überhaupt - frühestens im Laufe des Jahres 2005 initiiert worden sein dürften.

Hinsichtlich des Endtermins für die Rentenlaufzeit am 31.12.2006 habe die Beklagte zwar Ermessen nicht ausgeübt und die konkrete Dauer der Zeitrente weder im Bescheid vom 7.12.2005 noch im Widerspruchsbescheid vom 17.3.2006 näher begründet. Deswegen allein könne die Klägerin die Rücknahme des Bescheids gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aber nicht beanspruchen. Sie habe seit dem 1.8.2005 durchgehend Rentenleistungen erhalten. Das genannte Versäumnis habe daher nicht dazu geführt, dass Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden wären.

Auf das ihr am 13.3.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.3.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie Einwendungen gegen die Begutachtungen durch die Rentengutachter geltend und trägt ergänzend vor, den Rentenantrag habe sie auf Anraten ihrer behandelnden Ärzte Dres. T. und H. gestellt, da mit einer Besserungstendenz nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Das Sozialgericht sei auf die Durchfallerkrankung nicht eingegangen. Dr. V. habe sie bei der Begutachtung nicht darauf hingewiesen, dass sie einen Rheumatologen unbedingt aufsuchen müsse. Sie habe seine entsprechenden Ausführungen nur als Rat aufgefasst. Außerdem bestünden bei Rheumatologen lange Wartezeiten. Dass eine somatoforme Schmerzstörung vorliege habe sie seinerzeit nicht gewusst, jedoch alles unternommen, um die Schmerzen einigermaßen auszuhalten, etwa autogenes Training erlernt (4 Kurse). Außerdem habe sie regelmäßig Krankengymnastik und Massagen praktiziert und weitere Behandlungsversuche, etwa mit Neuraltherapie oder Akupunktur und einem Tensgerät unternommen, und auch einen Heilpraktiker aufgesucht. Auch die vorgeschlagenen Outdoor-Aktivitäten würden unternommen. Die Anwendung von Antidepressiva sei wegen der Nebenwirkungen, die den Nutzen oft überstiegen, schwierig. Man habe ihr im Rentenbescheid nicht mitgeteilt, wie ihr Gesundheitszustand gebessert werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.2.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.6.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 21.10.2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 7.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.3.2006 gem. § 44 SGB X abzuändern und ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit (schon) ab dem 1.1.2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft.

Das Begehren der Klägerin richtet sich der Sache nach auf die Nachzahlung von Erwerbsminderungsrente für die Zeit von Januar bis Juli 2005. Mit Bescheid vom 7.12.2005 hatte ihr die Beklagte zunächst (nur) eine befristete Erwerbsminderungsrente (bis 31.12.2006) gewährt. Erwerbsminderungsrente auf unbestimmte Zeit ist erst mit Bescheid vom 13.4.2007 (ab 1.1.2007) bewilligt worden. Für den Rentenbeginn – den Beginn des Anspruchs auf Auszahlung der Rentenbeträge aus dem nach Maßgabe des § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entstandenen Rentenstammrecht - gilt daher § 101 Abs. 1 SGB VI. Danach wird eine befristete Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Erwerbsminderung, hier also ab 1.8.2005, geleistet. Mit der Klage und der Berufung wendet sich die Klägerin dagegen, dass die Beklagte die im Bescheid vom 7.12.2005 ausgesprochene Befristung der Rente auf ihren entsprechenden Abänderungsantrag gem. § 44 SGB X nicht zurückgenommen hat. Sie will damit erreichen, dass ihr Erwerbsminderungsrente von vornherein auf unbestimmte Zeit gewährt wird. In diesem Fall wäre für den Rentenbeginn § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI maßgeblich mit der Folge, dass die Rente ab dem Kalendermonat zu zahlen wäre, in dem die Rente beantragt wurde, hier also ab Januar 2005 (Rentenantragstellung am 27.1.2005). Da der Klägerin seit 1.8.2005 durchgängig Erwerbsminderungsrente gezahlt wird, ist damit allein die Rentengewährung bzw. -nachzahlung für die Monate Januar bis Juli 2005 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 478,73 EUR im Streit. Der in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die zulassungsfreie Berufung festgelegte Beschwerdewert von 750 EUR ist in jedem Fall überschritten. Die Berufung ist auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig.

II.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 7.12.2005 (Widerspruchsbescheid vom 17.3.2006) gem. § 44 SGB X abzuändern und der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit (schon) ab Januar 2005 zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.

1.) Die Klägerin begehrt die Abänderung des Bescheids vom 7.12.2005 (Widerspruchsbescheids vom 17.3.2006) insoweit, als darin nur eine Zeitrente ab 1.8.2005 und nicht eine Dauerrente ab 1.1.2005 bewilligt worden ist. Damit richtet sich ihr Begehren auf die Rücknahme des ihrer Ansicht nach rechtswidrigen Bescheids über die Bewilligung der Zeitrente unter gleichzeitigem Erlass eines Bescheids über die Bewilligung einer Dauerrente, nicht jedoch auf die (isolierte) Rücknahme der im Bescheid vom 7.12.2005 ausgesprochenen Befristung der Rente. Rechtsgrundlage des Abänderungsbegehrens der Klägerin ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts (i. S. d. § 44 Abs. 1 SGB X) ist die Sach- und Rechtslage bei seinem Erlass aus heutiger Sicht maßgeblich.

Gem. § 102 Abs. 2 Abs. 1 und 2 SGB VI werden (u.a.) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wobei die Befristung (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 SGB X) für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn erfolgt. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).

Erwerbsminderungsrenten werden damit (seit der Neuregelung des Erwerbsminderungsrentenrechts zum 1.1.2001) grundsätzlich nur noch auf Zeit und nicht mehr als Dauerrente gewährt. Das vormalige Regel-Ausnahme-Prinzip ist also umgekehrt worden. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Befristung der Erwerbsminderungsrente kommt nach näherer Maßgabe des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI nur in Betracht, wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung behoben werden kann; nur in solchen Fällen ist die Rente wegen Erwerbsminderung unbefristet zu bewilligen. Damit bezweckt das Gesetz zum einen eine finanzielle Entlastung der Rentenversicherungsträger, da bei der Gewährung von Zeitrenten die Rentenzahlung gem. § 101 Abs. 1 SGB VI während der ersten sechs Monate nach dem Eintritt der Erwerbsminderung entfällt und der Gesundheitszustand und die weitere Rentenberechtigung des Versicherten in deutlich weniger Fällen als zuvor überprüft werden müssen. Außerdem beruht die Neuregelung auf psychologischen Erwägungen; bei Zeitrenten ist die Gefahr geringer, dass sich der Leistungsberechtigte dauerhaft auf den Rentenbezug einrichtet und deswegen die Motivation zur Rückkehr in das Erwerbsleben verliert (BSG, Urt. v. 29.3.2006, - B 13 RJ 31/05 R -).

Gem. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI muss der Rentenversicherungsträger die Wahrscheinlichkeit bzw. Unwahrscheinlichkeit einer Besserung der Erwerbsminderung, also einer Besserung der rentenberechtigenden Leistungseinschränkungen, auf der Grundlage einer in die Zukunft gerichteten Prognose beurteilen. In zeitlicher Hinsicht sind dafür die Verhältnisse bei Erteilung des Rentenbescheids (ggf. bei Ergehen eines im Rentenverfahren erlassenen Widerspruchsbescheids) maßgeblich (BSG, Urt. v. 17.2.1982, - 1 RJ 102/80 -; auch BSG, Urt. v. 29.3.2006, - B 13 RJ 31/05 R -). In sachlicher Hinsicht kann ein auf Dauer aufgehobenes Leistungsvermögen und damit die Unwahrscheinlichkeit einer Besserung der Erwerbsminderung nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI nur angenommen werden, wenn schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Maßgeblich sind alle anerkannten Behandlungsmethoden, auch Operationen, die zur Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit führen können, soweit nicht im Gesundheitszustand des Versicherten liegende Kontraindikationen entgegenstehen. Auf die Frage einer etwaigen Pflicht zur Duldung der Behandlungsmethode kommt es im Rahmen des § 102 Abs. 2 SGB VI nicht an (vgl. i. e. BSG, Urt. v. 29.3.2006, - B 13 RJ 31/05 R -). Erst nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren fingiert das Gesetz die Unwahrscheinlichkeit der Besserung.

2.) Davon ausgehend hat die Beklagte die Abänderung des (Zeit-)Rentenbescheids vom 7.12.2005 (Widerspruchsbescheids vom 17.3.2006) und die Gewährung von Erwerbsminderungsrente auf unbestimmte Zeit ab 1.1.2005 gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Recht abgelehnt. Die genannten Bescheide waren rechtmäßig. Der Klägerin ist seinerzeit zu Recht zunächst (nur) eine Zeit- und (noch) keine Dauerrente bewilligt worden. Die Behebung der Erwerbsminderung war gem. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI nicht unwahrscheinlich, weswegen es beim gesetzlichen Regelfall der Gewährung einer Zeitrente gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI mit dem sich aus § 101 Abs. 1 SGB VI ergebenden Rentenbeginn zu bleiben hat; die Bestimmung des § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI ist auf die Klägerin anzuwenden, da ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung bei einem unter drei Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögen unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht (vgl. dazu nur etwa BSG, Beschl. v. 10.12.1976, - GS 2/75 - u.a.). Das Sozialgericht hat dies in seinem Urteil unter eingehender Würdigung der vorliegenden Gutachten und Arztberichte zutreffend dargelegt. Der Senat teilt die Einschätzung des Sozialgerichts und nimmt deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 10 vierter Absatz bis S. 14 des Entscheidungsabdrucks) mit der Maßgabe Bezug, dass es für die prognostische Einschätzung auf den Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids vom 7.12.2005 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 17.3.2006 und nicht auf den Zeitpunkt des Leistungsfalls ankommt. Ergänzend sei insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Auch nach Einschätzung des Senats geht aus den bei Erlass des Bescheids vom 7.12.2005 (Widerspruchsbescheid vom 17.3.2006) vorliegenden Gutachten und Arztberichten hervor, dass die Behebung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Besserung der rentenrechtlich maßgeblichen Leiden bzw. der darauf beruhenden Leistungseinschränkungen nicht unwahrscheinlich war (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI); schwerwiegende medizinische Gründe, die gegen eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht gesprochen hätten, sind nicht ersichtlich. Im Vordergrund der rentenrechtlich beachtlichen Leistungsminderung steht die somatoforme Schmerzstörung bzw. das Fibromyalgie-Syndrom der Klägerin. Für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente sind indessen nicht in erster Linie Diagnosen als solche, sondern bestehende und nachgewiesene Leistungseinschränkungen maßgeblich. Deswegen ist auch nicht ausschlaggebend, für welchen Zeitpunkt eine Erkrankung, etwa das Fibromyalgie-Syndrom, erstmals diagnostisch verifiziert worden ist. Vielmehr kommt es auf die daraus folgenden Leistungsminderungen bzw. – hier - deren Behebbarkeit durch geeignete Behandlungsmaßnahmen an. Insoweit hat Dr. V. im Gutachten vom 28.4.2005 aber zutreffend dargelegt, dass eine suffiziente Therapie (der somatoformen Schmerzstörung) noch gar nicht stattgefunden hat, weswegen auch die Unwahrscheinlichkeit einer Besserung der auf dieser Krankheit beruhenden Leistungseinschränkungen seinerzeit nicht angenommen werden konnte. Auch Dr. M. hat im Gutachten vom 11.10.2005 die Notwendigkeit einer – bislang nicht eingeleiteten – suffizienten medikamentösen und antidepressiven Therapie sowie einer Gesprächstherapie betont. Arztberichte aus der für die prognostische Einschätzung maßgeblichen Zeit (bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheids vom 17.3.2006) unterstreichen, dass die Rentengutachter und ihnen folgend die Beklagte nach seinerzeitigem Erkenntnisstand fehlerfrei eine Behandelbarkeit und Besserungsfähigkeit der rentenrechtlich maßgeblichen Leiden der Klägerin angenommen und damit auch zu Recht die Unwahrscheinlichkeit einer Besserung der Erwerbsminderung i. S. d. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI verneint haben. So hat Dr. W. im Bericht vom 9.11.2005 therapeutische Maßnahmen wie Krankengymnastik, regelmäßige Outdoor-Aktivitäten, den Einsatz von Medikamenten, ggf. auch eine stationäre Behandlung, empfohlen, um dadurch die Fibromyalgieerkrankung bzw. deren Folgen für die Leistungsfähigkeit der Klägerin zu bessern. Von einer Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Behandlungsoptionen kann damit keine Rede sein. Dr. T. hat im Bericht vom 7.3.2005 (Verwaltungsakte Bl. 23/24) die Besserungsfähigkeit der Leiden der Klägerin nicht beurteilen, folglich also auch nicht ausschließen können. Im Hinblick darauf hat der beratungsärztliche Dienst der Beklagten (Dr. R., Stellungnahme vom 6.5.2005, Dr. A., Stellungnahme vom 28.11.2005 und 4.1.2006, Dr. Sch., Stellungnahme vom 9.6.2008) zu Recht angenommen, dass bei Erlass der in Rede stehenden Bescheide von der Behebbarkeit der Erwerbsminderung auszugehen gewesen ist.

Arztatteste aus neuerer Zeit – nach Ergehen des Bescheids vom 7.12.2005 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 17.3.2006 - können dem Leistungsbegehren der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen. Diese sind ersichtlich unter dem Eindruck verfasst worden, dass sich die Erwartung, die rentenrechtlichen Leistungseinschränkungen könnten sich durch geeignete Behandlungsmaßnahmen bessern, im Nachhinein nicht erfüllt hat; hierauf kommt es nach dem Gesagten für die Anwendung des § 102 Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB VI freilich nicht an. Soweit Dr. T. etwa in der Bescheinigung vom 15.1.2009 eine Besserung als nicht erwartbar einstuft, widerspricht dies auch seiner eigenen – zeitnahen – Einschätzung im Bericht vom 7.3.2005, in dem er angegeben hatte, die Frage der Besserungsfähigkeit nicht beurteilen zu können. Entsprechendes gilt für die Atteste von Dr. T. vom 2.6. und 6.7.2005, die in den Verwaltungsakten der Beklagten Bl. 69 bzw. 78 enthalten sind und in denen davon nur allgemein (und ohne Begründung aus dem jeweiligen Krankheits- bzw. Behandlungsverlauf heraus) die Rede ist, mit einer Besserungstendenz sei nicht zu rechnen. Diese nicht weiter substantiiert begründete Auffassung kann angesichts der von den Rentengutachtern Dres. V. und M. mit Recht hervorgehobenen Behandelbarkeit der rentenrechtlich maßgeblichen Erkrankungen, namentlich der somatoformen Schmerzstörung bzw. des Fibromyalgie-Syndroms, und der Nichtausschöpfung der einschlägigen therapeutischen Optionen (vgl. dazu ergänzend die eine längere und intensive Behandlungsdauer voraussetzenden Therapievorschläge von Dr. W. vom 9.11.2005) nicht überzeugen. Eine stichhaltige Aussage zur Besserungsfähigkeit oder Besserungsunfähigkeit der Erwerbsminderung (bei Erlass der in Rede stehenden Bescheide) ist dem Attest des Dr. H. vom 7.1.2009 ebenfalls nicht zu entnehmen. Schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rentenrechtlich relevante Besserungsaussicht gehen daraus nicht hervor. Das Vorbringen der Klägerin, sie habe schon frühzeitig (im einzelnen näher bezeichnete) Therapieversuche zur Bewältigung der Schmerzen unternommen, etwa autogenes Training erlernt oder Krankengymnastik praktiziert, kann die überzeugende Einschätzung der Rentengutachter bzw. der Beratungsärzte der Beklagten, wonach die in Frage kommenden Behandlungsmöglichkeiten im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Bescheide vom 7.12.2005/17.3.2006 noch nicht ausgeschöpft gewesen sind, nicht ausräumen.

Insgesamt ergibt sich für die Klägerin nicht das Bild einer Erwerbsgeminderten, bei der eine Besserung der Erwerbsminderung bei Rentengewährung gem. § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI von vornherein unwahrscheinlich gewesen wäre. Das gilt auch in Ansehung der übrigen, von der Klägerin geltend gemachten Erkrankungen, wie ihres Durchfallleidens, zumal darauf rentenberechtigende Leistungseinschränkungen nicht unmittelbar zurückgehen. Es bleibt damit beim gesetzlichen Regelfall der Bewilligung einer Zeitrente gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI und damit beim aus § 101 Abs. 1 SGB VI folgenden Rentenbeginn 1.8.2005, wobei es vorliegend – wie das Sozialgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat – nicht darauf ankommt, dass aus den Bescheiden vom 7.12.2005/17.3.2006 Erwägungen zum Ermessen hinsichtlich des konkreten Ablaufzeitpunkts der Zeitrente nicht hervorgehen; dies ist für die Nichtgewährung von Rente für die Zeit ab Januar 2005 (bis Juli 2005) nicht ursächlich.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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