L 7 SB 26/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 SB 88/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 26/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
GdB nach Heilungsbewährung
Der Gerichtsbescheid vom 16. März 2009 und der Bescheid vom 6. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2007 werden aufgehoben, soweit darin ein GdB von weniger als 40 festgestellt worden ist.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte wegen einer Heilungsbewährung zu Recht die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 entzogen und den GdB auf 20 festgesetzt hat.

Auf Antrag der am ... 1956 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 einen Gesamt-GdB von 80 fest und begründete dies mit dem Teilverlust des Dickdarms nach einer Krebserkrankung sowie einer degenerativen Funktionsminderung der Wirbelsäule. Diesem Bescheid gingen Ermittlungen des Beklagten voraus. Hiernach befand sich die Klägerin wegen eines Sigmakarzinoms sowie einer Lymphknotenmetastasierung vom 14. April 2001 bis 8. Oktober 2001 im Diakoniekrankenhaus Seehausen in stationärer Behandlung. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. diagnostizierte im November 2001 bei der Klägerin eine Cervicobrachialgie links mit ausgeprägter Funktionsstörung, eine Periarthropathia sowie ein Lumbalsyndrom und eine Chondropathia Patella rechts. Der Versorgungsarzt Dipl.-Med. K. wertete am 30. November 2001 diese Befunde aus und bewertete den Teilverlust des Dickdarms im Stadium der Heilungsbewährung mit einem Einzel – GdB von 80 und die Funktionsminderung der Wirbelsäule mit einem Einzel – GdB von 10 und sprach sich zusammenfassend für einen Gesamt – GdB von 80 aus.

Im Oktober 2006 führte der Beklagte medizinische Ermittlungen durch. Nach dem Befundbericht vom 8. November 2006 (Facharzt für Chirurgie Dr. N., Universitätsklinik M.) bestehe bei der Klägerin aktuell kein Krebsrezidiv. Mit Schreiben vom 15. Februar 2007 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 10 an. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 4. März 2007 und machte geltend: Sie leide am Tage zwischen sechs bis zehnmal und nachts zwischen zwei bis viermal an Durchfällen. Sie fühle sich an vielen Tagen körperlich schwach und könne die Dinge des täglichen Ablaufs nicht mehr genügend bewältigen. Am 26. Februar 2007 habe sie sich einer Kontrolluntersuchung im Universitätsklinikum M. unterziehen müssen. Bei ihr seien zwei Polypen am Dickdarm von der Größe eines Kirschsteins entfernt worden. Bei ihrer Erkrankung handele es sich um eine Generkrankung, die sie bis zu ihrem Lebensende begleiten werde. Der Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. R. vom 23. März 2007 ein. Zeitweise sei eine depressive Verstimmung aufgetreten. Die Häufigkeit der Stuhlgänge sei unauffällig. Mit Bescheid vom 6. Juni 2007 hob der Beklagte den Bescheid vom 7. Dezember 2001 auf und stellte ab dem 1. Juli 2007 einen GdB von 20 fest. Hiergegen legte die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin am 28. Juni 2007 Widerspruch ein und machte ergänzend geltend: Ihr sei am 15. Oktober 2002 in einer zweiten Operation in der Universitätsklinik M. der gesamte Dickdarm entfernt und ein künstlicher Darmausgang gelegt worden. Danach seien weitere Operationen erforderlich geworden. Wegen der erheblichen Beeinträchtigung und der vollständigen Entfernung des Dickdarms sowie der damit verbundenen Einschränkungen sei der festgestellte GdB von 20 zu gering bewertet. Am 27. August 2007 sprach sich der Versorgungsarzt Dr. W. für eine weitere Sachaufklärung aus. Die Klägerin legte zwei Schreiben von Prof. Dr. L. (Universitätsklinik M.) vom 14. Dezember 2002 und vom 31. August 2007 vor. Im erstgenannten Schreiben berichtete Prof. Dr. L. über eine Rückverlagerung des protektiven Ileostomas am 10. Dezember 2002. Der postoperative Heilungsverlauf habe sich reizlos gestaltet. In dem weiteren Schreiben berichtete er, die Klägerin sei an der familiären adenomatösen Polyposis coli (FAP) erkrankt. Hierbei handele es sich um eine autosomal-dominant erbliche Erkrankung. Diese führe in 100 % der Fälle zu einer malignen Entartung im Bereich des Dick- bzw. des Enddarms. Wegen dieser Risikolage sei der Klägerin die komplette Entfernung des Dick- und Enddarms empfohlen worden. Hierzu sei es dann auch im Jahr 2002 gekommen. Die Klägerin befinde sich in regelmäßiger Kontrolle, um insbesondere das Auftreten von Rezidiven im Bereich der anastomosen Region zu überwachen. Für sie bestehe daher ein hohes Rezidivrisiko. Sie könne daher nicht als medizinisch geheilt angesehen werden und bedürfe ständig einer engmaschigen Kontrolle.

Die Versorgungsärztin Dr. W. meinte unter dem 10. Oktober 2007, die Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen stellte keine Behinderung im Sinne der Anhaltspunkte dar. Eine grundlegende Neubewertung könne erst erfolgen, wenn in Zukunft bei der Klägerin ein Zweittumor festgestellt werden würde. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 8. November 2007 Klage beim Sozialgericht Stendal erhoben und ergänzend ausgeführt: Der Beklagte habe zu Unrecht im Bescheid lediglich einen Teilverlust des Dickdarms angegeben. Von einer Heilungsbewährung nach fünf Jahren könne wegen der Besonderheiten des Sachverhaltes nicht ausgegangen werden. Schließlich trage die Klägerin ein vielfach erhöhtes Risiko, an weiteren Tumoren zu erkranken und müsse sich alle drei Monate in stationäre Behandlung begeben.

Das Sozialgericht Stendal hat Befundberichte von Prof. Dr. L. sowie Dr. R. eingeholt. Prof. Dr. L. hat unter dem 21. August 2008 angegeben: Die Klägerin habe sich erstmals am 2. Oktober 2007 zu einer planmäßigen Verlaufskontrolle vorgestellt. Sie habe keine abdominalen Schmerzen angegeben. Die Stuhlfrequenz mit flüssigen Stühlen sei mit bis zu zehn Mal täglich unverändert hoch. Aufgrund der hohen Stuhlfrequenz sei eine leichte Reizung in der Analregion aufgetreten. Die Klägerin sei an einer dominant vererbten Polyposis (Auftreten zahlreicher Polypen mit der Neigung zu maligner Entartung) erkrankt, die zu 100 % zu einer malignen Entartung im Bereich des Dick- und Enddarms führen werde. Im Verlauf der ständigen Kontrollen habe sich im Bereich des Darms kein Hinweis auf Polypen, Tumore oder Entzündungen ergeben. Eine deutliche Verschlechterung sei nicht eingetreten. Die hohe Stuhlfrequenz mit flüssigen Stühlen werde von der Klägerin als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität empfunden. Des Weiteren seien für sie die regelmäßigen Nachkontrollen sowie das potentielle Neuerkrankungsrisiko belastend. Es bestehe ein Zustand nach kompletter Entfernung des Dick- und Enddarms mit schweren Auswirkungen, die durch häufige tägliche und auch nächtliche Durchfälle belegt seien. Dr. R. hat unter dem 17. Februar 2008 beschrieben: Bei der Klägerin bestünden ein Stuhldrang bei gehäuften Toilettengängen sowie multiple Gelenkbeschwerden, die verstärkt bei körperlicher Belastung aufträten. Dem Bericht war ein Gutachten der Klinik für Innere Medizin (Klinikum H.) für den Rentenversicherungsträger vom 15. Dezember 2004 beigefügt. Dr. H. berichtete darin: Der Allgemeinzustand der Klägerin lasse dem Grunde nach eine Erwerbstätigkeit über acht Stunden zu. Hierbei müsse jedoch ihre Stuhlproblematik besonders berücksichtigt werden. Dies setze bei einem Arbeitsplatz eine umgehende Toilettennähe voraus und schließe längere Anmarschwege zur Toilette aus. Es bestehe ein Kurzdarmsyndrom, eine alimentäre Adipositas sowie eine reaktive Depression. Hinweise auf eine Rheumaerkrankung hätten sich nicht bestätigt. Die Halswirbelsäule sei mit 30/0/30 Grad nach der Neutral-Null-Methode beweglich. Die linke Schulterregion sei druckschmerzhaft, jedoch ohne Anzeichen eines Ergusses und in der Beweglichkeit nicht beeinträchtigt. Die Brustwirbelsäule sei normal beweglich und die Lendenwirbelsäule etwas steil bei einem Druckschmerz auf der Höhe L 4 bis S 1. Die Röntgenbefunde der Wirbelsäule seien ohne Hinweis auf degenerative Veränderungen geblieben. Die muskulären und statischen Probleme der Klägerin stünden offenbar in Zusammenhang mit dem Übergewicht.

Der Beklagte hat sich wegen der Häufigkeit der Stuhlgänge, trotz der fehlenden Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes vergleichsweise bereit erklärt, ab dem 1. Oktober 2007 einen GdB von 30 festzustellen. Die Klägerin hat dies abgelehnt.

Das Sozialgericht hat ein Sachverständigengutachten von der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. vom 30. Mai 2008 eingeholt. Diese hat ausgeführt: Bei der Untersuchung vom 24. April 2008 hat die Klägerin angegeben, sie habe Angst vor einer Neuerkrankung. Von psychotherapeutischen Behandlungen verspreche sie sich jedoch nicht viel, da sie gut von der Familie aufgefangen werde. Durch den häufigen Stuhldrang sei ihre Lebensqualität beeinträchtigt. Tagsüber habe sie sieben bis acht Mal Stuhlgang. In der Nacht trete zwei bis drei Mal Stuhlgang auf. Etwa fünf Minuten nach der Mahlzeit trete flüssiger Stuhlgang auf. Auch nach dem Trinken komme es gelegentlich zu Stuhlgang. Eine Harninkontinenz bestehe dagegen nicht. Seit der Kur im Jahr 2002 sei sie in ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Nach dem Putzen zweier Fenster sei sie z.B. "fix und fertig". Beim Tragen von Lasten oder einem Wetterumschwung habe sie Narbenschmerzen. Das Gesäß sei häufiger entzündet. Seit dem Jahr 2000 habe sie bei Aufregungen ca. drei bis vier Mal im Monat Zustände, in denen ihr das Herz fast "rauskomme". Gegen den Bluthochdruck nehme sie Beloc Zok. Bei längerem Sitzen oder Stehen habe sie von der Lendenwirbelsäule über das Gesäß bis zur rechten Kniekehle ziehende Schmerzen. Dies bessere sich wieder, wenn sie die Haltung verändere. Seit der Operation habe sie 18 kg an Körpergewicht verloren, könne ihr jetziges Gewicht aber stabil halten. Zum Tagesablauf hat sie angegeben: Bis zum Mittagessen erledige sie die Hauswirtschaft und hole nach dem Essen das 9jährige Enkelkind ab. Bei den Mahlzeiten müsse sie auf fettarme und nicht blähende Kost achten. Sie erhalte eine Erwerbsminderungsrente. Bei der körperlichen Untersuchung habe sich die Klägerin in einem guten Allgemein- und Kräftezustand befunden. Bei einer Größe von 162 cm betrage das Gewicht 87 kg, was einem BMI von 33 kg/m² entspreche. Diagnostisch sei von einem kompletten Verlust des Dickdarms mit einer Störung der Darmentleerung, einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule sowie einer Herzkreislaufregulierungsstörung durch Bluthochdruck auszugehen. Für die Folgen des Darmverlustes mit hoher Stuhlfrequenz bei wässrigen Durchfällen sei von einem Einzel-GdB von 30 auszugehen. Die Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule sei kaum über das Altermaß hinausgehend anzusehen. Lediglich an der Halswirbelsäule habe ein muskuläres Reizsyndrom bestanden, was zu schmerzhaften Bewegungsdefiziten führe. Die Wirbelsäulenschäden seien daher von ihren funktionellen Auswirkungen als leicht einzuschätzen und rechtfertigten einen Einzel-GdB von 10. Der Bluthochdruck sei gut kompensiert. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit (50 Watt) sei Folge eines Trainingsmangels und nicht auf eine kardiovaskuläre Insuffizienz zurückzuführen. Hierfür sei ein Einzel-GdB von 10 zu vergeben. Die linksseitige Schulterfunktionsstörung (Befund aus dem Jahr 2001) sowie die Arthrose der Kniegelenke ohne Bewegungsdefizit und ohne Reizerscheinungen begründeten keinen Einzel-GdB. Zusammenfassend sei daher von einem Gesamt-GdB von 30 auszugehen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. März 2009 hat das Sozialgericht Stendal den Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2007 abgeändert und den Beklagten entsprechend seines Anerkenntnisses verurteilt, einen Grad der Behinderung von 30 ab Oktober 2007 festzustellen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 24. März 2009 zugestellte Urteil am 24. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Wegen ihrer Erbkrankheit sei nicht von den üblichen Grundsätzen der Heilungsbewährung auszugehen. Sie müsse mit einem erhöhten Rezidivrisiko leben und könne mit Blick auf ihre Grunderkrankung nicht als geheilt angesehen werden. Auch müsse sie sich dauernd einer engmaschigen stationären Kontrolle unterziehen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 16. März 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung der Vorinstanz für zutreffend.

Der Senat hat mit Verfügung vom 9. Oktober 2009 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich im vorliegenden Verfahren um einen reinen Anfechtungsfall handele, für den zeitlich der Zeitpunkt des angefochtenen Verwaltungsaktes (Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2007) allein maßgeblich sei. Der Senat hat einen Befundbericht von Dr. R. über den Behandlungszeitraum 2006 bis Oktober 2007 eingeholt. Dieser hat angegeben: Die Klägerin könne ihren Haushalt noch ausreichend versorgen. Das Stuhlverhalten habe sich in den Jahren 2006 bis 2007 nicht verändert. Das Körpergewicht sei in diesem Zeitraum gleich geblieben. In einem beigefügten Arztbrief vom 28. Januar 2009 berichtete Prof. Dr. L. von einer transanalen Rektumpolypabtragung vom 27. Januar 2009. Histologisch habe sich kein Anhalt für eine Malignität des Befundes ergeben. Bei der Aufnahme habe sich die Klägerin im guten Allgemein- und Ernährungszustand befunden. Dabei habe sie über eine erhöhte Stuhlfrequenz von ca. 10 geformten Stuhlgängen berichtet. In einem beigefügten Brief an die IKK gesund plus M. sprach sich Dr. B. für eine weitere Gabe von Sulindax aus, um auf diese Weise eine Progression der Erkrankung bzw. ein Neuauftreten eines Rektumkarzinoms für eine gewisse Zeit zu verhindern.

Mit Schreiben vom 18. März 2010 hat der Senat auf die geringe Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen. Es bedürfe daher weiteren Tatsachenvortrages um zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung einen höheren GdB feststellen zu können. Das Verfahren werde derzeit als entscheidungsreif angesehen. Darauf hat die Klägerin ergänzend geltend gemacht: Im vorliegenden Falle könne nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer überwundenen Krebserkrankung ausgegangen werden. Schließlich produziere die Grunderkrankung ständig weitere Tumore. Das mache ihre engmaschige Weiterbehandlung notwendig und erfordere eine grundlegend andere Bewertung der Grunderkrankung. Die stark verallgemeinernden Grundsätze zur Dauer der Heilungsbewährung seien für sie daher nicht anwendbar.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und gemäß § 141 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Daher bezieht sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 15. Oktober 2007 (vgl. BSG – Urteil vom 18. September 2003, B 9 SB 6/02 R mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).

Die Berufung ist überwiegend unbegründet. Der Bescheide des Beklagten vom 6. Juni 2007 in der Gestalt des abändernden Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2007 sind insoweit rechtswidrig, als der Beklagte lediglich einen GdB von 20 festgestellt hat. Die angefochtenen Bescheide sowie der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 16. März 2009 verletzen die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG) soweit kein GdB von 40 festgestellt worden ist. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB als 40 steht der Klägerin jedoch nicht zu.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Insbesondere hat der Beklagte die Klägerin nach § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in seinem Schreiben vom 15. Februar 2007 zu der beabsichtigten Herabsetzung des GdB angehört.

Bei dem angefochtenen Bescheid in Gestalt des abändernden Widerspruchsbescheid handelt es sich um einen Herabsetzungsbescheid gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. In dem Bescheid vom 6. Juni 2007 ist der bindend festgestellte GdB von 80 auf 20 abgeändert worden. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes gilt, wobei dies sowohl hinsichtlich der Besserung als auch der Verschlechterung anzunehmen ist, jedenfalls eine Veränderung, die es erforderlich macht, den Gesamtgrad der Behinderung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.

Im Zeitraum zwischen dem Erlass des Bescheides vom 7. Dezember 2001 und des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2007 ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf einer Heilungsbewährung eingetreten. Dies rechtfertigt es nicht mehr, den mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 festgestellten Grad der Behinderung von 80, sondern ab dem 1. Juli 2007 lediglich einen GdB von 40 anzunehmen. Der Ablauf der fünfjährigen Heilungsbewährung im Oktober 2006 ist hierbei als eine tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X anzusehen. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung von fünf Jahren bei einem Darmkarzinom mit Entfernung des Teilverlust des Dickdarms und einer später therapeutisch empfohlenen Totalentfernung (Oktober 2002) zur Vermeidung weiterer Risiken berücksichtigt den wechselhaften Verlauf der Aktivität im akuten Krankheitsstadium und die vielfältigen Auswirkungen auf den Bereich der Nerven und der Psyche in allen Lebensbereichen des Betroffenen. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, unabhängig von den konkreten, funktionellen Einschränkungen, zunächst für einen gewissen Zeitraum pauschal den höchsten Behinderungsgrad anzuerkennen. Diese pauschale und umfassende Berücksichtigung der körperlichen und seelischen Auswirkungen dieser Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer Bestand haben. Da sich nach der medizinischen Erfahrung nach einem rückfallfreien Ablauf von fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Metastasen entwickelt haben und sich das Krankheitsbild stabilisiert hat, können die vielfältigen Auswirkungen dieser Krankheit auf die gesamte Lebensführung nach diesem Zeitablauf prognostisch besser bewertet werden. Der Grad der Behinderung ist daher nach Ablauf der fünfjährigen Heilungsbewährungsfrist nur noch anhand der konkret verbliebenen Funktionseinschränkungen vorzunehmen (vgl. zur Problematik der Heilungsbewährung bei einer Krebserkrankung BSG – Urteil vom 9. August 1995 – 9 RVs 14/94 – zitiert nach juris).

Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist u. a. nach Nr. 24 Abs. 2 S. 34 der Anhaltspunkte für eine ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2004 gegeben, wenn der Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit einem durch Bescheid verbindlich festgestellten Gesundheitszustand eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt. Dabei ist auf den Gesundheitszustand des Klägers und die dadurch bedingten Funktionsbehinderungen zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2007, abzustellen und dieser Zustand mit dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Erstbescheides, hier des Bescheides vom 7. Dezember 2001, zu vergleichen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1993, 9/9a RVs 1/92, zitiert nach juris).

Für die Feststellung der Höhe des GdB zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung sind die Bestimmungen des am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) anzuwenden. Die nachfolgenden Änderungen des SGB IX, insbesondere die des § 69 durch das Gesetz vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) sowie das Gesetz vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) haben auf den vorliegenden Rechtsstreit keine Auswirkung.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Diese Vorschriften knüpfen materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX gelten für den Grad der Behinderung die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Danach ist der Grad der Behinderung nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen sind. Wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen – bzw. Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft – vorliegen, wird nach Absatz 3 Satz 1 des § 69 SGB IX der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt.

Als Grundlage für die Beurteilung der nach diesen Bestimmungen erheblichen medizinischen Sachverhalte dienen der Praxis die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) (Teil 2 SGB IX)" von 2004. Die AHP haben zwar keine Normqualität, sind aber nach ständiger Rechtsprechung des für das Versorgungs- und Schwerbehindertenrecht zuständigen Senats des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung in ihrer jeweiligen Fassung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. Urt. v. 18. Sept. 2003 – B 9 SB 3/02 RSozR 4-3250 § 69 Nr.2, S.10 ff.; v. 9. April 1997 – 9 RVs 4/95SozR 3-3870 § 4 Nr.19, S. 77, jeweils m.w.N.).

Der hier streitigen Bemessung des Grads der Behinderung (GdB) ist die GdB/MdE-Tabelle der Anhaltspunkte (Nr. 26) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle in Nr. 26.1 (S. 48) sind die dort genannten GdB/MdE-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 18 Abs. 4 genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Nr. 26 Abschnitt 1).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht es der Senat als erwiesen an, dass in dem Gesundheitszustand des Klägers nach Ablauf der Heilungsbewährung im Oktober 2006 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist. Daher ist mit dem Ablauf der Heilungsbewährung der Gesamt-GdB auf 40 herabzustufen.

a) Das Hauptleiden der Klägerin betrifft das Funktionssystem der "Verdauungsorgane" und ist im Oktober 2006 mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten.

Die für den Senat maßgeblichen AHP enthalten in der GdB/MdE-Tabelle unter Ziff. 26.10 (Ausgabe 2004, S. 78 f.) für den maßgeblichen Zeitpunkt für die Totalentfernung des Darms folgende Festlegung:

Chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion)

ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen ... 0 – 10 mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle, Spasmen) ... 20 – 30 mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes ... 40 – 50 Mit dem Ablauf der Heilungsbewährungszeit sind daher nur noch die konkreten erkrankungsbedingten Funktionseinschränkungen der Entfernung des Darms zu bewerten. Nach Ziffer 26.10, S. 78 f der AHP (Ausgabe 2004) kommt es für den jeweiligen Bewertungsrahmen darauf an, wie der Kräfte- und Ernährungszustand beeinträchtigt ist, um einen Einzel-GdB von 40 bis 50 feststellen zu können. Wegen ihres guten Ernährungs- und Kräftezustandes erreicht die Klägerin – wie die Sachverständige Dr. H. zutreffend bewertet hat – diese Bewertungsstufe nicht. Hierbei hat die Sachverständige jedoch ein erschwerendes Moment bei der Klägerin nicht beachtet, was hinreichend ärztlich belegt war. Nach den vorliegenden Befunden ist die Angabe der Klägerin, bei Tag und Nacht an erheblichen Durchfällen zu leiden, immer wieder beschrieben worden. Hierfür sprechen auch die dokumentierten Entzündungen in der Analregion. Diese besondere Komplikation, die zu einer Störung der Nachtruhe der Klägerin führt, ist als erschwerender Umstand zu berücksichtigen und rechtfertigt eine Erhöhung des Einzel-GdB auf 40. Dies lässt sich auch aus einer vergleichsweisen Heranziehung der GdB-Bewertungen für die Colitis ulcerosa (schwerwiegende Entzündung des Dickdarms mit Eiterung und Geschwürbildung) begründen. Auch diese Darmerkrankung ist von Durchfällen mit Beeinträchtigungen des Kräfte- und Ernährungszustandes geprägt und ist in ihren Auswirkungen mit einer chronischen Darmstörung nach einer völligen Darmentfernung vergleichbar. Nach 26.10 (S. 79) der AHP (2004) ist bei der colitis ulcerosa von einer schweren Auswirkung mit einem Einzel-GdB von 50 bis 60 auszugehen, wenn der Kräfte- und Ernährungszustand durch häufige, tägliche auch nächtliche Durchfälle erheblich beeinträchtigt ist. Zwar liegt bei der Klägerin aus den oben genannten Gründen keine erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes vor. Schließlich ist nach den ärztlichen Befunden sogar von einer Übergewichtigkeit auszugehen. Aufgrund der hohen Intensität der Durchfälle, die auch in den Nachtstunden auftreten, hält der Senat einen Bewertungsrahmen von 30 für zu gering und einen Einzel-GdB von 40 für angemessen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann ihr sehr hohes Risiko, an einem Rezidiv zu erkranken, nicht dazu führen, die Heilungsbewährungszeit zu verlängern. Dies widerspricht der Grundwertung der Anhaltspunkte, nur beim Auftreten eines konkreten Rezidivs zu einer Verlängerung der Heilungsbewährung zu gelangen. Solange sich ein Gesundheitsrisiko nicht konkret realisiert hat, kann es keine funktionalen Auswirkungen entfalten und ist damit für eine GdB-Bewertung ohne Bedeutung. Hierbei kann der Senat wegen der bei der Klägerin vorgenommene Polypenabtragung vom 27. Januar 2009 offenlassen, ob wegen der sehr hohen Rezidivgefahr das Auftreten von Polypen bereits einem Rezidiv gleichgesetzt werden kann. Die Sachverständige Dr. H. ist dieser Annahme mit beachtlichen Gründen entgegengetreten. Dem Senat ist es aus rechtlichen Gründen bereits nicht möglich, medizinische Tatsachen nach dem Oktober 2007 zu berücksichtigen, da es im vorliegenden Anfechtungsverfahren nur auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ankommt. Im Übrigen hat auch nach dem Arztbrief von Prof. Dr. L. die Histologie dieses Befundes keinen Hinweis für eine Malignität ergeben. Die im Jahr 2009 nachgewiesene Polypenbildung kann daher nicht zu einer Verlängerung der Heilungsbewährung führen.

b) Der von der Klägerin vorgetragenen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule sind allenfalls leichter Ausprägung und mit einem Einzel-GdB von höchstens 10 im Funktionssystem "Rumpf" zu bewerten. Nach der Begutachtung von Dr. H. am 24. April 2008 bestanden auf orthopädischem Gebiet keine erheblichen funktionellen Einschränkungen. Nach den ausgewerteten Bildbefunden ist von einem im Wesentlichen altersgerechten Befund der Klägerin auf diesem Gebiet auszugehen. Dies bestätigt auch die Begutachtung von Dr. H. vom 15. Dezember 2004, der auf orthopädischem Gebiet keine beachtlichen Funktionseinschränkungen feststellen konnte. Auch nach dem aktuellen Befundbericht von Dr. R. vom November 2009 ergeben sich selbst weit nach dem entscheidungsrelevanten Prüfungszeitpunkt keine Beschwerden auf orthopädischem Gebiet.

c) Hinweise für eine kardiologisch bedingte, erhebliche Leistungseinschränkung der Klägerin im Funktionssystem "Herz und Kreislauf" ergeben sich nicht. Die Blutdruckerkrankung der Klägerin ist nach der Sachverständigen Dr. H. gut eingestellt und rechtfertigt allenfalls einen Einzel-GdB von 10. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit (50 Watt) im Ergometertest anlässlich der Untersuchung bei der Sachverständigen ist nach ihren Ausführungen lediglich Folge eines Trainingsmangels und nicht auf eine kardiovaskuläre Insuffizienz zurückzuführen. Hinweise für einen zeitlich bis Oktober 2007 deutlich schlechteren Gesundheitszustand der Klägerin auf kardiologischem Gebiet finden sich nicht.

d) Eine beachtliche psychische Erkrankung der Klägerin, die einen gesonderten Einzel-GdB für den Funktionsbereich der "Psyche" hätte rechtfertigen können, liegt nicht vor. Zwar diagnostiziert Dr. H. in seinem Gutachten vom 15. Dezember 2004 bei der Klägerin noch eine Depression. Die Ausprägungen dieser Erkrankung werden von Dr. H. jedoch keineswegs als schwerwiegend bewertet. So beschreibt er die Klägerin zwar als leicht weinend, jedoch auch als eine um Beherrschung ringende Frau, die sich kooperativ gezeigt und ihre Beschwerden ohne demonstratives Moment dargestellt hatte. Auch hat die Klägerin in der Folgezeit eine darauf gerichtete fachärztliche Behandlung nie aufgenommen. So berichtete die gerichtliche Sachverständige Dr. H. lediglich von einer verständlichen Angst der Klägerin vor einer Neuerkrankung. Selbst nach den Angaben der Klägerin gegenüber der Sachverständigen bedurfte es wegen des guten familiären Rückhalts keiner psychotherapeutischen Behandlung. Dies bestätigt auch Dr. R., der in seinem Befundbericht vom 3. November 2009 auf psychiatrischem Gebiet keine Beschwerden oder Diagnosen festgestellt hat.

e) Die beschriebene linksseitige Schulterfunktionsstörung (Befund aus dem Jahr 2001) sowie die Arthrose der Kniegelenke ohne Bewegungsdefizit und ohne Reizerscheinungen und der zeitweilig von der Klägerin beschriebene Zustand, in denen ihr das Herz fast "rauskomme" begründen nach der gerichtlichen Sachverständigen der Vorinstanz keinen Einzel-GdB.

f) Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren Grad der Behinderung vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Nr. 19 der AHP (S. 26) anzuwenden. Nach Abschnitt 3 ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Danach ist von dem Behinderungsgrad von 40 als höchstem Einzelbehinderungsgrad auszugehen. Dieser kann auch nicht erhöht werden, weil die weiteren betroffenen Funktionssysteme (Rumpf, Herz-Kreislauf) aufgrund anderer Erkrankungen mit einem Einzelgrad von höchstens 10 zu bewerten sind. Denn nach Nr. 19 Abschnitt 4 der AHP (S. 26) führen – von hier fern liegenden Ausnahmefällen abgesehen – zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzelgrad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen und verschiedene Lebensbereiche betreffen (vgl. BSG, Urteil v. 13. Dez. 2000 – B 9 V 8/00 R = SozR 3 – 3870 § 4 Nr. 28). Die geringfügigen Erkrankungen der Klägerin in anderen Funktionssystemen können daher den Gesamt-GdB nicht erhöhen.

Letztlich widerspräche hier die von der Klägerin begehrte Schwerbehinderteneigenschaft dem nach Nr. 19 Abs. 2 der AHP (S. 25) zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen beeinträchtigt seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenquote ergibt sich aus der teilweise erfolgreichen Berufung.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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