L 5 AS 84/08

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 4 AS 2511/07
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 84/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts vom 26. Juni 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung der Kosten für die Anschaffung einer Waschmaschine aus Mitteln des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – SGB II –.

Der 1959 geborene alleinstehende Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beklagten. Zuvor erhielt er vom Sozialamt Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Im Jahre 2001 ist der Kläger nach jahrelanger Obdachlosigkeit in die von ihm bis heute bewohnte Wohnung im W.-Weg eingezogen. Der Kläger ist aufgrund jahrelangen Drogenmissbrauchs schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 70%, unter anderem ist er gehbehindert.

Am 18. September 2007 hat der Kläger bei dem Beklagten die Kostengewährung für die Anschaffung einer neuen Waschmaschine beantragt. Mit Bescheid vom 21. September 2007 wurde dieser Antrag abgelehnt. Es handele sich bei der begehrten Waschmaschine um keinen Fall der Erstausstattung für die Wohnung bzw. von Haushaltsgeräten des Klägers. Die Kosten für eine Waschmaschine könnten ihm allenfalls im Darlehenswege gewährt werden.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2007 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine Waschmaschine nicht zur Erstausstattung einer Wohnung gehöre. Der Kläger hat am 12. November 2007 gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben. Die Waschmaschine benötige er unbedingt, da er gehbehindert sei und Rheuma habe, weshalb er weder zum Waschsalon gehen könne, noch mit der Hand seine Wäsche waschen könne. Eine darlehensweise Gewährung helfe ihm nicht weiter, da er kein Geld habe, das Darlehen zurückzuzahlen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26. Juni 2008 hat der Kläger berichtet, dass ihm das Sozialamt im Jahre 2001 die Anschaffung einer Waschmaschine ermöglicht habe, diese aber 2003 kaputt gegangen sei und er seither seine Waschmaschine nicht mehr nutzen könne. Seither wasche er seine Sachen bei einer Nachbarin oder per Hand, das ginge nun aber aus Gesundheitsgründen nicht mehr, da er wegen seiner Gehbehinderung einen Waschsalon nicht aufsuchen könne, dieser sei ihm aber ohnehin auch zu teuer.

Das Sozialgericht hat den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, dem Kläger die Anschaffungskosten für eine Waschmaschine in angemessener Höhe, hilfsweise die Waschmaschine als Sachleistung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei dem klägerischen Begehren um einen Fall der Erstausstattung handele, da diese nicht rein zeitlich, sondern auch bedarfsbezogen zu verstehen sei. Ein notwendiges Haushaltsgerät wie eine Waschmaschine stelle in einer ansonsten eingerichteten Wohnung als erstmalige Anschaffung einen Fall der Erstausstattung für die Wohnung dar. Auch gehöre eine Waschmaschine in einem Ein-Personen-Haushalt als notwendige hauswirtschaftliche Hilfe zum notwendigen Wohnbedarf. Hier handele sich um eine Erstausstattung aufgrund außergewöhnlicher Umstände. Der Wechsel vom Sozialhilfebezug in den Bezug von Arbeitslosengeld II sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Waschmaschine nicht mehr vorhanden gewesen sei. Seine Gesundheit lasse ein Waschen in der Badewanne nicht mehr zu, im Waschsalon sei es zu teuer und er könne diesen aufgrund seiner Behinderung auch nicht aufsuchen. Da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes beim Kläger eine Waschmaschine nicht vorhanden gewesen sei, handele es sich um eine Erstausstattung im Sinne des Gesetzes. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 17. Oktober 2008 zugestellt.

Am 30. Oktober 2008 hat der Beklagte die vorliegende Berufung eingelegt und beantragt das Urteil des Sozialgerichts vom 26. Juni 2008 aufzuheben. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, dass die Auffassung des Sozialgerichts, wonach es sich bei der neuerlichen Anschaffung, da diese in den Zeitraum nach Inkrafttreten des SGB II gefallen sei, um eine Erstausstattung im Sinne des Gesetzes handele, von dem Beklagten nicht geteilt werde. Der Kläger habe bereits zuvor über eine Waschmaschine verfügt, insofern handele es sich hier um eine Ersatzbeschaffung, die aus der Regelleistung zu tragen sei.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26.6.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.

Er benötige die Waschmaschine aus gesundheitlichen Gründen; die alte Waschmaschine sei schon lange kaputt gewesen, eine neue könne er sich aus den geringen Mitteln des SGB II nicht leisten. Aus dem gleichen Grund käme auch eine darlehensweise Gewährung der Kosten für die Waschmaschine für ihn nicht infrage. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat das Gericht den Beteiligten vorgeschlagen, die Anschaffung der Waschmaschine für den Kläger zunächst im Darlehenswege zu ermöglichen. Dieser Anregung sind die Beteiligten gefolgt. Der Kläger hat das Darlehen bei dem Beklagten zwischenzeitlich auch bereits durch Verrechnung mit den laufenden Leistungen getilgt.

Das Berufungsgericht hat am 10. Februar 2011 über die Berufung mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Sachverhalts und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die im Sitzungsprotokoll vom 10. Februar 2011 aufgeführten Unterlagen Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist auch begründet.

Das angefochtene Urteil ist rechtswidrig. Die durch die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden verfügte Ablehnung der Gewährung eines Zuschusses zur Beschaffung einer Waschmaschine ist rechtmäßig, das dem klägerischen Begehren stattgebende Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf zuschussweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Kosten der Anschaffung einer Waschmaschine.

Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Beschaffung einer Waschmaschine kommt allenfalls auf Grundlage von § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II in Betracht. Bei dem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen handelt es sich um einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand über den eine gesonderte Entscheidung des zuständigen Trägers ergehen kann (BSG, Urteil vom 19.9.2008, Az. B 14 AS 64/07 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.4.2010, Az. L 9 AS 267/09, beide in juris). Das Gericht konnte daher auch isoliert über die Frage einer Leistungsgewährung für die im Streit stehende Waschmaschine entscheiden.

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II sind Leistungen für die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Der Begriff der Erstausstattung ist bedarfsbezogen zu verstehen (BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2, jeweils RdNr. 19; BSG SozR 4-4200 § 23 Nr. 5 RdNr 14). Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der Erstausstattung ist, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Eine Erstausstattung kann auch durch einen neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände begründet sein. Ist ein notwendiges Haushaltsgerät, wie zum Beispiel die hier befasste Waschmaschine in einer ansonsten eingerichteten Wohnung noch nicht vorhanden, so ist die erstmalige Anschaffung ebenfalls zur Erstausstattung für die Wohnung zu rechnen. Insbesondere setzt die Erstausstattung nicht voraus, dass der Hilfebedürftige eine komplette Ausstattung benötigt, sondern Erstausstattung können auch einzelne Gegenstände bei einer ansonsten bereits ausgestatteten Wohnung sein (vgl. Münder in LPK, 3. Auflage, § 23 Rn. 27 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19. September 2008,). Insoweit dürften die von dem Beklagten im September und Oktober 2007 erlassenen Bescheide zunächst nicht mit der Rechtslage in Übereinstimmung gestanden haben, da diesen nach ihrer Begründung ein zeitliches und kein bedarfsbezogenes Verständnis der Voraussetzungen für eine Erstausstattung zugrundegelegt worden ist. Der Beklagte hatte dort darauf verwiesen, dass eine Waschmaschine vor dem Hintergrund einer bereits vorhandenen Wohnungsausstattung als einzelner Einrichtungsgegenstand in der Form eines Haushaltsgerätes nicht in Betracht komme. Davon, dass der Kläger bereits zuvor eine Waschmaschine besessen hatte, war dem Beklagten zu jener Zeit nichts bekannt und hatte er daher auch die Ablehnung des Leistungsantrages nicht damit begründet.

Dem Anspruch steht jedoch entgegen, dass es sich vorliegend nicht um einen Erstausstattungsbedarf handelt. Der Begriff der Erstausstattung ist abzugrenzen gegenüber den Fällen, in denen es sich nicht um eine erstmalige Ausstattung handelt, sondern um einen Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf, oder bei Ersatz defekter Gegenstände (vgl. Münder, a.a.O., § 23 Rn. 23). Um einen Fall der letztgenannten Art handelt es sich vorliegend. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26. Juni 2008 erklärt, dass seinem Antrag der Umstand zu Grunde liegt, dass die ihm aus Mitteln des BSHG im Jahre 2001 gewährte Waschmaschine zwischenzeitlich kaputtgegangen sei und er daher nach einer Zeit, in der sich beholfen hat, eine neue Waschmaschine von der Beklagten gewährt haben möchte. Dies ist aber der übliche Fall der Ersatzbeschaffung von defekten Gegenständen, selbst wenn zwischen dem Eintritt des Ersatzbedarfs und dem Antrag auf Leistungsgewährung einige Zeit vergangen ist. Ebenso wenig führt der Umstand, dass die ursprüngliche Anschaffung der Waschmaschine in den Zeitraum des BSHG-Bezugs durch den Kläger im Jahr 2001 fiel, während der Antrag auf Gewährung der Mittel für die Anschaffung einer neuen Waschmaschine in die Zeit seit Geltung des SGB II fällt, zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Anknüpfungspunkt für die Leistungsgewährung gemäß § 23 Absatz Dreisatz eins Nr. 1 und S. 2 SGB II ist allein mit der Umstand der erstmalig des Bedarfs an den fraglichen Ausstattungsgegenständen unabhängig davon, in welches Gesetzesregime die erstmalige Anschaffung gefallen ist. Eine andere Betrachtung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Aus Sinn und Zweck der Vorschrift ebenso wie aus der Gesetzesbegründung zu § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 (BT-Drs. 15/1514, 60) ist nicht zu schlussfolgern, dass mit Inkrafttreten des SGB II sämtliche Ersatzbeschaffung betrafen den hilfebedürftigen, soweit sie nur ihrer Art nach zur Erstausstattung für die Wohnung beziehungsweise Haushaltsgeräten fehlen können und in der Zeit vor Inkrafttreten des SGB II beschafft worden sind, vom SGB II Träger - erneut - zu gewähren sind. Anknüpfungspunkte für eine solche Auslegung sind weder geboten noch anderweitig erkennbar. Dieses Verständnis der Rechtslage rechtfertigt sich auch daraus, dass das Gesetz in § 23 Abs. 1 SGB II in Fällen, in denen ein unabweisbar Bedarf gedeckt werden muss und der Hilfebedürftige diesen aus eigenen Mitteln nicht decken kann, vorsieht, dass der Leistungsträger den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung zu erbringen und dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen zu gewähren hat. Eine existenzielle Unterdeckung des Hilfebedürftigen ist daher nicht zu befürchten.

Der Kläger musste daher mit seiner Klage auf zuschussweise Gewährung der Mittel für die Anschaffung einer Waschmaschine nach dem SGB II erfolglos bleiben. Die Gewährung eines Darlehens zur Beschaffung der Waschmaschine hatte der Beklagte dem Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens auf Anregung des Gerichts bereits angeboten. Der Kläger hat dieses Angebot angenommen, die fragliche Waschmaschine beschafft und das Darlehen bei dem Beklagten ratenweise vollständig zurückgeführt. Ob dem Kläger eine darlehensweise Gewährung der Mittel für die Beschaffung der Waschmaschine gemäß § 23 Abs. 1 SGB II zugestanden hätte, bedarf daher, unabhängig davon, ob der Kläger dies überhaupt beantragt haben wollte, was zweifelhaft ist, keiner Entscheidung mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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