L 5 R 908/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3367/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 908/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.01.2010 und der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2007 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.09.2010 bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu gewähren.

Im Übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der im Jahr 1953 geborene Kläger hat keine Ausbildung absolviert und war nach verschieden-sten Hilfstätigkeiten zuletzt bis zum Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit im Januar 2007 mit der Pflege städtischer Grünanlagen und im Winterdienst (Handstreuer) bei der Stadt L. beschäftigt.

Am 30.08.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung gab er an, seit März 2006 an einem degenerativen HWS- und LWS-Syndrom, einer chronischen Hepatopathie, chronischer Euteritis, einem Karpaltunnel-Syndrom, Osteoporose und einer Fettleber zu leiden. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Untersuchung und Begutachtung des Klägers in der ärztlichen Untersuchungsstelle H. Der Internist Dr. B. diagnostizierte beim Kläger in seinem Gutachten vom 26.09.2006 das Vorliegen eines Schulter-Arm-Syndroms rechts bei kleinem Bandscheibenprolabs der HWS mit mittelgradiger Funktionsbeeinträchtigung, belastungsabhängige Beschwerden der gesamten Wirbelsäule bei mäßiger Osteoporose mit mäßigen Funktionsbeeinträchtigungen, sowie einem chronischen Alkohol- und Nikotinabusus. Eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung solle nach der Durchführung einer medizinischen Reha-Maßnahme erfolgen.

Der Kläger nahm daraufhin an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik S. in D. - Fachklinik für konservative Orthopädie und Innere Medizin - im Zeitraum vom 11.12.2006 bis 05.01.2007 teil. Im Entlassungsbericht vom 09.01.2007 wurden als Diagnosen ein chronisches HWS-, BWS- und LWS-Syndrom bei Fehlstatik der Wirbelsäule und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, der Verdacht auf Osteoporose sowie ein fortgesetzter Nikotin- und Alkoholabusus aufgeführt. Der Kläger sei dazu in der Lage, sowohl seinen zuletzt ausgeübten Beruf als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig auszuüben. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie regelmäßiges Heben und Tragen schwerer Lasten. Mittelschwere Lasten müssten körpernah, rückengerecht und rumpfkontrolliert getragen werden. Da die gärtnertypischen Tätigkeiten dieses Leistungsbild häufig überstiegen, sei eine innerbetriebliche Umsetzung auf eine Tätigkeit, die diesem Leistungsbild entspreche, zu empfehlen. Dr. B. schloss sich der im Reha-Entlassungsbericht formulierten Leistungsbeurteilung an.

Mit Bescheid vom 07.03.2007 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab.

Am 04.06.2007 sprach der Kläger beim Regionalzentrum H. vor und bat um Sachstandsmitteilung hinsichtlich seines Widerspruchs vom 28.3.2007. Da das Widerspruchsschreiben dort (nach eigenen Angaben - vgl. aber Bl. 23 Verwaltungsakte und Bl. 5/6 der ärztlichen Unterlagen der Beklagten) nicht auffindbar war, wurde die Vorsprache des Klägers als Antrag auf Überprüfung seines Rentenbescheides im Rahmen eines Zugunstenverfahrens gewertet (Schreiben der Beklagten vom 13.6.2007 - Bl. 22 Verwaltungsakte). Der Kläger machte geltend, wegen Osteoporose nicht mehr arbeiten zu können, und legte weitere medizinische Unterlagen vor.

Nach Einholung einer Auskunft beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers, der Stadt L., lehnte die Beklagte den "Antrag vom 04.06.2007 auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI" ohne Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen mit Bescheid vom 17.07.2007 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2007 zurück.

Am 11.09.2007 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn. Er machte geltend, er sei nicht mehr dazu in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Schon wenn er zu Hause den Hof kehre, sei er total erschöpft und bekomme keine Luft mehr. Sein Arzt habe ihm bescheinigt, dass er erwerbsunfähig sei.

Das Sozialgericht hat die den Kläger behandelnden Ärzte Dr. K. und G. als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt für Orthopädie Dr. K. hat in seiner am 05.11.2007 beim Sozialgericht eingegangenen Stellungnahme ausgeführt, er habe den Kläger nur einmal am 20.06.2007 gesehen und untersucht. Es bestehe ein Wurzelkompressionssyndrom L5 links mit Fuß- und Großzehenheberschwäche und eine ausgeprägte Verkürzungsneigung durch Entspannungsstörung der Haltemuskulatur an Schulter- und Beckengürtel mit Bewegungseinschränkungen. Diese neurologischen Auffälligkeiten könnten auch toxisch durch den vorbefundlich berichten Alkohol- und Nikotinabusus bedingt sein. Daneben bestehe ein degeneratives HWS-Syndrom mit medianer Bandscheibenprotrusion C6/7 und relativer Spinalkanalstenose lt. MRT vom 22.03.2007. Aufgrund der Muskelfunktionsstörungen halte er den Kläger nicht für mindestens drei Stunden erwerbsfähig. Da die Ursache der vorhandenen Störungen überwiegend nicht auf orthopädischem Fachgebiet liege, halte er eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung für unbedingt erforderlich. Der Facharzt für Allgemeinmedizin G. führte in seiner Stellungnahme vom 05.05.2008 aus, der Kläger sei bei ihm seit 1994 in hausärztlicher Behandlung. Aufgrund eines mindestens 20jährigen Alkoholabusus bestehe eine ausgeprägte äthyltoxische Leberzirrhose sowie ein chronische Gastritis. Ferner leide der Kläger an einer chronischen Diarrhoe bei Verdacht auf unspezifische Cholitis. Trotz beklagter funktionaler Herzbeschwerden habe sich kein Hinweis auf eine koronare Herzerkrankung gefunden. Die Beschwerden des Verdauungsapparates bestünden seit zehn Jahren mit wechselnder Intensität und Tendenz zur Verschlechterung im letzten Behandlungsjahr. Die degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates bestünden ebenfalls seit mehr als zehn Jahren und hätten in den letzten drei Jahren erheblich an Intensität zugenommen. Dem Kläger seien nicht mehr als zwei Stunden arbeitstäglich leichte körperliche Arbeiten zumutbar. Die entscheidenden körperlichen Einschränkungen bestünden aufgrund der degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates.

Das Sozialgericht holte von Amts wegen ein neurologisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. M. sowie ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. D. ein.

Prof. Dr. M. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 02.09.2009 ein chronisches Schmerzsyndrom des Rückens ohne objektivierbares Korrelat, Nikotinabusus, Alkoholabusus seit ca. 20 Jahren, äthyltoxische Leberzirrhose, chronische Gastritis, unspezifische Cholitis seit ca. 10 Jahren, Refluxösophagitis, Karpaltunnel-Syndrom sowie ein Ulcus-ulnaris-Syndrom, sensomotorische Polyneuropathie sowie eine Ataxie. Der Kläger sei dazu in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Gärtner regelmäßig sechs und mehr Stunden zu arbeiten. Ebenso seien ihm leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestsens sechs Stunden zumutbar.

Dr. D. stellte in seinem Gutachten vom 17.06.2009 ein chronisches, unklares Schmerzsyndrom, eine chronische Cervikalgie bei diskreten degenerativen Veränderungen der HWS ohne vertebragene Neurologie, eine chronische Lumbalgie bei diskreten Veränderungen ohne Neurologie, eine Verkürzung der ischiocruralen Muskulatur, eine initiale Coxarthrose bei diskreter Hüftdysplasie, einen Spreizfuß sowie eine Osteopenie fest. Der Kläger könne als Mitarbeiter in der Stadtgärtnerei lediglich noch 3 bis unter 6 Stunden täglich tätig sein. Das Heben und das Tragen von Lasten über 15 - 20 kg, dauernd gebückte Tätigkeiten, ständige Wirbelsäulen- Zwangshaltungen, regelmäßige Tätigkeit in Hockstellung sowie regelmäßige Überkopfarbeiten seien zu vermeiden. Aufgrund der neurologisch festgestellten Polyneuropathie und Ataxie seien Tätigkeiten auf überwiegend unebenem Boden sowie mit Besteigung von Leitern und Gerüsten nicht mehr möglich. Einer Tätigkeit als Gärtner ohne wirbelsäulenbelastende Haltung, etwa Pflanzarbeiten in einem Gewächshaus auf Arbeitstischhöhe, seien vollschichtig denkbar. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger unter Beachtung der qualitativer Leistungseinschränkungen ebenfalls noch vollschichtig möglich.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.01.2010 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung im Wege des Zugunstenverfahrens. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Dies gelte nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der Betroffene vorsätzlich und in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheides vom 07.03.2007 weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweise. Nach dem Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. M. und Dr. D. liege beim Kläger keine rentenberechtigende Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens vor. Auch nach Überzeugung des Gerichts sei der Kläger nach wie vor in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts breit verweisbare Kläger sei damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI. Angesichts der übereinstimmenden Beurteilungen der im Rahmen des Reha-Verfahrens tätigen Ärzte sowie derjenigen von Prof. Dr. M. und Dr. D. seien die abweichenden Einschätzungen der den Kläger behandelnden Ärzte G. und Dr. K. nicht überzeugend. Diese hätten dem Kläger bei ähnlicher Diagnosestellung ein aufgehobenes Leistungsvermögen attestiert. Eine nachvollziehbare Begründung für die von ihnen abgegebene Leistungseinschätzung hätten sie jedoch nicht vorgelegt.

Gegen den ihm am 01.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.02.2010 Berufung eingelegt. Er hat durch seinen Prozessbevollmächtigten eine sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. F. vom ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit vom 31.03.2010 vorgelegt, nach der dem Kläger voraussichtlich auf Dauer nur noch Tätigkeiten unter drei Stunden arbeitstäglich zumutbar seien. Zur weiteren Begründung lässt der Kläger vortragen, er leide unter starken Schmerzen, für die der begutachtende Orthopäde Dr. D. keine orthopädische Ursache gefunden habe. Dennoch seien die Schmerzen jeden Tag vorhanden und könnten auch auf einer internistischen Erkrankungen aufgrund des jahrelangen Substanzmissbrauchs beruhen. Eine Abklärung der internistischen Ursachen des schlechten Allgemeinzustands des Klägers habe nicht stattgefunden. Der Kläger sei auch aus psychologischen Gründen nicht dazu in der Lage, dem Druck im Berufsleben stand zu halten. Ihn plagten aufgrund der Schmerzen auch latente Suizidgedanken, wie sich aus Äußerungen im Rentenverfahren ergebe. Wenn allein die Dauer des Rentenverfahrens Druck auf den Kläger ausübe, liege die Vermutung nahe, dass er auch den allgemeinen Anforderungen des Arbeitslebens nicht gewachsen sei. Der jahrelange Substanzmittelmissbrauch habe auch zu einem Verlust des Großteils der Konzentrationsfähigkeit und der Auffassungsgabe geführt. Der Kläger sei daher auch aus kognitiven Gründen nicht dazu in der Lage, einer Arbeit auf Dauer nachzugehen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.01.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 07.03.2007 zurückzunehmen und ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.08.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat Dr. Sch. von Amts wegen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem sozialmedizinisch-internistischen Gutachten vom 23.08.2010 hat Dr. Sch. als Diagnosen 1. Alkoholkrankheit mit langjährigem Missbrauch, beginnendes hirnorganisches Psychosyndrom mit Kritikverlust, Persönlichkeitsdepravation und Lockerung des Realitätsbezugs, Polyneuropathie, vegetative Funktionsstörungen, 2. chronisches Lumbal- und Cervicalsyndrom bei Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule in der HWS- und LWS-Etage und 3. vorzeitigen allgemeinen körperlichen Abbau benannt. Er hat seinem Gutachten ein vom Kläger vorgelegtes Attest des Dr. M. vom 16.06.2010 beigefügt, der beim Kläger eine Alkoholkrankheit mit Verdacht auf Alkoholdemenz diagnostiziert hat. Dr. Sch. führt weiter aus, angesichts der Langjährigkeit des Alkoholmissbrauchs seien die Schäden an den inneren Organen auffallend gering und begründeten keine funktionellen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Weniger gut sei das Zentralnervensystem des Probanden mit dem Alkohol fertig geworden. Wie bereits bei der Begutachtung durch den Neurologen Prof. Dr. M. seien auch hier die deutlichen Schwielen und Gebrauchsspuren an den Händen aufgefallen, sodass der Proband daheim sicher alle möglichen Tätigkeiten ausübe und auch mehr mache, als er im Rahmen der Exploration berichtet habe. Allerdings sei daraus nicht abzuleiten, dass er weiterhin erwerbstätig sein könne. Die Einschränkungen seien von anderer Seite her festzustellen. Möge der Kläger auch im eigenen Garten das eine oder andere tun, so sei doch aus dem Befund an den Händen nicht abzuleiten, dass er weiterhin als Landschaftsgärtner arbeiten oder irgendeine andere, leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne. Dabei stehe der geistige Abbau im Weg. Nach dem vom Kläger bei der Begutachtung vorgelegten ärztlichen Attest des Dr. M. liege bei dem Kläger inzwischen ein hirnorganisches Psychosyndrom vor. Der Kläger sei nicht in der Lage, sich auf eine andere Tätigkeit einzustellen. Er sei weder in der Lage, die neuen Anforderungen eines Arbeitsplatzes in adäquater Zeit aufzufassen, noch diese mit der erforderlichen Kritikfähigkeit hinsichtlich der Ausführung zu verrichten. Die Art und Weise, wie er bei der Schilderung und Demonstration seiner Beschwerden und Beeinträchtigungen verdeutlichend tätig geworden sei, unterstreiche die mentalen Beschränkungen eher als dass es sie relativieren würde. Die gefundenen Einschränkungen seien auch nicht temporärer Natur, etwa durch einen akut erhöhten Alkoholspiegel verursacht gewesen, wie die Bestimmung des Alkoholspiegels gezeigt habe, der zwar einen Restalkohol, jedoch keinen intoxikierenden Spiegel ergeben habe. Der Kläger sei durch seine Krankheit bereits äußerlich deutlich gezeichnet und auch im Verhalten für Laien erkennbar beeinträchtigt und habe somit in Bewerbungsgesprächen auch für die einfachste und anspruchsloseste Tätigkeiten keine Chance auf den Erhalt eines Arbeitsplatzes. In seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung kommt Dr. Sch. zu dem Ergebnis, der Kläger sei körperlich in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg zu verrichten. In geistiger Hinsicht sei er nicht in der Lage, neue Arbeitsanforderungen adäquat aufzufassen und umzusetzen, und auch die Qualität der Ausführung mit der erforderlichen Kritik zu hinterfragen. Des weiteren sei er wahrscheinlich krankheitsbedingt auch nicht in der Lage, mit der gebotenen Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit einer Arbeit nachzugehen. Deshalb sei er auch nicht in drei- bis sechsstündigem zeitlichen Umfang zu einer Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage. Der Zeitpunkt des Beginns der Leistungseinschränkung sei deutlich dokumentiert mit dem Befund von Dr. M., bestehe aber vermutlich schon seit 2007.

Dr. W. hat in einer Stellungnahme des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten vom 30.09.2010 dagegen eingewendet, Dr. Sch. habe als Internist fachfremd psychische Befunde erhoben. Demgegenüber seien bei der neurologischen Begutachtung durch Prof. Dr. M. keine leistungsmindernden Defizite aufgefallen. Gerade in einem neurologischen, unter der Fragestellung alkoholbedingter Gesundheitsstörungen erstellten Gutachten wäre es aber zu erwarten gewesen, dass auch auf etwaige psychisch-psychiatrische Auffälligkeiten des Klägers eingegangen worden wäre, sofern derartige Störungen zum Untersuchungszeitpunkt vorgelegen hätten. Daher sei die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens erforderlich.

Der Senat hat daraufhin Dr. H. von Amts wegen mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem nervenärztlichen Gutachten vom 03.12.2010 führt Dr. H. aus, ohne Zweifel liege ein schädlicher Gebrauch von Alkohol (ICD10 F10.1) vor. Das Vorliegen einer psychischen Abhängigkeit von Alkohol könne lediglich vermutet werden. Formal würden die im ICD-10 genannten Kriterien nicht in ausreichenden Maße erfüllt. Anhaltspunkte für das Bestehen einer körperlichen Abhängigkeit von Alkohol ergäben sich nicht. Zum Untersuchungszeitpunkt sei der Kläger nüchtern gewesen und habe keine Entzugssymptome gezeigt. Es bestünden alkoholassoziierte Folgekrankheiten. Insbesondere liege eine äthyltoxische sensible Polyneuropathie vor, die ohne Zweifel das Auftreten der zusätzlich belegten Nervenkompressionssyndrome (Karpaltunnelsyndrom beidseits und Sulcus ulnaris Syndrom beidseits) fördere. Nach klinisch- psychiatrischem Eindruck bestehe eine cerebelläre Ataxie bei äthyltoxischer Schädigung des Kleinhirns. Diese könne naturgemäß durch die Polyneuropathie überlagert sein. Insoweit zeige sich ein breitbeiniges ataktisches Gangbild ohne Sturzgefahr, das bei Rückwärtsgehen etwas unsicherer gewesen und durch den Augenschluss nicht verstärkt worden sei. Eine Sturzgefahr habe auch unter erschwerten Bedingungen nicht bestanden. Ansonsten habe sich eine psychiatrische Erkrankung nicht eindeutig nachweisen lassen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer depressiven Erkrankung jedweder Art oder auch einer Angsterkrankung im Sinne des Psychiatrischen Klassifikationssystems ICD-10 hätten sich nicht ergeben. Klinisch-psychiatrisch hätten sich auch keine belangvollen kognitiven Leistungseinschränkungen nachweisen lassen. Aufmerksamkeit, Konzentration, Durchhaltevermögen und Gedächtnis hätten keine Einschränkungen aufgewiesen. Eine testpsychologische Zusatzuntersuchung habe insgesamt etwas inhomogene Ergebnisse ergeben. Das Intelligenzniveau liege im unteren Normbereich, dies lasse sich mit dem klinischen Eindruck in Einklang bringen. Schlechte Ergebnisse habe der Kläger im Aufmerksamkeits-Belastungs-Test erzielt, dies spreche für deutliche Störungen der Konzentration. Insoweit seien bei 97% der Altersvergleichs-Stichprobe bessere Werte zu erwarten gewesen. Anhaltspunkte für Störungen der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses hätten sich im Rahmen der umfangreichen Testung nicht ergeben. In einer Gesamtschau seien die kognitiven Leistungseinschränkungen allerdings allenfalls als leicht zu bezeichnen, wobei einzig testpsychologisch eine eingeschränkte Konzentrationsleistung fassbar gewesen sei. Die Kriterien für das Vorliegen einer äthyltoxischen Demenz würden definitiv nicht erfüllt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hierzu mit Schriftsatz vom 12.01.2011 ausgeführt, die Ausführungen des Gutachters Dr. H. gingen völlig konträr zu den Beobachtungen des Untereichners, der den Kläger schon längere Zeit kenne und fast immer nur alkoholisiert angetroffen habe. Es sei nicht ansatzweise vorstellbar, wie der Kläger im täglichen Arbeitsleben Tätigkeiten verrichten solle, ohne sich und andere zu gefährden. Vielmehr sei mit dem Gutachter Dr. Sch. davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seiner kognitiven und psychischen Erkrankungen niemals auch nur dazu in der Lage sein werde, sich noch auf eine Arbeitsstelle zu bewerben und arbeitsrechtliche Anweisungen überhaupt zu verstehen. Dem Kläger sei inzwischen mit Bescheid des Landratsamtes H. vom 17.05.2010 die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 50 zuerkannt worden. Aufgrund seiner Schmerzen und seiner Gehbeeinträchtigung strebe er aber derzeit in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn die Zuerkennung des Merkzeichens "G" und eines höheren Grades der Behinderung an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten des Sozialgerichts Heilbronn sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Sch. am 17.08.2010. Ein Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bereits ab dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung im August 2006 steht dem Kläger hingegen nicht zu.

Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Überprüfung des Rentenbegehrens ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Denn Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.09.2007. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Überprüfungsbescheid nach § 44 Abs. 1 SGB X, sondern um einen originären Rentenbescheid. Die Beklagte hat ausweislich der Ausführungen in diesem Bescheid den Überprüfungsantrag des Klägers vom 04.06.2007 als erneuten Rentenantrag gewürdigt und beschieden. Zwar hat sie im Widerspruchsbescheid vom 03.09.2007 den Antrag vom 04.06.2007 wiederum als Überprüfungsantrag bezeichnet und zu Beginn der Begründung den Wortlaut des § 44 Abs. 1 SGB X wiedergegeben. In der Sache hat sich die Beklagte jedoch auch in ihrer Widerspruchsentscheidung mit dem Rentenbegehren des Klägers im Sinne eines erneuten Rentenbegehrens auseinandergesetzt, ohne auf die Voraussetzungen des Überprüfungsverfahrens abzustellen. Die Beklagte hat damit die vollständige Überprüfung des Rentenbegehrens des Klägers erneut eröffnet, ohne dass eine Beschränkung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung eingetreten ist.

Ausgehend von dieser maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist die Berufung des Klägers teilweise begründet.

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein ( 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung sind nach den Feststellungen der Beklagten bis 31.3.2011 erfüllt (Bl. 81 LSG-Akte).

Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach den oben genannten Maßstäben erwerbsgemindert ist, da er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auch nur mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Der Senat schließt sich der Leistungsbewertung des von ihm beauftragten Gutachters Dr. Sch. an, dem er folgt. Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung von Dr. H. überzeugt den Senat hingegen nicht.

Der Kläger leidet nach der Überzeugung des Senats an einer massiven Alkoholerkrankung mit langjährigem Missbrauch, welche zu einem beginnenden hirnorganischen Psychosyndrom mit Kritikverlust, Persönlichkeitsdepravation und Lockerung des Realitätsbezugs sowie zu einem vorzeitigen allgemeinen körperlichen Abbau geführt hat. Ferner bestehen bei ihm eine Polyneuropathie und vegetative Funktionsstörungen, sowie degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule. Dies ergibt sich in erster Linie aus dem Gutachten von Dr. Sch ... Der langjährige Alkoholabusus wird aber auch bereits in den Vorgutachten von Dr. B. vom 26.09.2006 und im Entlassbericht der Reha-Klinik S. vom 09.01.2007 beschrieben. Ferner berichtet der Hausarzt des Klägers, der Allgemeinmediziner G. in seiner Stellungnahme vom 05.05.2008 von einem mindestens 20jährigen Alkoholabusus. Diese Feststellung hat auch der Neurologe Prof. Dr. M. in seinem für das Sozialgericht erstellten Gutachten zugrunde gelegt. Diese Alkoholerkrankung hat auch bereits zu erheblichen Folgeerkrankungen geführt, insbesondere werden eine äthyltoxische Leberzirrhose und eine chronische Gastritis berichtet, die aber der Beurteilung von Dr. Sch. zufolge keine Leistungseinschränkungen begründen. Dr. Sch. hat die Schäden an den inneren Organen als auffallend gering gegenüber der Langjährigkeit des Alkoholmissbrauchs angesehen. Nachhaltige Auswirkungen hat die Alkoholerkrankung aber offenbar auf das Zentralnervensystem des Klägers gehabt. Einen Zusammenhang zwischen der Alkoholerkrankung und der Muskelfunktionsschwäche des Klägers hat schon der behandelnde Orthopäde Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 05.11.20007 vermutet. Dementsprechend haben auch die Gutachter des sozialgerichtlichen Verfahrens, Prof. Dr. M. auf neurologischem Fachgebiet und - dem folgend - Dr. D. in seiner orthopädischen Begutachtung jeweils eine sensomotorische Polyneuropthie und Ataxie angenommen. Maßgeblich für die Leistungseinschätzung sind aber vor allem die von Dr. Sch. beschriebenen Auswirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit. Dr. Sch. geht dabei von einem beginnenden hirnorganischen Psychosyndrom mit Kritikverlust, Persönlichkeitsdepravation und Lockerung des Realitätsbezuges aus, aufgrund dessen er den Kläger nicht mehr für ausreichend umstellungsfähig hält und ihm eine ausreichende Auffassungsgabe für die Übernahme einer neuen Tätigkeit und die Erfüllung der damit verbundenen Anforderungen abspricht. Die von Dr. Sch. angenommenen mentalen Beschränkungen gründen sich auf seine Feststellungen hinsichtlich des psychischen Befundes, im Rahmen dessen der Gutachter unangemessene und auffallend inadäquate mimische und psychomotorische Reaktionen, eine sehr gering differenzierte Ausdrucksweise sowie eine weitgehend aufgehobene Kritikfähigkeit beschrieb. Die Gedächtnisleistungen seien im leicht subnormalen Bereich gewesen, Konzentration und Ausdauer seien im normalen Bereich fraglich gewesen. Die Stimmungslage sei streckenweise inadäquat läppisch, streckenweise inadäquat weltschmerzhaft gewesen, es hätten deutliche Zeichen einer personalen Depravation vorgelegen. Vor dem Hintergrund dieser Schilderung erscheint es für den Senat folgerichtig und nachvollziehbar, dass Dr. Sch. von einer alkoholkrankheitsbedingten deutlichen Zeichnung des Klägers nicht nur in seinem äußerlichen Erscheinungsbild sondern auch in seinem Verhalten ausgeht. Zwar ist für die Leistungsbeurteilung nicht von Bedeutung, ob dem Kläger angesichts seiner alkoholkrankheitsbedingten Beeinträchtigungen bereits jegliche Chance fehlt, einen seinem körperlichen Restleistungsvermögen adäquaten Arbeitsplatz zu erlangen. Maßgeblich ist hingegen, dass nach der Einschätzung des Gutachters, die der Senat für überzeugend hält, die geistigen Möglichkeiten des Klägers zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Hinblick auf Umsetzungsfähigkeit, Auffassungsgabe, Ausdauer und Konzentration so erheblich beeinträchtigt sind, dass damit das Restleistungsvermögen aufgehoben ist.

Der Senat hat entgegen den von der Beklagten geltend gemachten Bedenken auch keine Zweifel an der Leistungseinschätzung von Dr. Sch., weil er diese auf von ihm als Internisten fachfremd erhobene psychiatrische Befunde stützt. Dr. Sch. ist als langjährig tätiger und erfahrener Gutachter mit den unterschiedlichen Erscheinungsformen und Ausprägungsgraden der Alkoholerkrankung befasst und dazu in der Lage, die aus den verschiedenen Krankheitsbildern resultierenden Leistungseinschränkungen differenziert zu beurteilen. Aus den Ausführungen des Gutachters ergibt sich für den Senat nachvollziehbar, dass die Bewertung der Leistungsfähigkeit des Klägers aus einer Gesamtwürdigung von dessen Auftreten und Äußerungen im Rahmen der Anamnese beruht. Gestützt wird die Einschätzung des Gutachters auch durch den ärztlichen Befundbericht des Dr. M., der bei dem Kläger eine Alkoholkrankheit mit Verdacht auf Alkoholdemenz bei Bagatellisierung der Symptomatik und Realitätsverlust festgestellt hat. In der Gesamtwürdigung der Feststellungen des Gutachters Dr. Sch., des Attests von Dr. M. sowie der ausführlichen Darstellung der Krankheitsentwicklung durch den Allgemeinarzt G. ist der Senat davon überzeugt, dass die geistige Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund seiner langjährigen Alkoholerkrankung so weitgehend eingeschränkt ist, dass von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen ist. Bestätigt sieht sich der Senat, ohne dass dies für seine Entscheidung ausschlaggebend gewesen wäre, in dieser Beurteilung auch durch den persönlichen Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat.

Demgegenüber vermag die Leistungseinschätzung von Dr. H. in seinem Gutachten vom 03.12.2010 den Senat nicht zu überzeugen. Denn seine Schlussfolgerungen sind insbesondere im Hinblick auf die inhomogenen Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung nicht ganz schlüssig und damit letztlich nicht vollständig nachvollziehbar. Auch Dr. H. geht von einem schädlichen Gebrauch von Alkohol aus mit alkoholassoziierten Folgeerkrankungen, insbesondere einer äthyltoxischen sensiblen Polyneuropathie und einer cerebellären Ataxie bei polytoxischer Schädigung des Kleinhirns. Hinsichtlich der Frage, ob sich die Alkoholerkrankung im Sinne einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit verfestigt habe, bleibt der Gutachter eher vage, indem er ausführt, das Vorliegen einer psychischen Abhängigkeit von Alkohol könne lediglich vermutet werden und Anhaltspunkte für das Bestehen einer körperlichen Abhängigkeit von Alkohol hätten sich nicht ergeben. Offenbar ist der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt nüchtern gewesen und hat keine Entzugssymptome gezeigt. Andererseits berichtet der Prozessvertreter des Klägers davon, dass dieser nahezu bei allen Zusammentreffen feststellbar alkoholisiert gewesen sei. Auch das Gericht kann aufgrund des bei einer Vorsprache des Klägers gewonnenen persönlichen Eindrucks aus eigener Kenntnis bestätigen, dass der Kläger bereits am Vormittag einen deutlich erkennbaren Alkoholatem aufgewiesen hat. Bei der Begutachtung durch Dr. Sch. wies der Kläger zwar keinen toxischen Alkoholwert, zumindest aber einen Restalkoholwert von 0,28 Promille auf. Das Auftreten des Klägers in nüchternem Zustand bei Dr. H. dürfte daher eher eine Momentaufnahme darstellen. Letztlich hängt die Leistungsbewertung aber auch nicht davon ab, ob sich die Alkoholerkrankung des Klägers zu einer Alkoholabhängigkeit verdichtet hat oder in das Stadium eines Alkoholmissbrauchs einzuordnen ist. Maßgeblich ist nicht die diagnostische Zuordnung, sondern vielmehr das Ausmaß der festgestellten funktionalen Einschränkungen. Hier sieht Dr. H. in klinisch-psychiatrischer Sicht keine belangvollen kognitiven Leistungseinschränkungen. Allerdings hat die im Rahmen seiner Begutachtung durchgeführte testpsychologische Untersuchung ein weit unterdurchschnittliches Ergebnis im Bereich der Konzentrationsleistung ergeben. Bei ca. 97 % der Altersvergleichsstichprobe wäre ein besserer Wert zu erwarten gewesen. Zwar haben sich keine Störungen der Aufmerksamkeit und der Gedächtnisleistung ergeben. Wenn Dr. H. hieraus folgert, dass die kognitiven Leistungseinschränkungen allenfalls als leicht zu bewerten seien, so kann das den Senat nicht überzeugen. Allein die Diskrepanz der Ergebnisse der Konzentrationsleistungen und der Aufmerksamkeitsleistung ist ausgesprochen auffällig und wird im Gutachten nicht erklärt. Es ist jedenfalls nicht unmittelbar einleuchtend, wie bei einer so massiv eingeschränkten Konzentrationsleistung die Aufmerksamkeit ungestört sein kann. Diese Auffälligkeit in der testpsychologischen Untersuchung bestätigt vielmehr eher den Eindruck von Dr. Sch., der die kognitiven Fähigkeiten des Klägers im Sinne eines aufgehobenen Leistungsvermögens eingeschränkt angesehen hat. Auch vor dem Hintergrund des testpsychologisch geschätzten Intelligenzniveaus von 82 im Bereich der niedrigen Intelligenz überzeugt den Senat die Leistungseinschätzung von Dr. Sch. mehr als die von Dr. H ...

Der Kläger ist damit voll erwerbsgemindert i.S.v. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, wobei als Leistungsfall der Tag der Begutachtung von Dr. Sch. (17.08.2010) zugrunde zu legen ist. Ab diesem Tag ist die Leistungsminderung des Klägers nachgewiesen. Soweit Dr. Sch. zum Beginn der Leistungsminderung angegeben hat, diese bestehe wahrscheinlich bereits seit 2007, ist diese Angaben zu vage, um einen Leistungsfall konkret belegen zu können. Der Senat hält stattdessen den Tag des Nachweises der Leistungsminderung für maßgeblich.

Die Beklagte hat dem Kläger daher gemäß §§ 99 Abs. 1 Satz 1, 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.09.2010 zu gewähren. Die Rente ist auch nicht nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zu befristen. Da es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, ist die Rente abweichend vom Regelfall des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ausnahmsweise nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unbefristet zu gewähren. Der Gutachter Dr. Sch. hat in seinem Gutachten hierzu ausgeführt, dass selbst bei Durchführung einer Alkoholentziehungsbehandlung angesichts des Alters des Klägers und der bereits vorhandenen Schäden eine Besserung seines Gesundheitszustands nicht zu erwarten sei. Der Senat schließt sich auch insoweit der Einschätzung des Gutachters an, da diese schlüssig an die von ihm dargestellten Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens des Klägers anknüpft.

Soweit der Kläger einen Rentenanspruch bereits ab dem 01.08.2006 geltend gemacht hat, waren die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Das Sozialgerichts Heilbronn hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, so dass der Gerichtsbescheid vom 28.01.2010 auf die Berufung des Klägers aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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