Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 1960/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 2003/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18.10.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die 1971 geborene Klägerin zu 1) ist anerkannte Asylbewerberin. Anstelle eines nationalen Reisepasses verfügt die Klägerin zu 1) über einen Reiseausweis für Flüchtlinge, der jeweils von der zuständigen Ausländerbehörde ausgestellt wird. Für die Ausstellung eines Reiseausweises erhob die Stadt C von der Klägerin zu 1) am 07.01.2010 eine Gebühr von 59,00 EUR, die diese bar einzahlte.
Seit dem 01.01.2005 bezieht die Klägerin zu 1) zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter, der Klägerin zu 2), durchgehend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Bescheid vom 08.04.2010 lehnte der Beklagte den Antrag vom 11.03.2010 auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises ab. Denn hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 02.08.2010 zurück.
Hiergegen haben die Klägerinnen Klage erhoben.
Durch Beschluss vom 18.10.2010 hat das Sozialgericht Detmold die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Hiergegen haben die Klägerinnen Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von den Klägerinnen eingeleitete Rechtsverfolgung - Klage auf Verpflichtung des Beklagten auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises in Höhe von 59,00 EUR - bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Danach muss Prozesskostenhilfe nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen ohne Schwierigkeit beantwortet werden kann (BVerfG Beschlüsse vom 19.07.2010 - 1 BvR 1873/09 - und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Der Anspruch der Klägerin zu 1) auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises kann nicht auf die durch die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 09.02.2010 geschaffene Härtefallregelung gestützt werden, wonach aus Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG Leistungen zur Deckung eines laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung des Existenzminimums zwingend ist, zu gewähren sind (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - Rn 207f). Diese Anordnung einer Härtefallregelung, die eine an sich notwendige einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage ersetzt, gilt nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungsräume vor dem 09.02.2010 (BVerfG Beschluss vom 24.03.2010 - 1 BvR 395/09 = juris Rn 8; a. A. BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 29/09 R -; offengelassen in BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 As 3/09 R - und vom 23.03.2010 - B 14 AS 81/08 R ). Vorliegend ist der geltend gemachte Bedarf - Kosten für die Ausstellung eines Reisepasses - vor dem 09.02.2010, nämlich am 11.01.2010 entstanden. Auch liegen die Voraussetzungen eines solchen Härtefallsanspruchs nicht vor. Es handelt es sich nicht um einen unabweisbaren laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf, da die Kosten für die Ausstellung eines Reisepasses für Flüchtlinge nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 1 Abs. 3 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) nach Angaben der Klägerin zu 1) alle zwei Jahre bei Verlängerung des Reiseausweises entstehen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 22.07.2010 - L 7 B 204/09 AS = juris Rn 7). Die Härtefallregelung erfordert aber das Vorliegen eines längerfristigen, dauerhaften Bedarfs (vgl. BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 = juris Rn 208); einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf - wie der Anfall von sog. Passbeschaffungskosten alle zwei Jahre -, können durch die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II gedeckt werden (vgl. BSG Urteil vom 23.03.2010 - B 14 AS 81/08 R = juris Rn 18; BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 = juris Rn 208), das von der Klägerin zu 1) vorliegend nicht geltend gemacht macht wird.
Zu Gunsten der Klägerin zu 1) greift auch nicht die Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II ein, die erst am 03.06.2010 in Kraft getreten ist. Ebenso sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 1 - 5 SGB II oder eines Sonderbedarfs nach § 23 Abs. 3 SGB II nicht erfüllt. Die Gewährung von zusätzlichen monetären Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts neben der Regelleistung i.S.v. § 20 Abs. 1 SGB II, soweit sie nicht von den Vorschriften der §§ 21, 23 Abs. 3 SGB II oder durch die ab dem 09.02.2010 geltende Härtefallregelung (vgl. BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 = juris 207f und Beschluss vom 24.03.2010 - 1 BvR 395/09 = juris Rn 8) erfasst werden, ist nach §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II ausgeschlossen. Nach gefestigter Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 22/07 R) ist die Gewährung von zusätzlichen monetären Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts neben dem Regelsatz nach § 20 SGB II, den im Mehrbedarfen nach § 21 SGB II und den im § 23 Abs. 3 SGB II geregelten einmaligen Leistungen nicht denkbar (Urteile vom 19.09.2010 - B 14 AS 47/09 R = juris 11; vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = juris Rn 17f, vom 18.06.2008 - B 14 AS 22/07 R - = juris Rn 24). Nach dem Regelungskonzept des SGB II sind die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten Bedarfe mittels der Regelleistung nach § 20 SGB II, der Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und der einmaligen Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB II abschließend und pauschalierend gedeckt. Wegen ihres pauschalierenden und bedarfsdeckenden Charakters (§§ 20 Abs. 2, 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II) ist eine Erhöhung der Regelleistung nach § 20 SGB II anders als in § 28 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) nach dem Regelungskonzept des SGB II ausgeschlossen (BSG Urteile vom 18.06.2008 – B 14 AS 22/07 R= juris Rn 22 und vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = juris Rn 19).
Die Klägerin zu 1) kann den Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises auch nicht aus § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ableiten. Danach können Leistungen (der Sozialhilfe) auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen (Satz 1), wobei die Leistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden können (Satz 2). Voraussetzung ist eine besondere, atypische Lebenslage, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen, den unter Geltung des BSHG so bezeichneten "Hilfen in besonderen Lebenslagen", aufzuweisen hat (vgl. zu den Voraussetzungen des § 73 SGB XII: BSG Urteile vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = juris Rn 20 und vom 19.08.2010 - B 14 As 13/10 R = juris Rn 17f);
Hinsichtlich der Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises liegt keine besondere, atypische Lebenslage vor, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Denn die Übernahme von Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises weist keine Nähe zu den Hilfen bei Gesundheit (Fünftes Kapitel des SGB XII), der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Sechstes Kapitel), der Hilfe zur Pflege (Siebtes Kapitel) oder der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (Achtes Kapitel) auf (vgl. zu Passbeschaffungskosten: LSG NRW Beschluss vom 10.11.2010 - L 9 AS 1346/10 B ER -; Beschluss vom 03.01.2011 - L 7 AS 460/10 B). Die Verpflichtung zur Passbeschaffung ist insbesondere keine besondere soziale Schwierigkeit im Sinne des § 67 SGB XII. Denn die §§ 67 ff SGB XII enthalten ein spezielles Hilfsangebot für Personen, bei denen komplexe Problemlagen vorliegen, die sich durch eine Verbindung von besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten kennzeichnen (§ 1 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24.01.2001, BGBl. I S. 179). Die Gesetzgebung hat insoweit insbesondere die persönliche Betreuung sowie Hilfen zur Erlangung zur Sicherung des Arbeitsplatzes oder zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung im Blick (vgl. LSG NRW Beschluss vom 10.11.2010 - L 9 AS 1346/10 B ER). Nach Aktenlage liegen keine Anhaltspunkte für eine solche komplexe Problemlage vor und ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin zu 1).
Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1) der ihr als Ausländerin obliegenden Passpflicht nach § 3 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) auch dadurch genügen kann, dass sie anstelle eines Passes oder Passersatzpapiers - wie den Ausweis für Flüchtlinge - (siehe zu den Formen der Passersatzpapiere: Westphal in Huber, Ausländerrecht, § 3 AufenthG Rn 12f) einen Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG mit sich führt. Bezieher von Leistungen nach dem SGB II sind von den Gebühren für die Ausstellung eines solchen Ausweisersatzes nach § 53 Abs. 1 Nr. 8 AufenthV befreit (vgl. SG Köln Urteil vom 11.12.2009 - S 27 SO 63/09 -; LSG NRW Beschluss vom 18.08.2010 - L 20 SO 44/10 NZB). Ein Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG ermöglicht im Gegensatz zu einem Passersatzpapier - vorliegend der Reiseausweis für Flüchtlinge - nur nicht den Grenzübertritt und Reisen ins Ausland ( vgl. Weichert in Westphal in Huber, Ausländerrecht, § 3 AufenthG Rn 10). Insoweit ist der Einsatz öffentlicher Mittel für die Ausstellung/Verlängerung eines Reiseausweises für Flüchtlinge, die mit einer Gebühr von 59,00 EUR nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AufenthV verbunden ist, im Regelfall nicht gerechtfertigt, wobei zu berücksichtigen ist, dass nach § 53 Abs. 2 AufenthV Gebühren ermäßigt werden können oder von ihrer Erhebung abgesehen werden kann, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gebührenpflichtigen in Deutschland geboten ist. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag der Klägerin zu 1) ergeben sich Anhaltspunkte, dass die Klägerin zu 1) bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Entscheidung nach § 53 Abs. 2 AufenthV beantragt hat. Auch dies spricht gegen eine Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers.
Eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin zu 2) auf Übernahme eines Bedarfs ihrer Mutter, der Klägerin zu 1), durch den Beklagten ist unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die 1971 geborene Klägerin zu 1) ist anerkannte Asylbewerberin. Anstelle eines nationalen Reisepasses verfügt die Klägerin zu 1) über einen Reiseausweis für Flüchtlinge, der jeweils von der zuständigen Ausländerbehörde ausgestellt wird. Für die Ausstellung eines Reiseausweises erhob die Stadt C von der Klägerin zu 1) am 07.01.2010 eine Gebühr von 59,00 EUR, die diese bar einzahlte.
Seit dem 01.01.2005 bezieht die Klägerin zu 1) zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter, der Klägerin zu 2), durchgehend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Bescheid vom 08.04.2010 lehnte der Beklagte den Antrag vom 11.03.2010 auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises ab. Denn hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 02.08.2010 zurück.
Hiergegen haben die Klägerinnen Klage erhoben.
Durch Beschluss vom 18.10.2010 hat das Sozialgericht Detmold die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Hiergegen haben die Klägerinnen Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die von den Klägerinnen eingeleitete Rechtsverfolgung - Klage auf Verpflichtung des Beklagten auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises in Höhe von 59,00 EUR - bietet keine hinreichende Erfolgsaussicht. Hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Danach muss Prozesskostenhilfe nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen ohne Schwierigkeit beantwortet werden kann (BVerfG Beschlüsse vom 19.07.2010 - 1 BvR 1873/09 - und vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
Der Anspruch der Klägerin zu 1) auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises kann nicht auf die durch die Anordnung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 09.02.2010 geschaffene Härtefallregelung gestützt werden, wonach aus Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG Leistungen zur Deckung eines laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung des Existenzminimums zwingend ist, zu gewähren sind (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 - Rn 207f). Diese Anordnung einer Härtefallregelung, die eine an sich notwendige einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage ersetzt, gilt nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungsräume vor dem 09.02.2010 (BVerfG Beschluss vom 24.03.2010 - 1 BvR 395/09 = juris Rn 8; a. A. BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 29/09 R -; offengelassen in BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 As 3/09 R - und vom 23.03.2010 - B 14 AS 81/08 R ). Vorliegend ist der geltend gemachte Bedarf - Kosten für die Ausstellung eines Reisepasses - vor dem 09.02.2010, nämlich am 11.01.2010 entstanden. Auch liegen die Voraussetzungen eines solchen Härtefallsanspruchs nicht vor. Es handelt es sich nicht um einen unabweisbaren laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf, da die Kosten für die Ausstellung eines Reisepasses für Flüchtlinge nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 1 Abs. 3 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) nach Angaben der Klägerin zu 1) alle zwei Jahre bei Verlängerung des Reiseausweises entstehen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 22.07.2010 - L 7 B 204/09 AS = juris Rn 7). Die Härtefallregelung erfordert aber das Vorliegen eines längerfristigen, dauerhaften Bedarfs (vgl. BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 = juris Rn 208); einmalige oder kurzfristige Spitzen im Bedarf - wie der Anfall von sog. Passbeschaffungskosten alle zwei Jahre -, können durch die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II gedeckt werden (vgl. BSG Urteil vom 23.03.2010 - B 14 AS 81/08 R = juris Rn 18; BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 = juris Rn 208), das von der Klägerin zu 1) vorliegend nicht geltend gemacht macht wird.
Zu Gunsten der Klägerin zu 1) greift auch nicht die Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II ein, die erst am 03.06.2010 in Kraft getreten ist. Ebenso sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 1 - 5 SGB II oder eines Sonderbedarfs nach § 23 Abs. 3 SGB II nicht erfüllt. Die Gewährung von zusätzlichen monetären Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts neben der Regelleistung i.S.v. § 20 Abs. 1 SGB II, soweit sie nicht von den Vorschriften der §§ 21, 23 Abs. 3 SGB II oder durch die ab dem 09.02.2010 geltende Härtefallregelung (vgl. BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 = juris 207f und Beschluss vom 24.03.2010 - 1 BvR 395/09 = juris Rn 8) erfasst werden, ist nach §§ 3 Abs. 3 Satz 2, 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II ausgeschlossen. Nach gefestigter Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.06.2008 - B 14 AS 22/07 R) ist die Gewährung von zusätzlichen monetären Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts neben dem Regelsatz nach § 20 SGB II, den im Mehrbedarfen nach § 21 SGB II und den im § 23 Abs. 3 SGB II geregelten einmaligen Leistungen nicht denkbar (Urteile vom 19.09.2010 - B 14 AS 47/09 R = juris 11; vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = juris Rn 17f, vom 18.06.2008 - B 14 AS 22/07 R - = juris Rn 24). Nach dem Regelungskonzept des SGB II sind die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten Bedarfe mittels der Regelleistung nach § 20 SGB II, der Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und der einmaligen Leistungen nach § 23 Abs. 3 SGB II abschließend und pauschalierend gedeckt. Wegen ihres pauschalierenden und bedarfsdeckenden Charakters (§§ 20 Abs. 2, 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II) ist eine Erhöhung der Regelleistung nach § 20 SGB II anders als in § 28 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) nach dem Regelungskonzept des SGB II ausgeschlossen (BSG Urteile vom 18.06.2008 – B 14 AS 22/07 R= juris Rn 22 und vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = juris Rn 19).
Die Klägerin zu 1) kann den Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises auch nicht aus § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ableiten. Danach können Leistungen (der Sozialhilfe) auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen (Satz 1), wobei die Leistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden können (Satz 2). Voraussetzung ist eine besondere, atypische Lebenslage, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen, den unter Geltung des BSHG so bezeichneten "Hilfen in besonderen Lebenslagen", aufzuweisen hat (vgl. zu den Voraussetzungen des § 73 SGB XII: BSG Urteile vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R = juris Rn 20 und vom 19.08.2010 - B 14 As 13/10 R = juris Rn 17f);
Hinsichtlich der Übernahme der Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises liegt keine besondere, atypische Lebenslage vor, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Denn die Übernahme von Kosten für die Ausstellung eines Reiseausweises weist keine Nähe zu den Hilfen bei Gesundheit (Fünftes Kapitel des SGB XII), der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Sechstes Kapitel), der Hilfe zur Pflege (Siebtes Kapitel) oder der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (Achtes Kapitel) auf (vgl. zu Passbeschaffungskosten: LSG NRW Beschluss vom 10.11.2010 - L 9 AS 1346/10 B ER -; Beschluss vom 03.01.2011 - L 7 AS 460/10 B). Die Verpflichtung zur Passbeschaffung ist insbesondere keine besondere soziale Schwierigkeit im Sinne des § 67 SGB XII. Denn die §§ 67 ff SGB XII enthalten ein spezielles Hilfsangebot für Personen, bei denen komplexe Problemlagen vorliegen, die sich durch eine Verbindung von besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten kennzeichnen (§ 1 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24.01.2001, BGBl. I S. 179). Die Gesetzgebung hat insoweit insbesondere die persönliche Betreuung sowie Hilfen zur Erlangung zur Sicherung des Arbeitsplatzes oder zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung im Blick (vgl. LSG NRW Beschluss vom 10.11.2010 - L 9 AS 1346/10 B ER). Nach Aktenlage liegen keine Anhaltspunkte für eine solche komplexe Problemlage vor und ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin zu 1).
Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1) der ihr als Ausländerin obliegenden Passpflicht nach § 3 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) auch dadurch genügen kann, dass sie anstelle eines Passes oder Passersatzpapiers - wie den Ausweis für Flüchtlinge - (siehe zu den Formen der Passersatzpapiere: Westphal in Huber, Ausländerrecht, § 3 AufenthG Rn 12f) einen Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG mit sich führt. Bezieher von Leistungen nach dem SGB II sind von den Gebühren für die Ausstellung eines solchen Ausweisersatzes nach § 53 Abs. 1 Nr. 8 AufenthV befreit (vgl. SG Köln Urteil vom 11.12.2009 - S 27 SO 63/09 -; LSG NRW Beschluss vom 18.08.2010 - L 20 SO 44/10 NZB). Ein Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG ermöglicht im Gegensatz zu einem Passersatzpapier - vorliegend der Reiseausweis für Flüchtlinge - nur nicht den Grenzübertritt und Reisen ins Ausland ( vgl. Weichert in Westphal in Huber, Ausländerrecht, § 3 AufenthG Rn 10). Insoweit ist der Einsatz öffentlicher Mittel für die Ausstellung/Verlängerung eines Reiseausweises für Flüchtlinge, die mit einer Gebühr von 59,00 EUR nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AufenthV verbunden ist, im Regelfall nicht gerechtfertigt, wobei zu berücksichtigen ist, dass nach § 53 Abs. 2 AufenthV Gebühren ermäßigt werden können oder von ihrer Erhebung abgesehen werden kann, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gebührenpflichtigen in Deutschland geboten ist. Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag der Klägerin zu 1) ergeben sich Anhaltspunkte, dass die Klägerin zu 1) bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Entscheidung nach § 53 Abs. 2 AufenthV beantragt hat. Auch dies spricht gegen eine Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers.
Eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin zu 2) auf Übernahme eines Bedarfs ihrer Mutter, der Klägerin zu 1), durch den Beklagten ist unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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