Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 B 44/02 P
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits.
Der am 21. März 2001 verstorbene Versicherte bezog seit dem 1. August 1998 von der Beklagten Pflegegeld der Pflegestufe II. Mit seiner am 2. August 2000 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrte er höhere Leistungen nach Pflegestufe III seit Oktober 1999. Die Beklagte veranlasste ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 30. November 2000, das zum Ergebnis kam, wegen des Hinzutritts von Ulnarisparesen lägen seit Mai 2000 die Voraussetzungen der Pflegestufe III vor. Die Beklagte erklärte sich bereit, Pflegegeld nach Pflegestufe III ab Mai 2000 zu gewähren.
Die Klägerin führte nach dem Tode des Versicherten den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin mit dem Ziel fort, die höhere Leistung bereits ab Oktober 1999 zu erhalten.
Im Termin am 4. Juli 2002 schlossen die Beteiligten auf Vorschlag des Gerichts folgenden Vergleich:
1. Die Beklagte gewährt der Klägerin aus der Versicherung des K K Pflegegeld der Pflegestufe III auch vom 1. Januar 2000 bis 30. April 2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.
2. Über die außergerichtlichen Kosten soll durch das Gericht entschieden werden.
3. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Rechtsstreit hiermit - bis auf die außergerichtlichen Kosten - erledigt ist.
Mit Beschluss vom selben Tage verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, der Klägerin entsprechend dem Verfahrensausgang (§ 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) drei Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Unter Berücksichtigung des Vergleichs sei Pflegegeld der Pflegestufe III für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. März 2001, insgesamt für 15 Monate, zu zahlen. Demgegenüber sei Pflegegeld für 18 Monate (Oktober 1999 bis März 2001) gefordert worden. Die Klägerin sei mithin zu fünf Sechstel erfolgreich gewesen. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte bereit gewesen sei, sich zu vergleichen, habe es die Kammer für angemessen gehalten, der Klägerin drei Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gegen den am 7. Oktober 2002 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 10. Oktober 2002 Beschwerde eingelegt, mit der sie sich unter Hinweis auf die Vorschrift des § 195 SGG und einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Januar 2000 (Az. L 10 B 19/99 P), auf den Bezug genommen wird (Bl. 61 bis 69 GA), gegen eine Kostenerstattung wendet. Da § 195 SGG unabdingbar sei und die Beteiligten keine Bestimmung über die Kostenlast getroffen hätten, folge hieraus zwingend, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen habe.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht nach § 193 Abs. 1 SGG über die Kostenerstattung entschieden und mit zutreffender Begründung entsprechend dem Verfahrensausgang der Beklagten drei Viertel der der Klägerin entstandenen Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es war daran durch die Vorschrift des § 195 SGG nicht gehindert, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift trägt jeder Beteiligte seine Kosten selbst, wenn der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich erledigt wird und wenn die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen haben. Zwar ist hier der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich im Termin am 4. Juli 2002 erledigt worden (§ 101 Abs. 1 SGG); die Beteiligten haben aber im Vergleichstext zu Ziffer 2 eine Bestimmung über die außergerichtlichen Kosten getroffen. Um die Rechtsfolge des § 195 SGG - jeder Beteiligte trägt seine Kosten - auszuschließen, genügt es, wenn sich die Beteiligten - wie hier - bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs darüber einigen, dass die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits von dem Vergleich ausgenommen sein und zur Entscheidung des Gerichts nach den allgemeinen Vorschriften (hier: § 193 Abs. 1 SGG) gestellt bleiben sollen. Damit folgt der Senat nicht dem von der Beklagten zitierten Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 6. Januar 2000, sondern schließt sich der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung an (zum Meinungsstand vgl.: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage 2002, RdNr. 3 a zu § 195; RdNr. 11 zu § 101).
Weder der Wortlaut noch der Sinn des § 195 SGG gebieten es, dass die darin erwähnte „Bestimmung über die Kosten“ eine positive Kostenverteilung (beziffert oder nach Bruchteilen) sein muss. Nach dem Wortlaut der Vorschrift liegt eine Bestimmung über die Kosten auch dann vor, wenn eine Kostenregelung ausdrücklich ausgeklammert und zur Entscheidung des Gerichts gestellt wird. Der Sinn der Vorschrift liegt darin, dass bei Nichterwähnung der Kos
tenverteilung im Vergleich das Gesetz unterstellt, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst tragen will, wobei es gleichgültig ist und keiner Aufklärung durch das Gericht bedarf, ob dies ausdrücklich oder bewusst von den Beteiligten so gewollt war oder ob sie sich darüber geirrt haben (Bergerfurth, NJW 1972, S. 1840, 1841). Der vom Gesetz unterstellte mutmaßliche Beteiligtenwille ist nur dann nicht maßgebend, wenn die Beteiligten eine „Bestimmung über die Kosten getroffen“ haben, sei es positiv durch eigene Kostenverteilung oder negativ dadurch, dass sie - wie im vorliegenden Fall - die Kostenverteilung ausdrücklich ausgeklammert und dem Gericht zur Entscheidung überlassen wollten. Aus diesen Gründen greift entgegen der Auffassung der Beklagten die automatische Kostenfolge des § 195 SGG nicht, und das Sozialgericht hatte nach § 193 Abs. 1 SGG unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Gegen die Verteilung der Kostenlast hat die Beklagte keine Bedenken erhoben; solche sind auch nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG mit der Beschwerde nicht anfechtbar.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits.
Der am 21. März 2001 verstorbene Versicherte bezog seit dem 1. August 1998 von der Beklagten Pflegegeld der Pflegestufe II. Mit seiner am 2. August 2000 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage begehrte er höhere Leistungen nach Pflegestufe III seit Oktober 1999. Die Beklagte veranlasste ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 30. November 2000, das zum Ergebnis kam, wegen des Hinzutritts von Ulnarisparesen lägen seit Mai 2000 die Voraussetzungen der Pflegestufe III vor. Die Beklagte erklärte sich bereit, Pflegegeld nach Pflegestufe III ab Mai 2000 zu gewähren.
Die Klägerin führte nach dem Tode des Versicherten den Rechtsstreit als Sonderrechtsnachfolgerin mit dem Ziel fort, die höhere Leistung bereits ab Oktober 1999 zu erhalten.
Im Termin am 4. Juli 2002 schlossen die Beteiligten auf Vorschlag des Gerichts folgenden Vergleich:
1. Die Beklagte gewährt der Klägerin aus der Versicherung des K K Pflegegeld der Pflegestufe III auch vom 1. Januar 2000 bis 30. April 2000 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.
2. Über die außergerichtlichen Kosten soll durch das Gericht entschieden werden.
3. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Rechtsstreit hiermit - bis auf die außergerichtlichen Kosten - erledigt ist.
Mit Beschluss vom selben Tage verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte, der Klägerin entsprechend dem Verfahrensausgang (§ 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) drei Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Unter Berücksichtigung des Vergleichs sei Pflegegeld der Pflegestufe III für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. März 2001, insgesamt für 15 Monate, zu zahlen. Demgegenüber sei Pflegegeld für 18 Monate (Oktober 1999 bis März 2001) gefordert worden. Die Klägerin sei mithin zu fünf Sechstel erfolgreich gewesen. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte bereit gewesen sei, sich zu vergleichen, habe es die Kammer für angemessen gehalten, der Klägerin drei Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gegen den am 7. Oktober 2002 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 10. Oktober 2002 Beschwerde eingelegt, mit der sie sich unter Hinweis auf die Vorschrift des § 195 SGG und einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Januar 2000 (Az. L 10 B 19/99 P), auf den Bezug genommen wird (Bl. 61 bis 69 GA), gegen eine Kostenerstattung wendet. Da § 195 SGG unabdingbar sei und die Beteiligten keine Bestimmung über die Kostenlast getroffen hätten, folge hieraus zwingend, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen habe.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht nach § 193 Abs. 1 SGG über die Kostenerstattung entschieden und mit zutreffender Begründung entsprechend dem Verfahrensausgang der Beklagten drei Viertel der der Klägerin entstandenen Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es war daran durch die Vorschrift des § 195 SGG nicht gehindert, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift trägt jeder Beteiligte seine Kosten selbst, wenn der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich erledigt wird und wenn die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen haben. Zwar ist hier der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich im Termin am 4. Juli 2002 erledigt worden (§ 101 Abs. 1 SGG); die Beteiligten haben aber im Vergleichstext zu Ziffer 2 eine Bestimmung über die außergerichtlichen Kosten getroffen. Um die Rechtsfolge des § 195 SGG - jeder Beteiligte trägt seine Kosten - auszuschließen, genügt es, wenn sich die Beteiligten - wie hier - bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs darüber einigen, dass die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits von dem Vergleich ausgenommen sein und zur Entscheidung des Gerichts nach den allgemeinen Vorschriften (hier: § 193 Abs. 1 SGG) gestellt bleiben sollen. Damit folgt der Senat nicht dem von der Beklagten zitierten Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 6. Januar 2000, sondern schließt sich der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Auffassung an (zum Meinungsstand vgl.: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage 2002, RdNr. 3 a zu § 195; RdNr. 11 zu § 101).
Weder der Wortlaut noch der Sinn des § 195 SGG gebieten es, dass die darin erwähnte „Bestimmung über die Kosten“ eine positive Kostenverteilung (beziffert oder nach Bruchteilen) sein muss. Nach dem Wortlaut der Vorschrift liegt eine Bestimmung über die Kosten auch dann vor, wenn eine Kostenregelung ausdrücklich ausgeklammert und zur Entscheidung des Gerichts gestellt wird. Der Sinn der Vorschrift liegt darin, dass bei Nichterwähnung der Kos
tenverteilung im Vergleich das Gesetz unterstellt, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst tragen will, wobei es gleichgültig ist und keiner Aufklärung durch das Gericht bedarf, ob dies ausdrücklich oder bewusst von den Beteiligten so gewollt war oder ob sie sich darüber geirrt haben (Bergerfurth, NJW 1972, S. 1840, 1841). Der vom Gesetz unterstellte mutmaßliche Beteiligtenwille ist nur dann nicht maßgebend, wenn die Beteiligten eine „Bestimmung über die Kosten getroffen“ haben, sei es positiv durch eigene Kostenverteilung oder negativ dadurch, dass sie - wie im vorliegenden Fall - die Kostenverteilung ausdrücklich ausgeklammert und dem Gericht zur Entscheidung überlassen wollten. Aus diesen Gründen greift entgegen der Auffassung der Beklagten die automatische Kostenfolge des § 195 SGG nicht, und das Sozialgericht hatte nach § 193 Abs. 1 SGG unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Gegen die Verteilung der Kostenlast hat die Beklagte keine Bedenken erhoben; solche sind auch nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG mit der Beschwerde nicht anfechtbar.
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