S 6 AS 175/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 AS 175/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 230/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein rechtmäßiger Sanktionsbescheid wegen einer wiederholten Pflichtverletzung setzt zwingend einen rechtmäßigen Sanktionsbescheid wegen einer erstmaligen Pflichtverletzung voraus.
Der Bescheid vom 21.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2009 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Sanktionsbescheid wegen einer wiederholten Pflichtverletzung.

Der 1959 geborene Kläger steht seit mehreren Jahren als sog. Aufstocker im SGB II Leistungsbezug.

Am 17.07.2008 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag für eine Tätigkeit als Helfer im Lager (vgl. Bl. 107 ff. Verwaltungsakte). Dieser Vermittlungsvorschlag befindet sich nicht in der Verwaltungsakte und kann von der Beklagten auch nicht mehr reproduziert werden (Bl. 29 Gerichtsakte).

Am 13.08.2008 hörte die Beklagte den Kläger zur Verwirklichung eines Sanktionstatbestands im Sinne des § 31 SGB II an. Das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses sei daran gescheitert, dass sich der Kläger nicht vorgestellt habe (Bl. 103 Verwaltungsakte).

Am 18.08.2008 teilte der Kläger mit, dass er sich nicht vorgestellt habe, da er an einer Magen- und Darmerkrankung erkrankt gewesen sei (Bl. 104 Verwaltungsakte). Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte der Kläger allerdings nicht vor.

Mit Sanktionsbescheid vom 21.08.2008 senkte die Beklagte die SGB II-Leistungen um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung ab. Der Bescheid enthielt den Hinweis darauf, dass im Falle einer wiederholten gleichartigen Pflichtverletzung eine Absenkung der SGB II-Leistungen um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung eintreten werde (Bl. 107 Verwaltungsakte).

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 120 Verwaltungsakte).

Im November 2008 arbeitete der Kläger als Zeitarbeiter bei der Firma XY ... Ihm wurde am 07.11.2008 gekündigt. Der Kläger habe die Firma XY. nicht rechtzeitig informiert, dass er krank gewesen sei, obwohl er bereits zweimal abgemahnt worden sei (Bl. 142, 144 Verwaltungsakte).

Mit Sanktionsbescheid vom 21.11.2008 senkte die Beklagte die Leistungen nach dem SGB II um einen Betrag in Höhe von 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung für die Zeit vom 01.12.2008 bis 28.02.2009 und damit um einen Betrag in Höhe von monatlich 211,00 EUR ab (Bl. 146 Verwaltungsakte).

Am 04.12.2008 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein. Er habe bei der Firma XY. angerufen, um sich krank zu melden. Es sei jedoch niemand ans Telefon gegangen. Deshalb habe er seine Krankmeldung unverzüglich per Post übersandt. Er habe seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht verletzt (Bl. 152 Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2009 wies die Beklagte den Widerspruch im Wesentlichen mit den Gründen des Ausgangsbescheids als unbegründet zurück. Die Einlassung des Klägers, er habe bei der Zeitarbeitsfirma XY. niemanden telefonisch erreicht, sei nicht glaubhaft (Bl. 161 ff. Verwaltungsakte).

Am 18.02.2009 hat der Kläger gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Er ist der Auffassung, dass der Sanktionsbescheid vom 21.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2009 rechtswidrig ist.

Der Kläger beantragt,
den Sanktionsbescheid vom 21.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheids wegen der wiederholten Pflichtverletzung vom 21.11.2008 nicht entgegenstehe, dass der Vermittlungsvorschlag, der die erste Sanktion nach sich zog, nicht mehr reproduziert werden kann. Der Vermittlungsvorschlag sei mit einer Rechtsfolgenbelehrung übersandt worden. Im Übrigen sei auf die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26.04.2010 (L 7 AS 212/10 B ER) hinzuweisen, wonach bei Sanktionsbescheiden wegen wiederholter Pflichtverletzung vorausgehende bestandskräftige Sanktionsbescheide nicht mehr zu überprüfen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Sanktionsbescheid vom 21.11.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2009 war aufzuheben.

Gem. § 31 Abs. 1 S.1 Nr. 1 c) SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfsbedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen.

Dies gilt nach § 31 Abs. 1 S.2 SGB II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten hat.

Nach § 31 Abs. 3 S.1 SGB II wird das Arbeitslosengeld II bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach Abs. 1 um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung abgesenkt.

Absenkung und Wegfall treten gem. § 31 Abs. 6 S.1 SGB II mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate (§ 31 Abs. 6 S.2 SGB II).

Bei Absenkungen der SGB II-Leistungen wegen wiederholter Pflichtverletzung ist es erforderlich, dass entsprechende vorausgehende Sanktionsbescheide existieren, die das Vorliegen eines vorausgehenden Sanktionsereignisses und eines entsprechenden Sanktionstatbestands auf der niedrigeren Sanktionsstufe feststellen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 09.11.2010 (B 4 AS 27/10 R, juris, Rn. 20) zutreffend ausgeführt:

"Aus der Systematik des § 31 SGB II folgt, dass die Regelung hinsichtlich des Umfangs der Sanktionierung strikt danach differenziert, ob es sich um eine erstmalige, eine erste wiederholte Obliegenheitsverletzung oder eine weitere wiederholte Obliegenheitsverletzung handelt. Die jeweiligen Obliegenheitsverletzungen sind nach § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB II mit einer Stufenfolge von Absenkungen ( ) verbunden. Die Sanktionierung durch Festlegung eines erhöhten Absenkungsbetrags soll erst greifen, wenn dem Hilfebedürftigen durch den vorangegangenen Sanktionsbescheid mit einer Minderung des Sanktionsbetrags in der niedrigeren Stufe die Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen geführt worden sind."

Noch nicht hinreichend geklärt ist innerhalb der obergerichtlichen Rechtsprechung die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidende Frage, ob es im Falle eines Sanktionsbescheids wegen einer wiederholten Pflichtverletzung bei einem bestandskräftigen Sanktionsbescheid auf der ersten Sanktionsstufe ausreichend ist, dass ein entsprechender bestandskräftiger Sanktionsbescheid vorliegt.

Nach Auffassung des Bayerischen Landessozialgericht (LSG) sollen bei wiederholten Pflichtverletzungen die bestandskräftigen vorausgehenden Sanktionsbescheide Tatbestandswirkung entfalten (Bayerisches LSG, Beschluss v. 26.04.2010, L 7 AS 212/10 B ER, juris, Rn. 18), so dass der SGB II-Leistungsträger nicht gehalten ist, den vorangegangenen Sanktionsbescheid zu überprüfen.

Das LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 12.10.2007, L 14 AS 1550/07 ER, juris, Rn. 3) und das LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss v. 22.06.2009, L 7 AS 266/09 B ER, juris, Rn. 11 mit Hinweis auf BSG, SozR 3-4100 § 119 Nr.23) verlangen hingegen nach der Überzeugung der Kammer zu Recht übereinstimmend mit Teilen des wissenschaftlichen Schrifttums (vgl. Valgolio in: Hauck & Noftz (Hrsg.), SGB II, 13. Lfg. VII/07, § 31 Rn. 105; Berlit in: Münder (Hrsg.), SGB II, 3. A. 2009, § 31 Rn. 86), dass bei Sanktionen wegen wiederholter Pflichtverletzung rechtmäßige Vorsanktionen auf den jeweils niedrigeren Stufen vorliegen.

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat hierzu in seiner Entscheidung vom 22.06.2009 (L 7 AS 266/09 B ER, juris, Rn. 14) einsichtig ausgeführt:

"Das Sanktionsereignis bei wiederholter Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 3 SGB II stellt einen selbstständigen Absenkungstatbestand dar, so dass sämtliche Elemente dieses neuen Sanktionsereignisses vorliegen müssen. Erforderlich ist insbesondere, dass der Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nach Eintritt eines ersten Sanktions- und Absenkungstatbestandes, der anders als die Sperrzeit im Arbeitsförderungsrecht erst durch einen förmlichen Bescheid seine konstitutive Wirkung erlangt, erneut gegen eine Verpflichtung aus § 31 Abs. 1 oder 2 SGB II verstoßen haben muss (LSG Berlin-Brandenburg vom 12.10.2007 - L 14 AS 1550/07 ER -; LSG Baden-Württemberg vom 03.01.2008 - L 12 AS 5001/07 ER B -; LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.11.2008 - L 7 B 252/08 AS -; anderer Ansicht: LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 09.01.2009 - L 8 AS 59/06 -, allerdings mit Hinweis auf eine Regelung im § 144 SGB III, die tendenziell eher für die hier vertretene Auffassung spricht). Bereits der Begriff der wiederholten Pflichtverletzung bringt zum Ausdruck, dass nur solche Pflichtverletzungen sanktionsbewährt sind, die zeitlich nach einer vorhergehenden Sanktionsfeststellung auf der ersten Stufe erfolgt sind. Dies trägt der erzieherischen Funktion einer stufenweisen Sanktionssteigerung, ein trotz bereits erfolgter Sanktion erneut eingetretenes Fehlverhalten verschärft zu sanktionieren, Rechnung. Eine andere Auslegung des Begriffs der wiederholten Pflichtverletzung würde die Sanktionsnorm auf eine reine Strafvorschrift degradieren, die mit Sinn und Zweck des § 31 SGB II (vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 61, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB II-Kommentar, M 010 S. 115 f.) nicht in Übereinstimmung steht."

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an und interpretiert die Entscheidung dahingehend, dass auch bei bestandskräftigen Vorsanktionen die Rechtmäßigkeit der Vorsanktionen vom Gericht geprüft werden muss. Insbesondere in Fällen, in denen für die Gericht ohne Weiteres erkennbar ist, dass der vorausgegangene Sanktionsbescheid rechtswidrig ist, würden die Gerichte ihrer Pflicht, sich "schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen" zu stellen (BVerfG, Beschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05, juris, Rn. 26), nicht gerecht, wenn sie "sehenden Auges" die Rechtswidrigkeit des vorhergehenden Sanktionsbescheids unbeanstandet lassen würden. Dies hat nicht zur Folge, dass der vorhergehende Sanktionsbescheid seinerseits Streitgegenstand wird. Die Gerichte habe aber die Rechtmäßigkeit der vorhergehenden Sanktion, auf welche die Sanktion wegen der wiederholter Pflichtverletzung aufbaut, von Amts wegen inzident zu überprüfen (Berlit in: Münder (Hrsg.), SGB II, 3. A. 2009, § 31 Rn. 86). Fehlt es an einer rechtmäßigen Vorsanktion ist der Sanktionsbescheid wegen wiederholter Pflichtverletzung rechtswidrig und aufzuheben.

Im vorliegenden Fall baut der streitgegenständliche Sanktionsbescheid vom 21.11.2008 auf dem Sanktionsbescheid vom 21.08.2008 wegen der unterbliebenen Bewerbung des Klägers auf den Vermittlungsvorschlag vom 17.07.2008 auf. Der Vermittlungsvorschlag vom 17.07.2008 kann von der Beklagten nicht mehr reproduziert werden, so dass vom Gericht nicht mehr überprüft werden kann, ob der Vermittlungsvorschlag mit einer hinreichenden Rechtsfolgenbelehrung versehen war.

Diese fehlende Reproduzierbarkeit des Vermittlungsvorschlags vom 17.07.2008 geht zu Lasten der Beklagten und schlägt auf den zweiten Sanktionsbescheid vom 21.11.2008 durch. Rechtmäßige Sanktionsbescheide setzen nämlich voraus, dass sämtliche sanktionsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen bewiesen sind (vgl. Hessisches LSG, Beschluss v. 26.03.2007, L 9 AS 38/07 ER; SG Osnabrück, Urteil v. 29.10.2007, S 22 AS 888/06, juris; Rixen in: Eicher & Spellbrink (Hrsg.), SGB II, 2. A. 2008, § 31 Rn. 40 ff.). Hat der SGB II-Leistungsträger wegen eines sanktionsbewährten Verhaltens des Hilfebedürftigen eine Sanktion auszusprechen, so muss er für eine hinreichende Dokumentation der Vorgänge in der Verwaltungsakte Sorge tragen (SG Osnabrück, Urteil v. 29.10.2007, S 22 AS 888/06, juris, Rn. 22). Lässt sich nicht mehr nachvollziehen, ob ein Vermittlungsvorschlag mit einer hinreichenden Rechtsfolgenbelehrung versehen war, geht dies mithin zu Lasten des SGB II-Leistungsträgers.

Dieser Dokumentationsobliegenheit ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Den mit Schriftsatz vom 04.10.2010 übersandten Unterlagen (Bl. 29 ff. Gerichtsakte) kann nämlich nicht entnommen werden, ob der Vermittlungsvorschlag mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehen war, die den Anforderungen der neuen Rechtsprechung des BSG genügt. Das BSG hat die Anforderungen an eine rechtmäßige Rechtsfolgenbelehrung in jüngerer Zeit konkretisiert. In seiner Entscheidung vom 17.12.2009 führt das BSG (BSG, Urteil v. 17.12.2009, B 4 AS 30/09 R, juris, Rn.22) zutreffend aus, dass die Rechtmäßigkeit einer Rechtsfolgenbelehrung voraussetzt, dass sie konkret, richtig und vollständig ist, zeitnah erfolgt und dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung für ihn ergeben, wenn kein hinreichender Grund vorliegt. Diese strengen Anforderungen würden sich aus der Funktion der Rechtsfolgenbelehrung ergeben, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hinreichend über die gravierenden Folgen des § 31 Abs. 1 SGB II zu informieren und ihn in allgemeiner Form vorzuwarnen. Nur eine verständliche Rechtsfolgenbelehrung könne die mit den Sanktionen verfolgte Zweckbestimmung, das Verhalten der Hilfebedürftigen zu steuern, verwirklichen. Sodann heißt es in dieser Entscheidung ausdrücklich (BSG, a.a.O., Rn. 23 f.):

"Die Warn- und Steuerungsfunktion geht verloren, wenn der Grundsicherungsträger die Rechtsfolgenbelehrung derart standardisiert, dass sie - wie vorliegend - lediglich verschiedene Arten von Maßnahmen aufzählt und die Arbeitsgelegenheit iS von § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst d SGB II als eine von mehreren möglichen Varianten benennt. Hinreichend belehrt wird der Adressat nämlich nur, wenn nur die konkrete Maßnahme, an deren Nichtteilnahme nachteilige Folgen geknüpft werden, ausdrücklich benannt wird und der Adressat sich damit direkt angesprochen fühlt. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn mehrere Varianten zur Auswahl gestellt werden und dem Hilfebedürftigen die Auswahl überlassen wird, ob eine der genannten Alternativen für ihn einschlägig ist. ( )

An das Erfordernis der hinreichenden Konkretisierung der Rechtsfolgenbelehrung sind auch nicht im Einzelfall etwa dann geringere Anforderungen zu stellen, wenn sich der erwerbsfähige Hilfebedürftige über die möglichen Rechtsfolgen einer Ablehnung der konkret angebotenen Arbeitsgelegenheit im Klaren sein musste. Denn es kommt insoweit nicht auf das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen durch den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, sondern auf das Handeln dessen an, der die Arbeitsgelegenheit unterbreitet. Als formale und zwingende Bedingung für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst d SGB II muss eine Konkretisierung der Belehrung daher unabhängig von der Person des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erfolgen (vgl BSG, Urteil vom 10.12.1981 - 7 RAr 24/81, BSGE 53, 13, 16 = SozR 4100 § 119 Nr 18 S 88 f)."

Es vorliegend gerichtsbekannt, dass die Rechtsfolgenbelehrungen der Beklagten bei Vermittlungsvorschlägen aus der Zeit vor dem Urteil des BSG vom 17.12.2009 noch nicht diesen hohen Anforderungen der Rechtsprechung entsprachen. Der Sanktionsbescheid vom 21.08.2008 ist somit rechtswidrig. Damit liegt kein rechtmäßiger Sanktionsbescheid wegen einer ersten Pflichtverletzung vor, auf den der Sanktionsbescheid vom 17.11.2008 hätte aufbauen können. Der streitgegenständliche Sanktionsbescheid vom 17.11.2008 ist aus diesem Grunde rechtswidrig und war aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Kammer hat die Berufung nach § 144 SGG zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat. Zu der entscheidenden Rechtsfrage, ob die Gerichte bei der Überprüfung von Sanktionsbescheiden wegen wiederholten Pflichtverletzung auch bestandskräftige Vorsanktionen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen haben, wenn mit ihnen eine Sanktion wegen einer wiederholter Pflichtverletzung begründet werden soll, gibt es nämlich divergierende obergerichtliche Rechtsprechung.
Rechtskraft
Aus
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