Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AL 51/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 163/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 212/02 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.06.2001 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1964 geborene Klägerin meldete sich am 23.12.1994 mit Wirkung zum 02.01.1995 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Sie war von Dezember 1990 bis 30.11.1993 als Referentin beim Erzbischöflichen Generalvikariat P ... und vom 01.12.1993 bis 31.12.1994 als Diözesanvorsitzende bei dem Trägerwerk des BDKJ im Erzbistum P ... tätig.
Mit Bescheid vom 09.02.1995 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab dem 02.01.1995 bis 29.04.1995 in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 423,60 DM. Mit Wirkung ab dem 01.05.1995 meldete sich die Klägerin wegen eines Auslandsaufenthaltes/ Praktikum aus dem Leistungsbezug ab. Darüberhinaus war sie seit Oktober 1983 für ein Promotionsstudium Soziologie bei der Westfälischen Wilhelms-Universität M ... immatrikuliert. Während ihres Auslandsaufenthaltes bezog sie in Zusammenhang mit diesem Studium ein Stipendium.
Am 25.11.1998 meldete sich die Klägerin erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Fortzahlung von Alg. Ausweislich eines Aktenvermerkes sprach sie am 01.12.1998 bei dem Arbeitsamt M ... vor und gab an, im Hinblick auf ihre Schwangerschaft verzichte sie auf die Schutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) bis zur Geburt und stelle sich dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Daraufhin erhielt sie bis zur Geburt ihres Kindes am 24.12.1998 Alg. Mit Bescheiden vom 10.12.1998 und 28.01.1999 stellte die Beklagte eine Restanspruchsdauer von 245 bzw. 223 Tagen fest. Am 22.01.1999 meldete sich die Klägerin erneut mit Wirkung zum 19.02.1999, d. h. nach Ablauf der 8-wöchigen Mutterschutzfrist arbeitslos und beantragte die Fortzahlung des Alg. Mit Bescheid vom 18.02.1999 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe zuletzt mit ihrem Antrag vom 02.01.1995 einen Alg-Anspruch erworben. Seitdem habe sie nicht mindestens 12 Monate in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Es bestehe auch kein Restanspruch aus einer früheren Anwartschaft.
Hiergegen legte die Klägerin unter dem 10.03.1999 Widerspruch ein, mit dem sie Alg für eine Restanspruchsdauer von gut 7 Monaten beanspruchte. Mit Bescheid vom 26.03.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Gründen führte sie u. a. aus: Ein Anspruch auf Alg könne gem. § 147 Abs. 2 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Es handele sich dabei um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist, die kalendermäßig ablaufe und weder gehemmt noch unterbrochen werde.
Dagegen hat die Klägerin am 29.04.1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Sie hat geltend gemacht: Die Regelung des § 147 Abs. 2 SGB III sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass wegen der kalendermäßig bestimmten Mutterschutzfrist der im November 1998 gestellte Antrag fortwirke. Bei einer anderen Auslegung werde der Schutzzweck des absoluten Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG ins Gegenteil verkehrt. Eine solche Auslegung wäre weder mit dem Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Grundgesetz (GG) noch mit dem besonderen Schutz der Mutter in Art. 6 Abs. 4 GG vereinbar.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1999 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit ab 19.02.1999 bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruches zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig erachtet.
Mit Urteil vom 22.06.2001 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1999 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 19.02.1999 bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruches zu gewähren. In den Gründen hat es u. a. ausgeführt: Die Beklagte habe zu Unrecht die Gewährung von Alg nach Ablauf der Mutterschutzfrist, d. h. ab dem 19.02.1999 versagt. Zwar könne gem. § 147 Abs. 2 SGB III der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung 4 Jahre verstrichen seien. Während des kalendermäßig bestimmten Ablaufes des Beschäftigungsverbotes von acht Wochen in Folge des Mutterschutzes wirke jedoch der Alg-Antrag vom 25.11.1998 fort. Denn es sei zu beachten, dass im vorliegenden Fall zum einen wegen des fehlenden Bezuges von Mutterschaftsgeld kein Ruhenstatbestand vorliege, zum anderen habe gar keine andere Handlungsalternative bestanden. Es widerspreche daher dem Schutzzweck von Art. 6 Abs. 4 GG, wenn auf Grund des geltenden MuSchG der Leistungsanspruch für die restliche Anspruchsdauer versagt werde. Wesentliche Aufgabe des gesetzlichen Mutterschutzes sei insbesondere auch, die Mutter von finanziellen Einbußen während der Schwangerschaft und einige Zeit nach der Entbindung zu schützen. Dem laufe indes ein kalendermäßiges Ablaufen der 4-Jahresfrist bedingt durch die Schutzfrist von 8 Wochen bzw. das Beschäftigungsverbot zuwider, in dem es zu einer erheblichen Einbuße der Klägerin, nämlich hier dem Verlust ihres Rest-Alg-Anspruches, führe. Insofern sei eine verfassungskonforme Auslegung der Regelung in § 147 Abs. 2 SGB III geboten, dass bei kalendermäßig bestimmtem Ablauf der Mutterschutzfrist und vorheriger Geltendmachung des Alg-Anspruches, d.h. vor Ablauf der 4-Jahresfrist, der Ausschluss nicht greife.
Gegen dieses ihr am 16.07.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.08.2001 Berufung eingelegt, mit der sie geltend macht: Bei der 4-Jahresfrist des § 147 Abs. 2 SGB III handele es sich um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist. Die Klägerin habe sich erstmals am 23.12.1994 mit Wirkung zum 02.01.1995 arbeitslos gemeldet. Die 4-Jahresfrist beginne am darauffolgenden Tag, dem 03.01.1995. Damit habe die Frist nach § 147 Abs. 2 SGB III am 02.01.1999 geendet. Es sei auch nicht eine neue 4-Jahresfrist mit der Arbeitslosmeldung am 22.01.1999 in Gang gesetzt worden, da die Klägerin in der Zeit vom 19.02.1996 bis 19.02.1999 (Rahmenfrist) keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Auch das Beschäftigungsverbot gem. § 6 MuSchG könne nicht fristverlängernd wirken. Dies würde dem Wesen der Ausschlussfrist zuwiderlaufen und zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit beitragen. Eine Verlängerung der 4-Jahresfrist für alle Mütter sei auch verfassungsrechtlich zwingend geboten. Der Gesetzgeber habe im Rahmen des SGB III an anderer Stelle die Möglichkeit genutzt, den Belastungen durch Mutterschaft und der damit verbundenen gesellschaftlich erwünschten Leistung der Mutter bzw. des Erziehenden Rechnung zu tragen, so z. B. in § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.06.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, das angefochtene Urteil beruhe auf einer zutreffenden verfassungskonformen Auslegung des § 147 Abs. 2 SGB III. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass das zwingende Beschäftigungsverbot des § 6 MuSchG ins Gegenteil verkehrt werde.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten mit der Stamm-Nr. 209161 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG war zu ändern und die Klage abzuweisen, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1999 rechtmäßig ist. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Alg ab dem 19.02.1999 zu.
Zwar hatte die Klägerin am 25.11.1998 einen Fortzahlungsanspruch auf Alg im Sinne des § 117 Abs. 1 SGB III. Diesem entsprach die Beklagte jedoch mit Bewilligungsbescheiden vom 10.12.1998 sowie 28.01.1999 bis zum 24.12.1999 und stellte eine Restanspruchsdauer von 245 bzw. 223 Tagen fest. Bis zur neuen Arbeitslosmeldung am 22.01.1999 zum 19.02.1999 hatte die Klägerin aber keine neue Anwartschaftszeit erfüllt, da sie nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis war (§§ 117, 123, 124 SGB III), so dass ein neuer Anspruch auf Alg nicht entstand.
Die Klägerin konnte aber auch den auf dem Bewilligungsbescheid vom 10.12.1998 beruhenden Rest-Alg-Anspruch am 22.01.1999 nicht mehr geltend machen, da seit seiner Entstehung 4 Jahre verstrichen waren (§ 147 Abs. 2 SGB III).
Der Wortlaut des § 147 Abs. 2 SGB III ist eindeutig und lässt sich entgegen der vom SG vertretenen Auffassung auch nicht verfassungskonform dahingehend auslegen, dass im Hinblick auf Art. 6 Abs. 4 GG bei kalendermäßig bestimmtem Ablauf der Mutterschutzfrist und Geltendmachung des Alg-Anspruches vor Ablauf der 4-Jahresfrist der Ausschluss nicht greife.
Zwar sieht es auch der erkennende Senat als wünschenswert an, dass der Gesetzgeber eine grundsätzliche Verlängerung der 4-Jahresfrist für alle Mütter entsprechend den Schutzfristen nach §§ 1 und 3 MuSchG vorsieht. Eine derartige Regelung ist jedoch nicht getroffen, sondern vielmehr eine gesetzliche Ausschlussfrist normiert worden, die ohne Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig abläuft (BSGE 54,212; BSG Urteil vom 29.04.1998 - Az: B 7 AL 30/97 R -). Die Vorschrift des § 147 Abs. 2 SGB III behandelt jedes tatsächliche und rechtliche Hindernis, den Anspruch auf Alg rechtzeitig geltend zu machen, als gleichwertig. Auch Härten im Einzelfall sind nicht über eine Fristverlängerung ausgleichbar (siehe auch BSG SozR 3 4100 § 125 Nr. 2; BSG SozR 3 4100 § 125 Nr. 1). Dementsprechend sieht der erkennende Senat keine Möglichkeit, den Zeitraum des Mutterschutzes der Klägerin fristverlängernd im Rahmen des § 147 Abs. 2 SGB III zu berücksichtigen. Dies würde dem Wesen der Frist als materielle Ausschlussfrist zuwiderlaufen, zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit beitragen und wäre schließlich mit Wortlaut und Regelungszweck nicht vereinbar.
Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt § 147 Abs. 2 SGB III auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die Vorschrift entspricht der Vorläuferregelung des § 125 Abs. 2 AFG. Hierzu hat das BSG in dem vorzitierten Urteil vom 29.04.1998 festgestellt, dass eine wie von der Klägerin gewünschte Ausnahmeregelung (Verlängerung der 4-Jahresfrist um die Zeiten des Mutterschutzes) nicht zwingend gefordert werden könne. Art. 3 Abs. 1 GG verbiete dem Gesetzgeber nur, Art und Gewicht tatsächlicher Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Es sei jedoch Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansehe. Er sei innerhalb der vorgenannten Grenzen in seiner Entscheidung frei. Andernfalls würde der dem Gesetzgeber im Rahmen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 GG) zustehende Gestaltungsspielraum bei der Gewährung von Sozialleistungen unangemessen eingeschränkt (siehe BSG a.a.O., m. w. N.).
Der Senat schließt sich dieser vom BSG vertretenen Auffassung ausdrücklich an. Für die zu § 125 Abs. 2 AFG ergangenen wortgleiche Nachfolgeregelung des § 147 Abs. 2 SGB III kann letztlich nichts anderes gelten (so auch Gagel - Kommentar zum SGB III § 147 Rdnr. 21 c und 22 b). Letztlich ist auch darauf hinzuweisen, dass nicht allein die Zeit des Mutterschutzes im Falle der Klägerin zu dem Ablauf der 4-Jahresfrist geführt hat, sondern in wesentlicher Hinsicht der von ihr gewählte persönliche Werdegang in Kombination mit dem Mutterschutz, so dass nicht alle Mütter von der Ausschlussfrist des § 147 Abs. 2 SGB III betroffen sind, sondern nur diejenigen, die ihren persönlichen Werdegang so gestalten, dass es unter Einbeziehung der Mutterschutzzeiten zu einem Fristablauf kommt. Diese verhältnismäßig "geringe" Gruppe von Müttern ist vom Gesetzgeber nicht mit einer Sonderregelung bedacht worden. Es greift insoweit der vorerwähnte Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ein.
Soweit die Klägerin hervorhebt, vorliegend sei abweichend von dem vom BSG entschiedenen Fall zu § 125 Abs. 2 AFG der Alg-Anspruch vor Ablauf der 4-Jahresfrist, nämlich am 25.11.1998, geltend gemacht worden sei, weist der Senat darauf hin, dass diese Geltendmachung mit den (bestandskräftig gewordenen) Bewilligungsbescheiden vom 10.12.1998 und 28.01.1999 ihre Erledigung gefunden hat und damit dieser Leistungsabschnitt abgeschlossen war. Es kann nicht auf den 25.11.1998 als Datum der Geltendmachung abgestellt werden. Vorliegend ist demnach als maßgebliches Datum der 22.01.1999 festzustellen. Der Tag, für den hierdurch erstmals Alg beansprucht worden ist, ist der 19.02.1999. Dieser Tag liegt aber nach Ablauf der 4-Jahresfrist am 02.01.1999 (vgl. Gagel, § 147, Rdnr. 22 und 22 b).
Nach alledem steht der Klägerin ein Anspruch auf Alg nicht mehr zu. Das Urteil des SG war daher entsprechend zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des BSG ab, sondern macht sie im Gegenteil zur Grundlage seiner Entscheidung.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1964 geborene Klägerin meldete sich am 23.12.1994 mit Wirkung zum 02.01.1995 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Sie war von Dezember 1990 bis 30.11.1993 als Referentin beim Erzbischöflichen Generalvikariat P ... und vom 01.12.1993 bis 31.12.1994 als Diözesanvorsitzende bei dem Trägerwerk des BDKJ im Erzbistum P ... tätig.
Mit Bescheid vom 09.02.1995 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab dem 02.01.1995 bis 29.04.1995 in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 423,60 DM. Mit Wirkung ab dem 01.05.1995 meldete sich die Klägerin wegen eines Auslandsaufenthaltes/ Praktikum aus dem Leistungsbezug ab. Darüberhinaus war sie seit Oktober 1983 für ein Promotionsstudium Soziologie bei der Westfälischen Wilhelms-Universität M ... immatrikuliert. Während ihres Auslandsaufenthaltes bezog sie in Zusammenhang mit diesem Studium ein Stipendium.
Am 25.11.1998 meldete sich die Klägerin erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Fortzahlung von Alg. Ausweislich eines Aktenvermerkes sprach sie am 01.12.1998 bei dem Arbeitsamt M ... vor und gab an, im Hinblick auf ihre Schwangerschaft verzichte sie auf die Schutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) bis zur Geburt und stelle sich dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Daraufhin erhielt sie bis zur Geburt ihres Kindes am 24.12.1998 Alg. Mit Bescheiden vom 10.12.1998 und 28.01.1999 stellte die Beklagte eine Restanspruchsdauer von 245 bzw. 223 Tagen fest. Am 22.01.1999 meldete sich die Klägerin erneut mit Wirkung zum 19.02.1999, d. h. nach Ablauf der 8-wöchigen Mutterschutzfrist arbeitslos und beantragte die Fortzahlung des Alg. Mit Bescheid vom 18.02.1999 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe zuletzt mit ihrem Antrag vom 02.01.1995 einen Alg-Anspruch erworben. Seitdem habe sie nicht mindestens 12 Monate in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Es bestehe auch kein Restanspruch aus einer früheren Anwartschaft.
Hiergegen legte die Klägerin unter dem 10.03.1999 Widerspruch ein, mit dem sie Alg für eine Restanspruchsdauer von gut 7 Monaten beanspruchte. Mit Bescheid vom 26.03.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Gründen führte sie u. a. aus: Ein Anspruch auf Alg könne gem. § 147 Abs. 2 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit seiner Entstehung vier Jahre verstrichen seien. Es handele sich dabei um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist, die kalendermäßig ablaufe und weder gehemmt noch unterbrochen werde.
Dagegen hat die Klägerin am 29.04.1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Sie hat geltend gemacht: Die Regelung des § 147 Abs. 2 SGB III sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass wegen der kalendermäßig bestimmten Mutterschutzfrist der im November 1998 gestellte Antrag fortwirke. Bei einer anderen Auslegung werde der Schutzzweck des absoluten Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG ins Gegenteil verkehrt. Eine solche Auslegung wäre weder mit dem Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Grundgesetz (GG) noch mit dem besonderen Schutz der Mutter in Art. 6 Abs. 4 GG vereinbar.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1999 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit ab 19.02.1999 bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruches zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig erachtet.
Mit Urteil vom 22.06.2001 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1999 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 19.02.1999 bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruches zu gewähren. In den Gründen hat es u. a. ausgeführt: Die Beklagte habe zu Unrecht die Gewährung von Alg nach Ablauf der Mutterschutzfrist, d. h. ab dem 19.02.1999 versagt. Zwar könne gem. § 147 Abs. 2 SGB III der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung 4 Jahre verstrichen seien. Während des kalendermäßig bestimmten Ablaufes des Beschäftigungsverbotes von acht Wochen in Folge des Mutterschutzes wirke jedoch der Alg-Antrag vom 25.11.1998 fort. Denn es sei zu beachten, dass im vorliegenden Fall zum einen wegen des fehlenden Bezuges von Mutterschaftsgeld kein Ruhenstatbestand vorliege, zum anderen habe gar keine andere Handlungsalternative bestanden. Es widerspreche daher dem Schutzzweck von Art. 6 Abs. 4 GG, wenn auf Grund des geltenden MuSchG der Leistungsanspruch für die restliche Anspruchsdauer versagt werde. Wesentliche Aufgabe des gesetzlichen Mutterschutzes sei insbesondere auch, die Mutter von finanziellen Einbußen während der Schwangerschaft und einige Zeit nach der Entbindung zu schützen. Dem laufe indes ein kalendermäßiges Ablaufen der 4-Jahresfrist bedingt durch die Schutzfrist von 8 Wochen bzw. das Beschäftigungsverbot zuwider, in dem es zu einer erheblichen Einbuße der Klägerin, nämlich hier dem Verlust ihres Rest-Alg-Anspruches, führe. Insofern sei eine verfassungskonforme Auslegung der Regelung in § 147 Abs. 2 SGB III geboten, dass bei kalendermäßig bestimmtem Ablauf der Mutterschutzfrist und vorheriger Geltendmachung des Alg-Anspruches, d.h. vor Ablauf der 4-Jahresfrist, der Ausschluss nicht greife.
Gegen dieses ihr am 16.07.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.08.2001 Berufung eingelegt, mit der sie geltend macht: Bei der 4-Jahresfrist des § 147 Abs. 2 SGB III handele es sich um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist. Die Klägerin habe sich erstmals am 23.12.1994 mit Wirkung zum 02.01.1995 arbeitslos gemeldet. Die 4-Jahresfrist beginne am darauffolgenden Tag, dem 03.01.1995. Damit habe die Frist nach § 147 Abs. 2 SGB III am 02.01.1999 geendet. Es sei auch nicht eine neue 4-Jahresfrist mit der Arbeitslosmeldung am 22.01.1999 in Gang gesetzt worden, da die Klägerin in der Zeit vom 19.02.1996 bis 19.02.1999 (Rahmenfrist) keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Auch das Beschäftigungsverbot gem. § 6 MuSchG könne nicht fristverlängernd wirken. Dies würde dem Wesen der Ausschlussfrist zuwiderlaufen und zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit beitragen. Eine Verlängerung der 4-Jahresfrist für alle Mütter sei auch verfassungsrechtlich zwingend geboten. Der Gesetzgeber habe im Rahmen des SGB III an anderer Stelle die Möglichkeit genutzt, den Belastungen durch Mutterschaft und der damit verbundenen gesellschaftlich erwünschten Leistung der Mutter bzw. des Erziehenden Rechnung zu tragen, so z. B. in § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.06.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, das angefochtene Urteil beruhe auf einer zutreffenden verfassungskonformen Auslegung des § 147 Abs. 2 SGB III. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass das zwingende Beschäftigungsverbot des § 6 MuSchG ins Gegenteil verkehrt werde.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten mit der Stamm-Nr. 209161 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG war zu ändern und die Klage abzuweisen, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1999 rechtmäßig ist. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Alg ab dem 19.02.1999 zu.
Zwar hatte die Klägerin am 25.11.1998 einen Fortzahlungsanspruch auf Alg im Sinne des § 117 Abs. 1 SGB III. Diesem entsprach die Beklagte jedoch mit Bewilligungsbescheiden vom 10.12.1998 sowie 28.01.1999 bis zum 24.12.1999 und stellte eine Restanspruchsdauer von 245 bzw. 223 Tagen fest. Bis zur neuen Arbeitslosmeldung am 22.01.1999 zum 19.02.1999 hatte die Klägerin aber keine neue Anwartschaftszeit erfüllt, da sie nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis war (§§ 117, 123, 124 SGB III), so dass ein neuer Anspruch auf Alg nicht entstand.
Die Klägerin konnte aber auch den auf dem Bewilligungsbescheid vom 10.12.1998 beruhenden Rest-Alg-Anspruch am 22.01.1999 nicht mehr geltend machen, da seit seiner Entstehung 4 Jahre verstrichen waren (§ 147 Abs. 2 SGB III).
Der Wortlaut des § 147 Abs. 2 SGB III ist eindeutig und lässt sich entgegen der vom SG vertretenen Auffassung auch nicht verfassungskonform dahingehend auslegen, dass im Hinblick auf Art. 6 Abs. 4 GG bei kalendermäßig bestimmtem Ablauf der Mutterschutzfrist und Geltendmachung des Alg-Anspruches vor Ablauf der 4-Jahresfrist der Ausschluss nicht greife.
Zwar sieht es auch der erkennende Senat als wünschenswert an, dass der Gesetzgeber eine grundsätzliche Verlängerung der 4-Jahresfrist für alle Mütter entsprechend den Schutzfristen nach §§ 1 und 3 MuSchG vorsieht. Eine derartige Regelung ist jedoch nicht getroffen, sondern vielmehr eine gesetzliche Ausschlussfrist normiert worden, die ohne Hemmungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten kalendermäßig abläuft (BSGE 54,212; BSG Urteil vom 29.04.1998 - Az: B 7 AL 30/97 R -). Die Vorschrift des § 147 Abs. 2 SGB III behandelt jedes tatsächliche und rechtliche Hindernis, den Anspruch auf Alg rechtzeitig geltend zu machen, als gleichwertig. Auch Härten im Einzelfall sind nicht über eine Fristverlängerung ausgleichbar (siehe auch BSG SozR 3 4100 § 125 Nr. 2; BSG SozR 3 4100 § 125 Nr. 1). Dementsprechend sieht der erkennende Senat keine Möglichkeit, den Zeitraum des Mutterschutzes der Klägerin fristverlängernd im Rahmen des § 147 Abs. 2 SGB III zu berücksichtigen. Dies würde dem Wesen der Frist als materielle Ausschlussfrist zuwiderlaufen, zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit beitragen und wäre schließlich mit Wortlaut und Regelungszweck nicht vereinbar.
Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt § 147 Abs. 2 SGB III auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die Vorschrift entspricht der Vorläuferregelung des § 125 Abs. 2 AFG. Hierzu hat das BSG in dem vorzitierten Urteil vom 29.04.1998 festgestellt, dass eine wie von der Klägerin gewünschte Ausnahmeregelung (Verlängerung der 4-Jahresfrist um die Zeiten des Mutterschutzes) nicht zwingend gefordert werden könne. Art. 3 Abs. 1 GG verbiete dem Gesetzgeber nur, Art und Gewicht tatsächlicher Unterschiede sachwidrig außer Acht zu lassen. Es sei jedoch Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansehe. Er sei innerhalb der vorgenannten Grenzen in seiner Entscheidung frei. Andernfalls würde der dem Gesetzgeber im Rahmen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 GG) zustehende Gestaltungsspielraum bei der Gewährung von Sozialleistungen unangemessen eingeschränkt (siehe BSG a.a.O., m. w. N.).
Der Senat schließt sich dieser vom BSG vertretenen Auffassung ausdrücklich an. Für die zu § 125 Abs. 2 AFG ergangenen wortgleiche Nachfolgeregelung des § 147 Abs. 2 SGB III kann letztlich nichts anderes gelten (so auch Gagel - Kommentar zum SGB III § 147 Rdnr. 21 c und 22 b). Letztlich ist auch darauf hinzuweisen, dass nicht allein die Zeit des Mutterschutzes im Falle der Klägerin zu dem Ablauf der 4-Jahresfrist geführt hat, sondern in wesentlicher Hinsicht der von ihr gewählte persönliche Werdegang in Kombination mit dem Mutterschutz, so dass nicht alle Mütter von der Ausschlussfrist des § 147 Abs. 2 SGB III betroffen sind, sondern nur diejenigen, die ihren persönlichen Werdegang so gestalten, dass es unter Einbeziehung der Mutterschutzzeiten zu einem Fristablauf kommt. Diese verhältnismäßig "geringe" Gruppe von Müttern ist vom Gesetzgeber nicht mit einer Sonderregelung bedacht worden. Es greift insoweit der vorerwähnte Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ein.
Soweit die Klägerin hervorhebt, vorliegend sei abweichend von dem vom BSG entschiedenen Fall zu § 125 Abs. 2 AFG der Alg-Anspruch vor Ablauf der 4-Jahresfrist, nämlich am 25.11.1998, geltend gemacht worden sei, weist der Senat darauf hin, dass diese Geltendmachung mit den (bestandskräftig gewordenen) Bewilligungsbescheiden vom 10.12.1998 und 28.01.1999 ihre Erledigung gefunden hat und damit dieser Leistungsabschnitt abgeschlossen war. Es kann nicht auf den 25.11.1998 als Datum der Geltendmachung abgestellt werden. Vorliegend ist demnach als maßgebliches Datum der 22.01.1999 festzustellen. Der Tag, für den hierdurch erstmals Alg beansprucht worden ist, ist der 19.02.1999. Dieser Tag liegt aber nach Ablauf der 4-Jahresfrist am 02.01.1999 (vgl. Gagel, § 147, Rdnr. 22 und 22 b).
Nach alledem steht der Klägerin ein Anspruch auf Alg nicht mehr zu. Das Urteil des SG war daher entsprechend zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des BSG ab, sondern macht sie im Gegenteil zur Grundlage seiner Entscheidung.
Rechtskraft
Aus
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