L 9 R 4506/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 4255/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4506/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 08. September 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1963 geborene Kläger kam 1969 aus der T. in die Bundesrepublik Deutschland. Er verfügt über keinen Schulabschluss und auch über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er ist seit dem 01.04.2002 arbeitslos und bezog bzw. bezieht Arbeitslosengeld bzw. Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Zuletzt war er vom 01.04.2000 bis 31.03.2002 als Kabelwerker bei der Firma D. beschäftigt gewesen. Nach seinen Angaben sei der Zeitvertrag nicht verlängert worden, weil die Abteilung geschlossen worden sei. Zuvor arbeitete der Kläger als Gartenbauhelfer, Schweißwerker, Produktionshelfer, Elektromonteur und Isolierer in regelmäßig nur wenige Monate dauernden Beschäftigungsverhältnissen, die durch Arbeitslosigkeit und Fördermaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit unterbrochen waren.

Am 17.02.2009 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und machte geltend, "seit längerem" wegen eines Epilepsieleidens mit Anfällen und einer Migräne nicht mehr erwerbsfähig zu sein. Die Beklagte hatte zuvor mit Bescheid vom 11.03.2005 und Widerspruchsbescheid vom 25.05.2005 den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente bereits bestandskräftig abgelehnt. Darüber hinaus hatte sie mit Bescheid vom 30.04.2008 den Antrag des Klägers auf die Gewährung von medizinischen Rehabilitationsleistungen abgelehnt.

Aus diesen Verfahren liegen das Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 01.03.2005 (Diagnose: unklares Anfallsleiden, differenzialdiagnostisch sei an hyperventilationstetanische Krisen zu denken; lumbales Reizsyndrom mit anamnestisch angegebenem Bandscheibenvorfall ohne jegliche neurologische Auffälligkeiten und vasomotorische migränoide Kopfschmerzen, dem Kläger seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr möglich), die von der ARGE M. beigezogenen ärztlichen Unterlagen (u. a. die gutachterliche Äußerung vom 05.12.2005 von Dr. L., welche den Kläger ebenfalls für vollschichtig leistungsfähig für leichte und mittelschwere Arbeit unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen angesehen hatte und weitere mit diesem Gutachten von der ARGE M. vorgelegte Befundberichte) vor.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.06.2009 u.a. aufgrund eines Gutachtens des Arztes für Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 11.05.2009, eines Berichtes der Klinik für Neurologie im Diakoniekrankenhaus M. vom 14.05.2009 und der sozialmedizinischen Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin S. ab.

Dr. S. stellte in seinem Gutachten ein epileptisches Anfallsleiden, ein Migräneleiden und ein Wirbelsyndrom ohne sensomotorische Ausfälle fest. Er führte aus, dass zur Spezifizierung der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung es seiner Ansicht nach notwendig sei, die Ergebnisse der vorgesehenen stationären Diagnostik in der Neurologischen Klinik des Diakoniekrankenhauses M. und ggf. eine Therapieoptimierung abzuwarten.

Die Klinik für Neurologie im Diakoniekrankenhaus M. stellte nach einer stationären Behandlung vom 13.05. bis 14.05.2009 eine kryptogene fokale Epilepsie mit komplex-fokalen und sekundär generalisierten Anfällen fest und äußerte den Verdacht auf eine medikamentös bedingte kognitive Störung. Der Kläger leide seit dem 16. Lebensjahr unter epileptischen Anfällen (GM als auch sekundär generalisierend). Zur Validierung von geltend gemachten Gedächtnisstörungen und zur Abgrenzung von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sei eine testpsychologische Untersuchung anberaumt worden. Eine Untersuchung sei nicht mehr möglich gewesen, da der Kläger auf eigene Verantwortung das Krankenhaus verlassen habe, weil das Pflegepersonal seiner Forderung nach Analgetika nicht nachgekommen sei. Nach dem klinischen Eindruck bestünden keine neuropsychologischen Defizite nennenswerten Ausmaßes.

In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 22.06.2009 kam der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Sozialmedizin S. unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich vorliegenden Entlassungsberichtes des Diakoniekrankenhauses M. und des Gutachtens von Dr. S. zu dem Ergebnis, dass dem Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere Anforderungen an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen, ohne häufiges Klettern und Steigen und ohne Absturzgefahr sechs Stunden und mehr zumutbar seien.

In dem sich anschließenden Widerspruchsverfahren berichtete der behandelnde Neurologe und Psychiater R. (Befundbericht vom 04.08.2009) über rezidivierende fokale Anfälle u. a. bei Schreck, noch immer mehrfach in der Woche, durch Medikation Reduzierung der sekundären Generalisierung und über Klagen über Gedächtnisstörungen sowie häufige Migräneanfälle mit Kopfschmerzen über zwei Tage hinweg. Aufgrund des Anfallsleidens bestünden Einschränkungen bezüglich Nacht- und Schichtarbeit, Arbeiten in der Höhe und an laufenden Maschinen sowie mit Personenkontakt. Eine Anfallsfreiheit habe trotz verschiedenster Therapieregime bislang nicht erreicht werden können. Ein durchgeführter DemTect-Test habe mit vier Punkten eine schwere Demenz ergeben, welche im klinischen Eindruck nicht nachvollziehbar sei.

Dr. S. führte in seiner von der Beklagten veranlassten ergänzenden nervenfachärztlichen Stellungnahme vom 27.08.2009 aus, dass in der Zusammenschau schon von einem aggravatorischen Verhalten des Klägers ausgegangen werden müsse. Dem Kläger sei es seines Erachtens durchaus zumutbar gewesen, die erforderlichen Untersuchungen und neuropsychologischen Tests in der neurologischen Klinik zu absolvieren. Er könne dem Entlassungsbericht der neurologischen Klinik in M. kein deutliches Anzeichen dafür entnehmen, dass die Leiden deutlich stärker seien, als sie bislang zum Ausdruck gekommen seien. Für die Annahme einer Einschränkung des Durchhaltevermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Berücksichtigung der Einschränkungen im positiven und negativen Leistungsbild ergebe sich somit keine ausreichende Begründung. Dem Kläger sei es durchaus zumutbar und möglich eine Arbeitsstelle anzutreten. Das arbeitstägliche Leistungsvermögen liege bei sechs Stunden und mehr. Tätigkeiten mit vermehrt geistigen und psychischen Belastungen seien nicht leidensgerecht und unfallträchtige Arbeiten seien auszuschließen. Die Tätigkeiten sollten zu ebener Erde sein, ein häufiges Klettern und Steigen sei nicht leidensgerecht, auch keine Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten. Auch Tätigkeiten mit besonderem Lärm und vermehrtem Publikumsverkehr seien nicht vertretbar. Der Kläger dürfe darüber hinaus kein motorisiertes Fahrzeug führen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Hiergegen hat der Kläger am 14.12.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben.

Er hat die Auffassung vertreten, insbesondere wegen der Epilepsie, den Wirbelsäulenbeschwerden und der Migräne sowie der Probleme mit dem Knie (Arthrose bzw. Bänderriss) nicht mehr in der Lage zu sein, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Seine behandelnden Ärzte könnten bestätigen, dass er nicht mehr arbeiten könne. Er sei seit drei Jahren arbeitslos, beim Arbeitsamt habe man ihm gesagt, dass er wegen seiner Erkrankungen nicht vermittelbar sei und Rente beantragen solle.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Neurologen und Psychiater R. sowie bei den Orthopäden Dres. Graf von S. Darüber hinaus hat es ein Gutachten beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. S., Zentrum Nervenheilkunde S., M., in Auftrag gegeben.

Der Neurologe und Psychiater R. teilte mit, der Kläger klage über rezidivierende Anfälle mit Tonusverlust bei Schreck oder emotionaler Belastung, darüber hinaus über häufige Migräneattacken und zuletzt über eine vermehrte Vergesslichkeit. Die Diagnose einer komplexfokalen-Epilepsie mit gelegentlicher sekundärer Generalisierung sei im Bericht des Epilepsiezentrums F. bestätigt worden. Hinsichtlich der Vergesslichkeit hätten sich auffällige Testbefunde ergeben, es bestünde jedoch der Eindruck einer funktionellen Ausgestaltung. Aufgrund der Erkrankungen bestünden sicherlich Einschränkungen der Belastbarkeit. Aufgrund der Schreckanfälle sei eine ruhige und überschaubare Arbeitsumgebung zwingend notwendig. Darüber hinaus bestehe auch eine ängstlich depressive Beeinträchtigung, weshalb insgesamt nur noch von einer Belastbarkeit von maximal vier Stunden pro Tag ausgegangen werde.

Dr. B. teilte am 15.01.2010 mit, den Kläger vom 27.08.2009 bis 17.09.2009 wegen Beschwerden an beiden Kniegelenken und einem Zustand nach einer Arthroskopie am 11.06.2008 rechts behandelt zu haben. Es bestünde ein Reizknie beidseits und eine Retropatellararthrose. Am 27.08.2009 hätten sich ein Fuß-Boden-Abstand von null Zentimetern, eine freie Kniegelenksbeweglichkeit beidseits, frei bewegliche Kniescheiben, eine minimale Schwellung, ein Knick-Senk-Spreizfuß beidseits und keine motorische Ausfälle feststellen lassen. Der Kläger sei nach den erhobenen Befunden in der Lage, eine körperlich leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeit im Rahmen einer 5-Tage-Woche mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Dr. S. stellte ein epileptisches Anfallsleiden mit einfach-fokalen, komplex-fokalen (automotorischen) und sekundär generalisierten, vorwiegend nächtlichen Krampfanfällen mit partieller Pharmakotherapie-Resistenz fest. Zusätzliche "funktionelle", also psychogene Anfälle, seien nicht auszuschließen. Darüber hinaus bestünden eine einfache Migräne, eine Krankheitsfehlverarbeitung mit in der familiären Umgebung anerkannter Schonhaltung und eine eingeschränkte emotionale psychosoziale und psychophysische Belastbarkeit, eine erhöhte psychophysische Ermüd- und Erschöpfbarkeit sowie eine leichte kognitive Störung und eine frühere Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in der Kindheit. Unter Berücksichtigung des bisherigen Krankheitsverlaufes, der Entwicklung der letzten drei Jahre, der vorhandenen kognitiven Beeinträchtigung, der vorhandenen eingeschränkten emotionalen, psychosozialen und psychophysischen Belastbarkeit halte er den Kläger für nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten vollschichtig an fünf Arbeitstagen pro Woche auszuüben. Es bestehe nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit, welche seiner Einschätzung nach nur mehr mit unter fünf Stunden arbeitstäglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche einzustufen sei. Auszuschließen seien schwere Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten an laufenden Maschinen, Büromaschinen, Akkordarbeiten, Fließbandarbeiten, Nachtarbeiten, Arbeiten unter Kälte- und Hitzeeinfluss, Arbeiten mit Publikumsverkehr, mit besonderer Beanspruchung der Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit, des Kurzzeitgedächtnisses, der Ausdauer und Tätigkeiten mit erhöhter oder gar hoher Verantwortung, Arbeiten mit nervlicher Belastung und unter Zeitdruck. Kraftfahrzeuge könne der Kläger krankheitsbedingt nicht führen, ebenso keine Maschinen bedienen. Darüber hinaus seien alle leichten bis mittelschweren Tätigkeiten unter Berücksichtigung der genannten Ausschlüsse möglich. Im Gegensatz zu Dr. S. sei er mit dem behandelnden Neurologen und Psychiater der Ansicht, dass es sich nicht um ein aggravatorisches Verhalten, sondern um eine Krankheitsfehlverarbeitung handele, die eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit sich gebracht habe. Was die kognitive Beeinträchtigung anbelange, bliebe festzuhalten, dass Dr. Schnütgen in seinem Gutachten eine Simulation des Untersuchten weitestgehend habe ausschließen können und dass im Diakonie Krankenhaus M. (warum auch immer) keine neurologische Testung durchgeführt worden sei. Außerdem hätten sowohl der Neurologe und Psychiater R. als auch er bei seiner gutachterlichen Untersuchung eine kognitive Beeinträchtigung, insbesondere von Merkfähigkeit und Kurzzeitgedächtnis als auch eine Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit und der Ausdauer finden können. Er sei daher der Auffassung, dass nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit gegeben sei.

Die Beklagte hat hierauf eine ärztliche Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. H. vorgelegt und im Rahmen eines Vergleichs angeboten, dem Kläger ein stationäres psychosomatisches Heilverfahren in einer geeigneten Rehabilitationseinrichtung zu gewähren. Dr. H. hat ausgeführt, dass die gutachterlichen Diagnosen weitgehend nachvollziehbar und mit der Aktenlage in Einklang zu bringen seien. Auch der gutachterlich festgestellten Krankheitsfehlverarbeitung mit in der familiären Umgebung anerkannter Schonhaltung und eingeschränkter emotionaler, psychosozialer und psychophysischer Belastbarkeit könne weitgehend gefolgt werden, wobei die subjektiv berichtete erhöhte Ermüd- und Erschöpfbarkeit, welche durch den Probanden als einschränkend erlebt werde, ihres Erachtens durch zumutbare Willensanspannung überwunden werden könne. Gerade aus diesem Grund könne der Leistungsbeurteilung nicht gefolgt werden. Der Gutachter gehe davon aus, dass dem Kläger die leidensgerechten Tätigkeiten nur noch unter fünf Stunden arbeitstäglich zugemutet werden könnten. Diese Einschätzung der Leistungsfähigkeit erscheine ihr nicht plausibel. Entweder sei der Kläger wirklich so schwer krank, dass er gar nicht mehr in der Lage sei, regelmäßig einer geringfügigen Tätigkeit nachzugehen oder er sei in der Lage, unter zumutbarer Willensanspannung regelmäßig einer leidensgerechten Tätigkeit nachzugehen, wofür auch die von ihr angeführte selbstbestimmte Steuerbarkeit der Beschwerden spreche. In diesem Fall könnten leidensgerechte Tätigkeiten aber nicht nur fünf, sondern auch sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Das epileptische Anfallsleiden begründe keine quantitative Leistungsminderung und könne ausreichend durch entsprechende qualitative Einschränkungen gewürdigt werden. Dies gelte auch für die "einfache Migräne". Bei realistischer Betrachtung der Aktenlage entstehe der Eindruck, dass sich beim Kläger langsam ein fataler Teufelskreis bilde. Im Vordergrund stünden Schonung, Rückzug und Untätigkeit bis zur Verweigerung an der Teilnahme an unangenehmen Pflichten und Tätigkeiten. Diese Untätigkeit könne zu gemindertem Selbstwerterleben führen, welches sekundär durch die respektvolle Behandlung durch die Familie kompensiert werden solle. Die bisherige ambulante Behandlung sei bei der beschriebenen neurotischen Krankheitsfehlverarbeitung als unzureichend zu bezeichnen. Unter gezielter psychotherapeutischer Führung sei es möglich, dass die aus der beschriebenen Krankheitsfehlverarbeitung resultierenden seelischen Störungen zumindest teilweise überwunden werden könnten, die Mitarbeit des Probanden müsste jedoch hierbei vorausgesetzt werden. Dies sei z.B. im Rahmen einer intensiven psychosomatischen rehabilitativen Maßnahme in einer geeigneten Klinik möglich.

Das Vergleichsangebot der Beklagten hat der Kläger abgelehnt.

Mit Urteil vom 08.09.2010 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall am 16.03.2009 vom 01.10.2009 bis 30.09.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu bezahlen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen den Ausführungen von Dr. S. angeschlossen. Soweit Dr. H. davon ausgehe, dass die erhöhte Ermüd- und Erschöpfbarkeit durch zumutbare Willensanspannung überwunden werden könne und ihr die Einschätzung der Leistungsfähigkeit nicht plausibel erscheine, weil der Kläger entweder gar keiner geringfügigen Tätigkeit mehr nachgehen könne oder noch in der Lage sein müsse, regelmäßig eine leidensgerechte Tätigkeit zu verrichten und in diesem Falle nicht nur fünf, sondern sechs Stunden arbeitstäglich, sei dies für das Gericht nicht nachvollziehbar, denn es gebe keine Logik dahingehend, dass man beim Bestehen von kognitiven Beeinträchtigungen leidensgerechte Tätigkeiten entweder gar nicht mehr verrichten könne oder aber zumindest noch sechs Stunden.

Gegen das ihr am 15.09.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.09.2010 Berufung eingelegt.

Sie bezieht sich zur Begründung u.a. auf den Entlassungsbericht des Diakoniekrankenhauses M. vom 14.05.2009, in welchem festgehalten worden sei, dass nach dem klinischen Eindruck neuropsychologische Defizite nennenswerten Ausmaßes nicht bestünden. Außerdem legt sie eine weitere Stellungnahme von Dr. H. vom 21.09.2010 vor, worin diese daran festgehalten hat, dass es dem Kläger unter zumutbarer Anspannung seiner Willenskraft und ggf. auch unter Inanspruchnahme der nicht ausgeschöpften therapeutischen Maßnahmen möglich sein müsse, einer regelmäßigen leidensgerechten Tätigkeit auch in einem sechsstündigen Umfang nachzugehen. Die vom SG angenommene kognitive Beeinträchtigung - die aber im Rahmen der Begutachtung durch entsprechende Testverfahren inklusive Beschwerdevalidierungstests nicht habe nachgewiesen werden können - führe nicht zwangsläufig zu einer quantitativen Leistungsminderung (welche in diesem Fall eine Stunde Arbeitszeitdifferenz bedeuten würde), sondern könne durch entsprechende qualitative Einschränkungen ausreichend gewürdigt werden. Es werde auch kein Grund gesehen, warum der Kläger nicht allein das Haus verlassen könne. Aus dem beschriebenen Tagesablauf gehe z. B. hervor, dass er sich ein- bis zweimal pro Woche am Nachmittag mit Bekannten treffen könne.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines nervenärztlichen Gutachtens beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. W., H ... Er hat ein epileptisches Anfallsleiden mit komplex-fokalen und seltenen sekundär generalisierten, vorwiegend nächtlichen Krampfanfällen sowie psychogenen Anfällen, eine einfache Migräne, eine leichte kognitive Störung und eine neurotische Fehlhaltung (Schonhaltung) festgestellt. Unter Anlegung eines strengen Maßstabes und bei kritischer Würdigung sei festzustellen, dass das Ausmaß der Beschwerden überzeichnet dargestellt werde, eine bewusste Simulation oder schwerwiegende Aggravation aber nicht festzustellen gewesen sei. Während das Anfallsleiden nicht durch eigene Willensbeschlüsse, also ohne Therapie überwunden werden könne, sei doch die neurotische Fehlhaltung mit passiven Zügen unter Anspannung aller dem Kläger zumutbaren Willenskräfte und Verzicht auf sekundären Krankheitsgewinn zu überwinden. Ohne Gefährdung der Gesundheit könne der Kläger an einem leidensgerechten Arbeitsplatz ohne Zeitdruck, ohne Nachtarbeit und ohne besonderen Stress einfache angelernte Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Einschränkungen bestünden hinsichtlich der epileptischen Erkrankung. Die diesbezüglichen Kautelen seien zu berücksichtigen, insbesondere seien keine Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, an laufenden Maschinen oder Arbeiten mit Absturzgefahr durchführbar. Leidensgerechte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche trotz der genannten gesundheitlichen Störungen zumutbar. Mit den Diagnosen und dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. S. bestehe im Wesentlichen Übereinstimmung. Seiner Einschätzung der Leistungsfähigkeit könne er sich allerdings nicht anschließen. Die kognitiven Beeinträchtigungen seien im Rahmen seiner Untersuchung als gering einzustufen, vor allem seien sie jedoch nicht quantitativ leistungseinschränkend. Außerdem bleibe festzustellen, dass der Kläger unter früher noch häufigeren epileptischen Anfällen als in den letzten drei Jahren, zwei Jahre lang bei D. in der Kabelabteilung angestellt gewesen sei. Günstige Arbeitsplatzbedingungen und ein verständnisvolles Umfeld, wie es Dr. S. fordere, bezögen sich auf die Kautelen im Umgang mit einem epileptischen Anfallsleiden. Es sei nicht ausreichend begründet, warum der Kläger nicht auch sechs Stunden und mehr arbeiten könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. September 2010 aufzuheben und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht sich auch weiterhin durch das Gutachten von Dr. S. gestützt und weist darauf hin, dass sich sein Gesundheitszustand zwar durch die Medikamente stabilisiert habe, er aber noch immer mehrere große Anfälle im Monat und mindestens einmal täglich "Schreckanfälle" erleide, welche bei Lärmbelastung auch mehrfach auftreten könnten. Darüber hinaus leide er unter einer Migräne. Durch die Medikamente gingen zwar die Schmerzen weg, dafür werde er aber müde. Er reagiere stark auf Gerüche und sonstige Außeneinflüsse, die er beim Arbeiten nicht vermeiden könne. Insgesamt summierten sich seine Einschränkungen so sehr, dass er keine sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche arbeiten könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen ist der Kläger nicht seit März 2009 erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Letzteres schon deshalb nicht, weil er nach dem 02.01.1961 geboren ist. Darüber hinaus ist er auch nicht außerstande, ihm zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Der Senat entnimmt dies im Wesentlichen dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. W. und dessen Einschätzung, zu der er aufgrund einer eingehenden Untersuchung des Klägers und unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den vorliegenden medizinischen Unterlagen gelangt ist.

Beim Kläger liegen demnach und in Übereinstimmung mit den bereits von Dr. Schubert beschriebenen Diagnosen ein epileptisches Anfallsleiden mit komplex-fokalen und seltenen sekundär generalisierten, vorwiegend nächtlichen Krampfanfällen sowie psychogenen Anfällen, eine einfache Migräne, leichte kognitive Störungen und eine neurotische Fehlhaltung vor. Die damit verbundenen Einschränkungen führen jedoch nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung, wie Dr. W. überzeugend darzulegen vermochte.

Die von Dr. S. und von Dr. W. wiedergegebene Art der Anfälle, deren Häufigkeit und die Beschreibung ihrer Auswirkungen stehen einer wenigstens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nicht entgegen. So treten lediglich die durch akustische Reize ausgelösten Anfälle häufiger und auch tagsüber auf. Sie sind situationsabhängig und treten nur dann auf, wenn der Kläger die Auslösung des Geräusches nicht mitbekommt und dauern regelmäßig nur 1-2 Minuten. Dabei schaut der Kläger starr und macht Kaubewegungen. Solche Anfälle, die nicht mit einem Bewußtseinsverlust und/oder Sturz einhergehen, treten mindestens 1x/Woche (nach dem Gutachten von Dr. W. 2-3x pro Woche) auf und dauern - so die Angaben der Ehefrau des Klägers bei der Untersuchung bei Dr. S. - mitunter bis zu 30 Minuten, bis der Kläger wieder vollständig reorientiert und situativ auf der Höhe ist. Große Anfälle treten dagegen nach den gutachterlichen Erhebungen von Dr. W. und Dr. S. und basierend auf den Angaben der Ehefrau nachts aus dem Schlaf heraus auf. Die Frequenz der Anfälle mit jetzt 1-2 Anfällen im Monat ist durch die Umstellung der Medikation vor ca. 3 Jahren rückläufig. Dies steht in Übereinstimmung mit den Angaben des behandelnden Neurologen R., welcher in seinem Bericht vom 15.12.2008 schon für den Zeitraum ab März 2008 von einer Besserung des Anfallsleidens mit einer Verringerung der Zahl der großen Anfälle und weiter bestehenden, sog. Schreckanfällen, berichtete. Darüber hinaus ist festzustellen, dass das Anfallsleiden bereits seit dem 16. Lebensjahr besteht und im Alter von 17 oder 18 Jahren nachgewiesen wurde. Auch die beschriebenen Migräneanfälle liegen seitdem bereits vor. Sie werden sowohl vom behandelnden Neurologen R. (Bericht vom 4.08.2009 - Migräneanfälle mit Kopfschmerzen über zwei Tage hinweg) als auch von den Sachverständigen als einfache Migräne gewertet und sind darüber hinaus medikamentös gut behandelbar. Nach den Feststellungen von Dr. W. kommt es unter Medikation nur zu bis zu dreistündigen anhaltenden Beschwerden. Den damit verbundenen Einschränkungen kann durch die Vermeidung von Tätigkeiten in Spätschicht oder Nachtschicht, auf Leitern und Gerüsten oder an laufenden Maschinen sowie dadurch, dass kein PKW geführt werden muss, ausreichend Rechnung getragen werden. Zu Recht weist Dr. W. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die seit der Kindheit bestehenden Einschränkungen bei noch deutlich höherer Anfallshäufigkeit einer Beschäftigung bei D. über zwei Jahre hinweg nicht entgegengestanden haben. Das Arbeitsverhältnis endete dann auch nicht durch eine krankheitsbedingte Kündigung sondern deshalb, weil der Zeitvertrag nach Schließung der Abteilung, in der der Kläger tätig war, nicht verlängert worden war (vgl. Anamnese Dr. S.). Mit Dr. W. ergeben sich hieraus lediglich qualitative Leistungseinschränkungen (Dr. S. nahm Gegenteiliges für diese Gesundheitsstörungen ebenfalls nicht an). Eine zeitliche Leistungsminderung kann unter Beachtung der qualitativen Einschränkungen nicht begründet werden. Dies steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben in der sozialmedizinischen Literatur, wonach eine Epilepsie bzw. ein Anfallsleiden in der Regel nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führt (Deutsche Rentenversicherung, Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung, Sozialmedizinische Beurteilung bei neurologischen Krankheiten, Juli 2010, S. 76, im Internet unter www.deutsche-rentenversicherung.de). Eine abweichende Beurteilung ist bei der Dauer der Anfälle (auch der Migräneattacken), welche regelmäßig zu einer Bewußtseinsstörung ohne Verlust der Haltungskontrolle führen, sowie der geschilderten Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit nicht gerechtfertigt.

Eine andere Leistungsbeurteilung lässt sich auch nicht aufgrund der von Dr. S. beschriebenen Krankheitsfehlverarbeitung mit der in der familiären Umgebung anerkannten Schonhaltung und eingeschränkter emotionaler, psychosozialer und psychophysischer Belastbarkeit und erhöhter psychophysischer Ermüd- und Erschöpfbarkeit sowie der beschriebenen leichten kognitiven Störung begründen. Für eine hieraus resultierende zeitliche Leistungsminderung fehlt es an einer überzeugenden Begründung, worauf bereits Dr. H. in ihrer ärztlichen Stellungnahme, die der Senat als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwerten kann, dargelegt hat. Die subjektiv beschriebene Einschränkung der Belastbarkeit und Erschöpfbarkeit ist durch objektive Befunde nicht nachgewiesen. Darüber hinaus ist nicht belegt, dass diese nicht überwunden werden kann und einer Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von wenigstens sechs Stunden entgegensteht. Nachvollziehbar ist insoweit lediglich, dass sich beim Kläger aufgrund der langen Zeit der Arbeitslosigkeit, einer nicht mehr erfolgten Eingliederung in den Arbeitsmarkt und einer dementsprechend schlechten Prognose diesbezüglich eine neurotische Fehlhaltung entwickelt hat, welche auf eine Schonhaltung und Erwartung von Verständnis gerichtet ist und im Zusammenhang einer Rentenerwartungshaltung zu sehen ist. Eine depressive Erkrankung oder eine Psychose konnte aber durch die vorliegenden Gutachten ausgeschlossen werden, sodass auch nicht von einer gravierenden Antriebsminderung auszugehen ist und dem Kläger - wie Dr. W. ausgeführt hat - durchaus zugemutet werden kann, unter Anspannung aller ihm zumutbaren Willenskräfte und unter Verzicht auf den sekundären Krankheitsgewinn die Fehlhaltung zu überwinden und eine leichte vollschichtige Tätigkeit an einem leidensgerechten Arbeitsplatz entsprechend der Kautelen für epilepische Anfallsleiden zu verrichten.

Dem stehen auch die von beiden Sachverständigen beschriebenen leichten kognitiven Störungen nicht entgegen. Die von Dr. S. beschriebenen Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit, der Wortflüssigkeit und des Konzentrationsvermögens gehen nicht soweit, dass es dem Kläger nicht mehr möglich wäre, sich auf eine neue berufliche Situation einzustellen und einfache Arbeitsabläufe zu behalten und auszuführen. Dies wird auch von Dr. S. nicht behauptet, da er selbst eine erhaltene Leistungsfähigkeit von bis zu fünf Stunden pro Arbeitstag beschrieben hat. Eine nachvollziehbare Begründung weshalb das Durchhaltevermögen im Vergleich zu den maßgebenden sechs Stunden beeinträchtigt sein soll, lässt sich seinem Gutachten schlüssig jedoch nicht entnehmen, sodass die Annahme einer rentenrechtlich relevanten quantitativen Leistungsminderung hierdurch ebenfalls nicht gerechtfertigt werden kann.

Nach dem vorliegenden Bericht des Orthopäden Dr. B. liegt mit den beschriebenen Beschwerden an beiden Kniegelenken bei einer freien Kniegelenksbeweglichkeit bds., frei beweglichen Kniescheiben, einer minimalen Schwellung am 27.08.2009, einem Knick-Senk-Spreizfuß bds., einer unauffälligen Durchblutung bei erhaltener Sensibilität und ohne nachweisbare motorische Ausfälle keine Begründung vor, die die Annahme einer hierdurch bedingten zeitlichen Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter sechs Stunden rechtfertigen könnte. Bei einer nicht eingeschränkten Entfaltbarkeit der Wirbelsäule (FBA von 0 cm) gilt dies auch unter Berücksichtigung der gegenüber Dr. W. und Dr. S. geklagten Beschwerden/Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, die im Übrigen bei anderen Untersuchungen nicht erwähnt wurden und offensichtlich auch keiner fachorthopädischen Behandlung bedürfen.

Dem Kläger ist der Arbeitsmarkt auch nicht unter dem Gesichtspunkt verschlossen, dass er am Erwerbsleben nicht mehr unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen einsetzbar wäre. Eine solche Konstellation hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 31.03.1993 - Az.: B 13 RJ 65/91 - (zit. nach juris) bei einem Versicherten angenommen, dessen Leistungsfähigkeit durch häufige, durchschnittlich einmal in der Woche auftretende Fieberschübe jeweils für mehrere Tage vollständig aufgehoben ist. Ein vergleichbarer Fall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil sich aus dem Ergebnis der Beweiserhebung nicht ableiten lässt, dass entsprechend häufige AU-Zeiten aufgrund der von ihm behaupteten Anfälle zu erwarten wären. Die geschilderten Schreckanfälle vermögen dies jedenfalls für sich genommen nicht zu begründen.

Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf ein noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen beim Kläger nicht vor. In qualitativer Hinsicht muss dieser unter Berücksichtigung der Einschränkungen durch das Anfallsleiden, der Migräneattacken, der neurothischen Fehlhaltung mit leichten kognitiven Einschränkungen sowie der geringfügigen orthopädischen Einschränkungen, schwere Tätigkeiten von Lasten über 15 kg, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten an laufenden Maschinen, Büromaschinen, Akkordarbeiten, Fließbandarbeiten, Nachtarbeiten, Arbeiten unter Kälte- oder Hitzeeinfluss, mit Publikumsverkehr, mit besonderer Aufmerksamkeit, mit besonderen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit, die Merkfähigkeit, das Kurzzeitgedächtnis und die Ausdauer, Tätigkeiten mit erhöhter oder gar Verantwortung sowie Arbeiten unter nervlicher Belastung oder unter Zeitdruck vermeiden.

Diese Einschränkungen können zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Betriebsunübliche Pausen benötigt der Kläger zur Ausübung der ihm noch möglichen Tätig-keiten nicht. Er ist auch in der Lage, die üblichen Wege von und zu einer Arbeitsstelle zu Fuß bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Der Kläger kann viermal täglich eine Wegstrecke von über 500 Metern in jeweils bis zu 20 Minuten zu Fuß bewältigen und zweimal arbeitstäglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

Nach alledem war das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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