Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Al 824/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 39/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. November 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Teilnahme des Klägers an einer Fortbildungsmaßnahme zum Umweltschutztechniker im Rahmen der beruflichen Rehabilitation fördern muss.
Der 1970 geborene Kläger hat den Beruf eines Industriemechanikers erlernt und ausgeübt. Mit Bescheid des Arbeitsamtes Nürnberg vom 09.05.1996 wurde festgestellt, dass der Kläger an gesundheitlichen Behinderungen leidet, die die Ausübung des erlernten und ausgeübten Berufes verbieten und die Beklagte berufliche Rehabilitationsmaßnahmen des Klägers dem Grunde nach zu fördern hat.
Der Kläger begann im September 1995 eine Fortbildung zum Umweltschutztechniker bei der Landesgewerbeanstalt Bayern - Fachschule für Umweltschutz - in N. und schloss sie am 31.07.1997 erfolgreich ab. Danach war er arbeitslos. Inzwischen, dh ab 21.04.1998, hat er eine Anstellung als Umweltschutztechniker gefunden.
Der Kläger begehrt die Förderung seiner Teilnahme an der Fortbildung zum Umweltschutztechniker.
Mit Bescheid des Arbeitsamtes Nürnberg vom 03.06.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1996 lehnte die Beklagte die Förderung ab. Denn es sei nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht damit zu rechnen, dass der Kläger in dem angestrebten Beruf innerhalb einer angemessenen Zeit auf dem für ihn erreichbaren Arbeitsmarkt voraussichtlich eine Anstellung finden würde.
Gegen diese Entscheidung der Beklagten hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat zur näheren Aufklärung die Sachbearbeiterin der Beklagten als Zeugin vernommen, die die streitgegenständliche Entscheidung veranlasst hat. Das SG hat unter Berücksichtigung der Zeugenaussage, die die im Widerspruchsbescheid zur Begründung herangezogenen Feststellungen über den Arbeitsmarkt für Umweltschutztechniker bestätigt hat, die Klage mit Urteil vom 18. November 1997 abgewiesen. Bei der prognostischen Betrachtung zur Zeit der Entscheidung der Beklagten und in der Zeit danach sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass der Kläger nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen entsprechenden Arbeitsplatz erhalten werde. Deshalb sei eine Förderung der vom Kläger auf eigenes Risiko eingeleiteten Fortbildungsmaßnahme nicht möglich. Ein Anspruch auf Förderung lasse sich auch nicht auf Art 3 des Grundgesetzes stützen. Soweit der Kläger darauf verweise, dass der Maßnahmeträger bestätigt habe, dass andere Teilnehmer von der Beklagten gefördert worden seien, lasse sich daraus für den Kläger kein Anspruch herleiten. Dies gelte auch für den Umstand, dass die Beklagte die Maßnahme gegenüber dem Maßnahmeträger als förderungsfähig bestätigt habe. Es gäbe keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
Gegen das am 14.01.1998 zugestellte Urteil vom 18.11.1997 hat der Kläger am Montag, dem 16.02.1998, Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor: Die Arbeitsmarktprognose der Beklagten sei falsch gewesen. Dies belege, dass er zwischenzeitlich eine Anstellung als Umweltschutztechniker im öffentlichen Dienst - beim Amt für Abfallwirtschaft in M. - erlangt habe. Die Beklagte habe ihre Prognose unzulässigerweise auf den örtlichen Arbeitsmarkt im Nürnberger Bereich beschränkt. Bei anderen Teilnehmern an der Maßnahme seien Leistungen zur beruflichen Rehabilitation durch die Beklagte gewährt worden, zB bei Herrn S. Z. durch das Arbeitsamt Aschaffenburg. Die Aussage der vernommenen Zeugin sei überbewertet worden, obwohl diese nur eine Beurteilung unter Berücksichtigung des Arbeitsamtsbezirkes Nürnberg gegeben habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.11.1997 und des Bescheides der Beklagten vom 03.06.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1996, ihm die begehrte Förderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.11.1997 zurückzuweisen.
Die hier zu treffen gewesene prognostische Entscheidung über den Arbeitsmarkt sei richtig gewesen. Das nunmehr bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers habe insofern keine Bedeutung. Auch wenn die Beklagte zur Zeit der Entscheidung die gesamtbayerischen und die bundesweiten Arbeitsmarktverhältnisse einbezogen hätte, wäre die Entscheidung nicht anders ausgefallen. So seien zB im Berufsbereich des Klägers in Bayern 1998 203 Personen arbeitslos gemeldet gewesen, denen 5 offene Stellen gegenüber gestanden hätten, bundesweit seien 2475 Personen arbeitslos gemeldet gewesen. Zahlen über offene Stellen dazu lägen nicht vor.
Eine Aufklärungsauflage des Senats an die Beklagte, die Arbeitsmarktchancen für Umweltschutztechniker zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (August 1996) durch detaillierte Statistiken näher zu belegen, ist ohne wesentlichen Erfolg geblieben. Die Beklagte hat glaubhaft versichert, dass aussagekräftige Landes- oder Bundesstatistiken über die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von Umweltschutztechnikern für die gewünschten Zeiträume nicht vorlägen.
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts und die Akte der Beklagten beigezogen. Deren Inhalte wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere zeitgerecht erhobene Berufung ist nicht begründet. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben.
Die wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen für berufsfördernde Rehabilitationsleistungen der Beklagten waren für den streitrelevanten Zeitraum in § 56 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung durch Art 10 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BG Bl I S. 1824) geregelt. Nach § 56 Abs 1 Satz 2 AFG war die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Diese Vorschrift wurde durch § 9 Abs 1 Nr 4 der aufgrund von § 58 Abs 2 iVm § 191 AFG erlassenen Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit für die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A Reha) in der Fassung der 19. Änderungsanordnung zur A Reha vom 26.10.1995 (AMBA 1995, 1789) näher konkretisiert. Danach war wesentliche Voraussetzung für eine berufsfördernde und ergänzende Leistung im Rahmen einer berufsfördernden Maßnahme, dass erwartet werden kann, dass der Behinderte nach Abschluss der Maßnahme in der angestrebten beruflichen Tätigkeit innerhalb angemessener Zeit auf dem für ihn erreichbaren allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Behinderte voraussichtlich eine Beschäftigung findet. Bei der dazu nötigen Prognoseentscheidung über die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit steht der Beklagten ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSG SozR 3-4460 § 10 Nr 2 S 13 - zu der Parallelvorschrift des § 10 Abs 5 AFuU). Bei der Prognoseentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten, dh hier auf das Jahr 1996 abzustellen (BSG SozR 3-4100 § 36 Nr 1 S 3).
Die Beklagte hatte zur Begründung ihrer Prognoseentscheidung die anhaltend ungünstigen Arbeitsmarktchancen für Umweltschutztechniker hervorgehoben. Wie sich hier aus dem Widerspruchsbescheid vom 12.08.1996 ergibt, hatte sie dazu (beispielhaft) festgestellt, dass beim Arbeitsamt Nürnberg keine offene Stellen, jedoch 16 arbeitslose Umweltschutztechniker gemeldet seien. In der Industrie würden kaum Vollzeitstellen für Umweltschutztechniker besetzt. Dort würden Mitarbeiter (Ingenieure) weiter qualifiziert und zeitweise im Umweltschutzbereich eingesetzt. Im öffentlichen Dienst sei durch Stellenkürzungen auch hier der Arbeitsmarkt zusammengebrochen. Eine Beschäftigung sei zur Zeit nur im Rahmen von Arbeitsmarktbeschaffungsmaßnahmen möglich.
Damit war ihre damalige Prognoseentscheidung nicht falsch. Eine andere Entscheidung als die Ablehnung der Förderung des Klägers wegen arbeitsmarktpolitischer Unzweckmäßigkeit konnte nicht in Frage kommen. Denn nach den zwischenzeitlich nachgeschobenen Darlegungen der Beklagten war die Lage in Nürnberg nicht untypisch für Bayern und das gesamte Bundesgebiet. Überall bestand ein erheblicher Überhang von Arbeitssuchenden gegenüber offenen Stellen für Umweltschutztechniker. Die Beklagte hat ihre Prognoseentscheidung ausreichend begründet und ist von zutreffenden tatsächlichen Feststellungen ausgegangen, wie sich aus der Zeugenaussage der Frau D. vor dem Sozialgericht Nürnberg ergibt. Für die von der Beklagten getroffenen Prognoseentscheidung war es nicht von wesentlicher Bedeutung, dass ihr dazu eventuell nur Erkenntnisse aus dem Arbeitsmarktbereich Nürnberg zur Verfügung standen. Denn die Nürnberger Marktlage war nicht untypisch für den Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland insgesamt.
Die Prognoseentscheidung der Beklagten über die arbeitsmarktpolitische Unzweckmäßigkeit einer Förderung des Klägers wird nicht durch die zwischenzeitliche Einstellung des Klägers als Umweltschutztechniker unrichtig. Diese Bewertung des Klägers ignoriert zunächst, dass auf den Zeitpunkt der zu treffenden Verwaltungsentscheidung abzustellen ist und ferner, dass die schlechte Prognose nicht dadurch widerlegt wird, dass er individuell einen Arbeitsplatz gefunden hat. Eine solche individuelle Betrachtung würde die konkrete Situation eines einzelnen Antragsstellers in den Vordergrund schieben und gerade arbeitsmarktpolitische Abwägungen, dh also generelle, vom Einzelfall abgehobene Beurteilungen, vernachlässigen (BSG SozR 3-4100 § 36 Nr 1 S 5).
Schließlich kann sich der Kläger nicht - wie schon das SG festgestellt hat - mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte in anderen vergleichbaren Fällen Teilnehmer an der in Rede stehenden Maßnahme gefördert hat und dass dem Maßnahmeträger gemäß § 34 AFG mitgeteilt wurde, dass grundsätzlich eine individuelle Förderung der Teilnehmer in Reha-Fällen erfolgen könne. Eine Verwaltungsentscheidung, die nicht dem Gesetz entspricht, gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung (ständige Rechtsprechung vgl BSG SozR 2200 § 1236 Nr 16 S 40 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Teilnahme des Klägers an einer Fortbildungsmaßnahme zum Umweltschutztechniker im Rahmen der beruflichen Rehabilitation fördern muss.
Der 1970 geborene Kläger hat den Beruf eines Industriemechanikers erlernt und ausgeübt. Mit Bescheid des Arbeitsamtes Nürnberg vom 09.05.1996 wurde festgestellt, dass der Kläger an gesundheitlichen Behinderungen leidet, die die Ausübung des erlernten und ausgeübten Berufes verbieten und die Beklagte berufliche Rehabilitationsmaßnahmen des Klägers dem Grunde nach zu fördern hat.
Der Kläger begann im September 1995 eine Fortbildung zum Umweltschutztechniker bei der Landesgewerbeanstalt Bayern - Fachschule für Umweltschutz - in N. und schloss sie am 31.07.1997 erfolgreich ab. Danach war er arbeitslos. Inzwischen, dh ab 21.04.1998, hat er eine Anstellung als Umweltschutztechniker gefunden.
Der Kläger begehrt die Förderung seiner Teilnahme an der Fortbildung zum Umweltschutztechniker.
Mit Bescheid des Arbeitsamtes Nürnberg vom 03.06.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1996 lehnte die Beklagte die Förderung ab. Denn es sei nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes nicht damit zu rechnen, dass der Kläger in dem angestrebten Beruf innerhalb einer angemessenen Zeit auf dem für ihn erreichbaren Arbeitsmarkt voraussichtlich eine Anstellung finden würde.
Gegen diese Entscheidung der Beklagten hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat zur näheren Aufklärung die Sachbearbeiterin der Beklagten als Zeugin vernommen, die die streitgegenständliche Entscheidung veranlasst hat. Das SG hat unter Berücksichtigung der Zeugenaussage, die die im Widerspruchsbescheid zur Begründung herangezogenen Feststellungen über den Arbeitsmarkt für Umweltschutztechniker bestätigt hat, die Klage mit Urteil vom 18. November 1997 abgewiesen. Bei der prognostischen Betrachtung zur Zeit der Entscheidung der Beklagten und in der Zeit danach sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass der Kläger nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen entsprechenden Arbeitsplatz erhalten werde. Deshalb sei eine Förderung der vom Kläger auf eigenes Risiko eingeleiteten Fortbildungsmaßnahme nicht möglich. Ein Anspruch auf Förderung lasse sich auch nicht auf Art 3 des Grundgesetzes stützen. Soweit der Kläger darauf verweise, dass der Maßnahmeträger bestätigt habe, dass andere Teilnehmer von der Beklagten gefördert worden seien, lasse sich daraus für den Kläger kein Anspruch herleiten. Dies gelte auch für den Umstand, dass die Beklagte die Maßnahme gegenüber dem Maßnahmeträger als förderungsfähig bestätigt habe. Es gäbe keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
Gegen das am 14.01.1998 zugestellte Urteil vom 18.11.1997 hat der Kläger am Montag, dem 16.02.1998, Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt vor: Die Arbeitsmarktprognose der Beklagten sei falsch gewesen. Dies belege, dass er zwischenzeitlich eine Anstellung als Umweltschutztechniker im öffentlichen Dienst - beim Amt für Abfallwirtschaft in M. - erlangt habe. Die Beklagte habe ihre Prognose unzulässigerweise auf den örtlichen Arbeitsmarkt im Nürnberger Bereich beschränkt. Bei anderen Teilnehmern an der Maßnahme seien Leistungen zur beruflichen Rehabilitation durch die Beklagte gewährt worden, zB bei Herrn S. Z. durch das Arbeitsamt Aschaffenburg. Die Aussage der vernommenen Zeugin sei überbewertet worden, obwohl diese nur eine Beurteilung unter Berücksichtigung des Arbeitsamtsbezirkes Nürnberg gegeben habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.11.1997 und des Bescheides der Beklagten vom 03.06.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1996, ihm die begehrte Förderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.11.1997 zurückzuweisen.
Die hier zu treffen gewesene prognostische Entscheidung über den Arbeitsmarkt sei richtig gewesen. Das nunmehr bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers habe insofern keine Bedeutung. Auch wenn die Beklagte zur Zeit der Entscheidung die gesamtbayerischen und die bundesweiten Arbeitsmarktverhältnisse einbezogen hätte, wäre die Entscheidung nicht anders ausgefallen. So seien zB im Berufsbereich des Klägers in Bayern 1998 203 Personen arbeitslos gemeldet gewesen, denen 5 offene Stellen gegenüber gestanden hätten, bundesweit seien 2475 Personen arbeitslos gemeldet gewesen. Zahlen über offene Stellen dazu lägen nicht vor.
Eine Aufklärungsauflage des Senats an die Beklagte, die Arbeitsmarktchancen für Umweltschutztechniker zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung (August 1996) durch detaillierte Statistiken näher zu belegen, ist ohne wesentlichen Erfolg geblieben. Die Beklagte hat glaubhaft versichert, dass aussagekräftige Landes- oder Bundesstatistiken über die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von Umweltschutztechnikern für die gewünschten Zeiträume nicht vorlägen.
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts und die Akte der Beklagten beigezogen. Deren Inhalte wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere zeitgerecht erhobene Berufung ist nicht begründet. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben.
Die wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen für berufsfördernde Rehabilitationsleistungen der Beklagten waren für den streitrelevanten Zeitraum in § 56 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Fassung durch Art 10 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BG Bl I S. 1824) geregelt. Nach § 56 Abs 1 Satz 2 AFG war die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Diese Vorschrift wurde durch § 9 Abs 1 Nr 4 der aufgrund von § 58 Abs 2 iVm § 191 AFG erlassenen Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit für die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A Reha) in der Fassung der 19. Änderungsanordnung zur A Reha vom 26.10.1995 (AMBA 1995, 1789) näher konkretisiert. Danach war wesentliche Voraussetzung für eine berufsfördernde und ergänzende Leistung im Rahmen einer berufsfördernden Maßnahme, dass erwartet werden kann, dass der Behinderte nach Abschluss der Maßnahme in der angestrebten beruflichen Tätigkeit innerhalb angemessener Zeit auf dem für ihn erreichbaren allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Behinderte voraussichtlich eine Beschäftigung findet. Bei der dazu nötigen Prognoseentscheidung über die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit steht der Beklagten ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSG SozR 3-4460 § 10 Nr 2 S 13 - zu der Parallelvorschrift des § 10 Abs 5 AFuU). Bei der Prognoseentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten, dh hier auf das Jahr 1996 abzustellen (BSG SozR 3-4100 § 36 Nr 1 S 3).
Die Beklagte hatte zur Begründung ihrer Prognoseentscheidung die anhaltend ungünstigen Arbeitsmarktchancen für Umweltschutztechniker hervorgehoben. Wie sich hier aus dem Widerspruchsbescheid vom 12.08.1996 ergibt, hatte sie dazu (beispielhaft) festgestellt, dass beim Arbeitsamt Nürnberg keine offene Stellen, jedoch 16 arbeitslose Umweltschutztechniker gemeldet seien. In der Industrie würden kaum Vollzeitstellen für Umweltschutztechniker besetzt. Dort würden Mitarbeiter (Ingenieure) weiter qualifiziert und zeitweise im Umweltschutzbereich eingesetzt. Im öffentlichen Dienst sei durch Stellenkürzungen auch hier der Arbeitsmarkt zusammengebrochen. Eine Beschäftigung sei zur Zeit nur im Rahmen von Arbeitsmarktbeschaffungsmaßnahmen möglich.
Damit war ihre damalige Prognoseentscheidung nicht falsch. Eine andere Entscheidung als die Ablehnung der Förderung des Klägers wegen arbeitsmarktpolitischer Unzweckmäßigkeit konnte nicht in Frage kommen. Denn nach den zwischenzeitlich nachgeschobenen Darlegungen der Beklagten war die Lage in Nürnberg nicht untypisch für Bayern und das gesamte Bundesgebiet. Überall bestand ein erheblicher Überhang von Arbeitssuchenden gegenüber offenen Stellen für Umweltschutztechniker. Die Beklagte hat ihre Prognoseentscheidung ausreichend begründet und ist von zutreffenden tatsächlichen Feststellungen ausgegangen, wie sich aus der Zeugenaussage der Frau D. vor dem Sozialgericht Nürnberg ergibt. Für die von der Beklagten getroffenen Prognoseentscheidung war es nicht von wesentlicher Bedeutung, dass ihr dazu eventuell nur Erkenntnisse aus dem Arbeitsmarktbereich Nürnberg zur Verfügung standen. Denn die Nürnberger Marktlage war nicht untypisch für den Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland insgesamt.
Die Prognoseentscheidung der Beklagten über die arbeitsmarktpolitische Unzweckmäßigkeit einer Förderung des Klägers wird nicht durch die zwischenzeitliche Einstellung des Klägers als Umweltschutztechniker unrichtig. Diese Bewertung des Klägers ignoriert zunächst, dass auf den Zeitpunkt der zu treffenden Verwaltungsentscheidung abzustellen ist und ferner, dass die schlechte Prognose nicht dadurch widerlegt wird, dass er individuell einen Arbeitsplatz gefunden hat. Eine solche individuelle Betrachtung würde die konkrete Situation eines einzelnen Antragsstellers in den Vordergrund schieben und gerade arbeitsmarktpolitische Abwägungen, dh also generelle, vom Einzelfall abgehobene Beurteilungen, vernachlässigen (BSG SozR 3-4100 § 36 Nr 1 S 5).
Schließlich kann sich der Kläger nicht - wie schon das SG festgestellt hat - mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte in anderen vergleichbaren Fällen Teilnehmer an der in Rede stehenden Maßnahme gefördert hat und dass dem Maßnahmeträger gemäß § 34 AFG mitgeteilt wurde, dass grundsätzlich eine individuelle Förderung der Teilnehmer in Reha-Fällen erfolgen könne. Eine Verwaltungsentscheidung, die nicht dem Gesetz entspricht, gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung (ständige Rechtsprechung vgl BSG SozR 2200 § 1236 Nr 16 S 40 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved