Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 6 SB 90040/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 10/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Grad der beim Kläger festzustellenden Behinderung (GdB) umstritten.
Der am ... 1957 geborene Kläger beantragte am 29. April 2005 beim Beklagten nach einem Schlaganfall die Feststellung von Behinderungen wegen einer feinmotorischen Störung der linken Hand und des linken Beines. Der Beklagte holte einen ärztlichen Entlassungsbericht der M.klinik F. ein, in dem der Ärztliche Direktor Dr. Dr. R. über einen stationären Aufenthalt vom 30. März 2005 bis 4. Mai 2005 berichtete. Er diagnostizierte einen Mediainfarkt rechts am 18. März 2005 mit leichter Hemiparese links, Koordinations- und Feinmotorikdefiziten der linken Hand sowie eine Gangunsicherheit. Nach einer Notfallbehandlung am 18. März 2005 in die Universitätsklinik M. wegen einer Schwäche- und Gefühlsstörung der linken Körperseite habe eine MRT-Aufnahme des Schädels einen Hirninfarkt im hinteren Schenkel bestätigt. Beim Aufnahmegespräch habe der Kläger über eine Schwäche der linken Extremitäten, eine Ungeschicklichkeit der linken Hand, eine Gangunsicherheit sowie eine geminderte Belastbarkeit geklagt. Bei der motorischen Prüfung der Muskelkraft hätten sich eine Kraftminderung der linken Extremitäten sowie Schwächen beim Zehenballenstand und im Zehenballengang links gezeigt. Bei einem Belastungstest mittels Fahrradergometer am 22. April 2005 sei eine Leistung bis in die erste Minute von 150 Watt erreicht worden. In neuropsychologischer Hinsicht bestehe eine unauffällige, knapp durchschnittliche bis durchschnittliche kognitive Leistung. Aufgrund der rehabilitativen Maßnahmen sei zum Entlassungszeitpunkt eine gute allgemeine Konditionierung erreicht worden. Die Kraft der linken Extremitäten habe deutlich zugenommen. Trotz wesentlicher Verbesserungen der Feinmotorik- und Koordinierungsdefizite der linken Hand bestehe dort aktuell noch eine erhebliche Einschränkung.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. C. berichtete über ein auf dem rechten Ohr etwas schlechteres Hörvermögen und ein unauffälliges Gangbild. Die Gehstrecke sei nicht eingeschränkt. Es bestehe linksseitig eine Kraftminderung sowie eine Dysdiadochokinese (Störung der Muskelbewegungen).
Der Beklagte ließ diese Befunde durch die Versorgungsärztin MedOR Dr. W. unter dem 24. Oktober 2005 auswerten. Diese sprach sich für die Feststellung einer Bewegungsstörung und Kraftminderung des linken Armes nach Schlaganfall aus und hielt hierfür einen Gesamt-GdB von 30 für gerechtfertigt. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 ab dem 29. April 2005 einen Grad der Behinderung von 30 fest. Hiergegen erhob der anwaltlich vertretene Kläger Widerspruch und begehrte einen GdB von 50. Aufgrund der Lähmung der linken Seite, insbesondere des linken Armes sowie der Störung der Feinmotorik und Koordination in beiden Händen sei eine Höherbewertung der Behinderung geboten. Die Versorgungsärztin Dipl.-Med. R. bestätigte unter dem 14. Februar 2006 die bisherige Bewertung des Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 2. Juni 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) S. Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Das SG hat Befundunterlagen der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland eingeholt. Nach einem darin eingeholten Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. C. vom 27. Juli 2005 bestehe beim Kläger eine Gangstörung beim Treppensteigen. Auch seien ihm Laufen bzw. Rennen nicht möglich. Ferner seien die Feinmotorik im linken Arm und Bein gestört und Nervenschmerzen im linken Bein vorhanden. Daneben bestünden eine Hörstörung links sowie eine Stand- und Gangunsicherheit. Eine stärkere Gehbehinderung liege aber nicht vor. Mit Arztbrief vom 7. Dezember 2005 berichtete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie L. über eine psychologische Testung des Klägers. Dieser verfüge über eine gute durchschnittlich bis überdurchschnittliche Intelligenz. Hinweise für einen Abbau von Denkleistungen oder eine Hirnleistungsschwäche bestünden nicht. Es seien jedoch Anzeichen für eine neurotische Leistungshemmung und eine Zwanghaftigkeit zu erkennen. In einem beigefügten Arztbrief berichtete der Facharzt für Allgemeinmedizin und Phlebologie Dr. B. am 2. Juli 2006: Duplexsonografisch könne eine thrombotische Veränderung ausgeschlossen werden. Die Beinbeschwerden seien nicht auf Durchblutungsstörungen zurückzuführen. Der Facharzt für Orthopädie und Manualtherapie Dr. W. gab am 7. August 2006 an: Seit Frühjahr 2006 habe der Kläger Beschwerden im linken Bein, den Knien und im Bereich der Unterschenkel. Diagnostisch bestünden Rückenschmerzen im Lumbalbereich. Die Versorgungsärztin Dr. W. hat diese Befunde in der prüfärztlichen Stellungnahme vom 19. März 2007 ausgewertet: Beim Kläger sei allenfalls von einer sehr diskreten Kraftminderung auszugehen. Die Alltagsaktivitäten seien selbständig ausführbar. An der bisherigen Bewertung sei daher festzuhalten.
Das SG hat vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. ein nervenfachärztliches Gutachten vom 13. August 2007 nach ambulanter Untersuchung am 10. August 2007 erstatten lassen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat der Kläger in der Anamnese angegeben, immer noch unter Bewegungsstörungen der linken Hand und der linken Körperhälfte zu leiden. Die linke Hand sei deutlich ungeschickter als früher. Auch das Hören sei auf der linken Seite schlechter geworden. Das Gleichgewicht bereite ihm Probleme, manchmal mache er einen Ausfallschritt zur linken Seite. Er könne nicht mehr so schnell laufen wie früher bzw. überhaupt nicht mehr rennen. Seinen Zigarettenkonsum habe er von 50 bis 60 auf 15 Zigaretten täglich reduziert. Er trinke regelmäßig abends etwa sechs bis sieben Flaschen Bier. Nach einer Hodentorsion im Jahre 2003 habe ihm ein Hoden entfernt werden müssen. Derzeit bewohne er ein kleines Eigenheim und mache noch etwas Gartenarbeit. Als Hobby habe er die Aquaristik. Dr. S. hat einen unauffälligen psychischen Befund angegeben. Eine antidepressive Medikation werde nicht eingenommen. Der Kläger sei in Begleitung seines Bruders selbst mit dem Kraftfahrzeug zum Gutachter nach B. gefahren. Die gesamte Wirbelsäule zeige keinen Klopfschmerz. Der Zehen- und Hackenstand sei beidseits ausführbar. Muskelatrophische Veränderungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten bestünden nicht. Das Gangbild sei frei. Der Finger-Nasenversuch sowie der Kniehackenversuch seien links unsicher. Zusammenfassend bestehe eine leichte armbetonte Halbseitenschwäche links mit Herabsinken bzw. einer leichten Pronationstendenz der linken oberen Extremität im Armhalteversuch. Ferner sei die linke untere Extremität nach einem längeren Beinhalteversuch diskret abgesunken. Zusammenfassend seien eine zu vernachlässigende diskrete zentrale Facialisparese links sowie eine deutliche Unsicherheit im Finger-Nasenversuch links und eine deutliche Bradidysdiadochokinese links festzustellen. Eine Hemispastik sowie eine Hemihypästhesie bestünden nicht. Daneben seien eine Fettstoffwechselstörung sowie ein deutlicher Hinweis auf einen Nikotin- sowie chronischen Alkoholabusus festzustellen. Hinsichtlich des Alkoholabusus fänden sich Hinweise für ein leichtes vegetatives Entzugssyndrom. Die neurologischen Ausfälle seien mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2004 sei dieser Bewertungsrahmen bei cerebral bedingten Teillähmungen und Lähmungen, insbesondere bei leichten Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen heranzuziehen. Nikotin- bzw. Alkoholabusus seien nicht behinderungsrelevant.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Schlaganfall habe allenfalls leichte Restbeschwerden verursacht. Der vom Sachverständigen Dr. S. angenommene Einzel-GdB von 30 sei zutreffend. Weder die Stoffwechselerkrankung noch der Nikotin- und Alkoholabusus rechtfertigten einen gesonderten Einzel-GdB.
Gegen den am 22. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger rechtzeitig am 5. Februar 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hält an seinem bisherigen Vorbringen fest und macht ergänzend geltend: Eine Operation am rechten Knie habe keine Besserung gebracht. Infolge des Schlaganfalls seien eine Schwerhörigkeit links und eine Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus entstanden. Zusätzlich müssten die Störung der Feinmotorik und die Stoffwechselerkrankung berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 16. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 26. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab 29. April 2005 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend. Ferner macht er geltend, es sei der gutachtlichen Bewertung von Dr. S. zu folgen. Eine vom Kläger behauptete Schwerhörigkeit sowie die Hörleistungsminderung seien ärztlich nicht belegt.
Der Senat hat das Rentenverfahren S 2 R 272/07 (Sozialgericht Stendal - SG) beigezogen. In diesem Verfahren hat der Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2007 vortragen lassen: Seit einer Operation des rechten Knies im April 2007 sei eine gesundheitliche Verschlechterung eingetreten. Er sei kaum in der Lage, Wegstrecken von 300 bis 400 Metern beschwerdefrei zu gehen. Hierbei träten in beiden Beinen erhebliche Schmerzen auf, die ihn zu längeren Pausen zwängen. Das SG hat einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie L. vom 25. Oktober 2007 eingeholt. Danach habe der Kläger zunächst über Bewegungsstörungen, Kribbelgefühle im linken Bein und Hörstörungen links geklagt. Später habe er über ein Einschlafen des linken Armes, eine Instabilität des linken Beines und Schmerzen in der linken Wade berichtet. Diagnostisch bestehe ein Zustand nach Hirninfarkt rechts mit leichter Hemiparese links. Im Juni 2006 habe der Kläger über Beschwerden im linken Bein, Knie- und Unterschenkel geklagt. In einem weiteren Befundbericht vom 8. November 2007 berichtete der Facharzt für Orthopädie M. über eine Arthroskopie des linken Knies am 3. Mai 2007. Dabei seien eine Teilentfernung des Innenmeniskus, eine Knorpelglättung und eine laterale Kapselspaltung vorgenommen sowie freie Gelenkkörper entfernt worden. Diagnostisch bestünden ein Kniebinnenschaden mit Knorpelschaden sowie eine Meniskusläsion und ein chronisches Lumbalsyndrom. Der Facharzt L. gab unter dem 25. Oktober 2007 eine Gangunsicherheit des Klägers an. Hinweise auf eine erhebliche Schmerzproblematik beim Gehen sind dem Bericht nicht zu entnehmen.
Das SG hat in dem Rentenverfahren ein nervenärztliches Gutachten vom Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neuropsychiatrie Dr. B. (A. Kliniken S.) vom 26. August 2008 (Untersuchung vom 8. Mai 2008) und ein orthopädisches Gutachten vom Facharzt für Orthopädie Z. vom 12. Januar 2009 (Untersuchung vom 23. Dezember 2008) eingeholt. Dr. B. hat berichtet: Der Kläger habe als Beschwerden eine Feinmotorikstörung der linken Hand angegeben. Das Gehen sei durch eine Schwäche im linken Fuß eingeschränkt, was sich insbesondere beim Treppensteigen auswirke. Ferner habe er Schmerzen beim Stehen im Unterschenkel und knieabwärts auf beiden Seiten. Er könne nur noch eingeschränkt gehen. So sei ihm gerade noch der Einkauf in einem Supermarkt möglich. Wegen gefühlter Gleichgewichtsstörungen mache er zum Teil Ausfallschritte. Gegenstände könne er mit der linken Hand teilweise nicht richtig festhalten. Zeitweise würden Krämpfe in der linken Hand und des Nachts in beiden Unterschenkeln auftreten. Rechtsseitig sei das Gehen nach der Meniskusoperation zwar möglich, jedoch hätten sich die Unterschenkelschmerzen verstärkt. Er sei in seinem Verhalten nicht mehr so unternehmungslustig wie vor dem Hirninfarkt. Für Einkäufe könne er nur noch kurze Strecken mit dem Auto fahren. Längere Strecken mute er sich aus Konzentrationsgründen überhaupt nicht mehr zu. Er könne noch Zeitung lesen und fernsehen, auch Schreiben sei noch möglich. Handwerkliche Leistungen seien wegen der motorischen Störungen mit links unmöglich. Für die Reinigung des Gartenteichs benötige er 15 Minuten, müsse dann aber eine Pause einlegen. Vor dem Schlaganfall habe er als Berufskraftfahrer bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet. Er habe Schlafstörungen und grüble viel. Er gehe gegen 1.30 Uhr ins Bett, könne dann aber entspannt einschlafen. Er schlafe ca. sieben bis acht Stunden, nachdem er sich angewöhnt habe, abends vier bis fünf Bier zu trinken. Vorher habe er nur vier bis fünf Stunden schlafen können. Die Familie sei für sein Leben sehr wichtig und stünde hinter ihm. Er habe Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung in die Beine. Diese kämen regelmäßig für zwei bis drei Wochen im Winter oder wenn er sich verhoben habe. Schmerzmittel nehme er nicht. Wegen der Rückenschmerzen reibe er sich zum Teil mit einer Salbe ein.
Zum Tagesablauf hat der Kläger angegeben: Er stehe zwischen 7.30 Uhr und 9.00 Uhr auf, lese Zeitung und trinke Kaffee. Nach Rückkehr der Ehefrau im Verlauf des Vormittags füttere er die Tiere (Kaninchen) und kümmere sich um den Teich und lasse den Hund laufen. Er könne langsam mit dem Hund ca. 150 Meter bis zur Waldgrenze laufen. Dies bereite ihm wegen des unebenen Geländes aber Schwierigkeiten. In den letzten zwei Wochen sei er zwei Mal hingefallen. Er koche selbst, was ihm auch viel Spaß mache. Das Schneiden und Zubereiten der Speisen gehe noch. Manchmal, z.B. beim Kartoffelschälen, habe er Verkrampfungen in der linken Hand. Nachmittags gebe es dann ein Kaffeetrinken. Teilweise erledige er auch noch Arbeiten im Garten. Als Hobby habe er die Aquaristik und beschäftige sich mit anderen Tierarten. Er lese jetzt mehr als früher (Krimis oder Sachbücher über Aquaristik).
Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige festgestellt: Die Wirbelsäule sei nicht klopf- und druckschmerzhaft. Es bestehe ein Finger-Boden-Abstand von 20 cm. Die Iliosacralfugen seien nicht beeinträchtigt. Alle Gelenke seien frei beweglich. In psychischer Hinsicht habe der Kläger wach und voll orientiert gewirkt. Er habe sich bemüht, sein Anliegen geordnet vorzutragen. Die Gedächtnisleistung sei unter Berücksichtigung der Sozialisation und des Ausbildungsstandes gut und die Konzentrationsfähigkeit nicht eingeschränkt. Die Stimmungslage erscheine zum depressiven Pol hin verschoben. Anhaltspunkte für Denkstörungen, Ängste, Phobien oder Zwänge bestünden nicht. Der Hirnnervenstatus sei insgesamt unauffällig. Bei der Reflexstatus-Motorik sei eine blande Feinmotorikstörung der linken Hand sowie eine distal armbetonte Hemiparese links mit leichter Tonuserhöhung festzustellen. Teilweise seien plötzliche Tonusabbrüche aufgetreten (z.B. beim Rad fahren in der Luft), die bei Motivation und Ablenkung deutlich weniger ausgeprägt gewesen seien. Der Fußspitzen- und Fersengang sei beidseits möglich. Beim Gehen ziehe der Kläger das linke Bein etwas nach. Unsicherheiten in den Stand- und Gangprüfungen seien bei Ablenkung deutlich sicherer und erscheinen etwas funktionell ausgestaltet. Im Becks-Depressionsinventar habe sich der klinische Gesamteindruck bestätigt und es sei von einer leichten depressiven Störung auszugehen. Insgesamt habe der Kläger eine mehrstündige Untersuchung und Testung problemlos gemeistert und keine Konzentration- und Aufmerksamkeitsstörungen gezeigt. Die gewisse funktionelle Ausgestaltung der Beschwerden sei nicht als Simulation, sondern als bewusstseinsferne Anpassungsreaktion zu bewerten. Die angegebenen Schmerzen in beiden Beinen seien nervenärztlich nicht zu erklären. Neurologisch habe sich kein Hinweis für eine Claudicatio spinalis ergeben. Eine orthopädische Erklärung für die Schmerzen erscheine nicht sehr wahrscheinlich, müsse jedoch ggf. noch fachärztlich überprüft werden. Auf nervenärztlichem Gebiet lägen eine blande residuale distal- und armbetonte Hemiparese links mit Feinmotorikstörung der linken Hand sowie eine blande Stand- und Gangunsicherheit, insbesondere im linken Bein mit funktioneller Ausgestaltung und eine reaktiv depressive Krankheitsverarbeitung nach Hirninfarkt vor. Auf fachfremdem Gebiet seien belastungsabhängige Beinschmerzen unklarer Ätiologie festzustellen. Die reaktiv depressive Krankheitsverarbeitung sei auf den Hirninfarkt zurückzuführen. Diese habe echten Krankheitswert, sei jedoch in ihren Auswirkungen eher gering. Einschränkungen ergäben sich aus der Feinmotorikstörung der linken Hand, der Stand- und Gangunsicherheit sowie den auftretenden Schmerzen in beiden Beinen bei längeren körperlichen Belastungen, was ggf. den vermehrten Einsatz von Ruhepausen erforderlich mache. Innerhalb dieser Grenzen sei der Kläger normal arbeitsfähig und z.B. als Pförtner einsetzbar. Muskelatrophien an Armen und Beinen, die auf eine Schonung hinweisen könnten, seien nicht vorhanden und angesichts der blanden Parese auch nicht zu erwarten. Der Kläger könne viermal täglich mindestens 500 Meter zu Fuß zurücklegen und dabei ggf. kürzere Pausen einlegen. Aufgrund der Feinmotorikstörung der linken Hand sei er nicht in der Lage, einen Pkw mit ausreichender Sicherheit zu steuern.
Der Facharzt Z. hat in seinem orthopädischen Gutachten angegeben: Der Kläger habe mitgeteilt, er leide seit zwanzig Jahren durchschnittlich ein Mal im Jahr im Winter an starken Schmerzen im unteren Lumbalbereich und gelegentlich an Verkrampfungen in einer Gesäßhälfte. Er gehe dann zum Arzt, lasse sich dort Spritzen geben, was die Beschwerden bessere. Die arthroskopische Untersuchung am rechten Knie habe die stechenden Schmerzen beseitigt. Es seien aber noch Schmerzen, z.B. beim Bücken, verblieben. Seit dem Schlaganfall könne er nicht mehr sicher und nicht mehr schnell gehen. Beim Treppensteigen habe er ein unsicheres Gefühl. Auch habe er auf beiden Seiten Schmerzen in den Knien. Der Schmerz trete auf, sobald er sich hinstelle und nehme beim Gehen zu. Wenn er länger sitze, müsse er die Beine hin und wieder bewegen. Beim Gehen komme es zu einer Schmerzausstrahlung in die Waden. Er vermeide daher längere Wegstrecken und gehe kaum weiter als 150 Meter. Das Ausführen des Hundes unterbleibe daher. Das Tier habe im Hof genügend Auslauf. Am besten könne er auf Asphalt gehen. Das Bergaufgehen falle ihm schwerer als das Abwärtsgehen. Er müsse sich wegen der Schmerzen hinsetzen oder aber mit den Armen abstützen, z.B. auf einen Einkaufswagen. Wie lange genau, könne er nicht sagen. Seit über zwanzig Jahren könne er wegen der Rückenschmerzen nicht mehr im Garten arbeiten. Die Schmerzanfälle würden spontan immer in der kalten Jahreszeit auftreten.
Der Sachverständige hatte weiter ausgeführt: Der Kläger befinde sich in einem guten Allgemein- und Kräftezustand. Orthopädische Hilfsmittel würden nicht genutzt. Das Ablegen der Kleider erfolge ohne Mühe. Das Gangbild sei flüssig. Der Einbeinstand sei links hochgradig unsicher. Der Zehen- und Hackengang sei sehr unsicher. Bei einem Gehversuch laufe der Kläger im Wechselschritt die Treppe herab, halte sich am Geländer fest und wirke unsicher, wobei das linke Bein außenrotiert aufgesetzt werde. Im Rahmen eines Gehtests sei der Gang auf der Straße zunächst zügig verlaufen. Nach etwa 80 m habe sich die Schrittlänge verkürzt und sei der Gang langsamer geworden, wobei der Kläger zunehmende Schmerzen unterhalb der Kniescheiben auf beiden Seiten angegeben habe. Nach weiteren 50 m habe er versuchsweise eine zweiminütige Pause eingelegt. Der Schmerz habe sich jedoch nicht verringert und der Gang sei kleinschrittig und langsam geblieben. Die Untersuchung der Kniegelenke habe die folgenden Befunde und Messwerte ergeben:
Rechtes Kniegelenk reizlos. Beugung/Streckung 150°/0°/0°, kein Bewegungsschmerz. Bandapparat stabil. Meniskuszeichen negativ. Starkes Patellarreiben. Kein Druckschmerz über Patella oder Gelenkspalten.
Linkes Kniegelenk reizlos. Beugung/Streckung 150°/0°/0°, kein Bewegungsschmerz. Bandapparat stabil. Meniskuszeichen negativ. Kein Patellarreiben. Kein Druckschmerz.
Die Beinmuskulatur sei mittelkräftig symmetrisch. Die rechte Wade sei in ihrem Umfang um 1,5 cm geringer als die linke. Die Bildauswertung der Kniegelenke habe einen Normalbefund auf beiden Seiten ergeben.
Als Diagnosen lägen vor:
Knie-Bein-Schmerz beidseits mit unklarer Genese,
Schwäche im linken Arm und Bein nach Hirninfarkt,
Wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom.
Die klinischen Befunde zu den Folgen des Schlaganfalls entsprächen denen des Vorgutachters Dr. B ... Das mäßig ausgeprägte Lumbalsyndroms schränke die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in sämtlichen Ebenen nicht ein und sei als altersentsprechend und normal zu bewerten. Zeichen einer Nervenwurzelreizung bestünden nicht. Die Extremitäten wiesen keine Muskelatrophien oder Inaktivitätsosteoporosen auf. Das Verhalten des Klägers beim Gehversuch habe im Wesentlichen seinen Angaben entsprochen, wobei geringe Verdeutlichungstendenzen erkennbar gewesen seien. Wesentliche Aggravationstendenzen seien nicht feststellbar, da der Kläger keinen kränklichen oder schwächlichen Eindruck gemacht habe. Die Schmerzen in den Unterschenkeln und Knien seien orthopädisch nicht erklärbar. Eine arterielle Verschlusskrankheit scheide wegen des tastbaren Fußpulses aus. Für eine Einengung des Rückenmarkkanals finde sich kein Hinweis. Eine Arthrose des rechten Kniegelenks sei gesichert, jedoch der klinische Befund der Kniegelenke unauffällig. Die vorgetragenen heftigen Schmerzen seien daher nicht auf die Kniegelenke zurückzuführen. Myofasciale Schmerzen, d.h. durch übererregbare Zonen der Muskulatur, die Schmerzen in entfernten Regionen verursachen, seien auszuschließen, da die Untersuchung der sog. Triggerpunkte ergebnislos geblieben sei. Therapeutisch könne möglicherweise über eine stark verkürzte Muskulatur der Oberschenkel nachgedacht werden. Dies könne zu einem Druck auf die Kniescheibe führen und einen Reizzustand im Kniescheibengelenk auslösen und die Beschwerden erklären. Als Pförtner sei der Kläger voll einsetzbar. Eine plausible Erklärung für die glaubhaften Schmerzen nach ca. 100 bis 150 Metern gebe es nicht. Nach 500 Metern dürfte der Kläger an seine Grenze stoßen. Darauf gerichtete Behandlungsversuche seien aber noch nicht von ihm unternommen worden. Durch die Zuhilfenahme von Gehhilfen oder durch Einnahme von Schmerzmedikamenten sei eine Verbesserung der freien Gehstrecke wahrscheinlich. Aufgrund der inkompletten Hemiparese könne der Kläger aus Sicherheitsgründen nur dann einen Pkw steuern, wenn bestimmte Sicherheitsauflagen erfüllt seien (z. B. Automatikgetriebe).
In der nichtöffentlichen Sitzung des SG vom 8. September 2009 kam eine Einigung der Beteiligten des dortigen Verfahrens zustande, wonach dem Kläger eine volle Erwerbsminderungsrente vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2012 zuerkannt worden ist.
Der Beklagte hat die Rentenakte prüfärztlich auswerten und durch die Prüfärztin Dr. W. unter dem 2. September 2010 vortragen lassen: Nach den Feststellungen in drei Gutachten seien keine relevanten Folgeerscheinungen aus dem Schlaganfall zurückgeblieben. Wegen der nur diskreten Defizite sei ein GdB von 30 zutreffend. Der Kläger hat in Kenntnis dieser prüfärztlichen Stellungnahme eine weitere Begutachtung angeregt.
Der Senat hat einen Befundbericht von Dipl.-Med. C. vom 30. Oktober 2010 eingeholt. Dieser hat für den Zeitraum vom 15. Februar 2007 bis zum 6. September 2010 angegeben: Erstmals am 15. Februar 2007 sei ein erhöhter Cholesterinwert festgestellt worden. Diagnostisch bestehe neben den bekannten Befunden ein Hypertonus (140/90 mmHg (15.2.2007); 150/90 mmHg (25.11.2008)) sowie einer Hyperlipidämie. Der Kläger habe als Beschwerden die Einschränkung der Feinmotorik und der groben Kraft im linken Arm, Schmerzen im LWS-Bereich und in beiden Kniegelenken angegeben. Bei Stresssituationen komme es zu Kopfschmerzen, schnellem Schwitzen und Gedächtnisstörungen. Auf die Frage, ob sich die Befunde verbessert oder verschlechtert haben, hat er mitgeteilt, die Hemiparese links sei deutlich rückläufig und nur noch die Motorik bzw. Sensibilität gestört. Dem Befundbericht waren bereits bekannte Arztbriefe u.a. von dem Facharzt für Neurologie/Psychiatrie L. aus dem Jahr 2005 beigefügt.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 hat der Senat den Kläger auf die geringen Erfolgsaussichten der Berufung und die Notwendigkeit, neue medizinischen Tatsachen vorzutragen hingewiesen. Nach dem aktuellen Befundbericht von Dipl.-Med. C. habe sich die Hemiparese deutlich rückläufig entwickelt. Das Schreiben enthielt eine Fristsetzung sowie eine Belehrung nach § 106 a Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Kläger hat die Beziehung der Rentenakte beantragt und die Gehstörungen des Klägers gerade auf unebenen Wegen und die Beeinträchtigung seiner Beine hervorgehoben.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten und das beigezogene Rentenverfahren S 2 R 272/07 (Sozialgericht Stendal) haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2006 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Die Klage ist aber unbegründet. Die Gesundheitsstörungen des Klägers rechtfertigen nur einen Grad der Behinderung von 30. Bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG v. 12. April 2000 – B 9 SB 3/99 R = SozR 3-3870 § 3 Nr. 9, S. 22). ). Danach liegt bei dem Kläger seit der Antragstellung am 29. April 2005 bis zum heutigen Zeitpunkt ein Grad der Behinderung von 30 vor.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von dem Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den Grad der Behinderung die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den Grad der Behinderung die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2004 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden daher nur die Vorschriften der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zitiert.
Der hier streitigen Bemessung des Grads der Behinderung ist die GdS (Grad der Schädigung)-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 8 ff.) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 8) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 18).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen sowie die vorliegenden Reha-Berichte und das Sachverständigengutachten von Dr. S. aus der Vorinstanz sowie die beiden gerichtlichen Sachverständigengutachten aus dem beigezogenen Rentenverfahren S 2 R 272/07 (Dr. B. und dem Arzt Z.).
a) Das Hauptleiden des Klägers wird durch den erlittenen Hirninfarkt geprägt und betrifft das Funktionssystem Nervensystem/Psyche.
Bei Hirnschäden – wie einem Hirninfarkt – ist nach 26.3. der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit S. 40 ff bzw. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze S. 35 ff entscheidend für die Bewertung das Ausmaß der bleibenden Ausfallerscheinungen. Dabei sind die neurologischen Befunde, die Ausfallerscheinungen im psychischen Bereich und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommen für die GdB/MdE-Beurteilung Sätze zwischen 20 und 100 in Betracht.
Hirnschäden werden dabei generell in drei große Gruppen unterteilt:
A. Grundsätze der Gesamtbewertung von Hirnschäden
1. Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ... 30 – 40
2. Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung ... 50 – 60
3. Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung ...70 – 100
Bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der GdB/MdE-Grad aus Vergleichen mit den nachfolgend aufgeführten Gliedmaßenverlusten, peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzuleiten.
In dem speziellen Rahmen von isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen ergibt sich nach Nr. 3.1.2. (S.37) der Versorgungsmedizinischen Grundsätzen folgende Bewertung:
Zerebral bedingte Teillähmungen und Lähmungen
leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen ... 30
bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen
ist der GdB/MdE-Grad aus Vergleichen mit den
nachfolgend aufgeführten Gliedmaßenverlusten, peripheren
Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen
abzuleiten
vollständige Lähmung von Arm und Bein (Hemiplegie) ...100
Nach der überzeugenden Feststellung des Sachverständigen Dr. S. ist beim Kläger eine cerebral bedingte Teillähmung und Lähmung mit leichten Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen verblieben. Der Sachverständige bewertet diese Schlaganfallsfolge mit einem Einzel-GdB von 30 und bewegt sich damit genau in dem Bereich, der für leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen heranzuziehen ist. Diese Einschätzung des Sachverständigen hält der Senat daher für nachvollziehbar und zutreffend. Weitere Folgeschäden vermochte der Sachverständige nicht festzustellen. So sind beim Kläger keine gravierenden psychischen Störungen, Persönlichkeitsänderungen, Sprach- oder Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen oder andere schlaganfallbedingte Schädigungsfolgen zurückgeblieben. Diese Einschätzung wird durch den Sachverständigen Dr. B. in seinem rentenversicherungsrechtlichen Gutachten vom 26. August 2008 bestätigt. Auch er beschreibt die Auswirkungen des Schlaganfalls mit einer blanden residual distal und armbetonten Hemiparese links mit Feinmotorikstörung der linken Hand sowie blander Stand- und Gangunsicherheit, insbesondere im linken Bein mit funktioneller Ausgestaltung sowie einer leichten reaktiv depressiven Krankheitsverarbeitung nach Hirninfarkt. Wesentliche Änderungen sind auch dem aktuellen Befundbericht vom 30. Oktober 2010 des behandelnden Hausarztes Dipl.-Med. C. nicht zu entnehmen. Dieser Arzt weist sogar auf eine deutlich rückläufige Hemiparese hin, die lediglich noch Motorik- und Sensibilitätsstörungen bewirke. Die Schlaganfallsfolgen haben sich damit eher leicht verbessert, aber keinesfalls verschlechtert. Weitere aktuelle Behandlungen wegen der Folgen des Schlaganfalls hat der Kläger nach Fristsetzung des Senats und Belehrung nach § 106 a SGG nicht vorgetragen.
b) Die festgestellte Kniearthrose (rechts) im Funktionssystem Bein, die zu einer Athroskopie (2007) mit Knorpelglättung und Entfernung von freien Gelenkkörpern geführt hatte, bleibt ohne funktionale Auswirkungen und rechtfertigt keinen Einzel-GdB. Nach dem überzeugenden klinischen Befund vom Sachverständigen Z. im Gutachten vom 12. Januar 2009 blieben die Bewegungsprüfung sowie die Untersuchung der Kniegelenke unauffällig. So fanden sich keine Hinweise auf Bewegungsschmerzen, Reizungen oder Instabilitäten der Bänder. Das von Herrn Z. festgestellte starke Patellarreiben im rechten Kniegelenk bleibt ohne funktionale Folgen. Hinweise auf danach eingetretene Verschlechterungen im Kniebereich liegen nicht vor und wurden vom Kläger auch nicht behauptet.
Die von ihm angegebenen starken Beinschmerzen bei Belastung erhöhen den GdB nicht. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (S. 21) schließen die jeweiligen GdB-Grade die üblicherweise damit verbundenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. In den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können ggf. höhere GdB-Werte angesetzt werden. Dies gilt insbesondere bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach Amputationen (Stumpfnervenschmerzen, Phantomschmerzen). Der Kläger hat keine spezielle Schmerztherapie in Anspruch genommen. Die von ihm vorgetragenen besonderen Schmerzen im Bein gehören deshalb zu den mit der GdB-Festsetzung erfassten üblichen Schmerzerscheinungen und rechtfertigen keine Höherbewertung des GdB. Hiervon abgesehen erscheint das Auftreten besonders starker Schmerzen auch zweifelhaft. Für den vornehmlich im Rentenverfahren beschriebenen gravierenden Knie-Bein-Schmerz unklarer Genese, der beim Kläger nach seinen Angaben bereits nach Zurücklegen kurzer Wegstrecken am Weitergehen hindere, fehlt eine nachvollziehbare somatische Ursache. In zwei Rentengutachten konnten die Sachverständigen Dr. B. auf neurologischem und der Arzt Z. auf orthopädischem Gebiet dafür keine plausible Erklärung finden. Weder wurden eine arterielle Verschlusskrankheit noch eine Einengung des Rückenmarkkanals ausfindig gemacht. Auch die zunächst erwogenen sog. myofascialen Schmerzen konnte Herr Z. wegen fehlender Triggerpunkte letztlich nicht feststellen. Schwere Verschleißerscheinungen im Kniebereich hat er ebenfalls nicht gefunden. Zwar besteht nach seinen Angaben eine Arthrose im rechten Kniegelenk. Allerdings blieb der klinische Kniebefund in der Untersuchung unauffällig. Seine Hypothese, es liege möglicherweise eine verkürzte Muskulatur der Oberschenkel vor, bleibt ohne objektiven Befund und lässt keinen Rückschluss auf eine bestimmte Erkrankung bzw. Behinderung zu. Weitere medizinische Tatsachen hat der Kläger trotz Fristsetzung und gerichtlicher Belehrung zu diesem Aspekt nicht vorgetragen.
Gegen ein schwerwiegendes Schmerzsyndrom, das die Beinbeweglichkeit des Klägers in schwerwiegender Weise einschränkt, spricht auch das gesundheitliche Gesamtbild. So finden sich keine Begleitsymptome wie Muskelatrophien oder Inaktivitätsosteoporosen, die für eine starke Bewegungsschonung der Beine sprechen könnten. Die Vermutung des Sachverständigen Z., der Kläger werde nach 500 Metern an seine Grenze stoßen, stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben des Klägers. Vergleicht man dessen Vortrag im Rentenverfahren S 2 R 272/07 mit dem Vorbringen in diesem Verfahren ergeben sich hinsichtlich einer Einschränkung der Gehfähigkeit auch Widersprüche. Im Rentenverfahren hat der Kläger im Oktober 2007 vortragen lassen, er sei kaum mehr in der Lage, Wegstrecken von 300 bis 400 Metern zu bewältigen. Eine so gravierende Gehstörung hat er gegenüber Dr. S. in der Untersuchung vom 10. August 2007 nicht angegeben, obwohl zu diesem Zeitpunkt dieses Beschwerdebild bereits vorgelegen haben müsste. Auch in weiteren Befundberichten der ihn behandelnden Ärzte finden sich keine Hinweise, die auf eine schmerzbedingte gravierende Gehstörung und auf deutliche Verschlechterungen hindeuten könnten (vgl. Befundbericht L. vom 25. Oktober 2007; Dipl.-Med. C. vom 30. Oktober 2010). Schließlich ist es auch schwer nachvollziehbar, dass der Kläger angesichts einer so schwerwiegenden Schmerzproblematik in den Beinen ohne Schmerzmittel oder –therapie auskommt. Die von ihm behauptete schwerwiegende schmerzbedingte Gangstörung bei Belastung ist in den gerichtlichen Verfahren nicht durchgehend, nicht übereinstimmend und insgesamt nicht plausibel beschrieben worden. Auch dies steht einer Berücksichtigung und Erhöhung des GdB-Grades entgegen.
Auch die vom Kläger mehrfach beschriebene schmerzbedingte Einschränkung der Gehfähigkeit ist nicht frei von Widersprüchen. So hat er gegenüber dem Sachverständigen Z. angegeben, er habe Schmerzen in beiden Kniegelenken. Der Schmerz trete bereits beim Hinstellen auf und nehme beim Gehen zu. Hiernach kommt es bereits beim Stehen zum Schmerzimpuls, der sich unter Belastung dann steigert. Dies steht teilweise im Widerspruch zu den Untersuchungsergebnissen des Orthopäden Z. aus dem Gehtest. Denn dabei ging der Kläger im Wechselschritt die Treppe herab, hielt sich am Geländer fest und wirkte unsicher. Der Gang auf der Straße war zunächst zügig und wurde erst nach etwa 80 m wegen behaupteter Schmerzen langsamer. Bei dem vom Kläger vorher beschriebenen Schmerzverlauf hätte der Schmerz bereits im Stehen auftreten müssen und sich dann nach dem Treppensteigen und einem Gang von 80 Metern in zügigem Tempo viel schneller bemerkbar machen müssen. Außerdem hat der Kläger seine Einschränkungen bei den Untersuchungen von Dr. B. und Herrn Z. unterschiedlich dargestellt. Während er bei Dr. B. noch die Fähigkeit zu Gartenarbeiten und Spaziergängen mit dem Hund bis zur Waldgrenze beschrieben hatte, schwächte er sein Leistungsvermögen kurze Zeit später in der Untersuchung bei Herrn Z. erheblich ab und gab an, seit 20 Jahren keine Gartenarbeit mehr verrichten und den Hund nicht mehr ausführen zu können.
c) Das vom Sachverständigen Z. beschriebene Lendenwirbelsyndrom betrifft das Funktionssystem Rumpf. Es tritt beim Kläger jedoch durchschnittlich nur einmal im Jahr im Winter auf. Eine dauerhafte funktionale Einschränkung besteht daher nicht. Dies zeigt auch die klinische Untersuchung der Wirbelsäule durch den Sachverständigen und die von ihm ermittelten Bewegungsmaße. Ein Einzel-GdB kann hierfür nicht vergeben werden.
d) Eine psychische Behinderung des Klägers liegt allenfalls andeutungsweise vor. Der Sachverständige Dr. B. vermochte in psychischer Hinsicht keine Auffälligkeiten feststellen und konnte allenfalls eine leichte depressive Störung erkennen, deren Folgen jedoch zu vernachlässigen sind und auch nicht medikamentös oder psychotherapeutisch behandelt werden. Gegen eine nennenswerte psychische Störung sprechen auch die von den Sachverständigen berichteten strukturierten Tagesabläufe des Klägers. Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sind diesen ausführlichen Explorationen nicht zu entnehmen, auch nicht aus den zurückhaltenden Hinweisen auf Nikotin- und Alkohohlabusus des Klägers.
e) Die vom Kläger angegebenen Hörstörungen sind trotz ausführlicher Explorationen in keinem der drei Sachverständigengutachten bestätigt worden. So konnte er offenbar problemlos den ihm gestellten Fragen folgen. Fachärztliche Behandlungen der Ohren hat er offenbar bis heute auch nicht in Anspruch genommen. Dies gilt auch für die von ihm mitgeteilten Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.
f) Die bestehende Stoffwechselstörung wird vom Hausarzt ständig kontrolliert und hat keinerlei funktionale Auswirkungen, ebenso nicht die medikamentös gut eingestellte Hypertonie. Auch insoweit bleibt für einen Einzel-GdB von mindestens 10 kein Raum.
g) Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen und zumindest mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 zu bewerten wären, sind nicht erkennbar.
h) Da bei dem Kläger Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren Grad der Behinderung vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 8) anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Mangels weiterer Behinderungen, die einen Einzel-GdB von mindestens 10 rechtfertigen könnten, bleibt es bei dem vom Beklagten zutreffend festgestellten Gesamt-GdB von 30.
Letztlich widerspräche hier die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft dem nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A Nr. 3b, S. 10) zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Im Vergleich mit Gesundheitsschäden, zu denen in der GdS-Tabelle feste Werte angegeben sind, ist bei dem Kläger ein höherer Gesamtgrad als 30 nicht gerechtfertigt. Die Gesamtauswirkung seiner Funktionsstörungen beeinträchtigt seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft insbesondere nicht so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 160 SGG nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Grad der beim Kläger festzustellenden Behinderung (GdB) umstritten.
Der am ... 1957 geborene Kläger beantragte am 29. April 2005 beim Beklagten nach einem Schlaganfall die Feststellung von Behinderungen wegen einer feinmotorischen Störung der linken Hand und des linken Beines. Der Beklagte holte einen ärztlichen Entlassungsbericht der M.klinik F. ein, in dem der Ärztliche Direktor Dr. Dr. R. über einen stationären Aufenthalt vom 30. März 2005 bis 4. Mai 2005 berichtete. Er diagnostizierte einen Mediainfarkt rechts am 18. März 2005 mit leichter Hemiparese links, Koordinations- und Feinmotorikdefiziten der linken Hand sowie eine Gangunsicherheit. Nach einer Notfallbehandlung am 18. März 2005 in die Universitätsklinik M. wegen einer Schwäche- und Gefühlsstörung der linken Körperseite habe eine MRT-Aufnahme des Schädels einen Hirninfarkt im hinteren Schenkel bestätigt. Beim Aufnahmegespräch habe der Kläger über eine Schwäche der linken Extremitäten, eine Ungeschicklichkeit der linken Hand, eine Gangunsicherheit sowie eine geminderte Belastbarkeit geklagt. Bei der motorischen Prüfung der Muskelkraft hätten sich eine Kraftminderung der linken Extremitäten sowie Schwächen beim Zehenballenstand und im Zehenballengang links gezeigt. Bei einem Belastungstest mittels Fahrradergometer am 22. April 2005 sei eine Leistung bis in die erste Minute von 150 Watt erreicht worden. In neuropsychologischer Hinsicht bestehe eine unauffällige, knapp durchschnittliche bis durchschnittliche kognitive Leistung. Aufgrund der rehabilitativen Maßnahmen sei zum Entlassungszeitpunkt eine gute allgemeine Konditionierung erreicht worden. Die Kraft der linken Extremitäten habe deutlich zugenommen. Trotz wesentlicher Verbesserungen der Feinmotorik- und Koordinierungsdefizite der linken Hand bestehe dort aktuell noch eine erhebliche Einschränkung.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. C. berichtete über ein auf dem rechten Ohr etwas schlechteres Hörvermögen und ein unauffälliges Gangbild. Die Gehstrecke sei nicht eingeschränkt. Es bestehe linksseitig eine Kraftminderung sowie eine Dysdiadochokinese (Störung der Muskelbewegungen).
Der Beklagte ließ diese Befunde durch die Versorgungsärztin MedOR Dr. W. unter dem 24. Oktober 2005 auswerten. Diese sprach sich für die Feststellung einer Bewegungsstörung und Kraftminderung des linken Armes nach Schlaganfall aus und hielt hierfür einen Gesamt-GdB von 30 für gerechtfertigt. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 2005 ab dem 29. April 2005 einen Grad der Behinderung von 30 fest. Hiergegen erhob der anwaltlich vertretene Kläger Widerspruch und begehrte einen GdB von 50. Aufgrund der Lähmung der linken Seite, insbesondere des linken Armes sowie der Störung der Feinmotorik und Koordination in beiden Händen sei eine Höherbewertung der Behinderung geboten. Die Versorgungsärztin Dipl.-Med. R. bestätigte unter dem 14. Februar 2006 die bisherige Bewertung des Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 2. Juni 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) S. Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Das SG hat Befundunterlagen der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland eingeholt. Nach einem darin eingeholten Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. C. vom 27. Juli 2005 bestehe beim Kläger eine Gangstörung beim Treppensteigen. Auch seien ihm Laufen bzw. Rennen nicht möglich. Ferner seien die Feinmotorik im linken Arm und Bein gestört und Nervenschmerzen im linken Bein vorhanden. Daneben bestünden eine Hörstörung links sowie eine Stand- und Gangunsicherheit. Eine stärkere Gehbehinderung liege aber nicht vor. Mit Arztbrief vom 7. Dezember 2005 berichtete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie L. über eine psychologische Testung des Klägers. Dieser verfüge über eine gute durchschnittlich bis überdurchschnittliche Intelligenz. Hinweise für einen Abbau von Denkleistungen oder eine Hirnleistungsschwäche bestünden nicht. Es seien jedoch Anzeichen für eine neurotische Leistungshemmung und eine Zwanghaftigkeit zu erkennen. In einem beigefügten Arztbrief berichtete der Facharzt für Allgemeinmedizin und Phlebologie Dr. B. am 2. Juli 2006: Duplexsonografisch könne eine thrombotische Veränderung ausgeschlossen werden. Die Beinbeschwerden seien nicht auf Durchblutungsstörungen zurückzuführen. Der Facharzt für Orthopädie und Manualtherapie Dr. W. gab am 7. August 2006 an: Seit Frühjahr 2006 habe der Kläger Beschwerden im linken Bein, den Knien und im Bereich der Unterschenkel. Diagnostisch bestünden Rückenschmerzen im Lumbalbereich. Die Versorgungsärztin Dr. W. hat diese Befunde in der prüfärztlichen Stellungnahme vom 19. März 2007 ausgewertet: Beim Kläger sei allenfalls von einer sehr diskreten Kraftminderung auszugehen. Die Alltagsaktivitäten seien selbständig ausführbar. An der bisherigen Bewertung sei daher festzuhalten.
Das SG hat vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. ein nervenfachärztliches Gutachten vom 13. August 2007 nach ambulanter Untersuchung am 10. August 2007 erstatten lassen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat der Kläger in der Anamnese angegeben, immer noch unter Bewegungsstörungen der linken Hand und der linken Körperhälfte zu leiden. Die linke Hand sei deutlich ungeschickter als früher. Auch das Hören sei auf der linken Seite schlechter geworden. Das Gleichgewicht bereite ihm Probleme, manchmal mache er einen Ausfallschritt zur linken Seite. Er könne nicht mehr so schnell laufen wie früher bzw. überhaupt nicht mehr rennen. Seinen Zigarettenkonsum habe er von 50 bis 60 auf 15 Zigaretten täglich reduziert. Er trinke regelmäßig abends etwa sechs bis sieben Flaschen Bier. Nach einer Hodentorsion im Jahre 2003 habe ihm ein Hoden entfernt werden müssen. Derzeit bewohne er ein kleines Eigenheim und mache noch etwas Gartenarbeit. Als Hobby habe er die Aquaristik. Dr. S. hat einen unauffälligen psychischen Befund angegeben. Eine antidepressive Medikation werde nicht eingenommen. Der Kläger sei in Begleitung seines Bruders selbst mit dem Kraftfahrzeug zum Gutachter nach B. gefahren. Die gesamte Wirbelsäule zeige keinen Klopfschmerz. Der Zehen- und Hackenstand sei beidseits ausführbar. Muskelatrophische Veränderungen im Bereich der oberen und unteren Extremitäten bestünden nicht. Das Gangbild sei frei. Der Finger-Nasenversuch sowie der Kniehackenversuch seien links unsicher. Zusammenfassend bestehe eine leichte armbetonte Halbseitenschwäche links mit Herabsinken bzw. einer leichten Pronationstendenz der linken oberen Extremität im Armhalteversuch. Ferner sei die linke untere Extremität nach einem längeren Beinhalteversuch diskret abgesunken. Zusammenfassend seien eine zu vernachlässigende diskrete zentrale Facialisparese links sowie eine deutliche Unsicherheit im Finger-Nasenversuch links und eine deutliche Bradidysdiadochokinese links festzustellen. Eine Hemispastik sowie eine Hemihypästhesie bestünden nicht. Daneben seien eine Fettstoffwechselstörung sowie ein deutlicher Hinweis auf einen Nikotin- sowie chronischen Alkoholabusus festzustellen. Hinsichtlich des Alkoholabusus fänden sich Hinweise für ein leichtes vegetatives Entzugssyndrom. Die neurologischen Ausfälle seien mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2004 sei dieser Bewertungsrahmen bei cerebral bedingten Teillähmungen und Lähmungen, insbesondere bei leichten Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen heranzuziehen. Nikotin- bzw. Alkoholabusus seien nicht behinderungsrelevant.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Schlaganfall habe allenfalls leichte Restbeschwerden verursacht. Der vom Sachverständigen Dr. S. angenommene Einzel-GdB von 30 sei zutreffend. Weder die Stoffwechselerkrankung noch der Nikotin- und Alkoholabusus rechtfertigten einen gesonderten Einzel-GdB.
Gegen den am 22. Januar 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger rechtzeitig am 5. Februar 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hält an seinem bisherigen Vorbringen fest und macht ergänzend geltend: Eine Operation am rechten Knie habe keine Besserung gebracht. Infolge des Schlaganfalls seien eine Schwerhörigkeit links und eine Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus entstanden. Zusätzlich müssten die Störung der Feinmotorik und die Stoffwechselerkrankung berücksichtigt werden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 16. Januar 2008 sowie den Bescheid vom 26. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab 29. April 2005 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend. Ferner macht er geltend, es sei der gutachtlichen Bewertung von Dr. S. zu folgen. Eine vom Kläger behauptete Schwerhörigkeit sowie die Hörleistungsminderung seien ärztlich nicht belegt.
Der Senat hat das Rentenverfahren S 2 R 272/07 (Sozialgericht Stendal - SG) beigezogen. In diesem Verfahren hat der Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2007 vortragen lassen: Seit einer Operation des rechten Knies im April 2007 sei eine gesundheitliche Verschlechterung eingetreten. Er sei kaum in der Lage, Wegstrecken von 300 bis 400 Metern beschwerdefrei zu gehen. Hierbei träten in beiden Beinen erhebliche Schmerzen auf, die ihn zu längeren Pausen zwängen. Das SG hat einen Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie L. vom 25. Oktober 2007 eingeholt. Danach habe der Kläger zunächst über Bewegungsstörungen, Kribbelgefühle im linken Bein und Hörstörungen links geklagt. Später habe er über ein Einschlafen des linken Armes, eine Instabilität des linken Beines und Schmerzen in der linken Wade berichtet. Diagnostisch bestehe ein Zustand nach Hirninfarkt rechts mit leichter Hemiparese links. Im Juni 2006 habe der Kläger über Beschwerden im linken Bein, Knie- und Unterschenkel geklagt. In einem weiteren Befundbericht vom 8. November 2007 berichtete der Facharzt für Orthopädie M. über eine Arthroskopie des linken Knies am 3. Mai 2007. Dabei seien eine Teilentfernung des Innenmeniskus, eine Knorpelglättung und eine laterale Kapselspaltung vorgenommen sowie freie Gelenkkörper entfernt worden. Diagnostisch bestünden ein Kniebinnenschaden mit Knorpelschaden sowie eine Meniskusläsion und ein chronisches Lumbalsyndrom. Der Facharzt L. gab unter dem 25. Oktober 2007 eine Gangunsicherheit des Klägers an. Hinweise auf eine erhebliche Schmerzproblematik beim Gehen sind dem Bericht nicht zu entnehmen.
Das SG hat in dem Rentenverfahren ein nervenärztliches Gutachten vom Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neuropsychiatrie Dr. B. (A. Kliniken S.) vom 26. August 2008 (Untersuchung vom 8. Mai 2008) und ein orthopädisches Gutachten vom Facharzt für Orthopädie Z. vom 12. Januar 2009 (Untersuchung vom 23. Dezember 2008) eingeholt. Dr. B. hat berichtet: Der Kläger habe als Beschwerden eine Feinmotorikstörung der linken Hand angegeben. Das Gehen sei durch eine Schwäche im linken Fuß eingeschränkt, was sich insbesondere beim Treppensteigen auswirke. Ferner habe er Schmerzen beim Stehen im Unterschenkel und knieabwärts auf beiden Seiten. Er könne nur noch eingeschränkt gehen. So sei ihm gerade noch der Einkauf in einem Supermarkt möglich. Wegen gefühlter Gleichgewichtsstörungen mache er zum Teil Ausfallschritte. Gegenstände könne er mit der linken Hand teilweise nicht richtig festhalten. Zeitweise würden Krämpfe in der linken Hand und des Nachts in beiden Unterschenkeln auftreten. Rechtsseitig sei das Gehen nach der Meniskusoperation zwar möglich, jedoch hätten sich die Unterschenkelschmerzen verstärkt. Er sei in seinem Verhalten nicht mehr so unternehmungslustig wie vor dem Hirninfarkt. Für Einkäufe könne er nur noch kurze Strecken mit dem Auto fahren. Längere Strecken mute er sich aus Konzentrationsgründen überhaupt nicht mehr zu. Er könne noch Zeitung lesen und fernsehen, auch Schreiben sei noch möglich. Handwerkliche Leistungen seien wegen der motorischen Störungen mit links unmöglich. Für die Reinigung des Gartenteichs benötige er 15 Minuten, müsse dann aber eine Pause einlegen. Vor dem Schlaganfall habe er als Berufskraftfahrer bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet. Er habe Schlafstörungen und grüble viel. Er gehe gegen 1.30 Uhr ins Bett, könne dann aber entspannt einschlafen. Er schlafe ca. sieben bis acht Stunden, nachdem er sich angewöhnt habe, abends vier bis fünf Bier zu trinken. Vorher habe er nur vier bis fünf Stunden schlafen können. Die Familie sei für sein Leben sehr wichtig und stünde hinter ihm. Er habe Rückenschmerzen ohne Ausstrahlung in die Beine. Diese kämen regelmäßig für zwei bis drei Wochen im Winter oder wenn er sich verhoben habe. Schmerzmittel nehme er nicht. Wegen der Rückenschmerzen reibe er sich zum Teil mit einer Salbe ein.
Zum Tagesablauf hat der Kläger angegeben: Er stehe zwischen 7.30 Uhr und 9.00 Uhr auf, lese Zeitung und trinke Kaffee. Nach Rückkehr der Ehefrau im Verlauf des Vormittags füttere er die Tiere (Kaninchen) und kümmere sich um den Teich und lasse den Hund laufen. Er könne langsam mit dem Hund ca. 150 Meter bis zur Waldgrenze laufen. Dies bereite ihm wegen des unebenen Geländes aber Schwierigkeiten. In den letzten zwei Wochen sei er zwei Mal hingefallen. Er koche selbst, was ihm auch viel Spaß mache. Das Schneiden und Zubereiten der Speisen gehe noch. Manchmal, z.B. beim Kartoffelschälen, habe er Verkrampfungen in der linken Hand. Nachmittags gebe es dann ein Kaffeetrinken. Teilweise erledige er auch noch Arbeiten im Garten. Als Hobby habe er die Aquaristik und beschäftige sich mit anderen Tierarten. Er lese jetzt mehr als früher (Krimis oder Sachbücher über Aquaristik).
Zum Untersuchungsbefund hat der Sachverständige festgestellt: Die Wirbelsäule sei nicht klopf- und druckschmerzhaft. Es bestehe ein Finger-Boden-Abstand von 20 cm. Die Iliosacralfugen seien nicht beeinträchtigt. Alle Gelenke seien frei beweglich. In psychischer Hinsicht habe der Kläger wach und voll orientiert gewirkt. Er habe sich bemüht, sein Anliegen geordnet vorzutragen. Die Gedächtnisleistung sei unter Berücksichtigung der Sozialisation und des Ausbildungsstandes gut und die Konzentrationsfähigkeit nicht eingeschränkt. Die Stimmungslage erscheine zum depressiven Pol hin verschoben. Anhaltspunkte für Denkstörungen, Ängste, Phobien oder Zwänge bestünden nicht. Der Hirnnervenstatus sei insgesamt unauffällig. Bei der Reflexstatus-Motorik sei eine blande Feinmotorikstörung der linken Hand sowie eine distal armbetonte Hemiparese links mit leichter Tonuserhöhung festzustellen. Teilweise seien plötzliche Tonusabbrüche aufgetreten (z.B. beim Rad fahren in der Luft), die bei Motivation und Ablenkung deutlich weniger ausgeprägt gewesen seien. Der Fußspitzen- und Fersengang sei beidseits möglich. Beim Gehen ziehe der Kläger das linke Bein etwas nach. Unsicherheiten in den Stand- und Gangprüfungen seien bei Ablenkung deutlich sicherer und erscheinen etwas funktionell ausgestaltet. Im Becks-Depressionsinventar habe sich der klinische Gesamteindruck bestätigt und es sei von einer leichten depressiven Störung auszugehen. Insgesamt habe der Kläger eine mehrstündige Untersuchung und Testung problemlos gemeistert und keine Konzentration- und Aufmerksamkeitsstörungen gezeigt. Die gewisse funktionelle Ausgestaltung der Beschwerden sei nicht als Simulation, sondern als bewusstseinsferne Anpassungsreaktion zu bewerten. Die angegebenen Schmerzen in beiden Beinen seien nervenärztlich nicht zu erklären. Neurologisch habe sich kein Hinweis für eine Claudicatio spinalis ergeben. Eine orthopädische Erklärung für die Schmerzen erscheine nicht sehr wahrscheinlich, müsse jedoch ggf. noch fachärztlich überprüft werden. Auf nervenärztlichem Gebiet lägen eine blande residuale distal- und armbetonte Hemiparese links mit Feinmotorikstörung der linken Hand sowie eine blande Stand- und Gangunsicherheit, insbesondere im linken Bein mit funktioneller Ausgestaltung und eine reaktiv depressive Krankheitsverarbeitung nach Hirninfarkt vor. Auf fachfremdem Gebiet seien belastungsabhängige Beinschmerzen unklarer Ätiologie festzustellen. Die reaktiv depressive Krankheitsverarbeitung sei auf den Hirninfarkt zurückzuführen. Diese habe echten Krankheitswert, sei jedoch in ihren Auswirkungen eher gering. Einschränkungen ergäben sich aus der Feinmotorikstörung der linken Hand, der Stand- und Gangunsicherheit sowie den auftretenden Schmerzen in beiden Beinen bei längeren körperlichen Belastungen, was ggf. den vermehrten Einsatz von Ruhepausen erforderlich mache. Innerhalb dieser Grenzen sei der Kläger normal arbeitsfähig und z.B. als Pförtner einsetzbar. Muskelatrophien an Armen und Beinen, die auf eine Schonung hinweisen könnten, seien nicht vorhanden und angesichts der blanden Parese auch nicht zu erwarten. Der Kläger könne viermal täglich mindestens 500 Meter zu Fuß zurücklegen und dabei ggf. kürzere Pausen einlegen. Aufgrund der Feinmotorikstörung der linken Hand sei er nicht in der Lage, einen Pkw mit ausreichender Sicherheit zu steuern.
Der Facharzt Z. hat in seinem orthopädischen Gutachten angegeben: Der Kläger habe mitgeteilt, er leide seit zwanzig Jahren durchschnittlich ein Mal im Jahr im Winter an starken Schmerzen im unteren Lumbalbereich und gelegentlich an Verkrampfungen in einer Gesäßhälfte. Er gehe dann zum Arzt, lasse sich dort Spritzen geben, was die Beschwerden bessere. Die arthroskopische Untersuchung am rechten Knie habe die stechenden Schmerzen beseitigt. Es seien aber noch Schmerzen, z.B. beim Bücken, verblieben. Seit dem Schlaganfall könne er nicht mehr sicher und nicht mehr schnell gehen. Beim Treppensteigen habe er ein unsicheres Gefühl. Auch habe er auf beiden Seiten Schmerzen in den Knien. Der Schmerz trete auf, sobald er sich hinstelle und nehme beim Gehen zu. Wenn er länger sitze, müsse er die Beine hin und wieder bewegen. Beim Gehen komme es zu einer Schmerzausstrahlung in die Waden. Er vermeide daher längere Wegstrecken und gehe kaum weiter als 150 Meter. Das Ausführen des Hundes unterbleibe daher. Das Tier habe im Hof genügend Auslauf. Am besten könne er auf Asphalt gehen. Das Bergaufgehen falle ihm schwerer als das Abwärtsgehen. Er müsse sich wegen der Schmerzen hinsetzen oder aber mit den Armen abstützen, z.B. auf einen Einkaufswagen. Wie lange genau, könne er nicht sagen. Seit über zwanzig Jahren könne er wegen der Rückenschmerzen nicht mehr im Garten arbeiten. Die Schmerzanfälle würden spontan immer in der kalten Jahreszeit auftreten.
Der Sachverständige hatte weiter ausgeführt: Der Kläger befinde sich in einem guten Allgemein- und Kräftezustand. Orthopädische Hilfsmittel würden nicht genutzt. Das Ablegen der Kleider erfolge ohne Mühe. Das Gangbild sei flüssig. Der Einbeinstand sei links hochgradig unsicher. Der Zehen- und Hackengang sei sehr unsicher. Bei einem Gehversuch laufe der Kläger im Wechselschritt die Treppe herab, halte sich am Geländer fest und wirke unsicher, wobei das linke Bein außenrotiert aufgesetzt werde. Im Rahmen eines Gehtests sei der Gang auf der Straße zunächst zügig verlaufen. Nach etwa 80 m habe sich die Schrittlänge verkürzt und sei der Gang langsamer geworden, wobei der Kläger zunehmende Schmerzen unterhalb der Kniescheiben auf beiden Seiten angegeben habe. Nach weiteren 50 m habe er versuchsweise eine zweiminütige Pause eingelegt. Der Schmerz habe sich jedoch nicht verringert und der Gang sei kleinschrittig und langsam geblieben. Die Untersuchung der Kniegelenke habe die folgenden Befunde und Messwerte ergeben:
Rechtes Kniegelenk reizlos. Beugung/Streckung 150°/0°/0°, kein Bewegungsschmerz. Bandapparat stabil. Meniskuszeichen negativ. Starkes Patellarreiben. Kein Druckschmerz über Patella oder Gelenkspalten.
Linkes Kniegelenk reizlos. Beugung/Streckung 150°/0°/0°, kein Bewegungsschmerz. Bandapparat stabil. Meniskuszeichen negativ. Kein Patellarreiben. Kein Druckschmerz.
Die Beinmuskulatur sei mittelkräftig symmetrisch. Die rechte Wade sei in ihrem Umfang um 1,5 cm geringer als die linke. Die Bildauswertung der Kniegelenke habe einen Normalbefund auf beiden Seiten ergeben.
Als Diagnosen lägen vor:
Knie-Bein-Schmerz beidseits mit unklarer Genese,
Schwäche im linken Arm und Bein nach Hirninfarkt,
Wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom.
Die klinischen Befunde zu den Folgen des Schlaganfalls entsprächen denen des Vorgutachters Dr. B ... Das mäßig ausgeprägte Lumbalsyndroms schränke die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in sämtlichen Ebenen nicht ein und sei als altersentsprechend und normal zu bewerten. Zeichen einer Nervenwurzelreizung bestünden nicht. Die Extremitäten wiesen keine Muskelatrophien oder Inaktivitätsosteoporosen auf. Das Verhalten des Klägers beim Gehversuch habe im Wesentlichen seinen Angaben entsprochen, wobei geringe Verdeutlichungstendenzen erkennbar gewesen seien. Wesentliche Aggravationstendenzen seien nicht feststellbar, da der Kläger keinen kränklichen oder schwächlichen Eindruck gemacht habe. Die Schmerzen in den Unterschenkeln und Knien seien orthopädisch nicht erklärbar. Eine arterielle Verschlusskrankheit scheide wegen des tastbaren Fußpulses aus. Für eine Einengung des Rückenmarkkanals finde sich kein Hinweis. Eine Arthrose des rechten Kniegelenks sei gesichert, jedoch der klinische Befund der Kniegelenke unauffällig. Die vorgetragenen heftigen Schmerzen seien daher nicht auf die Kniegelenke zurückzuführen. Myofasciale Schmerzen, d.h. durch übererregbare Zonen der Muskulatur, die Schmerzen in entfernten Regionen verursachen, seien auszuschließen, da die Untersuchung der sog. Triggerpunkte ergebnislos geblieben sei. Therapeutisch könne möglicherweise über eine stark verkürzte Muskulatur der Oberschenkel nachgedacht werden. Dies könne zu einem Druck auf die Kniescheibe führen und einen Reizzustand im Kniescheibengelenk auslösen und die Beschwerden erklären. Als Pförtner sei der Kläger voll einsetzbar. Eine plausible Erklärung für die glaubhaften Schmerzen nach ca. 100 bis 150 Metern gebe es nicht. Nach 500 Metern dürfte der Kläger an seine Grenze stoßen. Darauf gerichtete Behandlungsversuche seien aber noch nicht von ihm unternommen worden. Durch die Zuhilfenahme von Gehhilfen oder durch Einnahme von Schmerzmedikamenten sei eine Verbesserung der freien Gehstrecke wahrscheinlich. Aufgrund der inkompletten Hemiparese könne der Kläger aus Sicherheitsgründen nur dann einen Pkw steuern, wenn bestimmte Sicherheitsauflagen erfüllt seien (z. B. Automatikgetriebe).
In der nichtöffentlichen Sitzung des SG vom 8. September 2009 kam eine Einigung der Beteiligten des dortigen Verfahrens zustande, wonach dem Kläger eine volle Erwerbsminderungsrente vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2012 zuerkannt worden ist.
Der Beklagte hat die Rentenakte prüfärztlich auswerten und durch die Prüfärztin Dr. W. unter dem 2. September 2010 vortragen lassen: Nach den Feststellungen in drei Gutachten seien keine relevanten Folgeerscheinungen aus dem Schlaganfall zurückgeblieben. Wegen der nur diskreten Defizite sei ein GdB von 30 zutreffend. Der Kläger hat in Kenntnis dieser prüfärztlichen Stellungnahme eine weitere Begutachtung angeregt.
Der Senat hat einen Befundbericht von Dipl.-Med. C. vom 30. Oktober 2010 eingeholt. Dieser hat für den Zeitraum vom 15. Februar 2007 bis zum 6. September 2010 angegeben: Erstmals am 15. Februar 2007 sei ein erhöhter Cholesterinwert festgestellt worden. Diagnostisch bestehe neben den bekannten Befunden ein Hypertonus (140/90 mmHg (15.2.2007); 150/90 mmHg (25.11.2008)) sowie einer Hyperlipidämie. Der Kläger habe als Beschwerden die Einschränkung der Feinmotorik und der groben Kraft im linken Arm, Schmerzen im LWS-Bereich und in beiden Kniegelenken angegeben. Bei Stresssituationen komme es zu Kopfschmerzen, schnellem Schwitzen und Gedächtnisstörungen. Auf die Frage, ob sich die Befunde verbessert oder verschlechtert haben, hat er mitgeteilt, die Hemiparese links sei deutlich rückläufig und nur noch die Motorik bzw. Sensibilität gestört. Dem Befundbericht waren bereits bekannte Arztbriefe u.a. von dem Facharzt für Neurologie/Psychiatrie L. aus dem Jahr 2005 beigefügt.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 hat der Senat den Kläger auf die geringen Erfolgsaussichten der Berufung und die Notwendigkeit, neue medizinischen Tatsachen vorzutragen hingewiesen. Nach dem aktuellen Befundbericht von Dipl.-Med. C. habe sich die Hemiparese deutlich rückläufig entwickelt. Das Schreiben enthielt eine Fristsetzung sowie eine Belehrung nach § 106 a Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Kläger hat die Beziehung der Rentenakte beantragt und die Gehstörungen des Klägers gerade auf unebenen Wegen und die Beeinträchtigung seiner Beine hervorgehoben.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten und das beigezogene Rentenverfahren S 2 R 272/07 (Sozialgericht Stendal) haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 26. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2006 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Die Klage ist aber unbegründet. Die Gesundheitsstörungen des Klägers rechtfertigen nur einen Grad der Behinderung von 30. Bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BSG v. 12. April 2000 – B 9 SB 3/99 R = SozR 3-3870 § 3 Nr. 9, S. 22). ). Danach liegt bei dem Kläger seit der Antragstellung am 29. April 2005 bis zum heutigen Zeitpunkt ein Grad der Behinderung von 30 vor.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von dem Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den Grad der Behinderung die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den Grad der Behinderung die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2004 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden daher nur die Vorschriften der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zitiert.
Der hier streitigen Bemessung des Grads der Behinderung ist die GdS (Grad der Schädigung)-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 8 ff.) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 8) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 18).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen sowie die vorliegenden Reha-Berichte und das Sachverständigengutachten von Dr. S. aus der Vorinstanz sowie die beiden gerichtlichen Sachverständigengutachten aus dem beigezogenen Rentenverfahren S 2 R 272/07 (Dr. B. und dem Arzt Z.).
a) Das Hauptleiden des Klägers wird durch den erlittenen Hirninfarkt geprägt und betrifft das Funktionssystem Nervensystem/Psyche.
Bei Hirnschäden – wie einem Hirninfarkt – ist nach 26.3. der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit S. 40 ff bzw. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze S. 35 ff entscheidend für die Bewertung das Ausmaß der bleibenden Ausfallerscheinungen. Dabei sind die neurologischen Befunde, die Ausfallerscheinungen im psychischen Bereich und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommen für die GdB/MdE-Beurteilung Sätze zwischen 20 und 100 in Betracht.
Hirnschäden werden dabei generell in drei große Gruppen unterteilt:
A. Grundsätze der Gesamtbewertung von Hirnschäden
1. Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ... 30 – 40
2. Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung ... 50 – 60
3. Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung ...70 – 100
Bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der GdB/MdE-Grad aus Vergleichen mit den nachfolgend aufgeführten Gliedmaßenverlusten, peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzuleiten.
In dem speziellen Rahmen von isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen ergibt sich nach Nr. 3.1.2. (S.37) der Versorgungsmedizinischen Grundsätzen folgende Bewertung:
Zerebral bedingte Teillähmungen und Lähmungen
leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen ... 30
bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen
ist der GdB/MdE-Grad aus Vergleichen mit den
nachfolgend aufgeführten Gliedmaßenverlusten, peripheren
Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen
abzuleiten
vollständige Lähmung von Arm und Bein (Hemiplegie) ...100
Nach der überzeugenden Feststellung des Sachverständigen Dr. S. ist beim Kläger eine cerebral bedingte Teillähmung und Lähmung mit leichten Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen verblieben. Der Sachverständige bewertet diese Schlaganfallsfolge mit einem Einzel-GdB von 30 und bewegt sich damit genau in dem Bereich, der für leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen heranzuziehen ist. Diese Einschätzung des Sachverständigen hält der Senat daher für nachvollziehbar und zutreffend. Weitere Folgeschäden vermochte der Sachverständige nicht festzustellen. So sind beim Kläger keine gravierenden psychischen Störungen, Persönlichkeitsänderungen, Sprach- oder Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen oder andere schlaganfallbedingte Schädigungsfolgen zurückgeblieben. Diese Einschätzung wird durch den Sachverständigen Dr. B. in seinem rentenversicherungsrechtlichen Gutachten vom 26. August 2008 bestätigt. Auch er beschreibt die Auswirkungen des Schlaganfalls mit einer blanden residual distal und armbetonten Hemiparese links mit Feinmotorikstörung der linken Hand sowie blander Stand- und Gangunsicherheit, insbesondere im linken Bein mit funktioneller Ausgestaltung sowie einer leichten reaktiv depressiven Krankheitsverarbeitung nach Hirninfarkt. Wesentliche Änderungen sind auch dem aktuellen Befundbericht vom 30. Oktober 2010 des behandelnden Hausarztes Dipl.-Med. C. nicht zu entnehmen. Dieser Arzt weist sogar auf eine deutlich rückläufige Hemiparese hin, die lediglich noch Motorik- und Sensibilitätsstörungen bewirke. Die Schlaganfallsfolgen haben sich damit eher leicht verbessert, aber keinesfalls verschlechtert. Weitere aktuelle Behandlungen wegen der Folgen des Schlaganfalls hat der Kläger nach Fristsetzung des Senats und Belehrung nach § 106 a SGG nicht vorgetragen.
b) Die festgestellte Kniearthrose (rechts) im Funktionssystem Bein, die zu einer Athroskopie (2007) mit Knorpelglättung und Entfernung von freien Gelenkkörpern geführt hatte, bleibt ohne funktionale Auswirkungen und rechtfertigt keinen Einzel-GdB. Nach dem überzeugenden klinischen Befund vom Sachverständigen Z. im Gutachten vom 12. Januar 2009 blieben die Bewegungsprüfung sowie die Untersuchung der Kniegelenke unauffällig. So fanden sich keine Hinweise auf Bewegungsschmerzen, Reizungen oder Instabilitäten der Bänder. Das von Herrn Z. festgestellte starke Patellarreiben im rechten Kniegelenk bleibt ohne funktionale Folgen. Hinweise auf danach eingetretene Verschlechterungen im Kniebereich liegen nicht vor und wurden vom Kläger auch nicht behauptet.
Die von ihm angegebenen starken Beinschmerzen bei Belastung erhöhen den GdB nicht. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (S. 21) schließen die jeweiligen GdB-Grade die üblicherweise damit verbundenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. In den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können ggf. höhere GdB-Werte angesetzt werden. Dies gilt insbesondere bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach Amputationen (Stumpfnervenschmerzen, Phantomschmerzen). Der Kläger hat keine spezielle Schmerztherapie in Anspruch genommen. Die von ihm vorgetragenen besonderen Schmerzen im Bein gehören deshalb zu den mit der GdB-Festsetzung erfassten üblichen Schmerzerscheinungen und rechtfertigen keine Höherbewertung des GdB. Hiervon abgesehen erscheint das Auftreten besonders starker Schmerzen auch zweifelhaft. Für den vornehmlich im Rentenverfahren beschriebenen gravierenden Knie-Bein-Schmerz unklarer Genese, der beim Kläger nach seinen Angaben bereits nach Zurücklegen kurzer Wegstrecken am Weitergehen hindere, fehlt eine nachvollziehbare somatische Ursache. In zwei Rentengutachten konnten die Sachverständigen Dr. B. auf neurologischem und der Arzt Z. auf orthopädischem Gebiet dafür keine plausible Erklärung finden. Weder wurden eine arterielle Verschlusskrankheit noch eine Einengung des Rückenmarkkanals ausfindig gemacht. Auch die zunächst erwogenen sog. myofascialen Schmerzen konnte Herr Z. wegen fehlender Triggerpunkte letztlich nicht feststellen. Schwere Verschleißerscheinungen im Kniebereich hat er ebenfalls nicht gefunden. Zwar besteht nach seinen Angaben eine Arthrose im rechten Kniegelenk. Allerdings blieb der klinische Kniebefund in der Untersuchung unauffällig. Seine Hypothese, es liege möglicherweise eine verkürzte Muskulatur der Oberschenkel vor, bleibt ohne objektiven Befund und lässt keinen Rückschluss auf eine bestimmte Erkrankung bzw. Behinderung zu. Weitere medizinische Tatsachen hat der Kläger trotz Fristsetzung und gerichtlicher Belehrung zu diesem Aspekt nicht vorgetragen.
Gegen ein schwerwiegendes Schmerzsyndrom, das die Beinbeweglichkeit des Klägers in schwerwiegender Weise einschränkt, spricht auch das gesundheitliche Gesamtbild. So finden sich keine Begleitsymptome wie Muskelatrophien oder Inaktivitätsosteoporosen, die für eine starke Bewegungsschonung der Beine sprechen könnten. Die Vermutung des Sachverständigen Z., der Kläger werde nach 500 Metern an seine Grenze stoßen, stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben des Klägers. Vergleicht man dessen Vortrag im Rentenverfahren S 2 R 272/07 mit dem Vorbringen in diesem Verfahren ergeben sich hinsichtlich einer Einschränkung der Gehfähigkeit auch Widersprüche. Im Rentenverfahren hat der Kläger im Oktober 2007 vortragen lassen, er sei kaum mehr in der Lage, Wegstrecken von 300 bis 400 Metern zu bewältigen. Eine so gravierende Gehstörung hat er gegenüber Dr. S. in der Untersuchung vom 10. August 2007 nicht angegeben, obwohl zu diesem Zeitpunkt dieses Beschwerdebild bereits vorgelegen haben müsste. Auch in weiteren Befundberichten der ihn behandelnden Ärzte finden sich keine Hinweise, die auf eine schmerzbedingte gravierende Gehstörung und auf deutliche Verschlechterungen hindeuten könnten (vgl. Befundbericht L. vom 25. Oktober 2007; Dipl.-Med. C. vom 30. Oktober 2010). Schließlich ist es auch schwer nachvollziehbar, dass der Kläger angesichts einer so schwerwiegenden Schmerzproblematik in den Beinen ohne Schmerzmittel oder –therapie auskommt. Die von ihm behauptete schwerwiegende schmerzbedingte Gangstörung bei Belastung ist in den gerichtlichen Verfahren nicht durchgehend, nicht übereinstimmend und insgesamt nicht plausibel beschrieben worden. Auch dies steht einer Berücksichtigung und Erhöhung des GdB-Grades entgegen.
Auch die vom Kläger mehrfach beschriebene schmerzbedingte Einschränkung der Gehfähigkeit ist nicht frei von Widersprüchen. So hat er gegenüber dem Sachverständigen Z. angegeben, er habe Schmerzen in beiden Kniegelenken. Der Schmerz trete bereits beim Hinstellen auf und nehme beim Gehen zu. Hiernach kommt es bereits beim Stehen zum Schmerzimpuls, der sich unter Belastung dann steigert. Dies steht teilweise im Widerspruch zu den Untersuchungsergebnissen des Orthopäden Z. aus dem Gehtest. Denn dabei ging der Kläger im Wechselschritt die Treppe herab, hielt sich am Geländer fest und wirkte unsicher. Der Gang auf der Straße war zunächst zügig und wurde erst nach etwa 80 m wegen behaupteter Schmerzen langsamer. Bei dem vom Kläger vorher beschriebenen Schmerzverlauf hätte der Schmerz bereits im Stehen auftreten müssen und sich dann nach dem Treppensteigen und einem Gang von 80 Metern in zügigem Tempo viel schneller bemerkbar machen müssen. Außerdem hat der Kläger seine Einschränkungen bei den Untersuchungen von Dr. B. und Herrn Z. unterschiedlich dargestellt. Während er bei Dr. B. noch die Fähigkeit zu Gartenarbeiten und Spaziergängen mit dem Hund bis zur Waldgrenze beschrieben hatte, schwächte er sein Leistungsvermögen kurze Zeit später in der Untersuchung bei Herrn Z. erheblich ab und gab an, seit 20 Jahren keine Gartenarbeit mehr verrichten und den Hund nicht mehr ausführen zu können.
c) Das vom Sachverständigen Z. beschriebene Lendenwirbelsyndrom betrifft das Funktionssystem Rumpf. Es tritt beim Kläger jedoch durchschnittlich nur einmal im Jahr im Winter auf. Eine dauerhafte funktionale Einschränkung besteht daher nicht. Dies zeigt auch die klinische Untersuchung der Wirbelsäule durch den Sachverständigen und die von ihm ermittelten Bewegungsmaße. Ein Einzel-GdB kann hierfür nicht vergeben werden.
d) Eine psychische Behinderung des Klägers liegt allenfalls andeutungsweise vor. Der Sachverständige Dr. B. vermochte in psychischer Hinsicht keine Auffälligkeiten feststellen und konnte allenfalls eine leichte depressive Störung erkennen, deren Folgen jedoch zu vernachlässigen sind und auch nicht medikamentös oder psychotherapeutisch behandelt werden. Gegen eine nennenswerte psychische Störung sprechen auch die von den Sachverständigen berichteten strukturierten Tagesabläufe des Klägers. Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sind diesen ausführlichen Explorationen nicht zu entnehmen, auch nicht aus den zurückhaltenden Hinweisen auf Nikotin- und Alkohohlabusus des Klägers.
e) Die vom Kläger angegebenen Hörstörungen sind trotz ausführlicher Explorationen in keinem der drei Sachverständigengutachten bestätigt worden. So konnte er offenbar problemlos den ihm gestellten Fragen folgen. Fachärztliche Behandlungen der Ohren hat er offenbar bis heute auch nicht in Anspruch genommen. Dies gilt auch für die von ihm mitgeteilten Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.
f) Die bestehende Stoffwechselstörung wird vom Hausarzt ständig kontrolliert und hat keinerlei funktionale Auswirkungen, ebenso nicht die medikamentös gut eingestellte Hypertonie. Auch insoweit bleibt für einen Einzel-GdB von mindestens 10 kein Raum.
g) Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen und zumindest mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 zu bewerten wären, sind nicht erkennbar.
h) Da bei dem Kläger Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren Grad der Behinderung vorliegen, ist nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (S. 8) anzuwenden. Nach Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Mangels weiterer Behinderungen, die einen Einzel-GdB von mindestens 10 rechtfertigen könnten, bleibt es bei dem vom Beklagten zutreffend festgestellten Gesamt-GdB von 30.
Letztlich widerspräche hier die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft dem nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A Nr. 3b, S. 10) zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. Im Vergleich mit Gesundheitsschäden, zu denen in der GdS-Tabelle feste Werte angegeben sind, ist bei dem Kläger ein höherer Gesamtgrad als 30 nicht gerechtfertigt. Die Gesamtauswirkung seiner Funktionsstörungen beeinträchtigt seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft insbesondere nicht so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 160 SGG nicht vor.
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