Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AL 108/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 42/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 73/02 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.01.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von originärer Arbeitslosenhilfe ab dem 01.04.2000.
Die 1953 geborene Klägerin bezog bis zum 22.09.1994 Arbeitslosengeld und nach Erschöpfung dieses Anspruchs ab dem 23.09.1994 Arbeitslosenhilfe.
Mit Bescheid vom 05.06.1996 bewilligte ihr die LVA Westfalen zunächst rückwirkend eine Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 18.11.1993. Die laufende Zahlung erhielt sie ab August 1996. Die Rente wurde bis einschließlich 31.05.1999 gewährt. Danach hob die LVA die Rente zunächst wieder auf mit der Begründung, es sei eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten. In dem sich anschließenden Rentenverfahren wurde der Klägerin letztlich jedoch eine Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend ab dem 18.11.1993 erneut zugesprochen.
Die Beklagte hob die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 01.07.1996 auf, da der Klägerin rückwirkend die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bewilligt worden sei.
Auf ihren im Mai 1999 gestellten Antrag hin bewilligte die Beklagte der Klägerin dann Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 01.06.1999. Mit Änderungsbescheid vom 12.01.2000 wurde der der Klägerin gewährte Leistungssatz geändert und gleichzeitig das Ende des Leistungsbezuges auf den 31.03.2000 festgestellt, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 434 b des 3. Sozialgesetzbuches (SGB III) die originäre Arbeitslosenhilfe abgeschafft habe. Mit Bescheid vom 13.03.2000 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 01.04.2000 auf. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 07.07.2000 zurück. In den Gründen führte sie u.a. aus: Die Klägerin habe einen Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe gem. § 191 Abs. 3 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung gehabt. Diese Vorschrift sei durch das 3. Änderungsgesetz zur Änderung des SGB III zum 01.01.2000 entfallen. Da die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach § 191 Abs. 3 SGB III für einen Zeitraum vom 01.10.1999 bis 31.12.1999 vorgelegen hätten, seien bis zum 31.03.2000 die §§ 190 Abs. 1 Nr. 4, 191 Abs. 3 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung weiter anzuwenden (§ 434 b Abs. 1 Satz 1 SGB III). Eine Geltung über diesen Termin hinaus sei nicht vorgesehen.
Dagegen hat die Klägerin am 14.07.2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Sie hat geltend gemacht: Die ersatzlose Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe sei wegen des vorherigen Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente verfassungswidrig. Das 3. Änderungsgesetz greife in nicht zu rechtfertigender Weise in ihre Ansprüche ein, die schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden seien. Diese nachträgliche Entwertung der Rechtsposition stelle eine unechte Rückwirkung dar, die gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit nach Artikel (Art.) 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Im übrigen stelle die Verweisung auf die Sozialhilfe einen unverhältmäßigen Eingriff in ihre Rechtsposition dar.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 12.01.2000 abzuändern und den Bescheid vom 13.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosenhilfe über den 31.03.2000 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Mit Urteil vom 10.01.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es u.a. ausgeführt: Der Klägerin stehe Arbeitslosenhilfe ab dem 01.04.2000 wegen des eindeutigen Wortlauts des § 434 b SGB III nicht zu. Zu Recht habe die Beklagte die Bewilligung gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 des 10. Sozialgesetzbuches (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Die von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teile die Kammer nicht. Der Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe unterliege nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG, da sich der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht auf Beiträge des Arbeitslosen gründe, sondern die Leistung grundsätzlich aus Steuermitteln finanziert werde. Es liege auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 GG vor. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sei nicht gegeben, da der Gesetzgeber bei der Regelung des § 191 SGB III nicht zwischen verschiedenen Gruppen unterschieden und mit der Streichung dieser Regelung keine der früher begünstigten Personengruppen besser oder schlechter gestellt habe, sondern nach wie vor gleich behandele. Ferner sei das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die mit der Aufhebung der originären Arbeitslosenhilfe verbundene sogenannte unechte Rückwirkung sei vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich als zulässig angesehen worden. Dem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin sei durch die Übergangsfrist des § 434 b SGB III hinreichend Rechnung getragen worden. Auch stelle das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip keine Bestandsgarantie für diejenigen sozialstaatlichen Einrichtungen dar, die der Gesetzgeber in Erfüllung seines sozialstaatlichen Auftrages geschaffen habe. Eine derartige verfassungsmäßige Festschreibung enthalte der Sozialstaatssatz nach allgemeiner Meinung nicht.
Gegen dieses ihr am 19.02.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.02.2001 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie vertritt die Auffassung: Die ersatzlose Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe sei hinsichtlich des vorherigen Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente verfassungswidrig. Diese nachträglich Entwertung einer gesichert geglaubten Rechtsposition stelle eine unechte Rückwirkung dar, die gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 14 GG verstosse. Auch Vorschriften zum sozialen Schutz von älteren und kranken Arbeitslosen, wie beispielsweise die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III, die vom Schutzbereich des Sozialstaatsgedankens umfasst seien, würden von dem Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe für ehemalige Erwerbsunfähigkeitsrentenbezieher ausgehöhlt. Bei ihr wäre, ihre schwere Krankheit hinweggedacht, nie ein Fall der Sozialhilfebedürftigkeit aufgetreten. Sie hätte, wenn sie auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verzichtet hätte und ihr das Arbeitsverhältnis normal gekündigt worden wäre, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und sodann auf Anschlußarbeitslosenhilfe gehabt. Lediglich aufgrund der Tatsache, dass bei ihr eine schwere Erkrankung aufgetreten sei, die zu bleibenden Behinderungen geführt habe und die sie auch weiterhin in ihrer Erwerbsfähigkeit erheblich einschränke, sei es dazu gekommen, dass sie keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosenhilfe habe. Dies stelle zudem einen Verstoß gegen den von Art. 118 Abs. 2 EG-Vertrag geschützten Sozialmindeststandard dar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.01.2001 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 177 Abs. 2 EG-Vertrag zur Entscheidung folgender Frage vorzulegen: Stellt die Abschaffung der sozialen Absicherung von Rentenantragstellern durch die ersatzlose Streichung des § 191 SGB III einen Verstoß gegen den von Artikel 118a Abs. 2 EG-Vertrag geschützten Sozialmindeststandard dar?, hilfsweise die Streitsache auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des SGB III Änderungsgesetzes.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Eine Verletzung von grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen liege ihrer Auffassung nach nicht vor. Dem Vertrauensschutzgedanken bei der Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe sei hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass in Anwendung der Übergangsvorschriften die Leistungen bis einschließlich 31.03.2000 zu gewähren seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte mit der Stamm-Nr ... Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 01.04.2000 nicht mehr zusteht, weil die Beklagte die Bewilligung ab diesem Zeitpunkt zu Recht aufgehoben hat (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB X).
Für die Zeit davor stand der Klägerin ein Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe nach § 191 Abs. 3 SGB III u.a. für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis zum 31.12.1999 und dann gem. §§ 190 Abs. 1 Nr. 4, 191 SGB III, § 434 b SGB III bis zum 31.03.2000 zu. Am 01.04.2000 ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil die Klägerin seitdem Arbeitslosenhilfe nach dem eindeutigen Wortlaut des § 434 b SGB III nicht mehr verlangen kann.
Die Vorschrift ist auch nicht verfassungswidrig. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sozialgerichts an und nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Bereits das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 24.07.1997 - 11 RAr 83/96 - festgestellt, dass eine ähnliche Übergangsregelung (ebenfalls mit dreimonatiger Übergangsfrist) verfassungsgemäss ist; seinerzeit wurde die Dauer des Anspruchs auf originäre Arbeitslosenhilfe auf längstens 312 Tage begrenzt. Im o.g. Urteil hat das BSG ausgeführt, dass in Fällen wie dem der Klägerin, eine sogenannte unechte Rückwirkung vorliegt; dem Rechtsstaatsgrundsatz sei nicht zu entnehmen, unechte Rückwirkungen seien absolut verboten. Vielmehr komme es auf eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an dem Erlass der Regelung und dem Schutz des Vertrauens des Betroffenen auf den Fortbestand des geltenden Rechts an. Der Lebensunterhalt der Betroffenen sei trotz der Neuregelung weiterhin gesichert, wenn auch nur noch durch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Das Existenzminimum jedenfalls werde keinem Betroffenen entzogen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die Betroffenen sich aufgrund der dreimonatigen Übergangsregelung auf die geänderte Rechtslage in ausreichendem Maße einstellen, insbesondere Sozialhilfe beantragen könnten und sich nicht mit einer sofortigen Entwertung ihrer bisherigen Rechtsposition konfrontiert gesehen hätten. Wegen des fehlenden Bezuges der originären Arbeitslosenhilfe zur eigenlichen Arbeitslosenversicherung sei es ferner gerechtfertigt, den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mit einer dreimonatigen Übergangsregelung für "Altfälle" im Sinne einer für die Ordnung von Massenerscheinungen erlaubten Typisierung zu befristen.
Diese Gedanken des BSG sind auf die hier streitige Regelung des § 434 b SGB III ohne weiteres übertragbar. Auch die Klägerin hatte genügend Zeit, sich darauf einzustellen, dass sie nach dem 31.03.2000 nicht mehr mit Leistungen durch die Beklagte rechnen durfte. Sie verkennt zudem, dass ein Verstoß gegen Art. 14 20 GG bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil ihr Anspruch auf Arbeitslosenhilfe wegen der Finanzierung aus Steuermitteln nicht der Eigentumsgarantie unterliegt (vgl. BSG SozR 3 - 4100 § 242 Nr. 1 mwN.). Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) ist nicht gegeben, weil dieses keinen Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung oder einen Mindestbetrag an Arbeitslosenhilfe gewährt (vgl. BSG a.a.O.). Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf eine Aushöhlung des § 125 SGB III beruft, kann ihr nicht gefolgt werden. Die sogenannte "Nahtlosigkeitsregelung" will lediglich die Verfügbarkeit fingieren und setzt voraus, dass der Arbeitslose die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen erfüllt. Ein solcher Fall liegt jedoch bei der originären Arbeitslosenhilfe gerade nicht vor, da es darum geht, ob die Klägerin nach dem vorausgegangenen Rentenbezug und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit einen Leistungsanspruch hat.
Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist ebenfalls nicht gegeben, da die Vorschrift des § 434 b SGB III nicht auf eine Ungleichbehandlung von verschiedenen Personengruppen abzielt. Die Intention des Gesetzgebers war vielmehr die unumgängliche Sanierung des Bundeshaushaltes. Zu diesen notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen waren auch die Bereiche der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe heranzuziehen (vgl. BT-Durcks. 14/1523 S. 205 f).
Da verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, hat der Senat keine Veranlassung gesehen, dem Antrag der Klägerin zu folgen, dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung zur Entscheidung vorzulegen.
Auch dem Hilfsantrag der Klägerin, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, war nicht stattzugeben, da ein Verstoß gegen Art. 118 a Abs. 2 EG-Vertrag nicht ersichtlich ist. Die Vorschrift beinhaltet die Sicherung des sozialen Mindeststandards. Durch die Sozialhilfe wird jedoch zweifellos ein Mindeststandard sichergestellt, der durch die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe in keiner Weise gefährdet wird. Die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ergibt sich daher nicht.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des BSG und Bundesverfassungsgerichts zur originären Arbeitslosenhilfe und zur Stichtagsregelung ab. Eine grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit ist nicht zu bejahen, da es sich hier um eine Einzelfallentscheidung handelt und dem Senat weitere Fälle nicht bekannt sind, in denen es auf die hier streitige Frage ankommt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von originärer Arbeitslosenhilfe ab dem 01.04.2000.
Die 1953 geborene Klägerin bezog bis zum 22.09.1994 Arbeitslosengeld und nach Erschöpfung dieses Anspruchs ab dem 23.09.1994 Arbeitslosenhilfe.
Mit Bescheid vom 05.06.1996 bewilligte ihr die LVA Westfalen zunächst rückwirkend eine Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 18.11.1993. Die laufende Zahlung erhielt sie ab August 1996. Die Rente wurde bis einschließlich 31.05.1999 gewährt. Danach hob die LVA die Rente zunächst wieder auf mit der Begründung, es sei eine Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten. In dem sich anschließenden Rentenverfahren wurde der Klägerin letztlich jedoch eine Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend ab dem 18.11.1993 erneut zugesprochen.
Die Beklagte hob die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 01.07.1996 auf, da der Klägerin rückwirkend die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bewilligt worden sei.
Auf ihren im Mai 1999 gestellten Antrag hin bewilligte die Beklagte der Klägerin dann Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 01.06.1999. Mit Änderungsbescheid vom 12.01.2000 wurde der der Klägerin gewährte Leistungssatz geändert und gleichzeitig das Ende des Leistungsbezuges auf den 31.03.2000 festgestellt, da der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 434 b des 3. Sozialgesetzbuches (SGB III) die originäre Arbeitslosenhilfe abgeschafft habe. Mit Bescheid vom 13.03.2000 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung ab dem 01.04.2000 auf. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 07.07.2000 zurück. In den Gründen führte sie u.a. aus: Die Klägerin habe einen Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe gem. § 191 Abs. 3 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung gehabt. Diese Vorschrift sei durch das 3. Änderungsgesetz zur Änderung des SGB III zum 01.01.2000 entfallen. Da die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach § 191 Abs. 3 SGB III für einen Zeitraum vom 01.10.1999 bis 31.12.1999 vorgelegen hätten, seien bis zum 31.03.2000 die §§ 190 Abs. 1 Nr. 4, 191 Abs. 3 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung weiter anzuwenden (§ 434 b Abs. 1 Satz 1 SGB III). Eine Geltung über diesen Termin hinaus sei nicht vorgesehen.
Dagegen hat die Klägerin am 14.07.2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Sie hat geltend gemacht: Die ersatzlose Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe sei wegen des vorherigen Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente verfassungswidrig. Das 3. Änderungsgesetz greife in nicht zu rechtfertigender Weise in ihre Ansprüche ein, die schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden seien. Diese nachträgliche Entwertung der Rechtsposition stelle eine unechte Rückwirkung dar, die gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit nach Artikel (Art.) 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Im übrigen stelle die Verweisung auf die Sozialhilfe einen unverhältmäßigen Eingriff in ihre Rechtsposition dar.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 12.01.2000 abzuändern und den Bescheid vom 13.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosenhilfe über den 31.03.2000 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Mit Urteil vom 10.01.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es u.a. ausgeführt: Der Klägerin stehe Arbeitslosenhilfe ab dem 01.04.2000 wegen des eindeutigen Wortlauts des § 434 b SGB III nicht zu. Zu Recht habe die Beklagte die Bewilligung gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 des 10. Sozialgesetzbuches (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Die von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teile die Kammer nicht. Der Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe unterliege nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG, da sich der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht auf Beiträge des Arbeitslosen gründe, sondern die Leistung grundsätzlich aus Steuermitteln finanziert werde. Es liege auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 GG vor. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) sei nicht gegeben, da der Gesetzgeber bei der Regelung des § 191 SGB III nicht zwischen verschiedenen Gruppen unterschieden und mit der Streichung dieser Regelung keine der früher begünstigten Personengruppen besser oder schlechter gestellt habe, sondern nach wie vor gleich behandele. Ferner sei das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die mit der Aufhebung der originären Arbeitslosenhilfe verbundene sogenannte unechte Rückwirkung sei vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich als zulässig angesehen worden. Dem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin sei durch die Übergangsfrist des § 434 b SGB III hinreichend Rechnung getragen worden. Auch stelle das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip keine Bestandsgarantie für diejenigen sozialstaatlichen Einrichtungen dar, die der Gesetzgeber in Erfüllung seines sozialstaatlichen Auftrages geschaffen habe. Eine derartige verfassungsmäßige Festschreibung enthalte der Sozialstaatssatz nach allgemeiner Meinung nicht.
Gegen dieses ihr am 19.02.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.02.2001 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie vertritt die Auffassung: Die ersatzlose Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe sei hinsichtlich des vorherigen Bezuges von Erwerbsunfähigkeitsrente verfassungswidrig. Diese nachträglich Entwertung einer gesichert geglaubten Rechtsposition stelle eine unechte Rückwirkung dar, die gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 14 GG verstosse. Auch Vorschriften zum sozialen Schutz von älteren und kranken Arbeitslosen, wie beispielsweise die Nahtlosigkeitsregelung des § 125 SGB III, die vom Schutzbereich des Sozialstaatsgedankens umfasst seien, würden von dem Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe für ehemalige Erwerbsunfähigkeitsrentenbezieher ausgehöhlt. Bei ihr wäre, ihre schwere Krankheit hinweggedacht, nie ein Fall der Sozialhilfebedürftigkeit aufgetreten. Sie hätte, wenn sie auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit verzichtet hätte und ihr das Arbeitsverhältnis normal gekündigt worden wäre, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und sodann auf Anschlußarbeitslosenhilfe gehabt. Lediglich aufgrund der Tatsache, dass bei ihr eine schwere Erkrankung aufgetreten sei, die zu bleibenden Behinderungen geführt habe und die sie auch weiterhin in ihrer Erwerbsfähigkeit erheblich einschränke, sei es dazu gekommen, dass sie keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosenhilfe habe. Dies stelle zudem einen Verstoß gegen den von Art. 118 Abs. 2 EG-Vertrag geschützten Sozialmindeststandard dar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10.01.2001 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen,
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof gem. Art. 177 Abs. 2 EG-Vertrag zur Entscheidung folgender Frage vorzulegen: Stellt die Abschaffung der sozialen Absicherung von Rentenantragstellern durch die ersatzlose Streichung des § 191 SGB III einen Verstoß gegen den von Artikel 118a Abs. 2 EG-Vertrag geschützten Sozialmindeststandard dar?, hilfsweise die Streitsache auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des SGB III Änderungsgesetzes.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Eine Verletzung von grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen liege ihrer Auffassung nach nicht vor. Dem Vertrauensschutzgedanken bei der Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe sei hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass in Anwendung der Übergangsvorschriften die Leistungen bis einschließlich 31.03.2000 zu gewähren seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte mit der Stamm-Nr ... Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 01.04.2000 nicht mehr zusteht, weil die Beklagte die Bewilligung ab diesem Zeitpunkt zu Recht aufgehoben hat (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB X).
Für die Zeit davor stand der Klägerin ein Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe nach § 191 Abs. 3 SGB III u.a. für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis zum 31.12.1999 und dann gem. §§ 190 Abs. 1 Nr. 4, 191 SGB III, § 434 b SGB III bis zum 31.03.2000 zu. Am 01.04.2000 ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, weil die Klägerin seitdem Arbeitslosenhilfe nach dem eindeutigen Wortlaut des § 434 b SGB III nicht mehr verlangen kann.
Die Vorschrift ist auch nicht verfassungswidrig. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen des Sozialgerichts an und nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Bereits das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 24.07.1997 - 11 RAr 83/96 - festgestellt, dass eine ähnliche Übergangsregelung (ebenfalls mit dreimonatiger Übergangsfrist) verfassungsgemäss ist; seinerzeit wurde die Dauer des Anspruchs auf originäre Arbeitslosenhilfe auf längstens 312 Tage begrenzt. Im o.g. Urteil hat das BSG ausgeführt, dass in Fällen wie dem der Klägerin, eine sogenannte unechte Rückwirkung vorliegt; dem Rechtsstaatsgrundsatz sei nicht zu entnehmen, unechte Rückwirkungen seien absolut verboten. Vielmehr komme es auf eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an dem Erlass der Regelung und dem Schutz des Vertrauens des Betroffenen auf den Fortbestand des geltenden Rechts an. Der Lebensunterhalt der Betroffenen sei trotz der Neuregelung weiterhin gesichert, wenn auch nur noch durch Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Das Existenzminimum jedenfalls werde keinem Betroffenen entzogen. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass die Betroffenen sich aufgrund der dreimonatigen Übergangsregelung auf die geänderte Rechtslage in ausreichendem Maße einstellen, insbesondere Sozialhilfe beantragen könnten und sich nicht mit einer sofortigen Entwertung ihrer bisherigen Rechtsposition konfrontiert gesehen hätten. Wegen des fehlenden Bezuges der originären Arbeitslosenhilfe zur eigenlichen Arbeitslosenversicherung sei es ferner gerechtfertigt, den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mit einer dreimonatigen Übergangsregelung für "Altfälle" im Sinne einer für die Ordnung von Massenerscheinungen erlaubten Typisierung zu befristen.
Diese Gedanken des BSG sind auf die hier streitige Regelung des § 434 b SGB III ohne weiteres übertragbar. Auch die Klägerin hatte genügend Zeit, sich darauf einzustellen, dass sie nach dem 31.03.2000 nicht mehr mit Leistungen durch die Beklagte rechnen durfte. Sie verkennt zudem, dass ein Verstoß gegen Art. 14 20 GG bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil ihr Anspruch auf Arbeitslosenhilfe wegen der Finanzierung aus Steuermitteln nicht der Eigentumsgarantie unterliegt (vgl. BSG SozR 3 - 4100 § 242 Nr. 1 mwN.). Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) ist nicht gegeben, weil dieses keinen Anspruch auf eine bestimmte Sozialleistung oder einen Mindestbetrag an Arbeitslosenhilfe gewährt (vgl. BSG a.a.O.). Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf eine Aushöhlung des § 125 SGB III beruft, kann ihr nicht gefolgt werden. Die sogenannte "Nahtlosigkeitsregelung" will lediglich die Verfügbarkeit fingieren und setzt voraus, dass der Arbeitslose die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen erfüllt. Ein solcher Fall liegt jedoch bei der originären Arbeitslosenhilfe gerade nicht vor, da es darum geht, ob die Klägerin nach dem vorausgegangenen Rentenbezug und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit einen Leistungsanspruch hat.
Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist ebenfalls nicht gegeben, da die Vorschrift des § 434 b SGB III nicht auf eine Ungleichbehandlung von verschiedenen Personengruppen abzielt. Die Intention des Gesetzgebers war vielmehr die unumgängliche Sanierung des Bundeshaushaltes. Zu diesen notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen waren auch die Bereiche der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe heranzuziehen (vgl. BT-Durcks. 14/1523 S. 205 f).
Da verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, hat der Senat keine Veranlassung gesehen, dem Antrag der Klägerin zu folgen, dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung zur Entscheidung vorzulegen.
Auch dem Hilfsantrag der Klägerin, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, war nicht stattzugeben, da ein Verstoß gegen Art. 118 a Abs. 2 EG-Vertrag nicht ersichtlich ist. Die Vorschrift beinhaltet die Sicherung des sozialen Mindeststandards. Durch die Sozialhilfe wird jedoch zweifellos ein Mindeststandard sichergestellt, der durch die Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe in keiner Weise gefährdet wird. Die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof ergibt sich daher nicht.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des BSG und Bundesverfassungsgerichts zur originären Arbeitslosenhilfe und zur Stichtagsregelung ab. Eine grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit ist nicht zu bejahen, da es sich hier um eine Einzelfallentscheidung handelt und dem Senat weitere Fälle nicht bekannt sind, in denen es auf die hier streitige Frage ankommt.
Rechtskraft
Aus
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