Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AL 38/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 132/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 98/01 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 31.05.2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die im zweitinstanzlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Charakter und die Rechtmäßigkeit der Aufforderung der Beklagten an den Kläger, einen Antrag auf Altersrente zu stellen sowie um die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Arbeitslosenhilfe ab 22.03.2001.
Der am ...1941 geborene Kläger nahm ab 1984 regelmäßig Leistungen der Beklagten in Anspruch; seit 01.05.1991 bezog er von der Beklagten (ohne Unterbrechung) Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld bezogen. Seit 10.01.1999 erhielt er Arbeitslosenhilfe bis zum 21.03.2001.
Am 16.01.2001 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, er könne voraussichtlich in absehbarer Zeit eine abschlagsfreie Altersrente beanspruchen. Er werde deshalb gebeten, gem. § 202 Abs. 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) diese Rente innerhalb eines Monats nach Zugang des Schreibens zur Vermeidung von Rechtsnachteilen zu beantragen. Falls er den Antrag innerhalb der Monatsfrist nicht stelle, ruhe sein Anspruch auf Leistungen ab dem Tage nach Ablauf der Frist. Arbeitslosenhilfe könne in diesem Fall erst von dem Tag an wieder gezahlt werden, an dem er die Alters rente beantrage. Zugleich bat die Beklagte den Kläger, innerhalb der Monatsfrist den Tag der Rentenantragstellung auf einem beigefügten Vordruck mitzuteilen. Sofern der Kläger die Voraussetzungen für die ungeminderte Altersrente erst zu einem späteren Zeitpunkt erfülle, werde er um Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des zuständigen Rentenversicherungsträgers gebeten. Sofern er das Arbeitsamt innerhalb der Monatsfrist nicht benachrichtige bzw. die Bescheinigung des Rentenversicherungsträgers nicht vorlege, sei das Arbeitsamt gehalten, ihm die Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Mitwirkung zu entziehen.
Am 12.02.2001 teilte der Kläger der Beklagten schriftlich mit, er habe ab 01.04.2001 Anspruch auf ungeminderte Altersrente. Er wolle jedoch bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Der zu erwartenende Rentenzahlbetrag sei ganz erheblich niedriger als die Arbeitslosenhilfe.
Daraufhin forderte die Beklagten den Kläger unter dem 15.02.2001 unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 16.01.2001 schriftlich auf, bis spätestens 02.03.2001 den Rentenantrag zu stellen und die Beantragung nachzuweisen.
Hiergegen legte der Kläger am 02.03.2001 unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.07.2000 (B 7 AL 42/99 R) Widerspruch ein und erklärte erneut, bis zum 65. Lebensjahr arbeiten zu wollen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 verwarf die Beklagten den Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richte. Die Aufforderung im Schreiben vom 15.02.2000, Altersrente zu beantragen, sei weder eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, sondern lediglich die Vorbereitung des Verwaltungshandelns, um künftig einen Verwaltungsakt zu erlassen.
Hiergegen hat der Kläger am 21.03.2001 vor dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben.
Mit weiterem Bescheid vom 19.03.2001 entzog die Beklagten dem Kläger die Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Mitwirkung ab 22.03.2001, weil er bis zum 19.03.2001 die Beantragung der Altersrente nicht nachgewiesen habe. Hiergegen legte der Kläger am 26.03.2001 Widerspruch ein, mit dem er zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts beantragte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2001 wies die Beklagte diesen Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Entziehung der Arbeitslosenhilfe ab 22.03.2001 sei rechtmäßig, da der Kläger nach eigenen Angaben ab 01.04.2001 ungeminderte Altersrente beziehen könne, er sich trotz deutlichen Hinweises auf die Rechtsfolgen und nach entsprechender Fristsetzung jedoch weigere, seinen Mitwirkungspflichten, also der Beantragung der Altersrente, nachzukommen. Die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts werde abgelehnt, da keine ersthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung bestünden.
Auch hiergegen hat der Kläger am 11.04.2001 Klage erhoben.
Das Sozialgericht Detmold hat die vom Kläger erhobenen Klagen mit Beschluss vom 26.04.2001 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger vorgetragen: Bei den Schreiben der Beklagten vom 16.01. und 15.01.2001 handele es sich um anfechtbare Verwaltungsakte. Diese seien rechtswidrig, weil die Beklagte aufgrund des Vorliegens eines atypischen Falles vor der Aufforderung zur Stellung eines Altersrentenantrages Ermessen ausüben müsse. Wenn der zu erwartende Rentenzahlbetrag - wie hier - niedriger als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe sei, liege nach der Rechtsprechung des BSG ein atypischer Fall vor, bei dem die Beklagte vor der Aufforderung zur Stellung des Altersrentenantrags Ermessen ausüben müsse. In seinem Fall betrage die Differenz zwischen Arbeitslosenhilfe und Altersrente 635,61 DM. Während er Arbeitslosenhilfe in Höhe von 1.863,07 DM monatlich beanspruchen könne, habe er monatlich eine Rente in Höhe von 1.328,42 DM abzüglich der Eigenanteile für Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 89,67 DM bzw. 11,29 DM zu erwarten. Da die Aufforderung der Beklagten zur Rentenantragstellung rechtswidrig gewesen sei, fehle es an der in § 202 Abs. 1 Satz 1 SGB III vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzung für die in Satz 2 angeordnete Rechtsfolge des Ruhen des Arbeitslosenhilfeanspruchs. Auch die Entziehung der Arbeitslosenhilfe sei deshalb rechtswidrig.
Der Kläger hat dem Sinn nach schriftsätzlich beantragt,
1. die Bescheide der Beklagten vom 16.01.2001 und vom 15.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufzuheben,
2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2001 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 22.03.2001 zu gewähren,
3. die durch Bescheid vom 19.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2001 angeordnete Vollziehung auszusetzen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordung abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, das vom Kläger zitierte Urteil des BSG vom 27.07.2000 stehe im Widerspruch zum Willen des historischen Gesetzgebers und zu Sinn und Zweck des § 202 Abs. 1 SGB III. Bei der Feststellung, ob ein atypischer Fall vorliegen, sei die Höhe der zu erwartenden Rente wegen Alters nicht zu berücksichtigen. Die Auffassung des BSG führe im Übrigen zu einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand bei der Arbeitsverwaltung. Auch die Bewertung des BSG, dass die Aufforderung zur Altersrentenantragstellung ein Verwaltungsakt sei, überzeuge nicht. Sie führe dazu, dass bei der Anwendung des § 202 Abs. 1 SGB III der Weg zu den Sozialgerichten sowohl wegen der Aufforderung, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, als auch wegen der Feststellung des Ruhens/der Entziehung der Arbeitslosenhilfe eröffnet werde. Hierfür bestehe kein sachlicher Grund.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2001 hat das Sozialgericht Detmold die Bescheide vom 16.01. und 15.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2001 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 22.03.2001 zu gewähren.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, dem Kläger die Arbeitslosehilfe ab 22.03.2001 zu entziehen. Dieser sei nicht verpflichtet gewesen, auf die Aufforderungen der Beklagten vom 16.01. und 15.02.2001 einen Antrag auf Altersrente zu stellen; denn diese Aufforderungen zur Rentenantragstellung seien mangels Ermessensausübung rechtswidrig gewesen. Die Aufforderung der Beklagten an einen Empfänger von Arbeitslosenhilfe, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, sei ein belastender Verwaltungsakt, der in die Rechte des Arbeitslosen unmittelbar eingreife. Die Aufforderung habe Regelungscharakter mit unmittelbarer Aussenwirkung. Die Aufforderungen der Beklagten vom 16.01. und 15.02.2001 seien rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte kein Ermessen ausgeübt habe. Wenn die Altersrente niedriger sei als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe, sei von einem atypischen Fall auszugehen, der die Beklagte zur Ermessensausübung verpflichte.
Gegen diesen ihr am 18.06.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 04. des Folgemonats Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Mit der Regelung des § 202 Abs. 1 SGB III habe der Gesetzgeber den Grundsatz der Nachrangigkeit der Arbeitslosenhilfe gegenüber der Altersrente verwirklichen wollen. § 202 SGB III gehe daher typisierend davon aus, dass der Lebensunterhalt von Arbeitslosen durch die Altersrente in vollem Umfang sicher gestellt werde; der Arbeitslose, der Altersrente beziehe, sei aufgrund der typisierenden Betrachtung, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Massenleistungen zulässig sei, normativ nicht bedürftig im Sinne der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe.
Nach der BT-Drucksache 13/6647 sei bei der Feststellung, ob ein atypischer Fall vorliege, die Höhe der zu erwartenden Rente wegen Alters nicht zu berücksichtigen. So werde in der Begründung zur Änderung des § 134 AFG (jetzt § 202 SGB III) in der BT-Drucksache 13/2898, S. 6 ausgeführt, der Grundsatz der Nachrangigkeit der Arbeitslosenhilfe gegenüber Versicherungsleistungen solle auch im Verhältnis zu den Renten verwirklicht werden und diese Nachrangigkeit bestehe unabhängig von der Höhe der einzelnen Leistungen. Ein atypischer Fall liege dementsprechend vor, wenn die Nachrangigkeit nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand hergestellt werden könne.
Falls man der Auffassung des BSG folge, müssten die Arbeitsämter in jedem Einzelfall vor der Aufforderung zur Rentenantragstellung eine Rentenauskunft von dem jeweils zuständigen Rententräger über die voraussichtlich zu erwartende Altersrente einholen und eine Vergleichsberechnung anstellen, ob die zu erwartende Rente wegen Alters höher sei als die weiterhin zu zahlende Arbeitslosehilfe. Die Rententräger wiederum müssten diese Auskünfte erst durch Abfragen der jeweiligen Konten feststellen, was gegebenenfalls mit der Einholung weiterer Nachweise verbunden sei. Falls die Altersrente niedriger sei, sei vom Vorliegen eines atypischen Falles auszugehen und damit auf die Aufforderung zur Rentenantragsstellung zu verzichten. Dies führe jedoch zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bei der Arbeitsverwaltung. Beim Arbeitsamt Detmold seien in der Zeit von Januar bis August 2001 414 Bezieher von Arbeitslosenhilfe betreut worden, die 59 Jahre alt oder älter seien.
Mit der in § 202 Abs. 1 SGB III enthaltenen generalisierenden und typisierenden Regelung habe der Gesetzgeber bei der Ordnung dieser Massenerscheinungen gerade die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle ausschließen wollen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 31.05.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung sind die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids und des Urteils des BSG vom 27.07.2000 überzeugend. Im Übrigen könne es im Zeitalter des Computers für die Beklagte nicht allzu aufwendig sein, Rentenauskünfte beim jeweils zuständigen Rententräger einzuholen und die Höhe der Rente mit der Höhe der Arbeitslosenhilfe zu vergleichen.
Mit Beschluss des Vorsitzenden des 12. Senats des LSG NRW vom 24.07.2001 ist der Antrag der Beklagten, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung auszusetzen, zurückgewiesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungakte der Beklagten Bezug genommen; diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten entsprechen nicht der Sach- und Rechtslage und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind vom Sozialgericht Detmold deshalb zu Recht mit dem Gerichtsbescheid aufgehoben worden. Dem Kläger steht auch ab 22.03.2001 weiterhin Arbeitslosenhilfe zu.
Zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen wird zunächst in vollem Umfang auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Der Senat schließt sich im Übrigen der überzeugenden Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 27.07.2000 (B 7 AL 42/99 R) an. Zwar befasst sich dieses Urteil mit der Auslegung des § 134 Abs. 3 c AFG; die hier maßgebliche Vorschrift des § 202 Abs. 1 SGB III entspricht der vorgenannten AFG-Vorschrift inhaltlich jedoch vollständig, so dass die vom BSG entwickelten Grundsätze auch unter der Geltung des SGB III weiter zu berücksichtigen sind.
Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass § 202 Abs. 1 SGB III dem früheren § 134 Abs. 3 c AFG in vollem Umfang entspricht. So lautet die Begründung zu § 200 (jetzt § 202) im ersten AFRG-Entwurf wie folgt (BT-Drucksache 13/4941, S. 190): "Zu § 200 - Besonderheiten zum Ruhen des Anspruchs bei anderen Sozialleistungen Abs. 1 entspricht § 134 Abs. 3 c AFG ..."
Das BSG hat in dem vorgenannten Urteil ausgeführt: Der Gesetzgeber habe mit § 134 Abs. 3 c AFG (Anmerkung des Senats: jetzt § 202 Abs. 1 SGB III) nur den Nachrang der Arbeitslosenhilfe realisieren, also verhindern wollen, dass sich ein Arbeitsloser auf Bedürftigkeit berufen könne. Dies setze denknotwendig voraus, dass die Altersrente regelmäßig nicht niedriger als die Arbeitslosenhilfe sei. Um die Frage der Bedürftigkeit gehe es nämlich nur, wenn die zu erwartende Altersrente mindestens so hoch sei,wie die zu zahlende Arbeitslosenhilfe; falls sie nämlich niedriger sei, müsse der die Altersrente übersteigende Arbeitslosenhilfebetrag weiter gezahlt werden. Diese Rechtsfolge könne allerdings wegen § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG in Verbindung mit § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG (heute: § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III in Verbindung mit § 202 Abs. 1 SGB III) nicht eintreten, weil danach der Arbeitslosenhilfeanspruch in vollem Umfang ruhe, selbst wenn der Altersrentenanspruch noch so niedrig sei. Aufgabe des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG sei dabei die Abgrenzung sozialrechtlicher Risikobereiche mittels der Fiktion eines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben, nicht aber die Durchsetzung der Nachrangigkeit des Arbeitslosenhilfeanspruchs. Zwar werde die Wirkung des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG durch § 134 Abs. 3 c AFG verstärkt. Die letztgenannte Vorschrift diene aber gleichwohl nach der ausdrücklichen Begründung des Gesetzgebers konzeptionell nicht der Aufteilung in Zuständigkeitsbereiche der Bundesanstalt für Arbeit und der Rentenversicherungsträger. Wenn nun der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund die Ruhenswirkung des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG nicht auf den Bezug der Altersrente nach freiwilliger Rentenantragstellung beschränke, so müssten als untypisch im Rahmen des § 134 Abs. 3 c Satz 1 AFG alle die Fälle angesehen werden, in denen die zu zahlenden Altersrente niedriger als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe sei. Nur diese Auslegung sei mit dem Gesamtkonzept der § 118 Abs. 1 Nr. 4, § 134 Abs. 3 c AFG vereinbar (heute: §§ 142 Abs. 1 Nr. 4, 202 Abs. 1 SGB III). Verfassungsrechtlichen Bedenken könne insoweit im Rahmen einer Prüfung der Atypik und einer Ermessensreduzierung Rechnung getragen werden.
Eine genauere Prüfung, ob ein atypischer Fall vorliege, sei außerdem erforderlich, wenn der Arbeitslose noch Verdienste aus beruflichen Tätigkeiten erziele, die entweder auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet werden würden oder sogar für Teilzeiträume dem Arbeitslosenhilfeanspruch entgegen stünden. Denn in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG werde typisierend unterstellt, dass der Empfänger einer Altersrente aufgrund seiner Rentenantragstellung wie ein aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedener zu behandeln sei. Dieses Konzept sei nur schlüssig, wenn es sich bei den Arbeitslosen, der nach § 134 Abs. 3 c AFG zur Rentenantragstellung aufgefordert werde, gerade um den typischen älteren Arbeitslosen handele, der nach dem Bezug von Arbeitslosengeld wegen seines Alters im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage ohnedies nur noch einschränkt vermittelbar sei und tatsächlich keine beruflichen Tätigkeiten mehr ausübe. Ein atypischer Fall liege um so eher vor, je mehr der Arbeitslosenhilfeempfänger noch am Berufsleben teilnehme.
Diesen überzeugenden Ausführungen des BSG schließt sich der Senat nach eigener Prüfung in vollem Umfang an. Bei dem Kläger handelt es sich um einen Arbeitslosen, der seit Jahren als Zeitungszusteller nebenbeschäftigt ist, und zwar bis heute. Er nimmt somit bis heute am Erwerbsleben teil und hat bekräftigt, dies auch künftig noch zu beabsichtigen.
Da die Beklagte bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung Ermessen hätte ausüben müssen, waren die Aufforderungen und die darauf aufbauende Entziehung der Arbeitslosenhilfegewährung für die Zeit ab 22.03.2001 mangels Ermessensausübung rechtswidrig.
Die Auffassung des Senats zu diesem Punkt wird im Übrigen geteilt von Gagel-Ebsen (Stand: März 2001), § 202 SGB III, Rdnr. 9 u. 36 sowie von GK-Marschner (Stand: Juni 2001), § 202 SGB III Rdnr. 9).
Den Einwand der Beklagten, wenn man sich der Rechtsauffassung des BSG anschließe, führe dies zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bei der Arbeitsverwaltung, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. So kann die Beklagte den Arbeitslosen bei der Anhörung zur Anwendung des § 202 Abs. 1 SGB III zunächst zur Mitteilung auffordern, wie hoch der Altersrentenanspruch ab einem bestimmten Datum ist. In der Regel wird einem älteren Arbeitslosen eine Rentenauskunft bereits vorliegen. Nur so kann er sich nämlich entscheiden, ob er künftig zweckmäßigerweise Leistungen der Beklagten oder Rente in Anspruch nimmt. Falls dem Arbeitslosen eine derartige Auskunft des Rentenversicherungsträgers aber noch nicht vorliegt oder er die Mitwirkung verweigert, kann die Beklagte selbst Erkundigungen beim zuständigen Rentenversicherungsträger einholen.
Mit dem BSG geht der Senat davon aus, dass die Aufforderung zur Stellung des Rentenantrags ein belastender Verwaltungsakt ist, der in die Rechte des Arbeitslosen unmittelbar eingreift. Denn die Aufforderung hat Regelungscharakter und wirkt unmittelbar nach außen. Selbst wenn es sich bei der vom Arbeitslosen geforderten Rentenantragstellung nicht um ein erzwingbares Verhalten handelt, wird durch die Aufforderung zur Rentenantragstellung auf den Arbeitslosen ein Druck ausgeübt, der dem Verlangen nach einem erzwingbaren Verhalten nahekommt. Falls der Arbeitslose nämlich trotz entsprechender Aufforderung den von ihm verlangten Rentenantrag nicht stellt, ruht sein Anspruch ohne weiteres nach § 202 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Bereits durch die Aufforderung zur Rentenantragstellung wird der Arbeitslose im Hinblick auf die Rechtswirkungen des § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III faktisch aus dem Erwerbsleben herausgedrängt. Es ergibt sich deshalb kein essentieller Unterschied zu einem durch Vollstreckung erzwingbaren Verhalten; vielmehr handelt es sich um einen unmittelbaren Eingriff in die Rechtsposition des Arbeitslosen.
Die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Auslegung des § 202 Abs. 1 Satz 1 SGB III grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über den Charakter und die Rechtmäßigkeit der Aufforderung der Beklagten an den Kläger, einen Antrag auf Altersrente zu stellen sowie um die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Arbeitslosenhilfe ab 22.03.2001.
Der am ...1941 geborene Kläger nahm ab 1984 regelmäßig Leistungen der Beklagten in Anspruch; seit 01.05.1991 bezog er von der Beklagten (ohne Unterbrechung) Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld bezogen. Seit 10.01.1999 erhielt er Arbeitslosenhilfe bis zum 21.03.2001.
Am 16.01.2001 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, er könne voraussichtlich in absehbarer Zeit eine abschlagsfreie Altersrente beanspruchen. Er werde deshalb gebeten, gem. § 202 Abs. 1 des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) diese Rente innerhalb eines Monats nach Zugang des Schreibens zur Vermeidung von Rechtsnachteilen zu beantragen. Falls er den Antrag innerhalb der Monatsfrist nicht stelle, ruhe sein Anspruch auf Leistungen ab dem Tage nach Ablauf der Frist. Arbeitslosenhilfe könne in diesem Fall erst von dem Tag an wieder gezahlt werden, an dem er die Alters rente beantrage. Zugleich bat die Beklagte den Kläger, innerhalb der Monatsfrist den Tag der Rentenantragstellung auf einem beigefügten Vordruck mitzuteilen. Sofern der Kläger die Voraussetzungen für die ungeminderte Altersrente erst zu einem späteren Zeitpunkt erfülle, werde er um Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des zuständigen Rentenversicherungsträgers gebeten. Sofern er das Arbeitsamt innerhalb der Monatsfrist nicht benachrichtige bzw. die Bescheinigung des Rentenversicherungsträgers nicht vorlege, sei das Arbeitsamt gehalten, ihm die Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Mitwirkung zu entziehen.
Am 12.02.2001 teilte der Kläger der Beklagten schriftlich mit, er habe ab 01.04.2001 Anspruch auf ungeminderte Altersrente. Er wolle jedoch bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Der zu erwartenende Rentenzahlbetrag sei ganz erheblich niedriger als die Arbeitslosenhilfe.
Daraufhin forderte die Beklagten den Kläger unter dem 15.02.2001 unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 16.01.2001 schriftlich auf, bis spätestens 02.03.2001 den Rentenantrag zu stellen und die Beantragung nachzuweisen.
Hiergegen legte der Kläger am 02.03.2001 unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.07.2000 (B 7 AL 42/99 R) Widerspruch ein und erklärte erneut, bis zum 65. Lebensjahr arbeiten zu wollen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2001 verwarf die Beklagten den Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richte. Die Aufforderung im Schreiben vom 15.02.2000, Altersrente zu beantragen, sei weder eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, sondern lediglich die Vorbereitung des Verwaltungshandelns, um künftig einen Verwaltungsakt zu erlassen.
Hiergegen hat der Kläger am 21.03.2001 vor dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben.
Mit weiterem Bescheid vom 19.03.2001 entzog die Beklagten dem Kläger die Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Mitwirkung ab 22.03.2001, weil er bis zum 19.03.2001 die Beantragung der Altersrente nicht nachgewiesen habe. Hiergegen legte der Kläger am 26.03.2001 Widerspruch ein, mit dem er zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts beantragte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2001 wies die Beklagte diesen Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Entziehung der Arbeitslosenhilfe ab 22.03.2001 sei rechtmäßig, da der Kläger nach eigenen Angaben ab 01.04.2001 ungeminderte Altersrente beziehen könne, er sich trotz deutlichen Hinweises auf die Rechtsfolgen und nach entsprechender Fristsetzung jedoch weigere, seinen Mitwirkungspflichten, also der Beantragung der Altersrente, nachzukommen. Die Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts werde abgelehnt, da keine ersthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung bestünden.
Auch hiergegen hat der Kläger am 11.04.2001 Klage erhoben.
Das Sozialgericht Detmold hat die vom Kläger erhobenen Klagen mit Beschluss vom 26.04.2001 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger vorgetragen: Bei den Schreiben der Beklagten vom 16.01. und 15.01.2001 handele es sich um anfechtbare Verwaltungsakte. Diese seien rechtswidrig, weil die Beklagte aufgrund des Vorliegens eines atypischen Falles vor der Aufforderung zur Stellung eines Altersrentenantrages Ermessen ausüben müsse. Wenn der zu erwartende Rentenzahlbetrag - wie hier - niedriger als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe sei, liege nach der Rechtsprechung des BSG ein atypischer Fall vor, bei dem die Beklagte vor der Aufforderung zur Stellung des Altersrentenantrags Ermessen ausüben müsse. In seinem Fall betrage die Differenz zwischen Arbeitslosenhilfe und Altersrente 635,61 DM. Während er Arbeitslosenhilfe in Höhe von 1.863,07 DM monatlich beanspruchen könne, habe er monatlich eine Rente in Höhe von 1.328,42 DM abzüglich der Eigenanteile für Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 89,67 DM bzw. 11,29 DM zu erwarten. Da die Aufforderung der Beklagten zur Rentenantragstellung rechtswidrig gewesen sei, fehle es an der in § 202 Abs. 1 Satz 1 SGB III vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzung für die in Satz 2 angeordnete Rechtsfolge des Ruhen des Arbeitslosenhilfeanspruchs. Auch die Entziehung der Arbeitslosenhilfe sei deshalb rechtswidrig.
Der Kläger hat dem Sinn nach schriftsätzlich beantragt,
1. die Bescheide der Beklagten vom 16.01.2001 und vom 15.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufzuheben,
2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2001 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 22.03.2001 zu gewähren,
3. die durch Bescheid vom 19.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2001 angeordnete Vollziehung auszusetzen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordung abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, das vom Kläger zitierte Urteil des BSG vom 27.07.2000 stehe im Widerspruch zum Willen des historischen Gesetzgebers und zu Sinn und Zweck des § 202 Abs. 1 SGB III. Bei der Feststellung, ob ein atypischer Fall vorliegen, sei die Höhe der zu erwartenden Rente wegen Alters nicht zu berücksichtigen. Die Auffassung des BSG führe im Übrigen zu einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand bei der Arbeitsverwaltung. Auch die Bewertung des BSG, dass die Aufforderung zur Altersrentenantragstellung ein Verwaltungsakt sei, überzeuge nicht. Sie führe dazu, dass bei der Anwendung des § 202 Abs. 1 SGB III der Weg zu den Sozialgerichten sowohl wegen der Aufforderung, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, als auch wegen der Feststellung des Ruhens/der Entziehung der Arbeitslosenhilfe eröffnet werde. Hierfür bestehe kein sachlicher Grund.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2001 hat das Sozialgericht Detmold die Bescheide vom 16.01. und 15.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2001 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2001 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab 22.03.2001 zu gewähren.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, dem Kläger die Arbeitslosehilfe ab 22.03.2001 zu entziehen. Dieser sei nicht verpflichtet gewesen, auf die Aufforderungen der Beklagten vom 16.01. und 15.02.2001 einen Antrag auf Altersrente zu stellen; denn diese Aufforderungen zur Rentenantragstellung seien mangels Ermessensausübung rechtswidrig gewesen. Die Aufforderung der Beklagten an einen Empfänger von Arbeitslosenhilfe, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, sei ein belastender Verwaltungsakt, der in die Rechte des Arbeitslosen unmittelbar eingreife. Die Aufforderung habe Regelungscharakter mit unmittelbarer Aussenwirkung. Die Aufforderungen der Beklagten vom 16.01. und 15.02.2001 seien rechtswidrig gewesen, weil die Beklagte kein Ermessen ausgeübt habe. Wenn die Altersrente niedriger sei als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe, sei von einem atypischen Fall auszugehen, der die Beklagte zur Ermessensausübung verpflichte.
Gegen diesen ihr am 18.06.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 04. des Folgemonats Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Mit der Regelung des § 202 Abs. 1 SGB III habe der Gesetzgeber den Grundsatz der Nachrangigkeit der Arbeitslosenhilfe gegenüber der Altersrente verwirklichen wollen. § 202 SGB III gehe daher typisierend davon aus, dass der Lebensunterhalt von Arbeitslosen durch die Altersrente in vollem Umfang sicher gestellt werde; der Arbeitslose, der Altersrente beziehe, sei aufgrund der typisierenden Betrachtung, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Massenleistungen zulässig sei, normativ nicht bedürftig im Sinne der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe.
Nach der BT-Drucksache 13/6647 sei bei der Feststellung, ob ein atypischer Fall vorliege, die Höhe der zu erwartenden Rente wegen Alters nicht zu berücksichtigen. So werde in der Begründung zur Änderung des § 134 AFG (jetzt § 202 SGB III) in der BT-Drucksache 13/2898, S. 6 ausgeführt, der Grundsatz der Nachrangigkeit der Arbeitslosenhilfe gegenüber Versicherungsleistungen solle auch im Verhältnis zu den Renten verwirklicht werden und diese Nachrangigkeit bestehe unabhängig von der Höhe der einzelnen Leistungen. Ein atypischer Fall liege dementsprechend vor, wenn die Nachrangigkeit nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand hergestellt werden könne.
Falls man der Auffassung des BSG folge, müssten die Arbeitsämter in jedem Einzelfall vor der Aufforderung zur Rentenantragstellung eine Rentenauskunft von dem jeweils zuständigen Rententräger über die voraussichtlich zu erwartende Altersrente einholen und eine Vergleichsberechnung anstellen, ob die zu erwartende Rente wegen Alters höher sei als die weiterhin zu zahlende Arbeitslosehilfe. Die Rententräger wiederum müssten diese Auskünfte erst durch Abfragen der jeweiligen Konten feststellen, was gegebenenfalls mit der Einholung weiterer Nachweise verbunden sei. Falls die Altersrente niedriger sei, sei vom Vorliegen eines atypischen Falles auszugehen und damit auf die Aufforderung zur Rentenantragsstellung zu verzichten. Dies führe jedoch zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bei der Arbeitsverwaltung. Beim Arbeitsamt Detmold seien in der Zeit von Januar bis August 2001 414 Bezieher von Arbeitslosenhilfe betreut worden, die 59 Jahre alt oder älter seien.
Mit der in § 202 Abs. 1 SGB III enthaltenen generalisierenden und typisierenden Regelung habe der Gesetzgeber bei der Ordnung dieser Massenerscheinungen gerade die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle ausschließen wollen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 31.05.2001 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung sind die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids und des Urteils des BSG vom 27.07.2000 überzeugend. Im Übrigen könne es im Zeitalter des Computers für die Beklagte nicht allzu aufwendig sein, Rentenauskünfte beim jeweils zuständigen Rententräger einzuholen und die Höhe der Rente mit der Höhe der Arbeitslosenhilfe zu vergleichen.
Mit Beschluss des Vorsitzenden des 12. Senats des LSG NRW vom 24.07.2001 ist der Antrag der Beklagten, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung auszusetzen, zurückgewiesen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungakte der Beklagten Bezug genommen; diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten entsprechen nicht der Sach- und Rechtslage und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind vom Sozialgericht Detmold deshalb zu Recht mit dem Gerichtsbescheid aufgehoben worden. Dem Kläger steht auch ab 22.03.2001 weiterhin Arbeitslosenhilfe zu.
Zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen wird zunächst in vollem Umfang auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Der Senat schließt sich im Übrigen der überzeugenden Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 27.07.2000 (B 7 AL 42/99 R) an. Zwar befasst sich dieses Urteil mit der Auslegung des § 134 Abs. 3 c AFG; die hier maßgebliche Vorschrift des § 202 Abs. 1 SGB III entspricht der vorgenannten AFG-Vorschrift inhaltlich jedoch vollständig, so dass die vom BSG entwickelten Grundsätze auch unter der Geltung des SGB III weiter zu berücksichtigen sind.
Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass § 202 Abs. 1 SGB III dem früheren § 134 Abs. 3 c AFG in vollem Umfang entspricht. So lautet die Begründung zu § 200 (jetzt § 202) im ersten AFRG-Entwurf wie folgt (BT-Drucksache 13/4941, S. 190): "Zu § 200 - Besonderheiten zum Ruhen des Anspruchs bei anderen Sozialleistungen Abs. 1 entspricht § 134 Abs. 3 c AFG ..."
Das BSG hat in dem vorgenannten Urteil ausgeführt: Der Gesetzgeber habe mit § 134 Abs. 3 c AFG (Anmerkung des Senats: jetzt § 202 Abs. 1 SGB III) nur den Nachrang der Arbeitslosenhilfe realisieren, also verhindern wollen, dass sich ein Arbeitsloser auf Bedürftigkeit berufen könne. Dies setze denknotwendig voraus, dass die Altersrente regelmäßig nicht niedriger als die Arbeitslosenhilfe sei. Um die Frage der Bedürftigkeit gehe es nämlich nur, wenn die zu erwartende Altersrente mindestens so hoch sei,wie die zu zahlende Arbeitslosenhilfe; falls sie nämlich niedriger sei, müsse der die Altersrente übersteigende Arbeitslosenhilfebetrag weiter gezahlt werden. Diese Rechtsfolge könne allerdings wegen § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG in Verbindung mit § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG (heute: § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III in Verbindung mit § 202 Abs. 1 SGB III) nicht eintreten, weil danach der Arbeitslosenhilfeanspruch in vollem Umfang ruhe, selbst wenn der Altersrentenanspruch noch so niedrig sei. Aufgabe des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG sei dabei die Abgrenzung sozialrechtlicher Risikobereiche mittels der Fiktion eines Ausscheidens aus dem Erwerbsleben, nicht aber die Durchsetzung der Nachrangigkeit des Arbeitslosenhilfeanspruchs. Zwar werde die Wirkung des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG durch § 134 Abs. 3 c AFG verstärkt. Die letztgenannte Vorschrift diene aber gleichwohl nach der ausdrücklichen Begründung des Gesetzgebers konzeptionell nicht der Aufteilung in Zuständigkeitsbereiche der Bundesanstalt für Arbeit und der Rentenversicherungsträger. Wenn nun der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund die Ruhenswirkung des § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG nicht auf den Bezug der Altersrente nach freiwilliger Rentenantragstellung beschränke, so müssten als untypisch im Rahmen des § 134 Abs. 3 c Satz 1 AFG alle die Fälle angesehen werden, in denen die zu zahlenden Altersrente niedriger als die zu zahlende Arbeitslosenhilfe sei. Nur diese Auslegung sei mit dem Gesamtkonzept der § 118 Abs. 1 Nr. 4, § 134 Abs. 3 c AFG vereinbar (heute: §§ 142 Abs. 1 Nr. 4, 202 Abs. 1 SGB III). Verfassungsrechtlichen Bedenken könne insoweit im Rahmen einer Prüfung der Atypik und einer Ermessensreduzierung Rechnung getragen werden.
Eine genauere Prüfung, ob ein atypischer Fall vorliege, sei außerdem erforderlich, wenn der Arbeitslose noch Verdienste aus beruflichen Tätigkeiten erziele, die entweder auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet werden würden oder sogar für Teilzeiträume dem Arbeitslosenhilfeanspruch entgegen stünden. Denn in § 118 Abs. 1 Nr. 4 AFG werde typisierend unterstellt, dass der Empfänger einer Altersrente aufgrund seiner Rentenantragstellung wie ein aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedener zu behandeln sei. Dieses Konzept sei nur schlüssig, wenn es sich bei den Arbeitslosen, der nach § 134 Abs. 3 c AFG zur Rentenantragstellung aufgefordert werde, gerade um den typischen älteren Arbeitslosen handele, der nach dem Bezug von Arbeitslosengeld wegen seines Alters im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage ohnedies nur noch einschränkt vermittelbar sei und tatsächlich keine beruflichen Tätigkeiten mehr ausübe. Ein atypischer Fall liege um so eher vor, je mehr der Arbeitslosenhilfeempfänger noch am Berufsleben teilnehme.
Diesen überzeugenden Ausführungen des BSG schließt sich der Senat nach eigener Prüfung in vollem Umfang an. Bei dem Kläger handelt es sich um einen Arbeitslosen, der seit Jahren als Zeitungszusteller nebenbeschäftigt ist, und zwar bis heute. Er nimmt somit bis heute am Erwerbsleben teil und hat bekräftigt, dies auch künftig noch zu beabsichtigen.
Da die Beklagte bei der Aufforderung zur Rentenantragstellung Ermessen hätte ausüben müssen, waren die Aufforderungen und die darauf aufbauende Entziehung der Arbeitslosenhilfegewährung für die Zeit ab 22.03.2001 mangels Ermessensausübung rechtswidrig.
Die Auffassung des Senats zu diesem Punkt wird im Übrigen geteilt von Gagel-Ebsen (Stand: März 2001), § 202 SGB III, Rdnr. 9 u. 36 sowie von GK-Marschner (Stand: Juni 2001), § 202 SGB III Rdnr. 9).
Den Einwand der Beklagten, wenn man sich der Rechtsauffassung des BSG anschließe, führe dies zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bei der Arbeitsverwaltung, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. So kann die Beklagte den Arbeitslosen bei der Anhörung zur Anwendung des § 202 Abs. 1 SGB III zunächst zur Mitteilung auffordern, wie hoch der Altersrentenanspruch ab einem bestimmten Datum ist. In der Regel wird einem älteren Arbeitslosen eine Rentenauskunft bereits vorliegen. Nur so kann er sich nämlich entscheiden, ob er künftig zweckmäßigerweise Leistungen der Beklagten oder Rente in Anspruch nimmt. Falls dem Arbeitslosen eine derartige Auskunft des Rentenversicherungsträgers aber noch nicht vorliegt oder er die Mitwirkung verweigert, kann die Beklagte selbst Erkundigungen beim zuständigen Rentenversicherungsträger einholen.
Mit dem BSG geht der Senat davon aus, dass die Aufforderung zur Stellung des Rentenantrags ein belastender Verwaltungsakt ist, der in die Rechte des Arbeitslosen unmittelbar eingreift. Denn die Aufforderung hat Regelungscharakter und wirkt unmittelbar nach außen. Selbst wenn es sich bei der vom Arbeitslosen geforderten Rentenantragstellung nicht um ein erzwingbares Verhalten handelt, wird durch die Aufforderung zur Rentenantragstellung auf den Arbeitslosen ein Druck ausgeübt, der dem Verlangen nach einem erzwingbaren Verhalten nahekommt. Falls der Arbeitslose nämlich trotz entsprechender Aufforderung den von ihm verlangten Rentenantrag nicht stellt, ruht sein Anspruch ohne weiteres nach § 202 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Bereits durch die Aufforderung zur Rentenantragstellung wird der Arbeitslose im Hinblick auf die Rechtswirkungen des § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III faktisch aus dem Erwerbsleben herausgedrängt. Es ergibt sich deshalb kein essentieller Unterschied zu einem durch Vollstreckung erzwingbaren Verhalten; vielmehr handelt es sich um einen unmittelbaren Eingriff in die Rechtsposition des Arbeitslosen.
Die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Auslegung des § 202 Abs. 1 Satz 1 SGB III grundsätzliche Bedeutung beimisst.
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