L 11 AL 90/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 Al 1556/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 90/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. November 1996 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckencsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung einer Bewilligung von Unterhaltsgeld (Uhg) wegen der Anrechnung von Einkommen aus einer kurzzeitigen Nebentätigkeit und um die aus der Aufhebung resultierende Erstattung.

Die verheiratete Klägerin, die zu Beginn des Jahres 1994 die Steuerklasse 5 hatte und die 1994 ein minderjähriges Kind betreute, bezog bis zum 23.05.1994 Arbeitslosengeld (Alg).

Ab 24.05.1994 bezog die Klägerin Uhg (Bewilligungsbescheid vom 30.06.1994) wegen der notwendigen Teilnahme an einer Teilzeit-Maßnahme, mit der der Wiedereintritt für Frauen in das Erwerbsleben gefördert wurde. Die Klägerin brach die Maßnahme am 28.10.1994 aus wichtigem Grund ab.

Ab 29.10.1994 erhielt die Klägerin wieder Alg nach einem zwischenzeitlich dynamisierten Bemessungsentgelt von 510,- DM in Höhe von 193,80 DM wöchentlich, werktäglich 32,30 DM (Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, Leistungstabelle 1994). Ab 06.12.1994 war der Alg-Anspruch erschöpft.

Im Oktober 1994 erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin als geringfügig Beschäftigte ab 01.06.1994 von dem Transportunternehmer H.H.L. in Nürnberg bei der Krankenkasse angemeldet worden war. In der daraufhin von dem Transportunternehmen H.H.L. angeforderten Bescheinigung über den Nebenverdienst der Klägerin vom 09.03.1995 wurde eine Beschäftigung der Klägerin vom 01.06. bis zum 30.09.1994 mit monatlich ca 28 Stunden und einem Nettolohn von 500,- DM monatlich (insgesamt 2.000,00 DM) angegeben. Die Beklagte errechnete einen Anrechnungsbetrag für die Zeit vom 30.05.1994 bis zum 02.10.1994 (= 18 Wochen) unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 30,- DM pro Woche (30 x 18 = 540), insgesamt 540,- DM und damit eine Überzahlung von 1.460,- DM (2.000,-DM - 540,-DM = 1.460,-DM).

Mit Anhörungsschreiben vom 06.12.1994 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie seit 01.06.1994 bei H.H.L. ein Nebeneinkommen erzielt habe, das sie nicht angezeigt habe und geprüft werde, ob die Leistungsbewilligung aufgehoben werde und eine Erstattungspflicht gegeben sein könnte. Die Klägerin bestritt gegenüber der Beklagten, bei H.H.L. in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben.

Mit Bescheid des Arbeitsamtes Nürnberg vom 18.04.1994 hob die Beklagte die Bewilligung von Uhg für den Zeitraum vom 30.05. bis zum 02.10.1994 teilweise auf, weil die Klägerin in diesem Zeitraum ein Nebeneinkommen erzielt habe, das unter Abzug eines Freibetrages von 30,- DM wöchentlich einen Anrechnungsbetrag von 1.460,- DM ergebe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.1995 zurückgewiesen. Die teilweise Rücknahme der Uhg-Bewilligung wurde darauf gestützt, dass die Klägerin ihren Nebenverdienst von 500,- DM monatlich nicht angegeben habe und wegen des ihr ausgehändigten Merkblattes "Berufliche Fortbildung und Umschulung" hätte erkennen können, dass das erzielte Nebeneinkommen auf das Uhg anzurechnen sei. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben sei, seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg sind zur Aufklärung des Nebeneinkommens als Zeugen der Transportunternehmer H.H.L. und seine Büroangestellte Frau A. vernommen worden.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.11.1996 stattgegeben. Es sah es nicht als erwiesen an, dass die Klägerin bei dem Transportunternehmen H.H.L. beschäftigt war und hierfür monatlich 500,-DM erhalten hat.

Gegen die Entscheidung, die der Beklagten am 13.02.1997 zugestellt worden ist, hat diese am 10.03.1997 Berufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, die Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass die Klägerin ein Entgelt von 500,- DM monatlich erhalten habe. Auf den Umfang der von der Klägerin geleisteten Arbeit komme es nicht an. Das Erstgericht habe das Beweisergebnis nicht richtig gewürdigt.

Die Beklagte beantragt

Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.11.1996 und Abweisung der Klage.

Die Klägerin stellt Antrag auf Zurückweisung der Berufung.

In den öffentlichen Sitzungen des Senats vom 11.04.2001 und 30.05.2001 sind der Zeuge L. und die Zeugin A. erneut als Zeugen vernommen worden.

Wegen des Ergebnisses der beiden Zeugenvernehmungen wird auf die Niederschriften in den Terminsprotokollen verwiesen.

Die Akten der Beklagten (Stammnr 38 495) und des Sozialgerichts Nürnberg (Az: S 8 Al 1556/95) hat der Senat beigezogen. Ihre verfahrensrelevanten Teile waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wegen der Höhe des Erstattungsbetrages auch statthaft.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

Voraussetzung für die streitgegenständliche Teilaufhebung der Uhg-Bewilligung ist (§§ 45, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - iVm § 152 AFG), dass die Klägerin im streitrelevanten Zeitraum vom 30.05. bis 02.10.1994 rechtswidrig, dh im konkreten Fall, ein zu hohes Uhg bezogen hätte. Einkommen aus einer kurzzeitigen Beschäftigung während des Uhg-Bezuges wird grundsätzlich nach Berücksichtigung eines Freibetrages von 30,- DM pro Woche angerechnet (§ 44 Abs 4 AFG).

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Klägerin in dem streitrelevanten Zeitraum in einem die Teilaufhebung der Uhg-Bewilligung rechtfertigenden Umfange bei dem Transportunternehmer L. entgeltlich kurzzeitig beschäftigt war. Der Senat musste deshalb der Frage, ob der Klägerin eventuell ein zu niedriges Uhg bewilligt worden war, wofür das höhere Arbeitslosengeld vor und nach der Maßnahme sprechen könnten, nicht nachgehen (vgl Hennig, Kühl, Heuer, Henke, AFG-Kommentar, § 44 RdNr 62 a, 62 b; BSG SozR 3-4100 § 44 Nr 15 S 32; Nr 16 S 75, 76).

Die insoweit überstimmenden und glaubhaften Zeugenvernehmungen von Herrn L. und Frau A. haben zunächst ergeben, dass Herr L. kaum Kontakt zur Klägerin hatte, er die Klägerin nicht persönlich eingestellt und auch nicht persönlich bezahlt hat. Für eine mögliche Einstellung und Ausstellung und Bezahlung der Klägerin kam allein die Zeugin A. in Frage. Sie hat in der streitrelevanten Zeit für den Zeugen L. einen wesentlichen Teil der kaufmännischen Arbeit seines Betriebes erledigt. Sie hat dementsprechend auch die Anmeldung der Klägerin zur Krankenkasse über den Steuerberater des Zeugen L. veranlasst und die Arbeitsbescheinigung, die Grundlage für die streitrelevante Uhg-Teilaufhebung war, für Herrn L. ausgestellt.

Die Zeugin A. hat unterschiedliche Angaben über den Umfang einer Beschäftigung der Klägerin im Betrieb des Zeugen L. gemacht, sie konnte Beginn und Ende der angeblichen Beschäftigung nicht genau bestimmen und sie hat insbesondere über die Höhe und den Grund von angeblichen Zahlungen an die Klägerin unterschiedliche Angaben gemacht.

Zunächst hat die Zeugin gegenüber der Beklagten angegeben, dass die Klägerin vom 01.06.1994 bis zum 31.11.1994, also 6 Monate, beschäftigt gewesen sei.

Aufgrund der Angaben der Zeugin wurden für den Monat August 500,-DM, für September ebenfalls 500,- DM und für den "Vormonat von September" 1.000,- DM für Aushilfsarbeiten der Klägerin im Betrieb des Zeugen L. verbucht. Die Buchung soll am 14.11.1994 erfolgt sein.

Auf der Arbeitsbescheinigung für die Beklagte wurden von der Zeugin eine Beschäftigung vom 01.06.1994 bis zum 30.09.1994, also für 4 Monate, zu monatlich ca. 28 Stunden und mit einem monatlichen Entgelt von 500,-DM angegeben.

Am 04.10.1995 erklärte die Zeugin gegenüber der Beklagten, dass alle Zahlungen bar auf die Hand ohne Quittungen erfolgten, in der Regel durch Herrn L ... Sie könne sich erinnern auch einmal die Klägerin ausgezahlt zu haben.

In der Zeugenvernehmung vor dem Sozialgericht hat die Zeugin erklärt, die Klägerin habe ca 10 Stunden pro Woche gearbeitet. Kurz vor Weihnachten sei die Klägerin abgemeldet worden. Die Klägerin habe monatlich 500,- DM erhalten. Den Lohn habe sie aus ihrem privaten Vermögen vorgeschossen. Sie habe der Klägerin für die 4 Monate jeweils 500,- DM pro Monat bar gegeben. Das Geld habe sie ihr nicht nur im Betrieb, sondern auch privat zu Hause übergeben.

In der Zeugenvernehmung vor dem Senat hat die Zeugin erklärt, dass die Klägerin stundenweise mit 10,- DM netto aus der Handkasse des Betriebs entlohnt worden sei. Im Schnitt seien es 500,- DM monatlich gewesen. Sie habe ihr auch Geld aus der Betriebskasse gegeben, ohne dass die Klägerin dafür gearbeitet habe. Die Einkommensfestsetzungen durch den Steuerberater seien fiktiv gewesen, die tatsächliche Arbeit der Klägerin habe damit nicht übereingestimmt. Im Schnitt habe die Klägerin pro Woche 2 bis 3mal jeweils 2 Stunden gearbeitet.

Die Zeugin hat eingestanden, dass sie Geld des Zeugen L. unterschlagen habe, was auch der Zeuge L. bestätigt hat.

Der Zeuge L. hat ausgesagt, dass er es für möglich halte, dass die Zeugin A. die Klägerin - hinter deren Rücken - als Arbeitnehmerin angemeldet habe, um die scheinbaren Lohnleistungen für sich zu verbrauchen.

Das Eingeständnis der Zeugin, dass sie Geld vom Zeugen L. unterschlagen und Geld aus seinem Betrieb ohne Gegenleistung für den Betrieb an die Klägerin ausgezahlt haben will und die Möglichkeit, dass die Zeugin für die Klägerin verbuchtes Arbeitsentgelt unterschlagen haben könnte, geben dem Senat Anlass die Aussagen der Zeugin bezüglich einer entgeltlichen Beschäftigung der Klägerin bei dem Zeugen L. insgesamt in Frage stellen. Darüber hinaus wäre der für die Anrechnung von Einkommen auf Uhg wesentliche Beschäftigungszeitraum nach Aussagen der Zeugin nicht schlüssig feststellbar, damit auch nicht die Höhe des abzuziehenden Freibetrages. Schließlich ergäbe sich aus der von der Zeugin vor dem Senat gemachten Aussage, dass die Klägerin 2 bis 3 Stunden pro Woche zu 10,- DM beschäftigt gewesen sei, kein anrechenbares Einkommen. Denn Einkommen bis 30,- DM pro Woche unterfällt nicht der Anrechnung (§ 44 Abs 4 Satz 1 AFG).

Zusammenfassend ist also festzustellen: Die tatsächlichen Grundlagen des streitgegenständlichen Bescheides sind nicht belegt. Es ist nicht sicher, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfange die Klägerin Einkommen im streitrelevanten Zeitraum erzielt hat. Das Sozialgericht hat zu Recht die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben. Die Berufung war demzufolge zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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