L 20 R 381/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 R 755/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 381/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Nichtberücksichtigung von bis zum 31.12.1991 erbrachten Pflegeleistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und von während des Bezuges einer Vollrente wegen Alters erbrachten Pflegeleistungen.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.04.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der Zeiten der häuslichen Pflege ihres Bruders vom 14.10.1972 bis 31.12.1991 und vom 01.05.1992 bis 13.04.2001 bei der Berechnung der ihr ab 01.05.1992 gewährten Altersrente für langjährig Versicherte.

Die 1929 geborene Klägerin bezog ab 01.01.1989 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf der Grundlage eines Leistungsfalles vom 06.12.1988, bewilligt durch Bescheid der Beklagten vom 26.01.1989.

Am 27.01.1992 beantragte die Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte und stellte am 13.02.1992 einen Antrag auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ihres Bruders A. Z., geboren 1924, verstorben am 13.04.2001. Sie gab an, ihren Bruder "seit Jahren" häuslich zu pflegen. Mit Bescheinigung vom 30.01.1992 bestätigte die AOK Mittelfranken das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit des Bruders iS von § 177 Abs 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und von Pflegetätigkeit iS von § 177 Abs 1 Nr 2 SGB VI ab 01.01.1991.

Mit Bescheid vom 28.05.1992 bewilligte die Beklagte der Klägerin anstelle der bisherigen Rente ab 01.05.1992 Altersrente für langjährig Versicherte (monatlicher Zahlbetrag ab 01.05.1992: 804,90 DM und ab 01.07.1992: 826,70 DM) und teilte mit, über die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht entschieden werden.

Mit Bescheid vom 27.10.1993 nahm die Beklagte den Rentenbescheid vom 28.05.1992 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab 01.05.1992 bezüglich der Rentenhöhe zurück und stellte die Altersrente unter Anrechnung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflegetätigkeit vom 01.01.1992 bis 30.04.1992 neu fest. Eine Änderung in der Rentenhöhe ergab sich dadurch nicht.

Am 18.04.2006 beantragte die Klägerin telefonisch bei der Beklagten eine rückwirkende Rentensteigerung, da sie ihren Bruder bereits ab dem Jahre 1972 gepflegt habe. Mit Schreiben vom 24.04.2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Berücksichtigungszeit wegen Pflege für die Zeit vom 01.01.1992 bis 30.04.1992 in der Altersrente für langjährig Versicherte angerechnet sei. Darüber hinaus sei eine Anrechnung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege nicht möglich, weil bei einer Altersrente ausschließlich Zeiten bis zum Beginn der zu berechnenden Rente zu berücksichtigen seien. Die Altersrente habe am 01.05.1992 begonnen. Im Übrigen könnten Pflegezeiten erst mit Einführung des SGB VI zum 01.01.1992 in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werden. Eine Berücksichtigung von Zeiten der Pflege, die vor dem 01.01.1992 lägen, sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Eine Versicherungspflicht von Personen, die einen Pflegebedürftigen nicht erwerbsmäßig 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen, sei erst mit Einführung der Pflegeversicherung zum 01.04.1995 entstanden. Dies gelte jedoch nicht für Personen, die eine Vollrente wegen Alters bezögen. Nachdem bereits seit dem 01.05.1992 eine Altersvollrente bezogen werde, hätten aufgrund der vorliegenden Versicherungsfreiheit auch keine Pflichtbeitragszeiten wegen der Pflegetätigkeit ab dem 01.04.1995 entstehen können.

Mit Schreiben vom 26.03.2008, bei der Beklagten eingegangen am 28.03.2008 beantragte die Klägerin die Neuberechnung ihrer Rente wegen der Pflege ihres Bruders vom 14.10.1972 bis 13.04.2001.

Mit Bescheid vom 23.04.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, nach Überprüfung sei eine Berücksichtigung der Pflegezeit über den Zeitraum vom 01.01.1992 bis 30.04.1992 hinaus nicht möglich. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 05.05.2008, eingegangen bei der Beklagten am 06.05.2008, erläuterte die Beklagte mit Schreiben vom 13.05.2008 der Klägerin erneut die Rechtslage und gab weiter an, dass gemäß § 75 Abs 1 SGB VI Entgeltpunkte nach Beginn der zu berechnenden Rente nur für Zurechnungszeiten ermittelt würden und nicht für Berücksichtigungszeiten wegen Pflege. Im Übrigen regele § 5 Abs 4 SGB VI, dass Bezieher einer Vollrente wegen Alters versicherungsfrei seien, also auch nicht der Versicherungspflicht unterlägen. Deshalb habe ab dem 01.04.1995 auch keine Versicherungspflicht wegen Pflege gem. § 3 S 1 Nr 1a SGB VI entstehen können.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragte nunmehr, die Zeit vom 01.04.1995 bis 13.04.2001 als Berücksichtigungszeit iS der Gesetze über Altersrente anzuerkennen. Der Klägerin seien in analoger Anwendung des § 58 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI Anrechnungszeiten zuzuweisen, da nach dem Normzweck dieser Vorschrift auch den Personen Anrechnungszeiten in analoger Anwendung zukommen müssten, die Personen pflegen und betreuen. Wegen der finanziellen Entlastung der Sozialkassen und der Allgemeinheit wolle der Gesetzgeber durch die Regelung über Anrechnungszeiten u.a. einen Anreiz für jeden am Arbeitsleben teilnehmenden bieten, pflegebedürftige nahe Verwandte selbst zu versorgen und pflegen. Auch die Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Zeiten wegen Pflege auf die Zeit bis 31.03.1995 sei nach dem Sachverhalt und dem Normzweck des SGB VI rechtswidrig und nicht angemessen. Auch die Wertungen des Gesetzgebers aus § 50 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) würden zwingend dazu führen, dass der Klägerin die Zeiten der Pflege ihres Bruders rentensteigernd anzurechnen seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch der Klägerin auf Rücknahme bzw. Abänderung des die Rente bewilligenden Bescheides vom 27.10.1993 gemäß § 44 SGB X bestehe nicht, denn der Bescheid vom 28.05.1992 idF des Bescheides vom 27.10.1993 sei rechtmäßig. Die Anerkennung der Pflegezeit als Anrechnungszeit in analoger Anwendung des § 58 SGB VI sei völlig sachfremd. Es bestehe auch keine Notwendigkeit für eine analoge Anwendung, da für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen eigens die Vorschriften des § 57 Abs 2 SGB VI bzw. § 3 Nr 1a SGB VI eingeführt worden seien. Selbst bei analoger Anwendung des § 58 SGB VI könnte eine Anrechnungszeit für die Zeit ab Beginn der Altersrente am 01.05.1992 gemäß § 75 Abs 1 SGB VI nicht für die Berechnung der Rente berücksichtigt werden. Mit dem Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) sei im Zuge des Ausbaus familienbezogener Elemente erstmalig im Rentenversicherungsrecht für bestimmte Regelungsbereiche auch die häusliche Pflege berücksichtigt worden. Um die Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich weiter zu fördern und den hohen Einsatz der Pflegepersonen, die wegen der Pflegetätigkeit oftmals auf eine eigene Berufstätigkeit ganz oder teilweise verzichten würden, anzuerkennen, sei die soziale Sicherung der Pflegepersonen mit dem Pflegeversicherungsgesetz ausgebaut worden. Seit dem 01.04.1995 würden nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 S 1 Nr 1a SGB VI zum versicherungspflichtigen Personenkreis in der gesetzlichen Rentenversicherung gehören und es würden Rentenversicherungsbeiträge für sie gezahlt. Die seit dem 01.01.1992 geltende Regelung des § 57 Abs 2 SGB VI sei somit zum 31.03.1995 zugunsten einer für die Pflegepersonen günstigeren Regelung außer Kraft getreten. Da die Klägerin am 01.04.1995 eine Altersrente bezogen habe, sei sie versicherungsfrei, weshalb bei ihr keine Versicherungspflicht gemäß § 3 S 1 Nr 1a SGB VI habe entstehen können. Es liege auch keine Ungleichbehandlung zwischen Beamten und Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Einen Pflegezuschlag zum Ruhegehalt würden gemäß § 50 BeamtVG nur die Beamten erhalten, welche der Versicherungspflicht gemäß § 3 S 1 Nr 1a SGB VI unterliegen würden. § 5 Abs 4 Nr 2 SGB VI gleiche die Rechtsstellung der Versorgungsempfänger an die der Rentenempfänger an und stelle klar, dass auch der Bezug einer Altersversorgung aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zur Versicherungsfreiheit führe. Werde nach Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze Versorgung gewährt, die der üblichen Altersversorgung des Versorgungssystems entspreche, seien sie folglich versicherungsfrei (vgl. § 25 Abs 1 Satz 3 Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG, § 41 Abs 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz - BBG). Der Ausschluss des Erwerbs von Rentenanwartschaften nach Erreichen bestimmter Altersgrenzen wirke so der Begründung einer Doppelversicherung entgegen und verhindere, dass Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung das beamtenrechtliche Versorgungssystem mitfinanzieren würden, indem sie zum Ruhen von Versorgungsansprüchen führen würden. Bezieher einer Altersvollrente seien somit nicht schlechter gestellt als Bezieher einer Versorgung wegen Alters.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg am 22.09.2008 erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die gesamten Zeiten vom 14.10.1972 bis 30.04.2001 sollten bei der Berechnung der Altersrente berücksichtigt werden. Der Ausschluss der Zeit vom 01.05.1992 bis 13.04.2001 verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip iVm Art 1 und Art 3 Grundgesetz (GG). Die Zeiten vom 14.10.1972 bis 13.04.2001 seien als Anrechnungszeit bzw. als Zurechnungszeit analog § 75 Abs 1 SGB VI zu berücksichtigen. Bei analoger Heranziehung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.10.1998, Az: B 5/4 RA 80/97 R werde die Klägerin rechtswidrig ungleich behandelt und es dürfe keine Rolle spielen, dass die Zeiten der Betreuung und der Bezugsberechtigung für Altersrente teilweise zusammenfielen. Der Sachverhalt sei vergleichbar, weil in beiden Fällen der Rentenberechtigte Zeiten seines Lebens damit verbringe, uneigennützig für andere zu sorgen, die Sorge für Kinder während der Erziehungszeit und die Pflege eines Bruders würden sich im Ergebnis nicht unterscheiden. Darüber hinaus sei Sicherungsziel der Rente die "angemessene Höhe des Rentenniveaus".

Die Beklagte hat erwidert, die Klägerin beziehe seit dem 01.05.1992 eine Vollrente wegen Alters und habe das Sicherungsziel der sozialen Absicherung in den Fällen des Alters erreicht, weshalb über den 30.04.1992 hinaus keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten berücksichtigt werden könnten. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BSG sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG Nürnberg mit Gerichtsbescheid vom 03.04.2009 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neuberechnung der ihr ab 01.05.1992 gewährten Altersrente für langjährig Versicherte unter Einbeziehung der Zeiten vom 14.10.1972 bis 31.12.1991 und vom 01.05.1992 bis 13.04.2001 als Berücksichtigungszeiten wegen Pflege, als Zeiten der Versicherungspflicht als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson, als Anrechnungszeiten oder Zurechnungszeit.

Zwar habe die Klägerin ihren Bruder nach ihren Angaben bereits ab 14.10.1972 gepflegt. Allerdings könne eine Berücksichtigungszeit wegen Pflege frühestens mit Einführung der rentenrechtlichen Zeit durch § 57 Abs 2 SGB VI zum 01.01.1992, d.h. für die Zeit ab 01.01.1992 zurückgelegt werden. Die Beklagte habe deshalb zu Recht mit Rentenbescheid vom 27.10.1993 eine Berücksichtigungszeit wegen Pflege erst ab dem 01.01.1992 angerechnet. Gemäß § 57 Abs 2 SGB VI idF des RRG 1992 vom 18.12.1989, gültig ab 01.01.1992 bis 31.03.1995, sei die Zeit der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen auf Antrag bei der Pflegeperson eine Berücksichtigungszeit, solange diese 1. wegen der Pflege berechtigt sei, Beiträge zu zahlen und die Umwandlung von freiwilligen in Pflichtbeiträge zu beantragen (§ 177 SGB VI) und 2. nicht zu den in § 56 Abs 4 SGB VI genannten Personen gehöre, die von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen seien.

Die Nichtberücksichtigung von bis zum 31.12.1991 erbrachten Pflegeleistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung sei auch nicht verfassungswidrig (vgl. insoweit Beschluss des Bundesverfassungsgericht - BVerfG - vom 22.12.1992, Az:
1 BVR 1359/91, veröffentlicht in juris). Denn bei der Einbeziehung von Zeiten der Erziehung eines Kindes oder der Pflege Angehöriger als versicherungsrechtlich relevanten Zeiten handele es sich um einen sozialen Ausgleich und damit letztlich um gewährende Staatstätigkeit, die dem Gesetzgeber eine weitreichende Gestaltungsfreiheit belasse. Die Gestaltungsfreiheit sei besonders weit, wenn es sich um Leistungen aus sozialpolitischen Motiven handele, denen keine Versicherungsbeiträge gegenüberständen und mit denen erstmals ein sozialpolitisch als regelungsbedürftiger erkannter Zustand normiert werde. Es stehe dem Gesetzgeber frei zu bestimmen, ob, ab wann und in welcher Höhe und gegenüber welchem Personenkreis er mit der beabsichtigten Verbesserung beginnen wolle. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, dass sich der Gesetzgeber der Ausübung nicht erwerbsmäßiger Pflegetätigkeiten erst mit dem Rentenreformgesetz 1992 angenommen habe (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, Az: 4 RA 48/90, veröffentlicht in juris). Es verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art 3 Abs 1 GG), dass der Gesetzgeber den Lebenssachverhalt der nicht erwerbsmäßigen Pflege nicht identisch mit dem Lebenssachverhalt der Kindererziehung geregelt habe. Denn dem Gesetzgeber sei durch Art 3 Abs 1 GG nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitssatz solle ausschließen, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt werde, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchen Gewicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung müsse also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Die Anwendung dieses Grundsatzes verlange den Vergleich von Lebenssachverhalten, die einander nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Merkmalen gleichen. Unter diesen Umständen sei es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche von diesen Merkmalen er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansehe. Art 3 Abs 1 GG verbiete es ihm nur, Art und Gewicht der tatsächlichen Unterschiede sachlich außer Acht zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten habe, seien nicht ersichtlich. Denn der Anerkennung von Kindererziehungszeiten habe die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde gelegen, dass Kindererziehung für das System der gesetzlichen Rentensicherung eine bestandssichernde Bedeutung zukomme (vgl. BVerfG, Urteil vom 07.07.1992, Az: 1 BVL 51/86 veröffentlicht in juris). Eine solche Bedeutung habe die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger in der gesetzlichen Rentenversicherung jedoch nicht (BVerfG, Beschluss vom 22.12.1992, Az: 1 BVR 1359/91, veröffentlicht in juris). Auch ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz (Art 14 Abs 1 GG) liege nicht vor, da der Eigentumsschutz eine gesetzlich anerkannte Rechtsposition voraussetze. Vor Erlass des Rentenreformgesetzes 1992 sei jedoch keine individuelle Rechtsposition hinsichtlich der Einbeziehung der nicht gewerblichen Pflegetätigkeit im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung vorhanden.

Bei der Einführung der Berücksichtigungszeit wegen Pflege durch den § 57 Abs 2 SGB VI a.F. ab 01.01.1992 handele es sich nicht um die Schließung einer planwidrigen Gesetzeslücke, sondern um eine weitere, im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum liegende Maßnahme des sozialen Ausgleichs (vgl. BT-Drucks. 11/4124, S. 167 zu § 57; BSG, Urteil vom 27.06.1991, Az: 4 RA 48/90). Die Vorschrift des § 58 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI sei daher nicht analog auf Zeiten der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege anzuwenden, weil die Voraussetzungen für eine Analogie nicht gegeben seien. Hinsichtlich der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege habe keine den Plan des Gesetzgebers widersprechende Unvollständigkeit vorgelegen.

Die Zeiten der Pflege nach Beginn der der Klägerin gewährten Altersrente ab 01.05.1992 könnten ebenfalls nicht rentensteigernd angerechnet werden. Gemäß § 75 Abs 1 SGB VI idF vom 01.01.1992 bis 31.12.1997 würden für Zeiten nach Beginn der zu rechnenden Rente Entgeltpunkte nur für eine Zurechnungszeit ermittelt. Zurechnungszeit nach der gesetzlichen Definition in § 59 Abs 1 SGB VI idF vom 01.01.1992 bis 31.12.2000 sei die Zeit, die bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit oder einer Rente wegen Todes hinzugerechnet werde, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Da die Klägerin ab 01.05.1992 eine Altersrente für langjährig Versicherte beziehe, scheide eine Zurechnungszeit aus. Aus § 75 Abs 1 SGB VI ergebe sich, dass die nach Beginn einer Rente liegenden rentenrechtlichen Zeiten bei der Festsetzung des Werts der Rente grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen seien. Im Grundsatz sei somit mit der Rechtsentstehung der Geldwert des Rechts auf Altersrente festgelegt und das vom Versicherten erworbene Teilhaberecht auf Altersrente grundsätzlich nicht mehr veränderbar, weil das Versicherungsleben insoweit abgeschlossen sei (BSG, Urteil vom 30.08.2001, Az: B 4 RA 116/00 R, veröffentlicht in juris). Entsprechend könnten Bezieher einer Vollrente wegen Alters aufgrund der gesetzlichen Anordnung der Versicherungsfreiheit und damit Beitragsfreiheit gemäß § 5 Abs 4 Nr 1 SGB VI keine rentenrechtlich erheblichen Zeiten mehr erwerben.

Für ein von der Klägerin angenommenes Sicherungsziel einer "angemessenen Höhe des Rentenniveaus" gebe es im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung keine Rechtsgrundlage. Nach § 63 Abs 1 SGB VI richte sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe des während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens. Insbesondere gebe es keine gesetzliche Mindesthöhe für eine Altersrente.

Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin vorgebracht, sie habe während der Pflege ihres Bruders keine Erwerbstätigkeit ausüben können, da die Pflege in Vollzeit habe ausgeführt werden müssen. Sie habe auch nicht die Möglichkeit gehabt, eine Erwerbstätigkeit stundenweise auszuüben, obwohl sie das gewollt habe. Das Arbeitsamt habe sie als nicht vermittelbar abgestempelt. Die Beklagte weist auf ihr Vorbringen im bisherigen Verfahren hin.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des SG Nürnberg vom 03.04.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, in Abänderung des Bescheides vom 28.05.1992 in Gestalt des Bescheides vom 27.10.1993 die Zeiten vom 14.10.1972 bis 31.12.1991 und vom 01.05.1992 bis 13.04.2001 bei der Berechnung der Rente zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Nürnberg vom
03.04.2009 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin auf der Grundlage des § 44 SGB X keinen Anspruch auf - teilweise - Rücknahme des Rentenbescheides der Beklagten vom 28.05.1992 in Gestalt des Bescheides vom 27.10.1993 hat, denn die Beklagte hat das bei Erlass des Verwaltungsaktes geltende Recht richtig angewandt und die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung von Berücksichtigungszeiten, Pflichtbeitragszeiten, Anrechnungszeiten oder Zurechnungszeiten vom 14.10.1972 bis 31.12.1991 und 01.05.1992 bis 13.04.2001 bei der Berechnung ihrer Altersrente.

Im Rahmen der sachdienlichen Auslegung des Klageantrags der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren auf Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 13.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2008 sowie Feststellung, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte darauf hat, dass für die Zeit vom 14.10.1972 bis 13.04.2001, insbesondere ab 01.05.1992 für die Berechnung ihrer Ansprüche auf Zahlung von Altersrente als Zurechnungszeiten für die Betreuung ihres Bruders A. Z. iS des § 75 Abs 1 SGB VI analog berücksichtigt werden müssen, hat das SG zu Recht geprüft, ob die Klägerin Anspruch auf - teilweise - Abänderung der Rentenbescheide vom 28.05.1992 in Gestalt des Bescheides vom 27.10.1993 auf der Grundlage des § 44 SGB X hat.

Die Beklagte hat insoweit zutreffenderweise das damals geltende Recht des § 57 SGB VI idF vom 01.01.1992 bis 31.03.1995 angewandt. Gleiches gilt für die Berücksichtigung als Anrechnungszeit iS des § 58 SGB VI oder als Zurechnungszeit gemäß § 75 SGB VI idF vom 01.01.1992 bis 31.12.1997. Insoweit wird in vollem Umfang gemäß § 153 Abs 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides vom 03.04.2009 gemäß § 153 Abs 2 SGG verwiesen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Angaben der Klägerin - es sei ihr wegen der Pflege ihres Bruders vom 14.10.1972 bis 13.04.2001 nicht möglich gewesen sei, eine Erwerbstätigkeit auszuüben - mit dem Versicherungsverlauf der Klägerin nicht übereinstimmen. Vielmehr sind in der Zeit 1973 bis 1979 Pflichtbeitragsleistungen sowie von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Zeiten im Versicherungsverlauf enthalten. Ab 01.01.1989 folgte dann der Bezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften wurden die Pflegezeiten berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved