L 10 AL 9/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 329/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 9/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.11.2000 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Umfang eines Anspruches auf Insolvenzgeld.

Der am 1950 geborene Kläger war zuletzt bei der Firma R. GmbH in N. als Druckvorlagenhersteller beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers zum 30.06.1999. Am 30.09.1999 stellte der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit vollständig ein. Am 24.11.1999 wurde ein Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen. Auf Antrag vom 07.12.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.02.2000 Insolvenzgeld für den Zeitraum 01.04. bis 30.06.1999 in Höhe von 13.810,32 DM. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Ziel, eine volle Erstattung der betrieblichen Jahresleistung sowie der Urlaubsabgeltung zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Für die Lohnansprüche des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraumes habe der Kläger Insolvenzgeld erhalten. Die geltend gemachte Jahressondervergütung könne nur in Höhe von 3/12 erstattet werden, da diese erst nach einer Betriebszugehörigkeit von 12 Kalendermonaten jeweils am 30.09. des Kalenderjahres erbracht und darüberhinaus gemäß der Monate der Beschäftigung anteilig gezahlt (gezwölftelt) werde. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei eine Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder für die Zeit danach, so dass eine Zuordnung zum Insolvenzgeldzeitraum nicht möglich sei.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) hat der Kläger beantragt, den Bescheid vom 09.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Insolvenzgeld unter Einschluss der Urlaubsabgeltung und der vollen Jahressonderleistung zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Jahressondervergütung belohne bisherige Betriebstreue, so dass sie vollständig Berücksichtigung finden müsse. Die Urlaubsabgeltung sei insolvenzgeldfähig, weil sie nicht wegen, sondern nur anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werde. Das SG hat mit Urteil vom 29.11.2000 die Beklagte zur Zahlung von Insolvenzgeld für zustehende Urlaubsabgeltungsansprüche verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.546,08 DM sei grundsätzlich den Tagen vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen. Es handele sich um erdiente Ansprüche, die nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt würden, wie zB Abfindungen oder Überbrückungsgelder. Den Gesetzesmaterialien sei nicht zu entnehmen, dass eine Änderung der rechtlichen Insolvenzfähigkeit der Urlaubsabgeltungen beabsichtigt gewesen sei. Die Jahressonderzahlung sei hingegen nur zu 3/12 insolvenzgeldfähig.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt mit dem Ziel, das Urteil des SG Nürnberg auch insoweit aufzuheben, als es zur Gewährung von Insolvenzgeld für Urlaubsabgeltungsansprüche verurteilt hat. Nach dem Gesetzeswortlaut und nach den Gesetzesmaterialien bestehe ein Anspruch auf Insolvenzgeld für Urlaubsabgeltungen nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Nürnberg vom 29.11.2000 aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 29.11.2000 zurückzuweisen.

Er hat das erstinstanzliche Vorbringen zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht.

Der Senat hat die Insolvenzgeldakten der Beklagten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2002 gemacht. Auf diese Akten sowie die Akten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger kann Insolvenzgeld für Urlaubsabgeltung nicht beanspruchen. Das insoweit angegriffene Urteil des SG Nürnberg vom 29.11.2000 wird aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die Beklagte dem Kläger im Rahmen des Insolvenzgeldes auch Urlaubsabgeltungsansprüche zu erstatten hat. Nur insoweit hat die Beklagte gegen das Urteil des SG vom 29.11.2000 Berufung eingelegt. Eine (unselbstständige) Anschlussberufung hat der Kläger nicht eingelegt. Er hat zwar sein erstinstanzliches Vorbringen zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Dies bezieht sich jedoch nur auf die von der Beklagten eingelegte Berufung. Einen Antrag dahingehend, das für ihn ungünstige erstinstanzliche Urteil zu beseitigen, hat der Kläger weder gestellt noch ist ein solcher seinem Vorbringen zu entnehmen.

Der Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld richtet sich nach §§ 183 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III, weil das Insolvenzereignis nach dem 01.01.1999 eingetreten ist (§ 430 Abs 5 SGB III).

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie bei einem Insolvenzereignis für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Insolvenzereignis ist dabei entweder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit (§ 183 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB III).

Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören zwar alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs 1 Satz 2 SGB III). § 184 Abs 1 Nr 1 SGB III schließt jedoch einen Anspruch auf Insolvenzgeld für Ansprüche auf Arbeitsentgelt aus, die der Arbeitnehmer "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat".

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung fällt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, unter den Ausschluss des § 184 Abs 1 Nr 1 SGB III.

Bei einem Anspruch auf Urlaubsabgeltung handelt es sich entgegen der Auffassung des Klägers und des SG um einen Anspruch, der dem Arbeitnehmer "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" zusteht. Nach § 7 Abs 4 Bundesurlaubsgesetz ist der Urlaub abzugelten, wenn er "wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Zwischen dem Anspruch auf Urlaubsabgeltung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht ein ursächlicher Zusammenhang, wie ihn auch der Wortlaut des § 184 Abs 1 Nr 1 SGB III fordert ("wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses"). Abgeltung des Urlaubs kann nur verlangt werden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist also wesentliche Bedingung des Anspruches auf Urlaubsabgeltung (vgl BSG, Urteil vom 20.02.2002, Az: B 11 AL 71/01 R, SozR 3-4300 § 184 Nr 1). Wie das BSG (aaO) überzeugend ausgeführt hat sprechen auch die Gesetzesmaterialien unzweifelhaft dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ab 01.01.1999 ein Anspruch auf Insolvenzgeld für Urlaubsabgeltungen nicht mehr bestehen sollte (Bundestagsdrucksache 13/4941 S 188). Auch im vorliegenden Fall stünde dem Kläger der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht zu, wenn das Arbeitsverhältnis über den 30.06.1999 hinaus fortbestanden hätte.

Aus diesen Gründen ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG Nürnberg aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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