L 15 BL 10/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 BL 5/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 BL 10/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.10.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dem Kläger werden Kosten (§ 192 SGG) in Höhe von DM 500,00 auferlegt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten streitig, ob der Kläger gemäß Art.1 Abs.2 Satz 2 des Bayerischen Blindengeldgesetzes (BayBlindG) als blind zu gelten hat und ihm deshalb monatliches Blindengeld zusteht.

Mit Schreiben vom 06.11.1998 beantragte der Kläger diese Leistungen beim Beklagten. Der Beklagte zog einen Bericht der Augenärztin Dr.R. vom 02.12.1998 bei und veranlasste die Erstellung eines versorgungsärztlichen Gutachtens durch die Augenärztin Dr.G ... In ihrem Gutachten vom 14.02.1999 verneinte die Sachverständige das Vorliegen von Blindheit beim Kläger.

Mit Bescheid vom 17.02.1999 lehnte es der Beklagte daraufhin ab, dem Kläger Blindengeld zu gewähren. Den Widerspruch des Klägers, dem ein Attest der Dr.R. vom 12.03.1999 beigefügt war, wies der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme (Neurologe/Sozialmediziner Dr.K. vom 19.04.1999) mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.1999 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 04.06.1999 Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und die Gewährung von Blindengeld ab November 1998 beantragt: Aufgrund des bei ihm bestehenden Diabetes mellitus habe sich sein Augenlicht seit 1984 ständig verschlechtert. Bereits im Dezember 1998 habe sein Visus auf dem rechten Auge lediglich 0,5/50 und auf dem linken Auge 1/50 betragen. Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Blindheit im Sinne des BayBlindG seien damit erfüllt. Der Kläger hat ein dies bestätigendes Attest der Dr.R. vom 06.08.1999 sowie einen Bericht der augenärztlichen Ambulanz beim Klinikum Nürnberg vom 01.12.1999 vorgelegt.

Das Sozialgericht hat Berichte der Augenärztinnen Dr.K. und Dr.R. vom 28.09./01.10.1999 sowie ein von der Augenärztin Dr.K. am 06.03./31.07.2000 erstattetes Gutachten eingeholt. Die Sachverständige verneinte das Vorliegen von Blindheit, weil der Visus auf beiden Seiten mindestens 1/35 betrage, kein Zentralskotom vorliege und der Kläger sich im Übrigen sicher in den (fremden) Praxisräumen bewege.

Der Kläger hat sich hierzu unter Vorlage von weiteren Berichten/Attesten des Klinikums Nürnberg (augenärztliche Ambulanz) und der Dr.R. geäußert.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.10.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgelehnt. In der Begründung stützte es sich auf die gutachtlichen Ausführungen der Sachverständigen Dr.K. ; den von Dr.R. bestätigten Visus von maximal 1/50 auf dem besseren Auge hielt das Gericht nicht für ausreichend bewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger - ohne weitere Begründung - Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ein Gutachten von dem Augenarzt Prof.Dr.K. (Klinikum Nürnberg) eingeholt. In seinem Gutachten vom 27.08./17.09.2001 vertrat der Sachverständige die Auffassung, dass der Visus des Klägers entgegen dessen Angaben auf dem rechten Auge besser sei als 1/50 und insgesamt Blindheit noch nicht vorliege.

Der Kläger hat sich hierzu schriftsätzlich am 16.11.2001 unter Vorlage eines Attestes der Dr.R. vom 09.11.2001 geäußert.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.10.2000 und des Bescheides/Widerspruchsbescheides vom 17.02./06.05.1999 zu verurteilen, ihm ab 01.11.1998 Blindengeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspreche.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der vom Senat beigezogenen einschlägigen Akten des Beklagten (Blindengeld- und Schwerbehindertenakte) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG); sie ist jedoch nicht begründet.

Wie der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben, fehlt dem Kläger weder das Augenlicht vollständig (Art.1 Abs.2 Satz 1 BayBlindG) noch kann er im Sinne des Art.2 Abs.2 Satz 2 Nrn.1 oder 2 BayBlindG als blind gelten. Denn es ist nicht mit der erforderlichen "an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" (Vollbeweis) bewiesen, dass die Sehschärfe auf dem besseren Auge des Klägers nicht mehr als 1/50 beträgt (Nr.1) oder bei ihm neben der Visusminderung Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe von maximal 1/50 auf dem besseren Auge gleichzuachten sind (Nr.2).

Dies ergibt sich aus den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr.K. in ihrem Gutachten vom 06.03./31.07.2000. Danach beträgt der Visus beider Augen mindestens 1/35. Auch besteht nach dem Ergebnis der Gesichtsfeldmessungen (Goldmann Projektionshalbkugelperimeter mit Testmarke III/4) weder ein Zentralskotom noch ist die konzentrische Einschränkung des Gesichtsfeldes so stark, dass sich nach den Richtlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft aus dem Zusammenwirken von Sehschärfenbeeinträchtigung und Gesichtsfeldeinschränkung Blindheit ergäbe.

Bestätigt wird diese Beurteilung durch das Ergebnis des im Berufungsverfahren nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens des Prof.Dr.K. vom 27.08./17.09.2001. Auch dieser Sachverständige hält die Voraussetzungen des Art.1 Abs.2 Satz 2 Nr.1 oder Nr.2 BayBlindG nicht für erwiesen. Aus der Fähigkeit des Klägers, sich in unbekannter Umgebung frei zu bewegen und seine vor der Begutachtung abgestellten persönlichen Utensilien beim Verlassen des Raumes gezielt wieder aufzunehmen, resultiert zwingend ein Visus auf dem rechten Auge von deutlich besser als 1/50; nach den Ausführungen des Sachverständigen beträgt er mindestens 1/10 bis 1/20 (0,1 bis 0,05). Gesichtsfeldeinschränkungen von einem Ausmaß, dass sie in Kombination mit dem reduzierten Visus Blindheit bedingen könnten, sind nach der Beurteilung von Prof.Dr.K. ebenfalls nicht vorhanden. Prof.Dr.K. befindet sich damit im Übrigen auch in Übereinstimmung mit der Sachverständigen Dr.G. (versorgungsärztlichen Gutachten vom 04.02.1999, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wurde), die den Visus auf dem besseren Auge mit 1/15 bei einer - in der Kombination noch keine Blindheit bedingenden - Gesichtsfeldeinengung von 13° - 22° festgestellt hat.

Die von der behandelnden Augenärztin des Klägers (Dr.R.) ausgestellten Atteste - darunter auch die zuletzt vorgelegte Aufstellung der Untersuchungsbefunde seit 04.11.1998 - haben zu keinem anderen Ergebnis geführt. Die mitgeteilten Befunde erfüllen zwar die Anforderungen, die das BayBlindG für die Annahme von Blindheit aufstellt. Dass es sich bei ihnen aber um - im Sinne der Anforderungen des Vollbeweises - gesicherte Befunde handelt, wird in den vorgelegten Attesten in keiner Weise belegt. Im Hinblick auf die von den Sachverständigen Dr.K. und Prof.Dr.K. getroffenen Feststellungen betreffend die Schwierigkeiten, die bei der Mitarbeit des Klägers bei den augenärztlichen Untersuchungen aufgetreten sind, und die Diskrepanz zwischen dem Verhalten außerhalb von Testsituationen (Sichzurechtfinden in fremden Praxisräumen etc.) und den Angaben bei den Sehtests, war dies aber unerlässlich.

Da nach alldem nicht erwiesen ist, dass beim Kläger augenärztliche Befunde vorliegen, welche die Voraussetzungen für die Annahme von Blindheit im Sinn des Art.1 Abs.2 Satz 2 BayBlindG erfüllen, und die sogenannte "objektive Beweislast" (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage, Rdnr.19a zu § 103) diesbezüglich beim Kläger liegt, musste die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.10.2000 zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat dem Kläger Gerichtskosten in Höhe von DM 500,00 auferlegt: Gemäß § 192 SGG kann das Gericht einem Beteiligten, der durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung dem Gericht oder einem Beteiligten Kosten verursacht, diese im Urteil ganz oder teilweise auferlegen. Zur Auferlegung solcher "Mutwillenskosten" genügt es, wenn das Gericht aufgrund der Gesamtumstände zur Überzeugung gelangt, dass der Beteiligte die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits kennt und diesen trotzdem fortführt. Die Annahme von Mutwillen verlangt somit objektiv die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung und subjektiv die Kenntnis des Fehlens der Erfolgsaussicht. An das subjektive Tatbestandsmerkmal dürfen allerdings nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn das Gericht aufgrund der Gesamtumstände zu der Überzeugung gelangt, dass der Beteiligte oder sein Prozessbevollmächtigter die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung kennt und trotzdem den Prozess fortführt (LSG Schleswig in MDR 1979, 876).

Dies war hier der Fall. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat mit der Prozessbevollmächtigten (Unterbevollmächtigten) des Klägers alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Unbegründetheit der Berufung ergab, eingehend erörtert. Auch erfolgte ein ausdrücklicher Hinweis auf § 192 SGG. Der Senat ist aufgrund dieser Umstände der Überzeugung, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Aussichtslosigkeit der weiteren Rechtsverfolgung eingesehen und entgegen besserer Einsicht den Rechtsstreit fortgesetzt hat. Dass dies so war, ergibt sich auch aus der in der Niederschrift festgehaltenen Einlassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, dessen Hauptbevollmächtigte hätten ihr im Rahmen der Erteilung der Untervollmacht die Rücknahme der Berufung untersagt.

Im Hinblick auf die eindeutigen gutachtlichen Beurteilungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr.K. und Prof.Dr.K. , die von diesen getroffenen Feststellungen bezüglich der mangelhaften Mitarbeit des Klägers bei den Sehtests und das Fehlen jeglicher Einlassungen hierzu sowohl in den Schriftsätzen der Bevollmächtigten des Klägers als auch in den augenärztlichen Attesten der Dr.R. geht der Senat im Übrigen davon aus, dass auch bei den Haupt-Prozessbevollmächtigten die Kenntnis der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung vorlag.

Bei der Entscheidung über die Höhe der Mutwillenskosten war zu berücksichtigen, dass unnötige Kosten insbesondere hinsichtlich der schriftlichen Abfassung des Urteils entstanden sind. Dem Kläger wurde deshalb die Erstattung von Gerichtskosten auferlegt. Die der staatlichen Verwaltung und der Rechtsprechung durch die mutwillige Fortsetzung des Prozesses entstandenen Kosten hat der Senat in entsprechender Anwendung der §§ 202 SGG, 287 ZPO geschätzt. Dabei ist er davon ausgegangen, dass bereits Ende 1973 für die Tätigkeit eines Richters einschließlich der notwendigen Hilfskräfte pro Stunde durchschnittliche Kosten von DM 200,00 veranschlagt wurden (vgl. LSG Schleswig a.a.O.). Heute liegen diese Kosten deutlich höher (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.9a zu § 192). Wenn der Senat dem Kläger an zu erstattenden Gerichtskosten lediglich einen Betrag von DM 500,00 auferlegt hat, so stellt dies angesichts der für die schriftliche Absetzung des Urteils unter Berücksichtigung des Senatsprinzips erforderlichen Zeit nur einen Bruchteil der durch den Mutwillen des Klägers tatsächlich verursachten Kosten dar.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 bis 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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