L 9 R 5932/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1623/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5932/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung statt der ihm bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1951 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Emaillierer abgeschlossen und war zuletzt bis 31. Dezember 2004 als Galvaniseur bei der Firma E. L. GmbH & Co. KG in S.beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis endete nach dem vorliegenden Abschlusszeugnis durch eine betriebsbedingte Kündigung im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen in der Firma. Der Kläger bezog Arbeitslosengeld vom 1. Mai 2006 bis 31. August 2006, im Anschluss daran Krankengeld bis 17. Oktober 2006 und vom 9. November 2006 bis 31. Januar 2007. Wiederum im Anschluss daran bezog er Arbeitslosengeld ab dem 7. Februar 2007 bis 2. Juli 2007.

Am 26. September 2006 beantragte er die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Im Bericht der Reha-Klinik Ü., I., wo sich der Kläger vom 18. Oktober 2006 bis 8. November 2006 in stationärer Behandlung befunden hat, wurde eine chronische Lumbo-ischialgie bei SK-Stenose L4/5 bei NPP L4/5, L5/S1 sowie ein metabolisches Syndrom, ein Alkoholmissbrauch und eine Nikotinabhängigkeit beschrieben. Im Hinblick darauf seien dem Kläger mittelschwere oder schwere Tätigkeiten, wie sie zuletzt im ausgeübten Beruf als Galvaniseur aufgetreten seien, dauerhaft nicht mehr zumutbar. Aktuell seien allenfalls leichte bis sehr leichte Tätigkeiten zumutbar, in Tag-, Früh- und Spätschicht, ohne häufigere Arbeiten in belastender Rumpfvorhalte; der aktuell zumutbare zeitliche Umfang liege unter drei Stunden, wobei sich mittelfristig, ein nachhaltiges Eigeninteresse des Patienten an relevanter Befindensverbesserung vorausgesetzt, eine Erhöhung der physischen Belastungstoleranz und funktionellen Kapazität des Bewegungsapparates erreichen ließe.

Am 21. März 2007 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte gab hierauf ein Gutachten bei Dr. G. in Auftrag. Er stellte (Gutachten vom 16. Mai 2007) degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Funktionseinschränkung, eine Spinalkanalstenose L4/5, einen medio-rechtslateralen Bandscheibenvorfall TH8/9, eine möglicherweise alte Sinterungsfraktur des 8. BWK, eine diskrete periphere arterielle Verschlusskrankheit an beiden Unterschenkeln, rechts größer als links, Stadium I bis maximal II a, einen mäßig eingestellten Diabetes mellitus Typ II b, einen Bluthochdruck sowie eine Adipositas und eine Glaskörpertrübung beidseits mit Visusminderung, bislang ohne retinale Diabetesfolgeschäden fest. Der Kläger könne noch leichte Arbeiten vollschichtig ausüben, wobei Einschränkungen für langes Stehen und häufiges Bücken sowie Knien und Hocken zu beachten seien. Ferner sollten nur noch Lasten bis maximal 10 kg gehoben und getragen werden. Eine Minderung der Gehstrecke im sozialmedizinisch relevanten Ausmaß lasse sich weder aus angiologischer noch aus neurologischer Sicht begründen.

Mit Bescheid vom 27. August 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2006. Der Kläger habe Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil er berufsunfähig sei. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 21. Juli 2006 erfüllt. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu haben. Zur Begründung legte er einen Bericht des Chirurgen Dr. R. vom 19. September 2007 sowie den Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. K. und Kollegen, Ludwigsburg, vom 25. Oktober 2007 vor.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2007 hat die Beklagte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2007 neu berechnet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2008 wies sie den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 26. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben.

Er hat daran festgehalten, wegen seiner erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu haben. Darüber hinaus habe sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert, er könne sich ohne Stützen kaum noch fortbewegen. Er habe starke Schmerzen im ganzen rechten Bein und sei nur noch in der Lage, Gehstrecken von unter 100 Metern zurückzulegen. Dem Schriftsatz waren ein Befundbericht des Dr. R. vom 20. Juni 2008 sowie die Verordnung von einen Paar Unterarmgehstützen wegen der Diagnose "lumbale Spinalkanalstenose" beigefügt.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Chirurgen Dr. R. (der Kläger könne keiner auch nur im geringsten an körperlicher Belastung notwendigen Arbeit nachgehen, könne nicht länger Sitzen und nicht länger Stehen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er nur unter 30 Minuten verrichten), beim Neurologen Dr. M. (Spinalkanalstenose L4/5, Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule, ausgeprägte Schmerzen, Gehstrecke auf 200 Meter begrenzt), beim Facharzt für Allgemeinmedizin G. (die Einschränkung beruhe vor allem auf den vom Patienten geklagten chronischen Schmerzen, die unabhängig von Lage und Tätigkeit, auch in Ruhe, ständig vorhanden seien; bei Bewegung, vor allem beim Gehen, auch schon von Strecken unter 50 Metern, verstärkten sich die Schmerzen ins Unerträgliche, der Kläger müsse Stehen bleiben, er verliere beim Auftreten der Schmerzen die Kontrolle über das rechte Bein, was schon zu Stürzen geführt habe; die vom Gefäßchirurgen erhobenen Befunde erklärten diese Beschwerden nicht, evtl. liege die vorbeschriebene Spinalkanalstenose den Beschwerden zugrunde) sowie bei den Augenärzten Dres. L., S. & Kollegen (Glaskörpertrübung, Cataract, Visus cc R 0,3 L 0,4).

Das SG hat weiter Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens beim Facharzt für Neurochirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Sch., Markgröningen. In seinem Gutachten vom 5. Mai 2009 beschreibt Dr. Sch. Verschleiß- und Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule mit im Bereich der Lendenwirbelsäule chronischem Schmerzsyndrom (opiatpflichtig), chronischen Nervenwurzelreizerscheinungen von der Lendenwirbelsäule in die Beine ausstrahlend (Lumboischialgie) und Einschränkungen der Gehfähigkeit (Claudicatio spinalis) sowie in der Bildgebung deutlicher Spinalkanalstenose L4/5 und Bandscheibenvorwölbung (Protrusion) bis -vorfall L4/5 und L5/S1, Signalveränderungen der Bandscheiben L4/5 und L5/S1 bei geringer Höhenminderung der Zwischenwirbelräume im Sinne einer "black disc", insbesondere aber massive Signalanhebungen im hinteren Bereich beider Bandscheiben im Sinne einer "HIZ" (high intensity zone) als Hinweis auf einen Annulus-Einriß sowie eine dorsale epidurale Lipomatose in Höhe LWK 3/4 und 4/5 bei deutlichem Verschleiß der Facettengelenke (Spondylarthrose) im Bereich der Facettengelenke L3/4 und L4/5. Es bestehe darüber hinaus eine alte Sinterungsfraktur des 8. Brustwirbelkörpers und eine thorakale Bandscheibendegeneration. Ferner finde sich eine Sehnen- und Faszienverhärtung der rechten Hohlhand (Morbus Dupuytren) entlang des IV. Strahls (D IV) der rechten Hand. Auf anderen Fachgebieten bestünden als Diagnosen eine periphere arterielle Verschlusskrankheit an beiden Unterschenkeln rechts mehr als links, Stadium I bis maximal II a, eine klinisch beginnende diabetische Polyneuropathie ohne höhergradige pathologische elektrophysiologische Veränderungen, ein metabolisches Syndrom bei Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ II), mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar, ein Alkoholmissbrauch nach Aktenangaben, eine Nikotinabhängigkeit, ein Bluthochdruckleiden, ein Übergewicht sowie eine Glaskörpertrübung beidseits mit Einschränkung des Sehvermögens, Heterophorieausschluss, keine retinalen Diabetesfolgeschäden. Die Diagnosen auf neurochirurgischem, orthopädischem und unfallchirurgischem Fachgebiet bewirkten chronische Nervenwurzelreizerscheinungen, von der Lendenwirbelsäule in die Beine ausstrahlend, und eine Einschränkung der Gehfähigkeit bei gleichzeitiger Gangunsicherheit auf dem Boden einer am ehesten durch die Zuckerkrankheit bedingte Beeinträchtigung der peripheren Nerven (Polyneuropathie). Die Beschwerden an der Brust- und Halswirbelsäule würden demgegenüber zurücktreten. Es bestehe eine Belastbarkeitsminderung der Wirbelsäule für Hebe- und Tragearbeiten auch körpernah über 10 kg, für die Einnahme von Zwangshaltungen wie Rumpfvor-, -rück-, -seitbeugung. Die Möglichkeit zu häufigerem Haltungswechsel im Sinne eines Wechselrhythmus sollte gegeben sein, eine jederzeitige freie Wählbarkeit von Sitzen, Stehen und Gehen sei jedoch nicht erforderlich. Kälte und Nässe schieden aus, häufiges Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten ebenfalls. Aufgrund der Therapie mit Opiaten seien Arbeiten an Maschinen mit Fremd- und Eigengefährdung auszuschließen. Unter den Diagnosen auf den anderen Fachgebieten wirke sich die periphere arterielle Verschlusskrankheit an beiden Unterschenkeln rechts mehr als links im Stadium I bis maximal II a gleichsinnig zur Wirbelkanaleinengung aus. Die damit verbundenen Auswirkungen seien von obigen Vorgaben miterfasst. Ein Bluthochdruckleiden führe ebenso wie das chronische Schmerzsyndrom zum Ausschluss von Arbeiten mit erhöhtem Stress, von Akkordarbeiten und Tätigkeiten in Nachtschicht. Wegen der Glaskörpertrübung beidseits mit Einschränkung des Sehvermögens seien erhöhte Anforderungen an das Sehvermögen, Bildschirmarbeiten etc., auszuschließen, wobei hier ggfs. ein augenärztliches Gutachten einzuholen sei. Die Sehnen- und Faszienverhärtung der rechten Hohlhand entlang des IV. Strahls der rechten Hand wirke sich einschränkend auf feinmechanische Tätigkeiten aus. Zusammenfassend seien also leichte, wirbelsäulenschonende körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus in witterungsgeschützten Räumen ohne erhöhte Ansprüche an das Sehvermögen oder die Feinmotorik der Hände in Tagesschicht ohne Akkord zumutbar. Eine erhebliche Einschränkung der Wegefähigkeit für die üblichen Wege zu und von der Arbeit liege nicht vor. Weder die statische Belastbarkeitsminderung der Wirbelsäule bei Wirbelkanalenge, Bandscheiben- und Facettengelenkverschleiß, noch die Durchblutungsstörungen der unteren Extremitäten nach aktenkundigem Befund erreichten einen entsprechenden Schweregrad. Auch wenn eine Verkürzung der Gehstrecke und eine belastungsabhängige Einschränkung plausibel sei, so könne aber doch üblicherweise nach seiner Erfahrung unter Berücksichtigung der erhobenen Befunden noch eine Gehstrecke von 500 Metern mit ggfs. kurzer Pause in unter 20 Minuten zurückgelegt werden. Eine weitreichende quantitative Beschränkung des Leistungsvermögens wäre nur bei Vorliegen eines ausgeprägten neurologischen Defizitsyndroms oder eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms im Sinne eines schweren degenerativen Wirbelsäulensyndroms mit entweder schweren chronischen neuropathischen Schmerzzuständen oder einer objektivierbaren Instabilität der Lendenwirbelsäule begründbar. Bei der von ihm durchgeführten Untersuchung sei jedoch kein Gesundheitsschaden zu objektivieren gewesen, der eine so massive quantitative Leistungseinschränkung begründen könnte. Die Durchführung einer Opiattherapie allein sei noch nicht gleichzusetzen mit dem Bestehen eines so schweren Schmerzsyndroms, weil Opiate heute erheblich großzügiger zur Anwendung kämen und in der Regel der Ausübung eines Berufes nicht im Wege stünden. Eine wesentliche quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens auch untervollschichtig lasse sich somit nicht schlüssig begründen.

Der Kläger hat hierauf Befundberichte von Dr. R. vom 29. Juli 2009 (klinisch und dopplersonographisch erfreulicherweise nur geringe Veränderung zur letzten Untersuchung, die Beschwerdesymptomatik der pAVK und der Spinalkanalstenose mache es dem Kläger unmöglich einer geregelten Arbeit jedwelcher Art nachzugehen) sowie der Augenärzte Dres. Lange, Sapalidis, vom 14. Juli 2009 (Fundus hypertonicus Stadium I, bei milden hypertonischen Veränderungen werde Wiedervorstellung in einem halben Jahr empfohlen) vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. November 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Unter - näherer - Darlegung der rechtlichen Voraussetzungen der geltend gemachten Rente wegen voller Erwerbsminderung hat es sich der Auffassung des im Verwaltungsverfahren gehörten Dr. G. sowie des eingeholten Gutachtens von Dr. Sch. angeschlossen. Unter Berücksichtigung des vorliegenden Berichts von Dr. Lange vom 17. Juli 2007 und den Ausführungen von Dr. Sch. sei das Sehvermögen des Klägers auch nicht so stark eingeschränkt, dass es die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers gravierend beeinträchtige. Ein sogenannter Seltenheitsfall liege darüber hinaus nicht vor.

Gegen den ihm am 25. November 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14. Dezember 2009 Berufung eingelegt.

Er macht geltend aufgrund seiner Gehbehinderung und seines chronischen Schmerzsyndroms das Haus nicht mehr alleine verlassen zu können. Er könne sich nur mit Hilfe von Krücken fortbewegen und sei deutlich schmerzgeplagt. Er befinde sich in einem multimorbiden, deutlich vorgealterten Zustand und sei nicht mehr in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuführen. Desweiteren hat er weitere Befundberichte des Neurologen Dr. M. vom 15. Dezember 2009, des Chirurgen Dr. R. vom 22. Dezember 2009 und einen Bericht der Augenärzte Dres. L., S. und Kollegen vom 13. Januar 2010 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2008 zu verurteilen, ihm antragsgemäß volle Erwerbsminderungsrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. B. an der Auffassung fest, ein Anspruch auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente bestehe nicht. Die vorgelegten Unterlagen enthielten keine eindeutigen neuen medizinischen Gesichtspunkte, welche eine entscheidende Abweichung von der bisherigen LeistungseinSch.ung nachvollziehbar begründen könnten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachtens bei Prof. Dr. R., S., eines psychiatrischen Gutachtens bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. sowie ein augenfachärztliches Gutachten bei Prof. Dr. R., Landesarzt für Sehbehinderte und Blinde in Baden-Württemberg, H ...

Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 23. April 2010 fortgeschrittene disseminierte degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Vorwölbungen mehrerer Bandscheiben und kleinem Bandscheibenvorfall L4/L5, eine Einengung mehrerer Nervenaustrittslöcher ohne Bedrängung der Nervenwurzeln, eine erhebliche Enge des Spinalkanals der unteren Lendenwirbelsäule mit rezidivierenden Muskelreizerscheinungen, Sensibilitätsstörungen an beiden Füßen durch eine wohl diabetische Polyneuropathie und allenfalls geringe Durchblutungsstörungen an beiden Unterschenkeln festgestellt. Dadurch seien dem Kläger schwere und mittelschwere körperliche Tätigkeiten, die mit Heben und Tragen von Lasten über 5 kg verbunden seien oder im überwiegend gleichförmiger Körperhaltung, vor allem im Sitzen und Gehen oder häufigem Bücken bzw. Treppensteigen verbunden seien, nicht möglich, weil Belastungen und ausgiebigere Bewegungen der Lendenwirbelsäule vermehrt Schmerzen auslösten und die Gehfähigkeit zusätzlich durch die Enge des Spinalkanals und Gefühlsstörung an beiden Füßen verringert werde. Alle Arbeiten die unter Einsatz von Armen und Händen in wechselnder Körperhaltung verrichtet werden könnten und den oben gemachten qualitativen Einschränkungen gerecht würden, erschienen aufgrund der objektivierbaren Befunde zumutbar. Aufgrund der objektivierbaren Befunde sei es dem Kläger auch möglich viermal täglich eine Wegstrecke von ca. 500 Metern in 15 bis höchstens 20 Minuten zurückzulegen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Diese EinSch.ung werde dadurch unterstützt, dass der Kläger bei der Untersuchung mitgeteilt habe, er sei "mühsam" von einem Bekannten zur Untersuchung gefahren worden, der Gutachter ihn dann aber später am Tag zufällig allein an einem U-Bahnhof habe stehen sehen. Aufgrund der Gesamtpersönlichkeit, der Art wie die Beschwerden vorgetragen worden seien, und dem mehrfach fast kollabierenden Einknicken in den Hüft- und Kniegelenken bei endgradigen Bewegungen der Lendenwirbelsäule habe sich ein ausgeprägtes Schmerzsyndrom entwickelt, dessen Einfluss auf das tatsächliche Leistungsvermögen orthopädischerseits nicht ausreichend beurteilt werden könne, weshalb eine psychiatrische Begutachtung angezeigt sei.

Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. hat in ihrem Gutachten vom 20. August 2010 eine beginnende Polyneuropathie beider Beine, wohl durch Diabetes mellitus sowie durch eine Hyperurikämie und Allopurinol bedingt, festgestellt sowie einen schädlichen Gebrauch von Nikotin. Das berufliche Leistungsvermögen werde hauptsächlich durch die Schmerzen aufgrund der orthopädischen Störungen bestimmt. Eine weitere Leistungseinschränkung bestehe aufgrund der Sehstörung des Klägers. Hierzu sei eine augenärztliche Beurteilung und EinSch.ung erforderlich. Außer einer Pallhypästhesie bestünden keine weiteren Ausfälle. Diese bewirke eine Einschränkung beim Gehen auf unebenem Boden, bei Nacht, bei Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und in Nässe und Kälte. Tätigkeiten, welche eine Sturzgefahr beinhalteten sollten deshalb vermieden werden. Auf dem Fachgebiet der Psychiatrie bestehe keine Leistungseinschränkung. Aus nervenfachärztlicher Sicht bestehe beim Kläger keine quantitative Leistungseinschränkung. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Die Wegefähigkeit sei durch die Gesundheitsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet nicht eingeschränkt.

Der Kläger hat ein weiteres Schreiben seines Augenarztes, der Gemeinschaftspraxis Dres. L., S. und Kollegen vom 5. Juli 2010 (Visus cc R = 0,1 L = HB + FZ + / MI alte Brille, es fänden sich keine diabetischen Veränderungen, jährliche augenärztliche Kontrollen seien angezeigt) vorgelegt. Außerdem verwies er auf Schmerzen im Thoraxbereich, die derzeit abgeklärt würden. Darüber hinaus müsse er nachts fünf- bis sechsmal die Toilette aufsuchen. Eine entsprechende Abklärung erfolge ebenfalls.

Hierauf hat die Beklagte unter Vorlage einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. B. zu den vorgelegten Unterlagen Stellung genommen. Die Beklagte hielt daran fest, dass sich auch aus diesen keine eindeutigen neuen medizinischen Gesichtspunkte ergäben, die eine Abweichung von der bisherigen LeistungseinSch.ung nachvollziehbar begründeten.

Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten (eingegangen am 21. Februar 2011) ausgeführt, dass die objektiven Untersuchungsergebnisse sowie die morphologischen Befunde auf augenärztlichem Fachgebiet unauffällig gewesen seien und diese die vom Kläger angegebenen erheblichen Funktionseinschränkungen in keinster Weise hätten erklären können. Vom Kläger seien zwar eine hochgradige Minderung der Sehschärfe und eine erhebliche Einengung des Gesichtsfeldes angegeben worden, diese könnten aber weder durch erkennbare Veränderungen an den Augen noch durch andere objektive Untersuchungsergebnisse gestützt werden. So sei bei der Prüfung der Sehschärfe zunächst eine Sehschärfe von 0,04 bis 0,05 angegeben worden. Bei einer zusätzlichen Simulationsprüfung für eine Sehschärfe von 0,1 sei diese dann aber später sicher erkannt worden. Sowohl die Ergebnisse der VEP als auch die Auslösbarkeit des optokinetischen Nystagmus sicherten jedoch eine nochmals höhere Sehschärfe von mindestens 0,3, welche zusätzlich durch die Lesefähigkeit des Klägers als auch durch den vom Kläger eigenhändig geschriebenen Brief untermauert werde. Ob die Sehschärfe tatsächlich noch besser sei, könne so nicht sicher beurteilt werden, der Befund der Augen mache selbst eine vollkommen normale Sehschärfe möglich. Ähnlich verhalte es sich mit den Angaben zum Gesichtsfeld. Bei der Untersuchung am Goldmann-Perimeter seien an beiden Augen eine deutliche Einengung (für das rechte Auge auf rechts 15, unten 20, links 5 und oben 5 Grad, für das linke Auge mit einer Einengung auf rechts 15, unten 15, links 5 und oben 5 Grad) angegeben worden. Bei einem normalen Befund im Elektroretinogramm und im VEP ergebe sich keine Erklärung für eine solche Gesichtsfeldeinengung. Bei der Prüfung am Bjerrum-Schirm habe dann eine Aggravation nachgewiesen werden können. Und auch bei genauer Betrachtung des vom Kläger am 12. September 2009 mit Hilfe einer großen Lupe eigenhändig geschriebenen Briefes werde deutlich, dass die Sehschärfe deutlich besser sein müsse, als von ihm selbst angegeben. Gerade die Benutzung einer Lupe verhindere ein so exaktes Einhalten der Zeile und eine so gleichmäßige Schrift mit identischen Über- und Unterlängen. Darüber hinaus sei gerade der Hinweis "große Lupe" sehr hilfreich. Denn je größer eine Lupe sei, desto geringer sei die Vergrößerung, mithin sei auch damit von einer eher höheren Sehschärfe, auf jeden Fall deutlich mehr als 0,1, auszugehen. Damit ergebe sich aus augenfachärztlicher Sicht höchstens eine geringgradige Gesundheitsstörung, mithin keine wesentliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Der Kläger könne eine mindestens sechsstündige Tätigkeit an fünf Tagen in der Woche ausüben. Die beobachteten Wiedersprüche zwischen den subjektiven Angaben und den objektiven Befunden bzw. den eindeutigen Widersprüchen bei gezielten Simulationstests stünden in Übereinstimmung mit den Ergebnissen bei der Begutachtung durch Dr. R., die in ihrem Gutachten an verschiedenen Stellen ebenfalls von einer Aggravation berichtet habe. Auch die orthopädischen Gutachten hätten Widersprüche zwischen den geklagten Beschwerden bzw. dem Beschwerdeausmaß und dem erhobenen Befund aufgezeigt. Aus den umfangreichen Akten ergebe sich zudem, dass die Gesundheitsstörungen von augenärztlicher Seite bisher nicht im Vordergrund der Beeinträchtigung gestanden hätten, obwohl bereits zum Zeitpunkt der Beantragung der vollen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit eine erhebliche Sehschärfenminderung angegeben worden sei. Mit der am 9. Mai 2007 beschriebenen Sehschärfe von 0,2 an beiden Augen sei ein Lesen von normalem Text auch mit einer großen Lupe nicht möglich, demensprechend hätten bereits damals erhebliche Probleme bestehen müssen. Nachdem der Kläger anlässlich der Begutachtung mit einer zweifach vergrößernden Lupe Zeitungsdruck mühelos habe lesen können und dabei noch eine deutlich unkorrigierte Brille getragen habe, liege sicherlich keine wesentliche Beeinträchtigung des Sehvermögens vor.

Hiergegen hat der Kläger Einwendungen erhoben und geltend gemacht, die Begutachtung habe von 10:00 Uhr bis 16:15 Uhr gedauert, er sei von vier Damen und einem Herren untersucht worden aber keiner habe sich ihm vorgestellt, wenn der Herr, Herr Prof. Dr. R. gewesen sei, so habe er sich ihm maximal drei bis fünf Minuten gewidmet. Er habe erhebliche Bedenken gegen die Verwertung des Gutachtens, denn dieses stamme nur dann vom beauftragten Arzt, wenn die Feststellungen und Beobachtungen, die der Sachverständige auf 28 Seiten niedergelegt habe von ihm und nicht von Hilfskräften stammten.

In seiner ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. R. ausgeführt, dass sich der Ablauf der Untersuchungen deutlich anders gestaltet habe, als von Klägerseite behauptet. Er selbst habe sämtliche wesentlichen augenärztlichen Untersuchungen durchgeführt und ihn dabei wesentlich länger als nur fünf Minuten untersucht. Bei den weiteren Untersuchungen habe es sich um Leistungen gehandelt, die grundsätzlich durch medizinisches Hilfspersonal erhoben würden und daher wie üblich auf die Benennung der entsprechenden Mitarbeiter verzichtet worden sei. Ihm sei nicht erklärlich, weshalb dem Kläger nicht bewusst sei, von ihm so ausführlich untersucht worden zu sein, nachdem er sich einerseits namentlich vorgestellt habe und der Kläger ihm zum Abschluss der Untersuchung für die umfassende Untersuchung gedankt habe und seiner Hoffnung Ausdruck gegeben habe, dass nun seine Probleme von Seiten der Augen umfassend berücksichtigt würden.

Der Kläger hat weitere Berichte seiner behandelnden Ärzte vorgelegt (u.a. der Augenärzte Dres Lange & Koll. [Visus R = HB+FZ+, L = HB+FZ+] vom 24. März 2011, des Dr. R. vom 18. Februar und 11. Mai 2011, des Internisten Dr. Vogt vom 29. Oktober, 08. und 11. November 2010, [Nykturie über Herzinsuffizienz nicht zu erklären, im Langzeit-EKG regelrechter Befund], des Radiologen Dr. Kleinhans [MRT der Brustwirbelsäule vom 31. März 2011, MRT der Lendenwirbelsäule vom 04. April 2011], des Dr. M. 19. April 2011).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers richten sich, was der Senat den Schriftsätzen des Bevollmächtigten des Klägers entnimmt, auch allein gegen die Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung im Bescheid vom 27. August 2007, sodass der mit Bescheid vom 13. Oktober 2007 erfolgten Neuberechnung der bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01. Januar 2007 keine eigenständige Bedeutung für das hier vom Kläger verfolgte Ziel zukommt. Entsprechend war der Antrag des Klägers auszulegen, zumal Einwendungen gegen die Berechnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vorgebracht und auch nicht ersichtlich sind.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller Erwerbsminderung - § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht besteht, weil der Kläger noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend und im Hinblick auf die Ermittlungen im Berufungsverfahren ist auszuführen, dass sich eine volle Erwerbsminderung des Klägers, d.h. ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auch zur Überzeugung des Senats nicht belegen lässt.

Im Vordergrund stehen beim Kläger, wie Dr. Sch. und das SG zu Recht festgestellt haben, die Auswirkungen der auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden und dort insbesondere von der Lendenwirbelsäule ausgehenden Einschränkungen. Die vom SG vorgenommene rechtliche Würdigung unter Auswertung der vorliegenden Gutachten und unter Berücksichtigung der abgegebenen abweichenden Stellungnahmen der behandelnden Ärzte (Dr. R., Dr. M., Dr. G.) ist nicht zu beanstanden, zumal auch das vom Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. R. die EinSch.ung der Leistungsfähigkeit bestätigt hat und auch die Anamneseerhebung sowie die festgehaltenen Beobachtungen während der Untersuchung durch Dr. R. dieses Ergebnis bestätigen. Entscheidend ist somit, dass dem Kläger unter Berücksichtigung der von den Sachverständigen beschriebenen Veränderungen und Einschränkungen an der Wirbelsäule und den in diesem Zusammenhang bestehenden Schmerzen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von werktäglichen 6 Stunden und mehr weiterhin zumutbar sind. Auszuschließen sind in Anbetracht der vom SG referierten Einschränkungen (Seite 9 der Gründe des Gerichtsbescheides) nur die dort ebenfalls dargelegten qualitativen Einschränkungen. Dr. Sch. hat darüber hinaus bereits dargelegt, dass kein Krankheitsbild neben den festgestellten sensiblen Ausfällen, der schmerzhaften Bewegungseinschränkung der LWS, der Gangunsicherheit und der objektivierbaren Wirbelkanaleinengung mit plausibler Klage einer Gehstreckeneinschränkung zu objektivieren gewesen war, das eine quantitative Leistungsminderung begründen könnte. Hierfür wäre der - hier nicht geführte - Nachweis von schweren neuropathischen Schmerzzuständen und/oder einer Instabilität der Lendenwirbelsäule erforderlich. Die erforderliche Opiattherapie belegt eine solche Ausprägung der Beschwerden nicht, wie der Sachverständige zur Überzeugung des Senats darzulegen vermochte und was auch von dem vom Senat erhobenen Gutachten von Prof. Dr. R. nicht in Zweifel gezogen wurde. Letzterer hat darüber hinaus aufgrund der vom Kläger geltend gemachten Zunahme der Beschwerden und des im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung erhobenen MRT-Befundes eine Veränderung des Befundes im Vergleich zu den Voraufnahmen aus dem Jahr 2003 ausgeschlossen (keine Zeichen für neu hinzugekommene Bandscheibenvorfälle oder eine zusätzliche Bedrängung von Nervenwurzeln). Diese Einschätzungen werden zudem bestätigt durch die im Gutachten von Dr. R. erhobenen Befunde. So war es dem Kläger dort möglich, eine Stunde zu sitzen, ohne dass Ausgleichbewegungen erforderlich waren oder dass der Kläger hätte aufstehen müssen. Es war auch keine ungerichtete motorische Aktivität festzustellen. Erst nach einer Stunde der Exploration waren wenige Ausgleichsbewegungen durch ein Hin- und Herrutschen für wenige Sekunden auf dem Sessel erforderlich, ohne dass diese unterbrochen werden musste. Das Anziehen erfolgte im Sitzen, der Kläger konnte sich bücken und die Socken, welche auf dem Boden lagen, wenn auch von Schmerzäußerungen begleitet, wieder anziehen. Darüber hinaus ergibt sich aus diesem Gutachten, dass der Kläger den Haushalt in wesentlichen Teilen versorgen kann (Betten machen, saubermachen, kochen [letzteres vorwiegend im Sitzen]). Eine spezielle Schmerztherapie nimmt der Kläger trotz der geltend gemachten Beschwerden bislang nicht in Anspruch. Auch durch diese Feststellungen wird bestätigt, dass die Auswirkungen auf orthopädischem Fachgebiet den von Dr. Sch. zur Begründung einer zeitlichen Leistungsminderung genannten Ausprägungsgrad nicht erreichen.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht durch den vorgelegten Bericht über eine MRT der Lendenwirbelsäule vom 04. April 2011 (Dr. K. "Im Vergleich zur Voruntersuchung von 07/06 kein durchgreifender Befundwandel. Bandscheibendegenerationen vor allem L4 - S1. Hauptbefund ist eine hochgradige Spinalkanalstenose L4/L5 bei Bandscheibenprotrusion, fokal medianem Einriss des Anulus fibrosus und kleinem medianem Nucleus-pulposus-Prolaps, Facettengelenksasymetrie L5/S1 mit rechtsseitiger deutliche Arthrose."). Auch die im Rahmen von geltend gemachten Bauchbeschwerden erfolgte MRT der Brustwirbelsäule ergab für die zu prüfende Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine neuen Erkenntnisse. Neben der "bekannten alten ventralen Höhenminderung des BWK 8" (Dr. K., Bericht vom 31. März 2011) waren dort ausdrücklich keine weiteren oder neu aufgetretenen Höhenminderungen von Wirbelkörpern festzustellen. Darüber hinaus fanden sich lediglich (Dr. K. a.a.O.) eine multisegmentale gering- bis mäßiggradige Spondylose mit linksbetonter Spondylose im Segment BW 10/11 mit bekannter links lateral betonter Bandscheibenprotrusion und hierdurch mäßiger neuroforaminaler Enge links und eine geringe mediolaterale Bandscheibenprotrusion rechts im Segment BW 8/9. Eine signifikante Bandscheibenprotrusion, ein Nucleus-pulposus-Prolaps, eine signifikante neuroforaminale Enge oder eine Spinalkanalstenose konnten ebenso wie eine Spondylitis oder Spondylodiszitis gerade nicht nachgewiesen werden (so ausdrücklich Dr. Kleinhans a.a.O.). Eine Änderung der Leistungsbeurteilung kann in Anbetracht dessen nicht begründet werden, auch wenn Dr. M. in seinem Bericht eine mögliche Ursache der von dem Kläger am 05.04.2011 geklagten Beschwerden (anhaltend stärkste Schmerzattacken von der BWS in den Bauchraum ausstrahlend) in den degenerativen Veränderungen der BWS sieht, weil die hochgradige Spinalkanalstenose und auch die alte ventrale BWK 8 Höhenminderung die Symptomatik nicht erklären könnten. Festzuhalten bleibt auch hier, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf, dass neurologische Ausfälle und eine Instabilität der Wirbelsäule nicht beschrieben werden, sodass auch hierdurch eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründet werden kann und unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar bleiben. Inwieweit die von Dr. R. beschriebenen aggravatorischen Verhaltensauffälligkeiten des Klägers mitwirken, kann daher offenbleiben.

Schließlich folgt eine wesentliche quantitative Leistungseinschränkung nicht aus einer Einschränkung der Sehfähigkeit. Ein von den behandelnden Augenärzten im Juli 2010 bescheinigter Visus von rechts 0,1 und links mit einer Wahrnehmung (nur noch) von Handbewegungen und Fingerzählen oder der jetzt vorgelegte Befund (24. März 2011), wonach die Sehfähigkeit auch rechts nur noch auf Handbewegungen und Fingerzählen eingeschränkt sein soll, entspricht nicht der tatsächlichen Sehfähigkeit des Klägers. Der Senat stützt sich hierbei auf das ausführliche und sorgfältig begründete augenfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. R., welchem als Landesarzt für Sehbehinderte und Blinde in Baden-Württemberg eine besondere Fachkunde im Bereich der EinSch.ung der Sehfähigkeit zukommt. Zwar geht auch der Sachverständige von einer anlagebedingten Fehlsichtigkeit aus. Er beschreibt aber aufgrund des durch objektive Untersuchungen festgestellten völlig unauffälligen Befundes seitens der Augen einerseits und den subjektiven Angaben des Klägers mit erheblicher Sehschärfenherabsetzung andererseits erhebliche Widersprüche. So konnte die zunächst vom Kläger bei der beidäugigen Prüfung angegebene Sehschärfe von 0,05 durch Simulationstests nicht bestätigt werden. Vielmehr konnte hier schon eine Sehschärfe von 0,1 in 2 Meter Prüfabstand eindeutig belegt werden. Dass eine noch bessere Sehschärfe vorliegen muss, ergibt sich darüber hinaus durch die Lesefähigkeit eines Zeitungstextes mit einer (nur) zweifachen Vergrößerung. Hier beschreibt der Sachverständige, dass dies mindestens eine Sehschärfe von 0,3 voraussetze. Auch die vom Kläger in den Tests angegebene hochgradige Einschränkung des Gesichtsfeldes kann durch objektive Befunde nicht erklärt werden. Weder am Sehnervenkopf noch an der Netzhaut fanden sich krankhafte Veränderungen, welche eine solche erklären könnte. Darüber hinaus war das Elektroretinogramm, als objektive Untersuchungsmethode der Netzhautfunktion, vollkommen unauffällig und dem Kläger war es mühelos möglich, sich selbst in dunklen Räumen zu orientieren und zielsicher den Untersuchungsstuhl zu finden. Letztlich weist der Sachverständige unter Auswertung der vorliegenden Befundberichte der behandelnden Augenärzte darauf hin, dass sich aus diesen im Zeitraum von 2007 bis 2010 zwar eine durchgehende Verschlechterung der angegebenen Sehschärfen ergäbe, der dort wiedergegebene Augenbefund jedoch nicht einmal eine Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,3 und 0,4 erkläre. Schließlich liegt auch eine Glaskörpertrübung nicht vor und auch die Linse ist nicht wirklich getrübt, sondern weist lediglich altersentsprechende Diskontinuitätszonen auf, welche lediglich eine minimale Sehschärfenherabsetzung erklären können. Dass der Kläger besser sehen kann, als er angibt, folgt schließlich auch aus dem vom Kläger von Hand geschriebenen Schreiben an seinen Bevollmächtigten, das in der Akte vorliegt und in dem er angibt, diesen "mit einer großen Lupe" geschrieben zu haben. Hierzu führt der Sachverständige aus, dass die Benutzung einer großen Lupe schon verhindere, dass ein Brief unter so exaktem Einhalten der Zeilen und mit einer so gleichmäßigen Schrift mit identischen Über- und Unterlängen geschrieben werden kann. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass diese Ergebnisse der Untersuchung auch durch das Gutachten von Dr. R. bestätigt werden, wonach der Kläger angegeben hat, beim wöchentlichen Frühschoppen Zeitung zu lesen, nachmittags Fernsehsendungen oder DVDs anzusehen und mit der Enkelin Brettspiele zu spielen). Eine wesentliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ist mit einer in ihrem Ausmaß nicht nachgewiesenen Sehminderung damit - wie der Sachverständige nachvollziehbar und zu Recht ausgeführt hat -, nicht festzustellen. Dies gilt umso mehr als eine Orientierung auch in ungewohnter Umgebung selbstbei einer Sehschärfe von 0,1 durchaus noch möglich ist, wie der Sachverständige dargelegt hat.

Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich auch nicht aufgrund der festgestellten peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Bereich beider Beine, denn nach den vorliegenden Berichten des Dr. R. konnte eine wesentliche Durchblutungsstörung der Beine ausgeschlossen werden (vgl. Gutachten Prof. Dr. R.). Auch die beginnende Polyneuropathie beider Beine, welche außer einer leichten Tiefensensibilitätsstörung keine weiteren Sensibilitätsstörungen oder Paresen aufweist, führt zu keiner weitergehenden Einschränkung, was der Senat neben den vorliegenden orthopädischen Gutachten auch der Expertise der Dr. R. entnimmt. Eine wesentliche kardiale Leistungseinschränkung ist unter Berücksichtigung des vorliegenden weitgehend unauffälligen Langzeit-EKG (Dr. V., Bericht vom 8. und 11. November 2010) und ohne Nachweis einer koronaren Herzkrankheit ebenfalls nicht zu erwarten.

Dem Kläger ist der Arbeitsmarkt auch nicht unter dem Gesichtspunkt verschlossen, dass er am Erwerbsleben nicht mehr unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen einsetzbar wäre. Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf ein noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen beim Kläger nicht vor. In qualitativer Hinsicht muss dieser unter Berücksichtigung der orthopädischen Einschränkungen und der arteriellen Verschlusskrankheit, mittelschwere und schwere Tätigkeiten, Tätigkeiten in Zwangshaltungen, die mit häufigem Treppensteigen verbunden sind, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an Maschinen mit Fremd- und Eigengefährdung, in Kälte und Nässe vermeiden. Die Möglichkeit zu einem Haltungswechsel sollte darüber hinaus bestehen, wobei schon eine jederzeit freie Wählbarkeit von Sitzen, Gehen und Stehen nicht erforderlich ist. Akkordarbeiten und Nachtarbeiten sind aufgrund des Schmerzsyndroms und der Blutdruckerkrankung ebenfalls zu vermeiden. Darüber hinaus müssen die Einschränkungen auf die Feinmotorik durch die Sehnen- und Faszienverhärtung des 4. Strahls an der rechten Hand berücksichtigt werden. Zusätzlich zu berücksichtigende wesentliche Einschränkungen ergeben sich durch die Einschränkung der Sehfähigkeit nicht. Die vorliegenden Beeinträchtigungen können zwar das Spektrum der für den Kläger in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Betriebsunübliche Pausen benötigt der Kläger zur Ausübung der ihm noch möglichen Tätigkeiten nicht. Er ist auch in der Lage, die üblichen Wege von und zu einer Arbeitsstelle zu Fuß bzw. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Der Kläger kann viermal täglich eine Wegstrecke von über 500 Metern in jeweils bis zu 20 Minuten zu Fuß bewältigen und zweimal arbeitstäglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen, wovon alle gehörten Sachverständigen ausgegangen sind. Der Senat hat hieran aufgrund der wenig ausgeprägten Polyneuropathie, der geringgradigen Verschlusskrankheit und der sich nur wenig auf die Gehfähigkeit auswirkenden Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäulen keinen begründeten Zweifel.

Für den Senat bestehen auch keine Zweifel an der Verwertbarkeit des vorliegenden Gutachtens von Prof. Dr. R ... Der Einwand des Klägers ist ersichtlich davon getragen, die vom Sachverständigen erhobenen Befunde und Einschätzungen zu diskreditieren. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme auch für den Senat schlüssig darzulegen vermocht, die wesentlichen Untersuchungen selbst durchgeführt zu haben. Die Grenze der erlaubten Mitarbeit mit der Folge der Unverwertbarkeit des Gutachtens ist vorliegend nicht schon deshalb überschritten, weil der Sachverständige zu einzelnen Untersuchungen Hilfspersonal, wie eine MTA oder eine Assistenzärztin, heranzieht. Der Sachverständige hat gleichzeitig durch seine Unterschrift die alleinige Verantwortung für das Gutachten übernommen. Dass der beauftragte Sachverständige seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert hat, ist für den Senat angesichts dessen weder nachvollziehbar noch überzeugend.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und der Gerichtsbescheid des SG erweisen sich damit als rechtmäßig, weshalb die Berufung zurückzuweisen war. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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