L 12 KA 11/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 1644/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 11/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides der Beklagten vom 15. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1997, mit dem das Honorar für die vom Kläger im Quartal II/96 erbrachten Leistungen unter Anwendung der in der Nr.378 EBM vorgesehenen Abstaffelungsregelung festgesetzt wurde.

Der Kläger ist als Radiologe in Passau niedergelassen und als Vertragsarzt zugelassen.

Dem Honorarbescheid vom 15. Oktober 1996 zur Berechnung der 4. Abschlagszahlung für das Quartal II/96 wurde ein Bescheid über die sachlich/rechnerische Richtigstellung - Abstaffelungs- und Budgetregelungen des EBM 96 - beigefügt. Aus diesem Bescheid ergibt sich, dass der vom Kläger für Sonographieleistungen nach der Nr.378 EBM angeforderte Leistungsbedarf um 17.097,6 Punkte gekürzt wurde.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 1996 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, zu dessen Begründung er vortrug, der Leiter der Abrechnungsstelle habe ihm bestätigt, dass Sonographieleistungen nicht abgestaffelt werden könnten, sofern sie als Auftragsleistungen ausgeführt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 1997 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück. Der Honorarabrechnung liege der einheitliche Bewertungsmaßstab in der Fassung vom 29. September 1995 zugrunde. Die Bewertung sonografischer Leistungen nach der Nr.378 EBM betrage bis zu einer Gesamtzahl von 255 kurativ-ambulanten Leistungen (= Abstaffelungsgrenze) pro Quartal 450 Punkte (= Höchstpunktzahl), darüber hinaus 150 Punkte (= Mindestpunktzahl).

Die Leistungen nach der Nr.378 EBM habe der Kläger 312-mal angefordert. Damit überschreite er die Abstaffelungsgrenze von 255 Leistungen um 57 Leistungsansätze und es lägen die Voraussetzungen für die Anwendung der häufigkeitsbezogenen Abstaffelung vor. Bei den angeforderten Punktzahlen, die die Abstaffelungsgrenze überschritten, sei die Differenz zwischen der Summme, die sich aus der Berechnung dieser Punktzahl mit der Höchstpunktzahl ergebe, und der Summe, die sich aus der Berechnung dieser Punktzahl mit der Mindestpunktzahl ergebe, im Rahmen der sachlich/rechnerischen Richtigstellung von der Abrechnung abgesetzt und nicht vergütet worden. Diese Differenz entspreche einer Punktzahl von 17.097,6 Punkten.

Der Bewertungsausschuss habe am 31. August 1995 eine Neufassung des EBM beschlossen. Ziel dieser Reform sei u.a. eine generelle Leistungsbewertung anhand betriebswirtschaftlicher Kalkulation.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage, die am 27. November 1997 beim Sozialgericht München einging. Eine Begründung der Klage erfolgte nicht.

Mit Urteil vom 7. Oktober 1998 wies das Sozialgericht die Klage ab. Nach den Bestimmungen des § 40 BMV-Ä und § 10 Abs.1 des Bayerischen Gesamtvertrages obliege der Beklagten die rechnerische und sachliche Richtigstellung der Abrechnung des Klägers im Primärkassenbereich. Aufgrund dieser Bestimmungen habe die Beklagte zu Recht in der vorgenommenen Weise die Abstaffelungsregelung in Bezug auf die Gebührenordnungsnummer 378 BMÄ angewandt. Die Kammer stütze sich hierbei vollinhaltlich auf den überzeugenden Widerspruchsbescheid und auch die erneute Begründung der KV im Klageverfahren. Da der Kläger im Klageverfahren nichts mehr vorgetragen habe, auch nichts zur Stellungnahme der KVB, gehe die Kammer davon aus, dass auch der Kläger letztlich keine überzeugenden Einwände gegen die gesetzliche Regelung habe. Die Abstaffelungsregelungen im Zusammenhang mit technischen Leistungen rechtfertigten sich aus der Notwendigkeit, dass die Bewertung sowohl die Investitionskosten als auch die Arbeitsleistung des Arztes umfasse. Mit steigender Auslastung sinke die Notwendigkeit bei jeder einzelnen Leistung die Investitions- und Fixkosten (in gleichem Umfang) abzugelten. Damit erscheint es angemessen, die aufgrund hoher Auslastung steigende Gewinnmargen ab einer bestimmten Untersuchungszahl durch Abstaffelungen zu kappen, um im Wesentlichen nur noch die Arbeitsleistung des Arztes und die laufenden Kosten zu bewerten.

Das BSG habe in seiner 0 I-Laborbudget-Entscheidung vom 20. März 1996, Az.: 6 RKa 51/95 die Rechtfertigung von Abstaffelungsregelungen über diesen Gesichtspunkt hinaus wesentlich weiter gefasst. Der gesetzliche Auftrag des Bewertungsausschusses erschöpfe sich nicht in einer Leistungsbewertung nach betriebswirtschaftlichen und sonstigen kalkulatorischen Gesichtspunkten, sondern schließe die Möglichkeit ein, über die Definition und Bewertung ärztlicher Verrichtungen auch eine Steuerung des Leistungsverhaltens zu bewirken. Bei einem Ansatz unter dem Blickwinkel der Leistungssteuerung könnte es vor dem Willkürverbot bedenklich sein, dass eine einheitliche Abstaffelungsgrenze festgesetzt wurde, ohne zu berücksichtigen, dass die unterschiedlichen Fachgebiete bei unterschiedlicher Fallzahl ein unterschiedliches durchschnittliches Sonografievolumen ausweisen. Hierzu bedürfe es jedoch keiner Ermittlungen, da der Bewertungsausschuss selbst durch die Bewertung des EBM ab dem 3. Quartal 1996 die Abstaffelungsregelung eliminiert habe. Mitlerweile unterfielen diese Leistungen den nach Arztgruppen und Zusatzqualifikationen und Bedarfsgesichtspunkten differenzierten Praxisbudgets. Damit halte die Kammer mit der nur zwei Quartale geltenden Regelung unter dem Gesichtspunkt der Erprobungsregelung die Willkürgrenze für noch nicht überschritten. Die Klage sei deshalb abzuweisen.

Das Urteil wurde an den Kläger per Einschreiben übersandt, das am 26. Januar 1999 zur Post gegeben wurde.

Die dagegen eingelegte Berufung ging am 26. Februar 1999 beim Bayerischen Landessozialgericht ein. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, in der Urteilsbegründung werde auf die Steuerfunktion des Leistungsverhaltens der Abstaffelungsregelung hingewiesen. Dies könne für ihn als überweisungsgebundenem Arzt keine Rolle spielen. Außerdem würden zusätzliche Unterschiede in der Erbringung von Leistungen (z.B.radiologische Leistungen um 76,48 % unter dem Fachgruppendurchschnitt) nicht beachtet. Nicht zuletzt bleibe auch unbeachtet, dass nicht nur sonografische Untersuchungen des Abdomens, sondern auch solche der übrigen Brust in nicht unerheblichem Maße durchgeführt worden seien. Dies müsse sich zwangsläufig auf die festgelegte Abstaffelungsgrenze auswirkten.

Sinngemäß beantragt der Kläger:

Das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Oktober 1998 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1997 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, das für das 2. Quartal 1996 angeforderte Honorar des Klägers für Leistungen nach der Nr.378 EBM ohne Berücksichtigung einer Abstaffelungsgrenze festzusetzen und die abgesetzten 17.097,6 Punkte mit 1.067,21 DM nachzuvergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages bezieht sie sich voll umfänglich auf das klageabweisende Urteil, da die kurze Berufungsbegründung weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht neue Gesichtspunkte aufweise.

Dem Senat liegen die Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie die Klageakte (Az.: S 32 Ka 164/97) und die Berufungsakte (L 12 Ka 11/99) zur Entscheidung vor. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt dieser Unterlagen, insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und die zur Niederschrift erfolgten Feststellungen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs.1, Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist auch statthaft, da der nach § 143 iVm § 144 Abs.1 Nr.1 SGG maßgebliche Beschwerdewert von 1.000,- DM überschritten wird (abgesetzter Betrag für 17.097,6 Punkte beträgt 1.067,21 DM).

Die zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Der mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1997 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten obliegt gemäß § 85 Abs.4 SGB V die Verteilung der von den Krankenkassen an sie gezahlten Gesamtvergütung (§ 85 Abs.1 SGB V) unter Anwendung des im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstabes. Nach § 6 des im Jahre 1996 geltenden Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (beschlossen durch die Vertreterversammlung der KVB ab 2. Dezember 1995, veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger Nr.51/52 vom 22. Dezember 1995) obliegt der Beklagten die Überprüfung der Honoraranforderungen der Ärzte, die falls sie nicht abrechnungsfähig sind, von der Beklagten zu berichtigen sind. Welche Leistungen abrechnungsfähig sind, ergibt sich aus § 3 des HVM der Beklagten. Danach sind abrechnungsfähig nur Leistungen, die zur vertragsärztlichen Versorgung gehören und auf der Grundlage der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen erbracht worden sind (insbesondere Bundesmantelvertrag - Ärzte, Arzt-/ Ersatzkassenvertrag, Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen, Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Verträge auf Bundesebene und Landesebene). Die von der Beklagten vorgenommene Berichtigung der Honoraranforderung des Klägers entspricht den Vorgaben des im I. und II. Quartal 1996 gültigen Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, der gemäß § 87 Abs.2 Satz 1 SGB V den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander bestimmt. Er sah bei der Nr.378 EBM (sonographische Untersuchungen mittels REAL- TIME-Verfahren, B-Mode), einschließlich Bilddokumentation, je Sitzung) eine Vergütung von 450 Punkten vor. Bei Überschreitung der Abstaffelungsgrenze von 255 kurativ-ambulanten Leistungen pro Quartal reduzierte sich der Wert auf 150 Punke.

Dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab in der Fassung vom 29. September 1995 (DÄBl Nr.39), der im streitigen Quartal Gültigkeit hatte, lag ein Beschluss des Bewertungsausschusses vom 31. August 1995 zugrunde, der eine Neufassung des EBM vorsah. Ziel der Reform war u.a. eine generelle Leistungsbewertung anhand betriebswirtschaftlicher Kalkulationen. Der Einführung von Abstaffelungsregelungen bei apparativen Leistungen ist ein Teil der Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Kalkulation bei der Bewertung der Leistungen und entspricht dem Auftrag des Gesetzgebers in § 87 Abs.2 Satz 2 SGB V, demzufolge die Bewertungsmaßstäbe bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen sind, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen. Die niedrigere Punktzahl für Leistungen, die die Abstaffelungsgrenze überschreiten, berücksichtigt die durch die Zahl der erbrachten Leistungen erreichte Amortisation der Fixkosten bewertungsmäßig. Mit Überschreitung der Abstaffelungsgrenze und der sich daraus ergebenden Deckung der Fixkosten wird nunmehr ausschließlich die verbleibende ärztliche Arbeitsleistung vergütet. Dies ist nicht zu beanstanden. Bei dieser betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise spielt es keine Rolle, ob die Leistungen aufgrund eines Fremdauftrages erbracht wurden und dass der Leistungserbringer an den Auftrag gebunden war. Wenn man, wie der Bewertungsausschuss dies getan hat, davon ausgeht, dass mit der Erbringung von 255 sonographischen Untersuchungen, die mit 450 Punkten bewertet sind, pro Quartal die anfallenden Fixkosten und die ärztliche Arbeitsleistung ausreichend vergütet sind, so ist es nicht zu beanstanden, wenn bei der Vergütung der darüber hinaus erbrachten Leistungen nunmehr die ärztliche Arbeitsleistung berücksichtigt wird. Der durch das erste Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-NOG 1) vom 23. Juni 1997 (BGBl I S.1518) eingefügte Satz 7 in § 87 Abs.2 a SGB V sieht nunmehr sogar ausdrücklich vor, dass die Bewertung der von einem Vertragsarzt in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Leistungen so festgelegt werden kann, dass er mit zunehmender Menge absinkt (Abstaffelung). Aufgrund der Vorschrift des § 87 Abs.2 Satz 2 SGB V in der am 01.01.1996 geltenden Fassung konnte der Bewertungsausschuss in dem EBM eine Abstaffelungsregelung aber bereits schon damals einführen (s.a. BSG Urteile vom 8. März 2000 Az.: B 6 Ka 8/99 R und B 6 KA 16/99 R). Eine Steuerung des Leistungsverhaltens, die die Vergütung von Leistungen betrifft, die von an ihre Aufträge gebundenen Ärzte erbracht werden, könnte - wie das Sozialgericht zutreffend feststellte - problematisch sein. Vorliegend war die Abstaffelungsregelung jedoch bereits allein aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen gerechtfertigt. Die Abstaffelungsregelung des EBM in der Nr.378 galt nur für die Quartale I und II 96; der ab 1. Juli 1996 geltende EBM sah für Leistungen nach der Nr.378 keine abgestaffelte Vergütung mehr vor.

Die Berufung des Klägers ist damit unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1997 zu Recht abgewiesen.

Bei der Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG ist berücksichtigt, dass die Berufung des Klägers ohne Erfolg blieb.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, da sie nur die Anwendung nicht mehr geltender Vorschriften des EBM betrifft, noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ab.
Rechtskraft
Aus
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