L 12 KA 147/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 21 KA 2211/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 147/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. August 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Aussetzung/Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gemäß Kapitel A I Allgemeine Bestimmungen, Teil B Ziffer 4.3 des EBM streitig.

Die Klägerin ist als Allgemeinärztin in G. niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Sie ist berechtigt, die Zusatzbezeichnungen "Chirotherapie" und "Naturheilverfahren" zu führen.

Die Beklagte wertete ein Schreiben der Klägerin vom 22. Februar 1998, in dem diese geltend gemacht hatte, ihre durch die Praxisbesonderheit "Schmerztherapie" bedingten Leistungen fielen nicht unter die Budgetierung, als Antrag auf Aussetzung/Erweiterung der Praxis und/oder Zusatzbudgets gemäß A I.B.4.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM. Mit Bescheid vom 10. Juli 1998 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Die im EBM enthaltenen Budgets könnten dann erweitert oder ausgesetzt werden, wenn bestimmte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellten. Der Schwerpunkt der Praxistätigkeit liege dann vor, wenn bei Teilnehmern an der Schmerztherapie-Vereinbarung der Anteil des Leistungsbedarfs der Nrn. 418 - 450 EBM am Gesamtleistungsbedarf mindestens 30 % betrage. Eine Überprüfung habe ergeben, dass in der Praxis der Klägerin die Durchführung der Schmerztherapie keinen Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstelle. Der Anteil des Leistungsbedarfs der Nrn. 418 bis 450 EBM am Gesamtleistungsbedarf betrage 9,5 %.

Ihren dagegen eingelegten Widerspruch vom 18. Juli 1998 begründete die Klägerin damit, dass es wohl nicht angehe, ihre seit zehn Jahren bestehende Schmerzpraxis nur nach den Nrn. 418 bis 450 zu beurteilen. Dies seien rein "körperliche" schmerzthera- Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten müsse sowohl auf der körperlichen, als auch auf der gesprächstherapeutischen Ebene hinsichtlich der psychischen Verarbeitung bzw. besseren Umgangs mit chronischen Schmerzen ansetzen. Es müsse deshalb auch ihre Leistungsanforderung für die Nrn. 850 und 851 EBM, sowie bei Krisenintervention der Nr.21 EBM berücksichtigt werden. Bei Berücksichtigung dieser Leistungen liege ihr Leistungsbedarf an schmerztherapeutischen Leistungen weit über 30 % am Gesamtleistungsbedarf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1998 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach den Allgemeinen Bestimmungen A I.B.4.3 des EBM könne die zuständige Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis und/oder Zusatzbudgets gewähren. Danach könne ein Budget insbesondere dann erweitert oder ausgesetzt werden, wenn die in der "Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997" genannten Krankheitsfälle oder spezifischen Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellten. Der Vorstand der KVB habe dazu im Einzelfall Kriterien festgelegt und beschlossen. Bei der Schmerztherapie werde eine Erweiterung oder Aussetzung der Praxis- und/ oder Zusatzbudgets dann gewährt, wenn der Anteil der schmerztherapeutischen Leistungen nach den Nrn. 418 bis 450 EBM im Referenzquartal 2/96 mindestens 30 % am Gesamtleistungsbedarf der Praxis (unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit) betrage. Die schmerztherapeutischen Leistungen würden von einer großen Anzahl von Ärzten erbracht, so dass der pozentuale Anteil am Gesamtleistungsbedarf der Praxis als ermessengerechtes Prüfkriterium auf 30 % festgelegt worden sei. Im Fall der Klägerin betrage der Anteil der genannten Leistungen am Gesamtleistungsbedarf im Quartal 2/96 9,5 % und somit weniger als 30 %.

Die dagegen erhobene Klage ging am 18. November 1998 beim Sozialgericht München ein. Zu ihrer Begründung wurde vorgetragen, es sei falsch, dass die Beklagte nur auf den Leistungsbedarf der Nrn. 418 bis 450 EBM abstelle, dagegen die Nrn. 850 und 851 EBM, außerdem die Nr.21 EBM bei Krisenintervention, überhaupt nicht berücksichtige. Zur schmerztherapeutischen Behandlung gehörten nicht nur körperliche schmerztherapeutische Maßnahmen, sondern in mindestens gleichem Maße außerdem die gesprächstherapeutischen Leistungen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin fügte seinem Schriftsatz eine Tabelle bei, aus der die Anforderungen der Klägerin in den Quartalen 1/96 bis einschließlich 2/97 für die Leistungen nach den Nrn. 418, 419, 422, 430, 431 und 439 EBM sowie für die Nrn. 850 und 851 EBM ersichtlich ist. In den Quartalen 1/96 bis 2/97 betrug diesen Angaben zufolge der Anteil der Leistungsanforderung für die Nrn. 418 bis 450 EBM am Gesamthonorar zwischen 9,5 % (Quartal 2/96) und 20,1 % (Quartal 1/97). Die Honoraranforderung der Klägerin für Leistungen nach den Nrn. 850, 851 EBM betrug im Quartal 2/96 10,7 % und im Quartal 1/96 31,8 %, in den übrigen Quartalen lagen die Werte zwischen 17,1 % und 22,9 %. Für diese Leistungen insgesamt lagen die Honoraranforderungen der Klägerin zwischen 20,2 % (Quartal 2/96) und 48,4 % Anteil an der Gesamthonoraranforderung. Nach den Feststellungen des Klägerbevollmächtigten betrug in der Zeit vom 1. Quartal 1996 bis einschließlich 2. Quartal 1997 der Mittelwert 34,65 %. Der Beklagten könne nicht gefolgt werden, dass für die Beurteilung des Praxisschwerpunktes nur das 2. Quartal 1996 als so genanntes Referenzquartal heranzuziehen sei und die anderen Quartale unberücksichtigt bleiben müssten. Für eine derartige Einschränkung gebe es keinerlei Rechtfertigung. Aus alledem ergebe sich, dass die Beklagte die Aussetzung des Budgets "Schmerztherapie" bewilligen müsse. Der Klagebegründung wurden auch zwei Bescheide des Prüfungsausschusses Ärzte, München Stadt und Land, vom 8. Mai 1998 und 24. September 1998 beigelegt. Aus diesen Bescheiden ergibt sich, dass der Prüfungsausschuss die geltend gemachte Praxisbesonderheit "Schmerztherapie" im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung anerkannt hatte und insbesondere im Quartal 2/96 die Honoraranforderung der Klägerin für Leistungen nach der Nr.851 EBM als wirtschaftlich ansah. Der Klagebegründung wurden ebenfalls beigelegt Honorarübersichten und Häufigkeitsstatistiken der Klägerin für die Quartale 1/96 bis 2/97, aus denen der Ansatz der Nrn. 418 bis 450 und 850, 851 EBM ersichtlich ist.

Mit Urteil vom 18. August 1999 wies das Sozialgericht die Klage ab. Nach der ausdrücklichen Regelung im EBM erstrecke sich das bedarfsabhängige Zusatzbudget der Schmerztherapie nur auf die Leistungspositionen 418 bis 450 EBM. Schon deshalb sei die Berücksichtigung der Nrn. 850 und 851 EBM - wie dies die Klägerin beantrage - in diesem Zusammenhang nicht möglich. Dies sei rechtlich nicht zu beanstanden, denn die Beschränkung des Zusatzbudgets auf die Nrn. 418 bis 450 EBM liege im Rahmen der Gestaltungsbefugnis des EBM-Normgebers. Auch die Grenze von 30 % im Referenzquartal sei nicht zu beanstanden. Da der Anteil der zu berücksichtigenden Leistungen am Gesamtleistungsbedarf im Quartal 2/96 nur 9,5 % betragen habe, habe die Klägerin keinen Anspruch auf weitere, zusätzlich zu dem schon zuerkannten Zusatzbudget Erweiterung/Aussetzung des streitbefangenen Budgets "Schmerztherapie". Das Urteil wurde der Klägerin am 29. November 1999 zugestellt.

Dagegen ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen, die am 27. Dezember 1999 beim Bayer. Landessozialgericht einging. Zur Begründung der Berufung wird vorgetragen, die Klägerin habe sich im Jahr 1988 niedergelassen und habe als Praxisbesonderheit die Schmerztherapie. Ihr sei von der Beklagten mit Bescheiden vom 13. Juli 1995 und 30. Juli 1999 die Genehmigung zur Durchführung von ambulanter Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten im Rahmen der Schmerztherapie-Vereinbarung erteilt worden. Am 14. August 1997 habe ihr die Beklagte auch ein bedarfsabhängiges Zusatzbudget nach Punkt A I.B.4.2 des EBM bewilligt. Der Prüfungsausschuss "Ärzte München Stadt und Land" habe im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen bezüglich der Quartale 1/96 und 2/96 ausdrücklich die Praxisbesonderheit "Schmerztherapie" anerkannt und die Honorar- anforderung der Klägerin insbesondere für die Leistungen nach den Nrn. 60 bzw. 851 EBM als wirtschaftlich angesehen. Es sei nicht richtig, wenn die Beklagte bei der Prüfung, ob die Schmerztherapie einen Schwerpunkt der klägerischen Tätigkeit darstelle, allein auf den Leistungsbedarf für die Nrn. 418 bis 450 EBM sehe und die Nrn. 850, 851 und 21 EBM nicht berücksichtige. Die Auffassung des Sozialgerichtes, dass sich der Antrag nach A I.B.4.3 EBM nur auf die Leistungspositionen 418 bis 450 EBM beziehe, sei nicht richtig. Es treffe zwar zu, dass bei der Anerkennung des Zusatzbudgets nach A I.B.4.2 EBM unter dem Punkt Schmerztherapie nur die Nrn. 418 bis 450 EBM erwähnt würden. Dies könne jedoch nicht für den Antrag nach 4.3 gelten. Dieser stelle einen gesonderten und zusätzlichen Antrag zur Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf dar. Da es gerade um eine Erweiterung des Zusatzbudgets gehe, müsse gerade auch eine erweiterte Berücksichtigung der Leistungspositionen in Betracht kommen. Aus § 2 der Schmerztherapie-Vereinbarung sei ersichtlich, dass die Schmerztherapie nicht nur Anästhesien zur Schmerztherapie vorsehe, sondern auch übende Verfahren wie autogenes Training, psychosomatische Grundversorgung, Durchführung einer Schmerzanalyse und eingehende Beratung des Patienten und gemeinsame Festlegung der Therapieziele. Diese Leistungen könnten aber nur nach den Nrn. 850 ff. EBM bzw. der Nr.21 EBM abgerechnet werden.

Der Beklagten sei ein Fehler bei der Ausübung ihres Ermessens vorzuwerfen. Zur Festlegung des Praxisschwerpunktes werde nur das jeweilige Vorjahresquartal herangezogen für die Bestimmung des Schwellenwertes von 30 %. Wie kann aber ein "Praxisschwerpunkt" nur aus der Referenz eines Quartals schon ersichtlich sein. Auch in einer Arztpraxis gebe es Schwankungen im Leistungsumfang. Daher müsse ein längerer Zeitraum als Grundlage genommen werden. Ein bis zwei Jahre seien aus betriebswirtschaftlichen Gründen angemessen. Da die Leistungsanforderung der Klägerin für Leistungen nach den Nrn. 418 bis 450, 850, 851 betragen habe, habe die Klägerin durchaus ihren Praxisschwerpunkt im Bereich der Schmerztherapie.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. August 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, gemäß der Allgemeinen Bestimmung (A I.B.4.3) für die Zeit ab dem Quartal 3/97 die Budgetierung bezüglich der Nrn. 418 bis 450 und 850, 851 EBM auszusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung teilte die Beklagtenvertreterin die prozentuale Abrechnungshäufigkeit der von der Klägerin im Zeitraum Quartal 1/96 bis Quartal 4/00 abgerechneten Nrn. 418 bis 450 EBM mit. Der Durchschnittswert betrage 15,9 %.

In das Verfahren wurde eine Schreiben der Beklagten vom 31. Oktober 2000 aus einem gleichgelagerten Berufungsverfahren eingeführt, das die Grundlage für die Bemessung des 30 Prozent-Anteiles erläutert.

Dem Senat liegen die Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie die Klageakte, Az.: S 21 KA 2211/98 und die Berufungsakte, Az.: L 12 KA 147/99, zur Entscheidung vor. Auf deren Inhalt, insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und die zur Niederschrift erfolgten Feststellungen, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie nach § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1998 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat deshalb im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist Ziffer 4.3 des Abschnittes A I (Allgemeine Bestimmungen) Teil B des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in der ab 1. Juli 1997 geltenden Fassung. Danach kann die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren.

Mit Wirkung ab 1. Juli 1997 sind in Buchst.A I Teil B Allgemeine Bestimmungen EBM Praxis- und Zusatzbudgets eingeführt worden. Diese haben die vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 geltenden Teilbudgets abgelöst (vgl. hierzu die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 8. März 2000, Az.: B 6 KA 8/99 R und B 6 KA 16/99 R, SozR 3-2500 § 83 Nr.1 S.12 A, sowie Entscheidungen vom 6. September 2000, Az.: B 6 KA 37/99 R, B 6 KA 40/99 R, SozR 3-2500 § 87 Nr.26, und B 6 KA 41/99 R sowie Entscheidung des Senats vom 13. Oktober 1999, Az.: L 12 KA 54/98). Nach Buchst.A I Teil B Nr.1 Allgemeine Bestimmungen EBM unterliegen ab 1. Juli 1997 die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab enthaltenen ärztlichen Leistungen nach Maßgabe dieser Bestimmungen je Arztpraxis (Abrechnungsnummer) und Abrechnungsquartal für die nach Nr.1.5 aufgeführten Arztgruppen einer fallzahlabhängigen Budgetierung. Die in den Budgets enthaltenen Leistungen sind je Arztpraxis und Abrechnungsquartal jeweils nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig. Die Höhe des Budgets ergibt sich aus dem Produkt der Fallpunktzahl und der Zahl der Fälle gemäß Nr.1.4.

Nach Buchst.A I Teil B Nr.4 werden u.a. für die in Nr.4.1 aufgeführten Leistungsbereiche Zusatzbudgets gebildet. Ein Arzt hat Anspruch auf die gebietsbezogenen Zusatzbudgets nach Nr.4.1, wenn er die zutreffende Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung führt. Die "Schmerztherapie" fällt nicht unter die unter 4.1 aufgeführten Leistungsbereiche. Gemäß Buchst.A I Teil B Nr.4.2 EBM kann die Kassenärztliche Vereinigung aber auf Antrag des Arztes die unter 4.2 aufgeführten Zusatzbudgets zuerkennen, wenn ein besonderer Versorgungsbedarf besteht. Die Beklagte hat auf der Grundlage dieser Bestimmung der Klägerin das Zusatzbudget "Schmerztherapie" zuerkannt, das die Leistungspositionen 418 bis 450 EBM enthält.

Darüber hinaus kann gemäß Buchst.A I Teil B Nr.4.3 EBM die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren. Die Partner der Bundesmantelverträge haben die Ziffer 4.3 in der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (Deutsches Ärzteblatt 1997 A-403 f) dahingehend ausgelegt, dass die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweitern oder aussetzen kann, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen: Betreuung von HIV-Patienten, onkologische Erkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose, Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung), kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen, erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil.

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob, aufgrund der Wortwahl "kann" die Gewährung einer Erweiterung der Praxis und/oder Zusatzbudgets im Ermessen der Beklagten steht, oder ob ein Anspruch auf Erweiterung besteht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. November 1999, Az.: L 5 KA 440/99 - noch nicht rechtskräftig; vgl. dazu auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zur Befreiung von den im Zeitraum 3/96 bis 2/97 geltenden Teilbudgets: Urteile vom 6. September 2000, Az.: B 6 KA 40/99 R, SozR 3-2500 § 87 Nr.26, B 6 KA 41/99 R und B 6 KA 37/99 R), denn hier sind die tatbestandlichen Voraussetzungen schon nicht gegeben.

Der Senat hat bereits mit Urteilen vom 26. Juli 2000, Az.: L 12 KA 136/99, vom 7. Februar 2001, Az.: L 12 KA 60/99, und vom 21. März 2001, Az.: L 12 KA 99/99, entschieden, dass die tatbestandliche Voraussetzung "zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" im Sinne der vorgenannten Regelung des EBM als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist und zwar ihrem Sinn und Zweck entsprechend als Härtefallregelung. Einzelne Ärzte der Arztgruppe mit einem speziellen Leistungsspektrum, das den Schwerpunkt der Praxis bildet, und die deshalb durch die Budgetierung besonders betroffen werden, können durch ein zusätzliches bedarfsabhängiges Praxis- und/oder Zusatzbudget einen Ausgleich erhalten, der verhindert, dass sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Über die Nrn.4.1 und 4.2 des Abschnittes A I Teil B des EBM hinaus soll die Regelung der Nr.4.3 einer atypischen, aber vesorgungsgerechten Ausrichtung einer Arztpraxis Rechnung tragen. Nach Ziffer 4 der "Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997" (vgl. DÄ 1997, A 403 f.) kann eine Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweitern oder aussetzen, wenn eine der genannten Krankheitsfälle oder spezifischen Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen (s.o.). Entsprechend dem Charakter dieser Vereinbarung als Interpretation haben die Vertragspartner beispielhaft Fallgruppen bestimmter spezifischer Schwerpunktsetzungen genannt, bei denen im Einzelfall ein konkret nachgewiesener besonderer Versorgungsbedarf angenommen werden kann. Dazu gehört auch die Schmerztherapie, sofern diese den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellt.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihren Antrag auf Erweiterung bzw. Aussetzung der Praxis und/oder Zusatzbudgets darauf gestützt, dass die Schmerztherapie den Schwerpunkt ihrer Praxistätigkeit darstellt. Die Beklagte hat in zutreffender Auslegung und Anwendung der vorgenannten vertraglichen Bestimmungen diesen Antrag abgelehnt.

Dabei kann es der Senat im vorliegenden Fall auch offen lassen, ob es sich bei den vom Vorstand festgelegten Kriterien um weitere norminterpretierende Verwaltungsvorschriften oder bereits um die Anwendung der vorgenannten Bestimmungen auf den konkreten Fall handelt, also um eine Tatsachenermittlung und -feststellung und deren Subsumtion unter den im vorgenannten Sinn ausgelegten Normsetzungsvertrag mit dem Ziel einer gleichmäßigen Rechtsanwendung.

Die tatsächliche Feststellung, dass im konkreten Fall die Schmerztherapie den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellt, fordert zunächst in qualitativer Hinsicht, dass die Klägerin berechtigt ist, Versicherte im Rahmen der mit den Ersatzkassen geschlossenen Vereinbarung in der Fassung vom 1. Juli 1997 über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (Schmerztherapie-Vereinbarung) zu behandeln. Diese Voraussetzungen liegen unstreitig vor, die Klägerin besitzt eine entsprechende Genehmigung (Bescheide der Beklagten vom 13. Juli 1995 und 30. Juli 1999).

Die Schmerztherapie muss den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen, dies fordert in quantitativer Hinsicht, dass die auf der Schmerztherapie beruhenden Honoraranforderungen einen wesentlichen Teil der Gesamthonoraranforderung des Arztes ausmachen. Das Bundessozialgericht hat bereits in seinen Urteilen vom 6. September 2000 zur Befreiung von den zum 1. Juli 1996 eingeführten Teilbudgets entschieden (Az.: B 6 KA 37/99 R, 40/99 R, SozR 3-2500 § 87 Nr.26, und 41/99 R), ein Schwerpunkt erfordere, dass die zu beurteilende Tätigkeit quantitativ in Relation zur Fachgruppe und zur eigenen Gesamtpraxistätigkeit des Arztes gesetzt wird und dabei merklich ins Gewicht fällt. Die Beklagte hat in dem den Beteiligten ausgehändigten Schreiben vom 31. Oktober 2000 ausgeführt, dass Grundlage für die Bemessung des 30 %-Anteils als Voraussetzung für die Bejahung des Vorliegens des Schwerpunktes Schmerztherapie für den Vorstand der Beklagten die Auswertung des Leistungsbedarfs derjenigen Ärzte sei, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnahmen. Der durchschnittliche Anteil der schmerztherapeutischen Leistungen nach den Nrn. 418 bis 450 EBM am Gesamtleistungsvolumen habe bei diesen Ärzten im Quartal 2/96 13,37 % betragen. Dieser Anteil werde nach der Berechnung in Anlage 4 zum EBM bereits mit dem Zusatzbudget nach Nr.4.2 berücksichtigt. Gemäß Nr.4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 sei Voraussetzung für die Zubilligung eines Zusatzbudgets gemäß Nr.4.3, dass der Schwerpunkt der vertragsärztlichen Tätigkeit (und nicht ein Schwerpunkt von mehreren, wie dies noch in Nr.4 der Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vom 7. August 1996 zur Voraussetzung für die Ausnahme von einem Teilbudget gemacht worden sei) in dem betreffenden ärztlichen Tätigkeitsbereich liege. Nr.4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 stelle folglich ganz besondere Voraussetzungen auf, so dass nicht jede Schwerpunktbildung bei der Zuerkennung eines Zusatzbudgets nach Nr.4.3 Berücksichtigung finden könne. Nach diesen Vorgaben sei es unter Berücksichtigung der dargestellten Abrechnungsverhältnisse bei den Ärzten, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnahmen, gerechtfertigt, dass der Vorstand einen schmerztherapeutischen Versorgungsschwerpunkt erst bei einem Versorgungsanteil von mindestens 30 % anerkenne. Diese Rechtsauffassung der Beklagten ist zutreffend. Es ist zwar richtig, dass, wie die Klägerin ausführt, sich die Durchführung von Schmerztherapie im Rahmen der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht auf die Erbringung von Leistungen nach Kapitel D I des EBM (Nrn. 415 bis 450) beschränkt, sondern darüber hinaus auch - in nicht unerheblichem Umfang - psychosomatischen Leistungen nach den Nrn. 850, 851 EBM erbracht werden müssen. Wie aus den von der Klägerin vorgelegten Häufigkeitsstatistiken für die Quartale 1/96 bis 2/97 ersichtlich ist, handle es sich bei den Leistungen nach den Nrn. 850 und 851 EBM aber nicht um fachgruppenuntypische Leistungen, da diese Leistungen in allen Quartalen, insbesondere die Leistung nach der Nr.851 EBM, die auch von der Klägerin besonders häufig abgerechnet wird, von mehr als 50 % der Fachgruppe der Allgemeinärzte abgerechnet werden, unabhängig davon, ob sie an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmen. Dass in der Arztgruppe der Klägerin die Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung nur im geringen Umfang vertreten sind, ergibt sich daraus, dass die Leistungen nach den Nrn. 418 bis 450 EBM nur von einem sehr geringen Teil der Ärzte erbracht werden (zwischen 1,38 und 10,15 %). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn der Vorstand der Beklagten bei der Beurteilung, ob die Schmerztherapie einen Praxisschwerpunkt darstellt, allein auf die Leistungen nach den Nrn. 418 bis 450 EBM abstellt. Diese Leistungen sind typische Leistungen der Schmerztherapie (Überschrift des Kapitels D I EBM "Anästhesien zur Schmerztherapie") und werden auch von jedem Arzt, der an der Schmerztherapie teilnimmt, erbracht. Wenn im Durchschnitt der Ärzte, die an der Schmerztherapie teilnehmen, der Anteil der schmerztherapeutischen Leistungen nach den Nrn. 418 bis 450 EBM am Gesamtleistungsvolumen 13,37 % beträgt, so ist es zulässig, von einem Anteil von 30 % für die Erbringung dieser Leistungen auszugehen, um feststellen zu können, dass die schmerztherapeutische Tätigkeit den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellt. Der durchschnittliche Anteil der schmerztherapeutischen Leistungen wird bei der Vergütung der Leistungen bereits mit dem Zusatzbudget nach 4.2 berücksichtigt, so auch im Fall der Klägerin. Würde man alle im Rahmen der Schmerztherapie erbrachten Leistungen berücksichtigen wollen, um festzustellen, ob die Schmerztherapie den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellt, so wäre es nicht gerechtfertigt, einen Schwerpunkt "Schmerztherapie" zu bejahen, wenn der Anteil für alle im Rahmen der Schmerztherapie erbrachten Leistungen bereits 30 % übersteigt. Da die Leistungen nach den Nrn. 850, 851 EBM - anders als die Leistungen nach den Nrn. 418 bis 450 EBM - nicht nur im Rahmen der Schmerztherapie erbracht werden, ist es nicht zulässig, alle Leistungen nach den Nrn. 850, 851 EBM bei der Feststellung des Praxisschwerpunktes zu berücksichtigen und sich insgesamt auf einen Anteil von 30 % der Gesamthonoraranforderung zu beschränken. Betrachtet man die von der Klägerin vorgelegte Aufstellung über ihre Honoraranforderungen für die Quartale 1/96 bis 2/97, so ist es unschädlich, dass die Beklagte sich auf das Quartal 2/96 beschränkt hat. Der Anteil der Honoraranforderungen der Klägerin für die Nrn. 418 bis 450 EBM betrug in den Quartalen 1/96 bis 4/00 durchschnittlich 15,9 % an den Gesamthonoraranforderungen der Klägerin (mindestens 6,3 % in 2/97 und höchstens 27,9 % in 3/99). Er entspricht damit in etwa dem Durchschnittsanteil an der Gesamthonoraranforderung bei den Ärzten, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmen. Damit lässt sich nicht begründen, dass die Schmerztherapie der Praxisschwerpunkt der Klägerin ist.

Die Berufung der Klägerin ist deshalb unbegründet.

Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung der Klägerin erfolglos bleibt.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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