L 12 KA 22/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 21 KA 2530/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 22/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger im Quartal 1/96 eine Honorarausgleichszahlung gemäß der ab 1. Januar 1996 geltenden Anlage 4 zum Honorverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten zuzuerkennen ist.

Der Kläger ist seit 1. Juli 1995 als Facharzt für Strahlentherapie in N. niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beklagte hat mit Honorarbescheid vom 26. Januar 1998 das Honorar des Klägers für das Quartal 1/96 auf (brutto) 604.254,58 DM festgesetzt.

Mit Schreiben vom 21. Januar 1998 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass sich bei der Abrechnung des Quartals 1/96 ohne rückwirkende Teilbudgets durch den neuen Auszahlungspunktwert ein Honoraranspruch errechnet habe, der unter den bereits geleisteten Abschlagszahlungen für dieses Quartal liege (nach der Berechnung der Beklagten handelt es sich um eine Überzahlung in Höhe von 54.749,56 DM). Der Kläger wurde zugleich auf die Möglichkeit der Stellung eines Härtefallantrages nach der Anlage 4 zum HVM hingewiesen, wobei auch dessen wesentlichen Voraussetzungen dargestellt wurden.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 27. Mai 1998 Antrag auf Honorarausgleichszahlung entsprechend der Anlage 4 zum HVM gestellt. Soweit ein Anspruch auf Honorarausgleichszahlung einen Honorarrückgang um 15 % gegenüber dem Vorquartal 1995 erfordere, sei bei ihm ein Vergleich nicht möglich, weil im Quartal 1/95 seine Praxis noch nicht existiert habe. Der Absturz seines Honorars im Quartal 1/96 ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass sein Fachgebiet "Strahlentherapie" die Honorarpunkte im Rahmen der technischen Leistungen durch Nutzung von Bestrahlungsgeräten erwirtschafte und ein ausgesprochen geringer Anteil der Punktemenge sich durch Gesprächsleistungen ergebe. Die Strahlentherapie-Praxis sei im Übrigen zu 100% von der Überweisung durch Kollegen abhängig. Während die meisten Ärzte durch die Möglichkeit der intensiven Ausweitung des Punktevolumens, z.B. durch Gesprächsleistungen, einen Ausgleich hätten schaffen können, sei hierbei der Strahlentherapeut in vollem Umfang "auf der Strecke" geblieben. Durch die Gesprächsleistungen sei der Punktwert von mehr als 8 Pfennig im Quartal 4/95 auf unter 7 Pfennig ab Quartal 1/96 gefallen. Aufgrund der vierteljährlichen Änderungen der HVM s zu Gunsten bestimmter Arztgruppen, welche die Mehrheit in den Standesorganisationen besäßen, sei zunehmend die kleine Gruppe der Strahlentherapeuten finanziell unter Druck geraten. Gerade diese Arztgruppe habe hohe Investitionskosten zu tragen, damit die zeitgerechte und qualitativ ausreichende Geräteausstattung vorgehalten werden könne. Dass gerade bei seiner Praxis durch permanente einseitige Änderungen Probleme bestünden, sei daraus ersichtlich, dass für die Quartale ab 1/96 (gemeint ist wohl 1/97) ein Härtefallantrag gestellt und von der KVB genehmigt worden sei. Es werde in diesem Zusammenhang auf die Schreiben "Anlage zum Honorarbescheid des Quartals 1/97 und 2/97" der KVB Bezirksstelle Mittelfranken verwiesen.

Die Beklagte hat den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19. Juni 1998 abgelehnt. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen der Härtefallregelung gemäß der Anlage 4 Nr.2a zum HVM. Danach liege eine unbillige Härte nur vor, wenn das Gesamthonorar des Arztes in einem Quartal des Jahres 1996 sein Gesamthonorar im entsprechenden Vorjahresquartal 1995 um mehr als 15 % unterschreite. Da die Niederlassung zum 1. Juli 1995 erfolgt sei, liege kein Vergleichsquartal 1/95 vor. Ziehe man als Vergleichsquartale 3/95 oder 4/95 heran, seien die Voraussetzungen gemäß Anlage 4 Nr.2a HVM ebenfalls nicht gegeben. Im Übrigen sei die vorgegebene Antragsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Honorarbescheides für das Quartal 1/96 nicht eingehalten. Der Honorarbescheid der Beklagten sei dem Kläger am 12. Februar 1998 bekannt gegeben worden. Die Antragsfrist sei demnach am 12. März 1998 abgelaufen, während der Antrag erst am 28. Mai 1998 bei der Beklagten eingegangen sei.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 6. Juli 1998, der mit Schreiben vom 21. Januar 1999 näher begründet wurde. Aufgrund der Tatsache, dass bei ihm kein Vergleichsquartal vorliege und damit keine Vergleichbarkeit bestehe, könne die Beklagte nicht automatisch schließen, dass keine Härtefallsituation bestehe und der Härtefallantrag unberechtigt sei. Hier zeige sich eine Lücke im HVM dahingehend, dass Praxisneugründer gerade in der schwierigen Startphase bzgl. einer Härtefallsituation keine Berücksichtigung fänden. Ein alternativer Vergleich mit den Quartalen 3/95 und 4/95 sei in den Bestimmungen nicht vorgesehen. Im Übrigen seien die Quartale 3/95 und 4/95 die ersten beiden Quartale nach Praxisgründung. Es sei sicherlich nachvollziehbar, dass in diesen beiden Startquartalen lediglich ein geringes Punktekonto habe erwirtschaftet werden können und diese deshalb nicht als repräsentativ zur Beurteilung eines Härtefalls verwendet werden könnten.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 1999 den Widerspruch zurückgewiesen. Im Falle der vom Kläger am 1. Juli 1995 neu gegründeten Praxis könne ein Vergleich mit dem "durch Honorarbescheid der KVB anerkannten Honorar" (Nr.3 der Anlage 4 zum HVM) für das Quartal 1/95 nicht angestellt werden. Da er im Bezugsquartal 1/95 kein Gesamthonorar erhalten habe, könne das Geamthonorar im Quartal 1/96 dieses nicht unterschreiten. Daher fehle es an einer grundlegenden Voraussetzung für die Anwendung der Härtefallregelung nach der Anlage 4 zum HVM. Um der Sondersituation eines Praxisneuanfängers gerecht zu werden, habe der Vorstand beschlossen, dass zu seinen Gunsten abweichend von der Regelung nach der Ziff.2a der Anl.4 zum HVM das Gesamthonorar des Quartals 1/96 mit dem Gesamthonorar des günstigsten Quartals aus dem Jahre 1995, nämlich dem Quartal 4/95, verglichen werde. Eine unbillige Härte im Sinne der obengenannten Härtefallregelung EBM/96 liege jedoch im Fall des Klägers auch bei dieser Vergleichsmethode nicht vor. Vielmehr sei hier eine Honorarüberschreitung im Quartal 1/96 im Vergleich zum günstigsten Vorjahresquartal (4/95) gegeben (Gesamthonorar im Quartal 1/96: DM 590.893,60 netto; Gesamthonorar im Vergleichsquartal 4/95: DM 470.302,13 netto; Differenz:

DM 120.591,47, was einer Honorarüberschreitung in Höhe von 25,64 % entspricht).

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 20.Oktober 1999. Der Klägervertreter hat in erster Instanz den Antrag gestellt, den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Honorarausgleichszahlung (Quartal 1/96) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 15. November 2000 die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Honorarausgleichszahlung im Quartal 1/96, weil eine unbillige Härte im Sinne der Anlage 4 zum HVM 96 beim Kläger nicht feststellbar sei. Die "Härtefallregelung EBM 96" sei mit höherrangigem Recht vereinbar (Hinweis auf BayLSG, Urteil vom 24. Mai 2000; L 12 KA 161/98). Da der Kläger seine vertragsärztliche Tätigkeit erst am 1. Juli 1995 begonnen habe, habe im Quartal 1/96 im Verhältnis zum Quartal 1/95 kein "Honorarrückgang" stattfinden können. Ob in Fällen dieser Art die "Härtefallregelung" überhaupt anwendbar sei, könne dahingestellt bleiben. Denn die Beklagte habe zulässigerweise (Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Mai 1998, Az.: S 42/KA 1123/97) als Bezugsquartal das (für den Kläger günstigste) Vierteljahr 4/95 herangezogen. Der Vergleich habe eine Honorarüberschreitung in Höhe von 25,6 % (DM 120.591,47) ergeben. Dass die Honorarhöhe und deren Anstieg der klägerischen Erwartung (Planung) nicht entsprochen habe, spiele für die Bewilligung einer Ausgleichszahlung keine Rolle. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayerischen Landessozialgericht vom 20. Februar 2001. Es sei zu keinem Zeitpunkt bestritten worden, dass der Kläger die von der Beklagten aufgestellten Härtefallvoraussetzungen ihrem Wortlaut nach nicht erfülle. Die Härtefallregelung benachteilige den Kläger als Praxisanfänger aber gegenüber dem größten Teil seiner vertragsärztlichen Kollegenschaft signifikant und ohne insoweit rechtfertigenden Grund. Nachdem die Beklagte die Regelungslücke bzgl. Praxisanfänger erkannt habe, habe sie die Honorareinnahmen des Klägers entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der hier gegenständlichen Härtefallregelung mit dem Honoraranspruch des Klägers für das Quartal 4/95 verglichen und den Antrag des Klägers mit der Begründung abgelehnt, dass im Saldo tatsächlich eine Honorarsteigerung zu verzeichnen gewesen sei. Der ablehnende Bescheid der Beklagten sei bereits aus diesem Gesichtspunkt rechtswidrig, weil ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts der Härtefallregelung für den Vorschlag der Beklagten keinerlei Beurteilungsspielraum oder aber Ermessen hinsichtlich des Vergleichsquartals bestehe. Die Entscheidung der Beklagten sei darüber hinaus rechtswidrig, weil sie nicht berücksichtige, dass die Praxis des Klägers - wie bei Anfängerpraxen üblich - in den ersten Quartalen des Jahres 1996 einen erheblichen Anstieg der Behandlungsfallzahlen, aber auch des abgerechneten Punktzahlvolumens zu verzeichnen gehabt habe, mit dem die sogenannte "Honorarsteigerung" in keiner Weise korrespondiere. Dies habe zur Folge, dass die hier gegenständliche Härtefallregelung nur bei bereits etablierten Praxen zur Anwendung komme. Anfängerpraxen, die gerade in der Startphase einen erhöhten Investitions- und damit Finanzbedarf hätten, seien von der Teilnahme an der Härtefallregelung grundsätzlich ausgeschlossen. Ein sol- ches Ergebnis sei sowohl unter Gleichheitsgesichtspunkten wie auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BSG vom 21. Oktober 1998 mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Sinne von Art.3 und 12 GG nicht in Einklang zu bringen. Dieses Ergebnis werde noch dadurch verschärft, dass die Härtefallausgleichszahlungen aus hierfür vorgesehenen Rückstellungen aus der Gesamtvergütung gewährt würden und somit zu Lasten aller Vertragsärzte den Auszahlungspunktwert gemindert hätten. Dies widerspreche massiv dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art.3 GG, dass vom allseits bekannten Punktwertverfall im hier gegenständlichen Quartal besonders nachteilig betroffene Anfängerpraxen einen weiteren Nachteil durch die rückstellungsbedingt zusätzliche eingetretene Punktwertabsenkung hinnehmen müssten, obwohl diese Anfängerpraxen aufgrund der Regelungssystmatik der Härtefallregelung de facto keine Möglichkeit hätten, Härtefallzahlungen zu erhalten. Insgesamt differenziere somit die Härtefallregelung zwischen alteingesessenen und neuen Praxen, ohne dass hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund erkennbar wäre. Ausweislich der Widerspruchsbegründung mache die Beklagte sich die Ausführungen in der Ergänzenden Vereinbarung zur Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes sowie die hierauf bezogene Folgevereinbarung als Legitimation für ihre Härtefallregelung zu eigen. Hiernach sollten vom Punktwertverfall des hier gegenständlichen Quartals besonders betroffene Leistungen besonders geschützt werden. Ausdrücklich genannt worden seien hier u.a. die strahlentherapeutischen Leistungen des Kapitels T EBM. Die Härtefallregelung der Beklagten habe allerdings zur Folge, dass im Ergebnis nicht die im Einzelnen genannten schützenswerten Leistungsbereiche besonders subventioniert würden. Durch die vorliegende Regelung hätten im Gegenteil alle Facharztgruppen - und somit auch die, die den ab Quartal 1/96 eingetretenen Punktwertverfall nachweislich verursacht hätten - dem Grunde nach einen entsprechenden Härtefall- zahlungsanspruch.

Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Härtefallantrag des Klägers für das Quartal 1/96 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Hilfsweise beantragt er, die Revision zuzulassen.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18. Januar 2002 vorgetragen, dass die Rechtmäßigkeit der HVM-Regelung für die Quartale 1/96 und 2/96 bereits mehrfach durch das Bayer. Landessozialgericht bestätigt worden sei, auch für Praxen in der Etablierungsphase (Hinweis auf z.B. Urteil vom 12. September 2001, L 12 KA 78/00). Dass die Beklagte zugunsten des Klägers das Quartal 4/95 als Vergleichsquartal herangezogen habe, könne von diesem nicht beanstandet werden, da dies lediglich einen Vorteil darstelle.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte, die Klageakten mit dem Az.: S 21 KA 2530/99 sowie die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 22/01 vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die Beklagte hat es mit Bescheid vom 19. Juni 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1999 zu Recht abgelehnt, dem Kläger im Quartal 1/96 eine Honorarausgleichszahlung nach der Anlage 4 (Härtefallregelung EBM 96) des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) in der am 22. Juli 1996 mit Wirkung vom 1. Januar 1996 beschlossenen Fassung (vgl. Bayerischer Staatsanzeiger 1996 Nr.31 S.5) zuzuerkennen. Das Sozialgericht München hat deshalb mit dem angefochtenen Urteil vom 15. November 2000 die Klage gegen diese Bescheide zu Recht abgewiesen. Dem Urteil des Sozialgerichts München ist im Ergebnis darin zu folgen, dass beim Kläger schon keine unbillige Härte im Sinne der Anlage 4 zum einschlägigen HVM vorliegt.

Zunächst ist klarzustellen, dass Streitgegenstand des Verfahrens allein die Frage ist, ob dem Kläger aufgrund der Härtefallregelung gemäß der Anlage 4 zum HVM eine Honorarausgleichszahlung zuzuerkennen ist. Der Kläger wendet sich ausweislich des zweitinstanzlichen Antrages nicht gegen die Honorarverteilung nach der Anlage 1 und der Anlage 2 des ab 1. Januar 1996 geltenden Honorarverteilungsmaßstabes, so dass dessen Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht zu prüfen ist (speziell zu Radiologen, vergleiche BSG, SozR 3-2500 Nr.26, S.185 f.; Nr.30 S.231 ff.: keine Notwendigkeit zur Besserstellung von Radiologen im Rahmen der Honorarverteilung; vgl. auch BSG, Urteil vom 3. März 1999, B 6 KA 56/97 R S.5 f.; allgemein zur Abgrenzung der Regelungen von Ausnahmefällen einerseits bei der Honorarverteilung selbst und andererseits im Rahmen von Härtefallregelungen: Clemens, Regelungen der Honorarverteilung - der Stand der Rechtsprechung des BSG, in Medizinrecht 2000, S.19/20).

Nach der Nr.1 Satz 1 der Anlage 4 (Härtefallregelung EBM 96) zum HVM kann der Vorstand der KVB einem zugelassenen Arzt für die einzelnen Quartale des Jahres 1996 eine Honorarausgleichszahlung zuerkennen, wenn die auf der Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für ärztliche Leistungen in der jeweils geltenden Fassung vorzunehmende Honorarverteilung nach den Anlagen 1 und 2 zu einer unbilligen Härte führt und Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dies erfordern.

Nach der Nr.2 liegt eine unbillige Härte vor, wenn a) das Gesamthonorar des Arztes in einem Quartal des Jahres 1996 sein Gesamthonorar im entsprechenden Vorjahresquartal 1995 um mehr als 15 % unterschreitet, b) dieser Honorarrückgang auf die Auswirkungen des EBM 96 zurückzuführen ist und c) die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung in dieser Praxis erschöpft sind.

Nach der Nr.4 obliegt es dem Arzt, die Betriebskosten seiner Praxis zur Prüfung der Voraussetzungen nach der Nr.2c darzulegen und durch hierzu geeignete Unterlagen nachzuweisen. Nach der Nr.5 kann die Honorarausgleichszahlung bis zur Höhe der Differenz zwischen dem für das antragsgegenständliche Quartal nach den Anlagen 1 und 2 anerkannten Honorar und dem entsprechenden Honorar des Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal 1995 zuerkannt werden. Gemäß der Nr.6 wird die Honorarausgleichszahlung auf Antrag gewährt. Das Nähere, inbesondere zum Verfahren einschließlich der Zuständigkeit für die Entscheidung, regelt der Vorstand der KVB.

Der Senat hat sich bereits mehrfach mit der Anlage 4 zu dem ab 1. Januar 1996 geltenden HVM befasst und diese immer für rechtmäßig angesehen (vgl. Urteil vom 23. Februar 2000, Az.: L 12 KA 102/98, die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde vom Bundessozialgericht mit Beschluss vom 19. Dezember 2000, Az.: B 6 KA 56/00 B verworfen; vom 12. April 2000, Az.: L 12 KA 85/98, die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde mit Beschluss des BSG vom 30. Januar 2001, B 6 KA 45/00 B, verworfen, vom 12. April 2000, Az.: L 12 KA 146/98, vom 24. Mai 2000, Az.: L 12 KA 161/98, vom 14. März 2001, Az.: L 12 KA 80/99 und vom 12. September 2001, Az.: L 12 KA 78/00).

Der Senat kommt auch vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Anlage 4 des ab 01.01.1996 geltenden HVM s in der Anwendung durch die Beklagte nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig ist.

Soweit die Klägervertreter unter Bezugaufnahme auf ein Urteil des BSG vom 21.10.1998 (gemeint ist BSG, SozR 3-2500, § 85 Nr.28 S.210f) einen Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Sinne von Art.3, 12 GG und daraus einen Anspruch auf eine andere Gestaltung der Härtfallregelung rügen, hat der Senat bereits entschieden (vgl. Urteil vom 12. April 2000, L 12 KA 146/98), dass die in dieser Entscheidung niedergelegten Grundsätze, die zu zahnärztlichen Honorarverteilunsmaßstäben mit einer individuellen Bemessungsgrundlage ergingen (vgl. hierzu auch BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.27 S.197f; Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 60/98 R, SGB 1999, 403) auf den hier einschlägigen ab 01.01.1996 geltenden Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten nicht übertragbar sind. Insbesondere enthält der hier einschlägige Honorarverteilungsmaßstab keine Begrenzung des Honoraranspruchs unter Bezugnahme auf Abrechnungswerte des Vertragsarztes in der Vergangenheit (sogenannte "individuelle Bemessungsgrundlage bzw. individuelles Praxisbudget"). Die Anlagen 1 und 2 des im 1. Quartal 1996 geltenden HVM sahen vielmehr typisierend und generalisierend eine Verteilung der von den Primärkassen bzw. den Ersatzkassen geleisteten Gesamtvergütung nach Honorartöpfen vor ("Honorarfonds O I und O II"; "Honorarfonds O III"; "Honorarfonds Fremdärzte"; "Honorarfonds übrige Leistungen"). Eine weitergehende Differenzierung der einzelnen Honorartöpfe ("Honorarfonds R1 und R 2") sowie eine Mengenbegrenzung, wie dies der im Jahr 1995 geltende HVM (vgl. Bayerischer Staatsanzeiger 1994 Nr.48 S.14) noch vorgesehen hatte, war im 1. Quartal 1996 nicht vorgenommen worden.

Ebensowenig war im streitigen Zeitraum in den Anlagen 1 und 2 eine Härtefallregelung enthalten. Erst ab 1. Oktober 1996 wurde nach und wegen der Einführung individueller Praxisbudgets in die Anlage 1 unter Ziff.2.3.8 eine Härtefallregelung in Form einer Generalklausel in den HVM der Beklagten aufgenommen (vgl. Bayer.Staatsanzeiger 1996 Nr.39 S.4 f; Bayer. Ärzteblatt 1996 462 f; vgl. hierzu die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. August 2001, L 12 KA 89/00 und vom 26. September 2001, L 12 KA 86/00). Da der Kläger somit nach dem einschlägigen Honorarverteilungsmaßstab im Quartal 1/96 keiner Begrenzung hinsichtlich der Entwicklung seiner Fallzahlen oder seiner Fallwerte durch Bezugnahme auf individuelle Abrechnungswerte in der Vergangenheit unterliegt, war unter diesem Gesichtspunkt für ihn als Praxisanfänger zum Quartal 3/95 keine Härtefallregelung zu treffen.

Der Kläger kann aber auch sonst nicht geltend machen, dass die Härtefallregelung zum EBM 96 in Anlage 4 unter Verstoß gegen höherrangiges Recht zu eng gefasst ist und für ihn als Praxisneuanfänger und Strahlentherapeut eine weitergehende Sonderregelung hätte geschaffen werden müssen.

Hierbei ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte den Kläger als Praxisneuanfänger tatsächlich in den Regelungsbereich der Anlage 4 zum HVM miteinbezogen hat. Zwar gibt es für den Kläger als Praxisneuanfänger zum 01.07.1995 kein "entsprechendes Vorjahresquartal 1995 zu Quartal 1/96". Die Beklagte ist aber diesbezüglich vom Vorliegen einer Regelungslücke ausgegangen und hat diese Regelungslücke dadurch geschlossen, dass an Stelle des "entsprechenden Vorjahresquartals 1995" das für den Kläger günstigste Quartal 1995 als Vergleichsquartal zum Quartal 1/96 herangezogen wurde. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden. Eine analoge Anwendung einer Norm auf von der Norm nicht umfasste Sachverhalte ist ausnahmsweise dann geboten, wenn der lückenhaft geregelte Sachverhalt dem geregelten ähnlich ist und deshalb rechtlich gleich behandelt werden muss und der Normgeber, hätte er die Regelungslücke erkannt, die gebotene Regelung auch getroffen hätte (vgl. hierzu BSG SozR 3-1500 § 84 Nr.2; BSG SozR 3-2500 § 34 Nr.5 und BSG SozR 2200 § 368 h Nr.4). Vorliegend ist nach Auffassung des Senats nicht nachvollziehbar, warum Praxisneuanfänger von der Möglichkeit einer Honorarausgleichszahlung gemäß der Anlage 4 zum HVM grundsätzlich schon deswegen ausgeschlossen sein sollen, weil für sie kein entsprechendes Vergleichsquartal vorhanden ist. Auch die Art und Weise der Schließung der vorhandenen Regelungslücke durch die Beklagte - nämlich durch Heranziehung des für den Kläger günstigsten Quartals des Jahres 1995 - ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte knüpft hier naheliegenderweise an einen in der Norm geregelten Tatbestand an und hält sich möglichst nahe an dem in der Norm festgelegten Tatbestand, indem es als Vergleichsquartal an Stelle des "entsprechenden Vorjahresquartals 1995" das für den Kläger günstigste Vorjahresquartal 1995 zum Vergleich heranzieht. Der Senat macht sich die von der Beklagten erfolgte ausdehnende Auslegung der Anlage 4 zum HVM 96 zu eigen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Begriff der "unbilligen Härte" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Der Beklagten steht ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zustehende Beurteilungsspielraum insoweit nicht zu (vgl. Urteil des Senats vom 1. August 2001, L 12 KA 89/00). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die ausdehende Auslegung der Anlage 4 auf den Kläger zu seinen Gunsten erfolgt und er dadurch insoweit nicht beschwert ist.

Nach alledem ist festzustellen, dass nach der gesetzlichen Regelung in der Anlage 4 zum HVM im Quartal 1/96 in der Anwendung durch die Beklagte keine Differenzierung zwischen Praxisneuanfängern und etablierten Praxen gemacht wird. Das Gleichsbehandlungsgebot des Art.3 Abs.1 GG enthält jedoch nicht nur das Verbot sachwidriger Differenzierung, sondern ebenso das Gebot, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfGE 98, 365, 385). Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Anzahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGG 79, 87, 100; 91, 93, 115).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der Senat keine hinreichenden Gesichtspunkte erkennen, die es gebieten würden, über den in der Anlage 4 zum HVM 1/96 festgesetzten Tatbestand in der Anwendung durch die Beklagte hinaus eine weitergehende Härtefallregelung - für Strahlentherapeuten, die ihre Vertragsarztpraxis im Laufe des Jahres 1995 begonnen haben - zu schaffen. Bei dieser Beurteilung ist insbesondere auch der mit der Anlage 4 zum HVM verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Wie sich aus der Überschrift "Härtefallregelung EBM 96" ergibt, ist es Sinn und Zweck der Regelung, individuelle Härten infolge der Neufassung des EBM zum 1. Januar 1996 auszugleichen. Dieser Zweck der streitgegenständlichen Härtefallregelung stimmt überein mit den Vorgaben, die sich aus der Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Reform des einheitlichen Bewertungsmaßstabes vom 7. August 1996 (Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 43, 25. Oktober 1996 (97) A-2815) ergeben. Den Partnern der Gesamtverträge wurde darin empfohlen, mit Wirkung vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1996 für eine Reihe von Leistungen bzw. für besonders betroffene Arztgruppen jeweils einheitliche Mindespunktwerte zu vereinbaren, die bei der Verteilung der Gesamtvergütung anzuwenden seien, soweit für diese Leistungen bzw. für Arztgruppen nicht andere Stützungsmaßnahmen bestünden oder vereinbart worden seien. Die Maßnahmen seien so zu bemessen, dass die genannten Leistungen bei wirtschaftlicher Betriebsführung kostendeckend erbracht werden könnten. In einer Protokollnotiz zu dieser ergänzenden Vereinbarung vom 7. August 1996 war festgehalten worden, dass als Stützungsmaßnahme im Sinne von Abschnitt 2.2 auch "Härtefallregelungen" anzusehen seien, die Vertragsärzten einen Ausgleich für Mindereinnahmen als Folge der EBM-Reform gewähren, wenn durch Kostenunterdeckung die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet sei. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraumes, der insbesondere bei begünstigenden Regelungen besteht, generalisierend und pauschalierend einen kausalen Rückgang um mehr als 15 % für die Annahme einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung der Praxis fordert. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Anlage 4 zum HVM insgesamt eine Begünstigung (Privileg) gegenüber anderen Vertragsärzten darstellt, die lediglich ihr Honorar nach der Anlage 1 und der Anlage 2 des HVM der Beklagten erhalten. Für eine solche Bevorzugung müssen immer hinreichend gewichtige Gründe vorliegen, nämlich ein ins Gewicht fallender kausaler Honorarrückgang.

Es ist nicht ersichtlich, wieso für die Fachgruppe der Strahlentherapeuten, die zugleich ihre Praxis im Laufe des Jahres 1995 angefangen haben, eine Regelung geschaffen werden müsste, die bereits bei einem geringeren Honorarrückgang als minus 15 % bzw. bei einem Honoraranstieg zu einer Honorarausgleichszahlung führt. Auf den Kläger bezogen ist festzustellen, dass dieser bei einem Vergleich des Honorars im Quartal 1/96 zum Quartal 4/95 (Gesamthonorar im Quartal 1/96: DM 590.893,60; Gesamthonorar im Vergleichsquartal 495: DM 470.302,13; Differenz DM 120.591,47) eine Honorarüberschreitung in Höhe von 25,64 % aufweist.

Selbst wenn man hilfsweise, was der Senat für etablierte Praxen abgelehnt hat (vergleiche Urteile vom 24. Mai 2000, L 12 KA 161/98 und vom 14. März 2001, L 12 KA 80/99) den Umsatzanstieg vom Quartal 4/95 auf das Quartal 1/96 fallzahlbereinigt, ergeben sich für den Kläger keine Anhaltspunkte für die Annahme einer "unbilligen Härte". Der Kläger hat im Quartal 1/96 auf der Grundlage des Honorarbescheides vom 26. Januar 1998 bei 227 Behandlungsausweisen einen Umsatz in Höhe von 604.254,58 DM erzielt, was einem Fallwert von 2.661,91 DM entspricht. Im Quartal 4/95 hat der Kläger auf der Grundlage des Honorarbescheides vom 17. April 1996 bei 208 Behandlungsausweisen einen Umsatz in Höhe von 524.043,03 DM erzielt, was einem Fallwert in Höhe von 2.519,44 DM entspricht. Wenn man nun die Umsatzzahlen des Quartals 1/96 um den Fallzahlanstieg bereinigt, indem man den Fallwert 1/96 mit den Fallzahlen des Quartals 4/95 multipliziert und diesen Wert mit dem Quartal 4/95 vergleicht, weist der Kläger immer noch einen Anstieg um plus 5,65 % auf.

Nach alledem war die Berufung aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Absatz 1 und Absatz 4 Satz 2 SGG a.F. § 193 SGG a.F. gilt in vertragsärztlichen Streitigkeiten, die vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig geworden sind, in allen Rechtzügen fort.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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