L 12 KA 38/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 352/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 38/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 1998 abgeändert und die Klagen (S 32 KA 1057/98 bis S 32 KA 1059/98, S 32 KA 2240/98) insgesamt abgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Rechtmäßigkeit der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der vom Kläger in den Quartalen 1/96 bis 4/96 abgerechneten Leistungen nach den Nummern 682 und 805 BMÄ/E-GO. Der abgesetzte Betrag beläuft sich nach den Berechnungen der Beklagten auf insgesamt DM 19.343,05 (1/96: DM 14.202,33; 2/96: DM 4.502,50; 3/96: DM 527,22; 4/96: DM 111,-).

Der Kläger nahm im streitigen Zeitraum als Nervenarzt in Neumarkt in der Oberpfalz an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Mit Bescheiden vom 25. Juli 1996, 17. Oktober 1996, 16. Januar 1997 und 24. April 1997 wurden von den Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale 1/96 bis 4/96 312 x Leistungen nach Nr.682 BMÄ/E-GO und 391 x Leistungen nach Nr.805 BMÄ/E-GO abgesetzt. Die Absetzungen der Nr.682 BMÄ/E-GO wurden damit begründet, dass diese Nummer neben der Nummer 686 BMÄ/E-GO nicht berechnungsfähig sei. Die 53 manuell vorgenommenen Absetzungen der Nr.805 BMÄ/E-GO wurden darauf gestützt, dass die PAP-Untersuchungen nicht nach der Nr.805 BMÄ/E-GO und auch nicht nach einer anderen Leistungsposition des EBM abrechnungsfähig seien. Die restlichen 338 EDV-mäßigen Absetzungen der Nr.805 BMÄ/E-GO erfolgten wegen mehrfachen Ansatzes im 1. und 2. Quartal 1996.

Seine dagegen eingelegten Widersprüche stützte der Kläger, soweit es um die Absetzung der Nr.682 BMÄ/E-GO geht, in seinem Schriftsatz vom 6. August 1996 auf ein Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 1995 (richtig: 19. April 1995), Az.: S 38 Ka 956/94 u.a. Zur Absetzung der Nr.805 BMÄ/E-GO wegen mehrfachen Ansatzes führte der Kläger im Schriftsatz vom 6. August 1996 aus, dass aus der Leistungslegende der Absetzungsgrund des nur einmaligen Ansatzes nicht abzuleiten sei: Die Verwendung der Formulierung "und/oder" sei eine mit den Regeln der deutschen Sprache nicht konforme Formulierung. Zur Ablehnung der Abrechnung der PAP-Untersuchungen verwies der Kläger auf sein Schreiben vom 15. März 1996. Darin hatte er ausgeführt, dass es sich bei der PAP-Untersuchung um ein evoziertes Potential handele, welches eine quantitative Beurteilung des autonomen vegetativen Nervensystems erlaube - nämlich um peripher ausgelöste im Hirn verschaltete und wiederum peripher abgeleitete Potentiale. Im Unterschied zur SEP-Untersuchung und zur MEP-Untersuchung, bei denen das sensible bzw. motorische Nervensystem geprüft werde, werde bei der PAP-Untersuchung das davon unabhängig funktionierende vegetative Nervensystem auf Schäden untersucht. Es sei Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung, für die PAP-Untersuchung eine adäquate Abrechnungsmöglichkeit zu schaffen.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 28. Mai 1998 (Quartale 1/96 bis 3/96) und vom 20. Oktober 1998 (Quartal 4/96) wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Leistungen nach Nr.805 BMÄ/E-GO vergüteten die Messungen visuell, akustisch oder somatosensibel evozierter Hirnpotentiale (VEP, AEP, SSP). Die PAP-Untersuchung sei in der Leistungslegende der Nr.805 BMÄ/E-GO nicht genannt. Für diese Untersuchung sei derzeit im EBM keine Leistungsposition enthalten. Sie sei deshalb keine abrechnungsfähige Leistung. Analoge Leistungsansätze seien im EBM nicht vorgesehen. Im Übrigen berechtige die Untersuchung von visuell und somatosensibel evozierten Potentialen bei einer Inanspruchnahme nur zum einmaligen Ansatz der Nr.805. Gemäß der Allgemeinen Bestimmung bei der Nr.686 BMÄ/E-GO sei neben dieser Leistung die Leistung nach Nr.682 BMÄ/E-GO nicht berechnungsfähig. Dieser obligate Ausschluss der Nebeneinander- berechnung sei verbindlich und lasse auch für die Fälle keine Ausnahme zu, in denen der Zuschlag Nr.682 BMÄ/E-GO zusätzlich zu einer der Positionen nach den Nrn.671, 680 und 681 BMÄ/E-GO angesetzt worden sei.

Gegen die vorgenannten Widerspruchsbescheide ließ der Kläger am 26. Juni 1998 bzw. am 20. November 1998 Klagen zum Sozialgericht München erheben. Diese Klagen wurden unter den Aktenzeichen S 32 KA 1057/98 bis S 32 KA 1059/98 sowie S 32 KA 2240/98 geführt. Zur Begründung dieser Klagen wurde Folgendes vorgetragen: Bei der Absetzung der Leistungen nach der Nr.805 BMÄ/E-GO für die PAP-Untersuchung sei übersehen worden, dass die dort genannten Untersuchungen nur beispielhaft aufgeführt seien. Die PAP-Untersuchung sei nach der Fachliteratur eine peripher ausgelöste, im Hirn verschaltete und wiederum peripher abgeleitete Potentiale. Im Übrigen sei die Beklagte aufgefordert worden, für diese auf wissenschaftlicher Grundlage erbrachte Leistung eine Gebührenordnungsposition zu benennen, für die eine Abrechnung erfolgen könne. Nachdem diese offenbar dazu nicht in der Lage sei, müsse es dem Kläger gestattet sein, diese Leistung dort abzurechnen, wo sie vom Sachzusammenhang als evozierte Hirnpotentiale ihren Platz im System finden könne. Zu den Absetzungen der Nr.682 BMÄ/E-GO wurde lediglich im Klageverfahren, das 4. Quartal 1996 betreffend (Az.: S 32 Ka 2240/98), Stellung genommen. Hierzu vertraten die Bevollmächtigten des Klägers die Meinung, dass der Kläger die Nr.682 BMÄ/E-GO lediglich neben den Nrn.680 und 681 BMÄ/E-GO nicht jedoch neben der Nr.686 BMÄ/E-GO angesetzt habe. Die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise des Klägers sei vom Sozialgericht München mit Urteil vom 27. Juni 1995 (richtig: 19. April 1995), Az.: S 38 Ka 956/94, anerkannt worden.

In der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1998 verband das Sozialgericht diese vier Rechtsstreitigkeiten noch mit einem weiterem Verfahren, das 4. Quartal 1995 betreffend (Az.: S 32 KA 352/97), das nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.

Der Kläger beantragte u.a., die Bescheide vom 25. Juli 1996, 17. Oktober 1996, 16. Januar 1997, 24. April 1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Mai 1998 und 20. Oktober 1998 aufzuheben und ihm die in den Quartalen 1/96 bis 4/96 abgerechneten Leistungen nach den Nrn.682 und 805 BMÄ/E-GO zu vergüten.

Die Beklagte beantragte, die Klagen abzuweisen.

Sie vertrat in ihren Klageerwiderungen vom 10. und 11. Dezember 1998 die Meinung, dass nach der Leistungslegende der Nr.805 BMÄ/E-GO nur die darin aufgeführten Untersuchungen VEP, AEP, SSP abgerechnet werden könnten. Im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung gelte der Grundsatz, dass der Arzt nur solche Leistungen abrechnen könne, die im Gebührenverzeichnis genannt seien. Da die PAP-Untersuchung in der Leistungslegende nicht genannt sei, sei sie keine abrechnungsfähige Leistung. Eine analoge Bewertung dürfe ein Vertragsarzt nicht vornehmen. Hinsichtlich der Absetzung der Nr.682 BMÄ/E-GO wurde auf die Widerspruchsbescheide Bezug genommen.

Mit Urteil vom 16. Dezember 1998 hob das Sozialgericht die Bescheide in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Mai 1998 und 20.Oktober 1998 in Bezug auf die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Gebührenordnungsposition 682 BMÄ/E-GO auf. Im Übrigen wies es die Klagen ab. Hinsichtlich der Absetzung der Nr.805 schloss sich das Sozialgericht der Auffassung der Beklagten in den Widerspruchsbescheiden an. Der Leistungskatalog der Nr. 805 BMÄ/E-GO gehe eindeutig nur von visuell, akustisch und somatosensibel evozierten Hirnpotentialen oder magnetisch evozierten Potentialen aus, nicht aber von PAP. Die Formulierung "und/oder" bedeute, dass auch bei mehrfacher Anwendung der dort genannten Potentiale die Gebührenordungsposition nur einmal abgerechnet werden könne. Allein der Bewertungsausschuss als Gebührenordnungsgeber habe die Möglichkeit, den EBM zu ergänzen, es sei denn, es liege eine offensichtliche schreiende Ungerechtigkeit vor. Letzteres könne man hier nicht sagen. Hinsichtlich der Absetzung der Nr.682 BMÄ/E-GO folgte die 32. Kammer dem Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 1995 (richtig: 19. April 1995) Az.: S 38 Ka 556/94 u.a. (richtig: S 38 Ka 956/94 u.a.).

Gegen das ihnen am 12. bzw. 14. April 1999 zugestellte Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte am 11. Mai 1999 bzw. 24. April 1999 Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung in der Berufungsschrift vom 10. Mai 1999 auf die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Gebührenordnungsnummer 805 BMÄ/E-GO in den Quartalen 1/96 bis 4/96 beschränken lassen. Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 18. Januar 2001 Folgendes vorgetragen: Soweit Leistungen nach der Nr.805 BMÄ/E-GO wegen mehrfachen Ansatzes abgesetzt worden seien, werde darauf hingewiesen, dass bis zum 31. Dezember 1995 der Mehrfachansatz der Nr.805 BMÄ/E-GO durch die Wortwahl "oder" in der Leistungslegende möglich gewesen sei. Es sei nicht einzusehen, dass die sprachliche Änderung in "und/oder" zum Ausschluss des Mehrfachansatzes führe. Zur Absetzung der Nr.805 BMÄ/E-GO für die Abrechnung der PAP-Untersuchung wird weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Aufzählung der Leistungslegende nicht abschließend sei. Dies ergebe sich aus der Verwendung des Wortes "oder". Da auch die PAP-Untersuchung eine peripher ausgelöste und ebenso abgeleitete Untersuchung der Hirnpotentiale sei, begegne die fehlende Berücksichtigung nachhaltigen Bedenken. Im Übrigen werde auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 1998 abzuändern und die Bescheide der Beklagten in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Mai 1998 (1. bis 3. Quartal 1996) und 20. Oktober 1998 (4.Quartal 1996) in Bezug auf die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Nr.805 BMÄ/E-GO aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie halten das Urteil des Sozialgerichts insoweit für zutreffend.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen den klagestattgebenden Teil des Urteils des Sozialgerichts. Sie begründet diese mit Schriftsatz vom 12. Juli 1999 im Wesentlichen wie folgt: Sowohl das angefochtene Urteil als auch das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. April 1995 (Az.: S 38 Ka 956/94 bis 959/94) gingen von einer unzutreffenden Auslegung der im Anschluss an die Leistungslegende der Nr.686 BMÄ/E-GO getroffenen Bestimmung aus. Den Gerichten sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Auslegung von Vorschriften über die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen Zurückhaltung auferlegt. Der Ausschluss der Berechnungsfähigkeit der Nr.682 BMÄ/E-GO neben der Leistung nach der Nr.686 BMÄ/E-GO sei explizit im EBM geregelt. Die Vergütung beider Leistungen an einem Behandlungstage sei daher unzulässig. Die Frequenzspektrumanalyse nach der Nr.682 BMÄ/E-GO sei eine zusätzliche Leistung zu den Untersuchungen nach den Nrn.671, 680 und 681 BMÄ/E-GO. Diese Leistungen seien demnach nebeneinander abrechnungsfähig. Habe der Vertragsarzt jedoch die Duplex-sonographische Untersuchung der extrakraniellen und/oder intrakraniellen Hirngefäße nach der Nr.686 BMÄ/E-GO durchgeführt, sei die Nr.682 BMÄ/E-GO nach dem eindeutigen Wortlaut der Abrechnungsbestimmung nach der Nr. 686 BMÄ/E-GO am gleichen Behandlungstag nicht neben dieser Leistung berechnungsfähig. Vorliegend habe der Kläger die Nr.686 und 682 BMÄ/E-GO jeweils am gleichen Behandlungstag abgerechnet, so dass die Abrechnung insoweit richtig zu stellen gewesen sei. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. April 1995 sei nur deswegen rechtskräftig geworden, weil im Hinblick auf die damals bevorstehende Neuregelung des EBM mit Wirkung ab 1. Januar 1996 auf die Einlegung der Berufung verzichtet worden sei.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 1998 insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben wurde, und die Klagen insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er wendet ein, die Auffassung der Beklagten, die 38. Kammer habe das Wort "neben" durch das Wort "zusätzlich" ersetzt, erscheine sophistisch. Die Grundaussage bleibe die gleiche. Die Leistungen nach den Nrn. 677 (später 671), 680 und 681 BMÄ/E-GO müssten erbracht werden, um die Nr.682 BMÄ/E-GO ansetzen zu dürfen. Diese Voraussetzungen habe er erfüllt. Den überzeugenden Entscheidungsgründen der 32. Kammer, die die Rechtsmeinung der 38. Kammer übernommen habe, sei beizutreten.

Die Beklagte ist vom Senat noch ergänzend gebeten worden, die Daten der EDV-mäßig erstellten Bescheide sowie die Zahl der abgesetzten Leistungen nach den Nrn.682 BMÄ/E-GO mitzuteilen und die Behandlungsausweise vorzulegen. Dem ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Januar 2001 nachgekommen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten (sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnungen 1/96 bis 4/96), die Klageakten (Az.: S 32 KA 1057/98 bis 1059/98, S 32 KA 2240/98, S 32 Ka 352/97, S 38 Ka 956/94 bis S 38 Ka 959/94) sowie die Berufungsakte (Az.: L 12 KA 38/99) vor. Diese Akten wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht; auf den sonstigen Inhalt dieser Akten wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten sind nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Es ist jedoch nur die Berufung der Beklagten begründet, während die Berufung des Klägers keinen Erfolg hat.

Die angefochtenen Bescheide vom 26. Juli 1996, 17. Oktober 1996, 16. Januar 1997 und 24. April 1997 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Mai 1998 und 20. Oktober 1998 halten einer rechtlichen Überprüfung stand, soweit darin von den Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale 1/96 bis 4/96 Leistungen nach den Nrn. 682 und 805 BMÄ/E-GO abgesetzt wurden. Das Sozialgericht hat deshalb in dem mit den Berufungen angefochtenen Urteil vom 16. Dezember 1998 die vorgenannten Bescheide hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Gebührenordnungsposition Nr.682 BMÄ/E-GO zu Unrecht aufgehoben.

Vergütungstatbestände, wie sie in den Gebührenordnungen des BMÄ und der E-GO geregelt sind, sind in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. zuletzt: BSG SozR 3-5555 § 10 Nr.1 S.4; BSG SozR 3-5533 Nr.2449 Nr.1 S.3; BSG, Urteil vom 26. August 1999, Az.: B 6 Ka 57/98 R = MedR 2000, 201; BSG, Urteile vom 26. Januar 2000, Az.: B 6 KA 59/98 R, SGb 2000, 210 und Az.: B 6 KA 13/99 R = SozR 3-5533 Nr.100 Nr.1), der sich der Senat stets angeschlossen hat (vgl. zuletzt: Urteil vom 28. Juni 2000, Az.: L 12 KA 173/98 S.16), entsprechend ihrem Wortlaut auszulegen und anzuwenden.

Der Wortsinn ist maßgebend und kann nur in engen Grenzen durch eine systematische und/oder entstehungsgeschichtliche Interpretation ergänzt werden. Ausdehnende Auslegungen und Analogien sind unzulässig. Diese Grundsätze und die damit einhergehende Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit beruhen auf der vertraglichen Struktur der Vergütungsregelungen und der Art ihres Zustandekommens. Bei diesen handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen in Form von Normsetzungsverträgen. Die Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä), die die Vorgaben für die Gebührenordnungen des BMÄ und der E-GO enthalten, werden durch den paritätisch mit Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen besetzten Bewertungsausschuss beschlossen und durch weitere Regelungen ergänzt, die zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vereinbart werden. Der vertragliche Charakter der Vergütungstatbestände soll gewährleisten, dass die unterschiedlichen Interessen der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Gruppen zum Ausgleich kommen und eine sachgerechte inhaltliche Beschreibung und Bewertung der ärztlichen Leistungen erreicht wird.

Grundsätzlich entscheiden die Vertragspartner bzw. der Bewertungsausschuss, welche Leistungen mit welchen Punktbeträgen bewertet werden. Es liegt auch vorrangig in deren Zuständigkeit, unklare Regelungen der Gebührenordnungen zu präzisieren und änderungsbedürftige zu korrigieren. Sie entscheiden auch darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt eine neue Leistungsposition in den EBM-Ä aufgenommen wird (dazu eingehend: BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.14). Diesem System autonomer Festlegung der Leistungsbeschreibungen und -bewertungen entspricht die Anerkennung eines weiten Regelungsspielraums, der von den Gerichten zu respektieren ist. Diese können nur eingreifen, wenn die Vertragspartner ihn missbräuchlich ausnutzen oder nur einer Arztgruppe die Vergütung für eine Leistung gewähren, die auch von anderen Arztgruppen erbracht wird bzw. erbracht werden kann (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.21; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.29).

Nach diesen Maßstäben sind nach Auffassung des Senats die gegenüber dem Kläger vorgenommenen, noch streitigen sachlich- rechnerischen Richtigstellungen der Beklagten nicht zu beanstanden.

Mit der Nr.805 BMÄ/E-GO wurde im streitigen Zeitraum die "Messung visuell, akutisch, somatosensibel evozierter Hirnpotentiale (VEP, AEP, SSP) und/oder magnetisch evozierter Potentiale" (Leistungslegende im 1. und 2. Quartal 1996) bzw. die "Messung visuell, akustisch und/oder somatosensibel evozierter Hirnpotentiale oder magnetisch evozierter Hirnpotentiale" (Leistungslegende im 3. und 4.Quartal 1996) vergütet. Die vom Kläger durchgeführte peripher ausgelöste, im Hirn verschaltete und wieder peripher abgeleitete Potentiale (PAP) ist in keiner der beiden Fassungen der Leistungslegende aufgeführt. Sie kann deshalb im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erst dann erbracht und abgerechnet werden, wenn sie in den EBM-Ä aufgenommen worden ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.14 S.49 ff.). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Bewertungsausschuss durch die Nichtaufnahme dieser Leistungen in den EBM-Ä seinen Gestaltungsspielraum überschritten oder mißbräuchlich ausgeübt hat. Dass insoweit, jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt kein dringender Handlungsbedarf des Bewertungsausschusses bestand, zeigt sich auch darin, dass diese Leistung nach wie vor nicht in den EBM-Ä aufgenommen worden ist. Die Leistungsbeschreibung ist seit dem 1. Juli 1996 unverändert geblieben. Die PAP-Untersuchung ist demnach nach wie vor nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringbar. Auch nach der GOÄ ist nur die "Messung visuell, akustisch und somatosensorisch evozierter Hirnpotentiale (VEP, AEP, SSP) abrechnungsfähig (Nr.828). Diese lässt allerdings - anders als der EBM - gemäß § 6 Abs.2 GOÄ eine analoge Bewertung zu.

Auch der mehrfache Ansatz der Nr.805 BMÄ/E-GO wurde im 1. und 2.Quartal 1996 zu Recht EDV-mäßig richtiggestellt. Aus der Verknüpfung mit den Worten "und/oder" in der in diesem Zeitraum geltenden Leistungslegende ergibt sich klar und eindeutig, dass die einzelnen in Nr.805 BMÄ/E-GO aufgeführten Messungen (VEP, AEP, SSP, magnetisch evozierte Potentiale) nur einmal berechnungsfähig sind, wobei es gleichgültig ist, ob die Messungen kumulativ (und) oder alternativ (oder) durchgeführt wurden. Auch wenn Messungen kumulativ durchgeführt wurden, war die Nr.805 BMÄ/E-GO nach dem eindeutigen Wortlaut der im 1. und 2. Quartal 1996 geltenden Leistungslegende nur einmal abrechnungsfähig.

Die Beklagte hat nach Auffassung des mit zwei Ärzten als ehrenamtliche Richter fachkundig besetzten Senats ebenfalls zu Recht die vom Kläger abgerechneten Leistungen nach der Nr.682 BMÄ/E-GO neben den am gleichen Tage erbrachten Leistungen nach der Nr.686 BMÄ/E-GO abgesetzt.

Mit der Leistung nach der Nr.682 BMÄ/E-GO wurde im streitigen Zeitraum (1. bis 4. Quartal 1996) die "Frequenzspektrumanalyse, zusätzlich zu den Leistungen nach den Nrn.671, 680 oder 681, einschließlich graphischer oder Bilddokumentation" vergütet. Deren Leistungslegenden lauteten im streitigen Zeitraum: Nr.671 BMÄ/E-GO:"Direktionale Doppler-sonographische Untersuchung der Venen und/oder Arterien einer Extremität an mindestens zwei Beschallungspunkten, einschließlich graphischer Registrierung." Nr.680 BMÄ/E-GO:"Direktionale Doppler-sonographische Untersuchung der hirnversorgenden und der Periorbitalarterien (mindestens 12 Ableitungen), einschließlich graphischer Registrierung". Nr.681 BMÄ/E-GO:"Transkranielle gepulste Doppler-sonographiche Untersuchung, einschließlich graphischer Registrierung."

Aus der Zusammenschau der vorgenannten Leistungslegenden ergibt sich, dass der Ansatz der Nr.682 BMÄ/E-GO als zusätzlicher Leistung zunächst voraussetzt, dass die in der Leistungslegende in Bezug genommenen Doppler-sonographischen Leistungen vollständig erbracht wurden. Die Nr.682 BMÄ/E-GO vergütet darüber hinaus die Aufzeichnung der Doppler-Signale mittels Frequenzspektrumanalyse. Demgegenüber ist Leistungsinhalt der Nr.686 BMÄ/E-GO die "Dupklex-sonographische Untersuchung der extrakraniellen und/oder intrakraniellen Hirngefäße." Bei den Doppler-sonographischen Untersuchungen mit oder ohne Freqenzsprektrumanalyse und der Duplex-sonographischen Untersuchung handele es sich um zwei verschiedene Untersuchungsmethoden, die entsprechend der Leistungslegende dieselbe oder verschiedene Untersuchungsregionen betreffen können. Werden beide Untersuchungsmethoden am gleichen Tag nebeneinander durchgeführt, ist deren Abrechenbarkeit in der Allgemeinen Bestimmung nach Nr.686 BMÄ/E-GO wie folgt geregelt: "Neben der Leistung nach Nr.686 BMÄ/E-GO ist die Leistung nach Nr.682 BMÄ/E-GO nicht berechnungsfähig". Diese Bestimmung ist entsprechend ihrem eindeutigen Wortlaut als umfassende Ausschlussregelung zu verstehen. Aus dem Wort "neben" kann nicht hergeleitet werden, dass der Abrechnungsausschluss nur eingreift, wenn dieselbe Untersuchungsregion betroffen ist. In diesem Sinne ist die Argumentation des Klägers im Verfahren Az.: S 38 Ka 956/94 zu verstehen, wenn er meint, dass sich der Abrechnungsausschluss nur auf die bei der Erstellung des Doppelbildes der im Rahmen der Duplex-Untersuchung nach Nr.686 BMÄ/E-GO gewonnenen cw-Kurve bezieht, dass aber eine Abrechnung der Nr.682 BMÄ/E-GO möglich sein müsse, wenn die Doppler-sonographischen Untersuchungen mit Frequenzspektrumanalyse unabhängig von der Dupklex-Untersuchung in anderen Untersuchungsregionen im Rahmen derselben Behandlung am gleichen Tag durchgeführt wird. Dem ist die 38. Kammer des Sozialgerichts München gefolgt, wenn es in seinem Urteil vom 19. April 1995, Az.: S 38 Ka 956/94 u.a., auf S.9 ff. sinngemäß ausführt, dass der Ausschluss dann nicht eingreift, wenn nach der dopplersonographischen Untersuchung mit Frequenzspektrumanalyse der Extremitätenarterien, der hirnversorgenden Arterien (insbesondere der Halsschlagadern), der Periorbitalarterien und der Hirnschlagarterien eine Duplex-Untersuchung der Halsschlagadern durchgeführt wird. Dieser Auffassung hat sich die 32.Kammer, dem Kläger und der 38. Kammer folgend, in dem streitgegenständlichen Urteil angeschlossen.

Diese Auffassung verkennt, dass das Wort "neben" im EBM regelmäßig im Sinne eines auf den Behandlungsfall bezogenen Ausschlusses der Berechnungsfähigkeit von verschiedenen Positionen der Gebührenordnung gebraucht wird und keinen Bezug zu der zeitlichen Reihenfolge der von einem Abrechnungsausschluss betroffenen Leistungen hat (vgl. BSG, Urteil vom 26. Januar 2000, Az.: B 6 KA 13/89 R, SozR 3-5533 Nr.100 Nr.1 S.6). Der Ausschluss entfaltet mithin auch dann seine Wirkung, wenn in verschiedenen Untersuchungsregionen am gleichen Tage einerseits Doppler-sonographische Untersuchungen mit Frequenzspektrumanalyse nach den Nrn.680, 682 BMÄ/E-GO oder nach den Nrn.681, 682 BMÄ/E-GO und andererseits eine Duplex-sonographische Untersuchung nach Nr.686 BMÄ/E-GO durchgeführt werden.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der generelle Ausschluss der Abrechnungsfähigkeit der Nr.682 BMÄ/E-GO bei gleichzeitiger Durchführung einer Duplex-sonographischen Untersuchung der extrakraniellen und/oder intrakraniellen Hirngefäße auf einer missbräuchlichen Ausübung der Regelungskompetenz des Bewertungsausschusses beruht (vgl. BSG, a.a.O., S.7). Soweit der Kläger und ihm folgend die 38. und 32. Kammer des Sozialgerichts auf etwaige Ungereimtheiten bei der Höhe der Vergütung hingewiesen haben, so rechtfertigt dies allein noch nicht die Annahme eines missbräuchlichen Ausnutzens des dem Bewertungsausschusses zustehenden Entscheidungsspielraums.

Aus diesen Gründen sind auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 1998 abzuändern und die Klagen (Az.: S 32 KA 1057/98 bis S 32 KA 1059/98, S 32 KA 2240/98) insgesamt abzuweisen. Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes und beruht auf der Erwägung, dass der Kläger letztlich in beiden Rechtszügen in vollem Umfang unterlegen ist.

Gründe, die Berufung nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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