Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 7 VG 397/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person einen Anspruch auf Versorgungsrente hat.
Der im Jahre geborene Kläger ist nach einer Berufstätigkeit als. Am 28. Mai 1997 beantragte der Kläger bei dem Versorgungsamt Dortmund die Gewährung von Beschädigten-Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG). Der Kläger machte geltend, sein Nachbar habe ihm am 2. April 1997 mit einem Hackenstiel die Elle des rechten Armes gebrochen, ihn vor seinem Grundstück zu Fall gebracht und mit seinem rechten Fuß auf dem linken Handgelenk gestanden. Tatanlass sei gewesen, dass der von dem Nachbarn vor seinem Stellplatz abgestellte Müllsack von ihm auf dessen Grundstück zurückbefördert worden sei.
Der Beklagte zog Berichte der behandelnden Ärzte und die Akte der Staats anwaltschaft Dortmund (Az.: 49 Js 503/97) bei. Ausweislich des staats anwaltschaftlichen Vorgangs überzogen sich die Beteiligten gegenseitig mit Strafanzeigen, wobei der Tathergang gegenüber der Polizei unterschiedlich wiedergegeben wurde. Der Nachbar gab an, der Kläger habe plötzlich ein feststehendes Messer gezogen und ihn damit bedroht. Zudem habe der Kläger ihn mit größeren Steinen beworfen. Der Nachbar gab weiter an, vorsichtshal ber einen Stock ergriffen zu haben, um sich notfalls gegen den bewaffneten Kläger zu wehren. In dieser Situation sei es zu einer Rangelei gekommen, in deren Verlauf der Kläger das Messer eingesetzt habe, wobei es seitlich am Bein zu einem Schnitt gekommen sei. Die Staatsanwaltschaft Dortmund stellte das Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs und Körperverletzung im August 1997 ein, weil die Erhebung der öffentlichen Klage in der rein nachbarschaftlichen Streitigkeit nicht im öffentlichen Interesse liege.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1997 lehnte der Beklagte den Entschädigungs antrag des Klägers ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG, weil nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei dem Vorfall um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff des Nachbarn gehandelt habe. Dieser habe sich dahingehend eingelassen, dass er sich allenfalls gegen Angriffe des Klägers gewehrt habe. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Das Amtsgericht Lünen verurteilte den Nachbarn des Klägers am 2. Februar 1999, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 3000,- DM zu zahlen (Az.: 9 C 12/98). In den Entscheidungsgründen stellte das Amtsgericht Lünen gestützt auf ein Sachverständigengutachten des ehemaligen Direktors der Chirurgischen Klinik Dortmund vom 28. September 1998 fest, dass der Kläger durch einen Schlag seines Nachbarns mit einem Keilhackenstiel eine Ellenbogenfraktur rechts im körperfernen Drittel mit Verschiebung erlitten habe. Es liege eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung zum Nachteil des Klägers vor. Der insoweit beweispflichtige Nachbar habe nicht beweisen können, dass er sich in einer Notwehrlage befunden habe. Hinsichtlich eines Angriffs des Klägers mit dem Messer lägen keine sicheren Erkenntnisse vor. Allerdings sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass die vorsätzliche Körperverletzung im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Nachbarn erfolgt sei. Beide hätten den jeweils anderen bereits im Vorfeld durch das Hinstellen bzw. Wegwerfen des gelben Sackes provoziert. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Vorfeld den Nachbarn mit Kieselsteinen beworfen und auch getroffen habe. Von daher sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 3000,- DM ausreichend. Das Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 2. Februar 1999 wurde nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.
Mit Abhilfebescheid vom 17. Oktober 2000 stellte der Beklagte fest, dass die Gesundheitsstörung des Klägers "verheilte distale Ellenbogenfraktur rechtsseitig mit Funktionsstörung der Unterarmumdrehung" durch schädigende Einwirkungen i.S.d. § 1 OEG hervorgerufen worden sei. Eine Rente könne jedoch nicht gewährt werden, weil die Schädigungsfolge keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 25 v.H. bedinge.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 30. Oktober 2000 Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 13. Oktober 1997 und 17. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2001 zu verurteilen, ihm wegen des Ereignisses am 2. April 1997 eine Versorgungsrente nach einer MdE um wenigstens 25 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat das Verfahren bis zum Erlass des erforderlichen Wider spruchsbescheides des Beklagten ausgesetzt. Der Beklagte hat daraufhin ein Gutachten des Oberarztes der Chirurgischen Klinik des Knappschaftskranken hauses Dortmund h vom 10. Mai 2001 eingeholt. kommt zu dem Ergebnis, dass die MdE wegen der schädigungsabhängigen Funktionseinschränkung der Unterarmumwendebewegung bei verheiltem körperfernen Ellenbruch rechts 20 v.H. betrage. Der Beklagte hat den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2001 im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Das Gericht hat das Klageverfahren im November 2001 wieder aufgenommen. Auf Antrag des Klägers hat es gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein chirurgisches Gutachten von vom 15. Mai 2002 eingeholt. beschreibt als Schädigungsfolgen eine reizlose Narbe, eine Verbreiterung des rechten Handgelenkes, eine mäßige Bewegungseinschränkung des Handgelenkes, eine erhebliche Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit in beiden Richtungen sowie die entsprechenden röntgenologischen Veränderungen bei Zustand nach ausgeheilter Ellenfraktur. Die MdE betrage 25 v.H ... Maßgebend sei die deutliche Bewegungseinschränkung hinsichtlich der Unterarmdrehfähigkeit, die die Funktion des Armes entsprechend herabsetze.
Der Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme von vom 19. Juni 2002 vorgelegt. weist darauf hin, dass nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht des ehemaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Anhaltspunkte 1996) eine Funktionseinschränkung des Handgelenkes geringen Grades mit einer MdE um 0 bis 10 v.H. zu bewerten sei. Die isolierte Aufhebung der Unterarmdreh beweglichkeit in günstiger Stellung bedinge eine MdE um 10 v.H ... Nach dem Gutachten von bestehe zwar eine erhebliche Einschränkung, aber keine vollständige Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit, die Funktion des Handgelenkes sei besser erhalten, als es einer geringgradigen Funk tionsstörung entspreche. Eine höhere MdE als 10 v.H. komme unverändert nicht in Betracht. Es bestehe keine vergleichbare Funktionseinschränkung wie bei der Versteifung des Handgelenkes in günstiger Stellung oder einer isolierten Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit in ungünstiger Stellung. Die im Gutachten angenommene MdE um 25 v.H. entspreche fast einer Verstei fung des Handgelenkes in ungünstiger Stellung oder einer isolierten Aufhe bung der Unterarmdrehbeweglichkeit in extremer Supinationsstellung. Eine vergleichbare Funktionseinschränkung bestehe unter Berücksichtigung der er hobenen Befunde nicht.
Das Gericht hat daraufhin von Amts wegen die Fachärztin für Chirurgie, plastische Chirurgie, Sozialmedizin zur weiteren Sachverständigen bestellt. kommt in ihrem chirurgisch-sozialmedizinischen Gutachten vom 15. Januar 2003 zu dem Ergebnis, dass als Folgen des Ereignisses vom 2. April 1997 eine deutliche Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit, eine diskrete Verbreiterung der Kontur des rechten Handgelenkes, radiologisch nachweisbare Veränderungen und ein Teil der subjektiven Beschwerden anzusehen seien. Aus medizinischer Sicht bestehe an dem Zusammenhang zwischen der stattgehabten Ulnarbruchbildung und der Einwirkung des Keilhackenstiels keinerlei Zweifel. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen dieser Beeinträchtigungen sei mit 10 v.H. anzusetzen. Mit der veranschlagten MdE um 25 v.H. durch den Sachverständigen bestehe keine Übereinstimmung. Diese Einschätzung könne mit den Anhaltspunkten 1996 nicht in Einklang gebracht werden. Eine MdE um 25 v.H. entspreche bereits der Versteifung eines Handgelenkes in erheblich ungünstiger Stellung oder auch einer Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit mit gleichzeitiger weitgehender Bewegungsunfähigkeit des Ellenbogengelenkes. Demgegenüber sei der Kläger deutlich besser gestellt. Auch habe eine verminderte Einsetzbarkeit des Armes - mit Schonhaltung und schonungsbedingter Muskel minderung - nicht beschreiben können. Ein höherwertiges Schmerzsyndrom des Klägers liege nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2003 hat die Kammer den Kläger zu den Umständen des Ereignisses am 2. April 1997 befragt. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese Unter lagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten erweisen sich als rechtmäßig, weil der Kläger keinen Anspruch auf Versorgungsrente wegen der Folgen des Ereignisses vom 2. April 1997 hat.
Wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach § 1 Abs. 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf An trag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesver sorgungsgesetzes (BVG).
Der Kläger ist am 2. April 1997 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs seines Nachbarn geworden. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG sind Leistungen jedoch zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Der Versagungsgrund der Verursachung der Schädigung greift ein, wenn der Geschädigte für die Schädigung eine wesentliche Bedingung im Sinne der allgemeinen sozialrechtlichen Ursachenlehre gesetzt hat.
Die Kammer sieht nach dem Akteninhalt und dem Ergebnis der Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch sein Verhalten in dem Streit um den Standort des gelben Müllsacks die gewalttätige Auseinandersetzung mitverursacht hat. Von daher wäre der Kläger nicht als unschuldiges Gewaltopfer anzusehen, das wegen eines Versagens der staatlichen Schutzvorkehrungen durch die Solidargemeinschaft zu entschädigen wäre, sondern hätte die Folgen der nachbarschaft lichen Auseinandersetzung selbst zu tragen. Unstreitig hat der Kläger den gelben Müllsack mehrfach auf das Grundstück des Nachbarn befördert und den Nachbarn mit Steinen beworfen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, den Nachbarn mit einem Messer bedroht zu haben, wobei er behauptet, dieses Messer nicht eingesetzt zu haben. Ungeachtet dessen kann jedoch festgehalten werden, dass der Kläger sich nicht um eine friedfertige und sozial adäquate Konfliktregelung des Nachbarschaftsstreits bemüht hat, sondern durch die Müllbeutelwürfe, Steinwürfe und die Androhung von Messer stichen die körperliche Auseinandersetzung mit provoziert hat. Ob hierin letztlich ein Versagungsgrund im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG zu sehen ist, kann vorliegend dahinstehen.
Der von dem Kläger geltend gemachte Versorgungsrentenanspruch scheitert bereits daran, dass eine rentenberechtigende MdE um wenigstens 25 v.H. wegen der Schädigungsfolgen nicht vorliegt.
Nach § 31 Abs. 1 und Abs. 2 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente ab einer MdE um 25 v.H ...
Die bei dem Kläger als Folgen des Ereignisses vom 2. April 1997 noch vor liegende deutliche Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit, diskrete Verbreiterung der Kontur des rechten Handgelenkes, radiologisch nachweisbaren Veränderungen und ein Teil seiner subjektiven Beschwerden rechtfertigen lediglich die Annahme einer MdE um 10 v.H ... Die Kammer stützt sich insoweit auf das sorgfältige und überzeugende chirurgisch-sozialmedizinische Gutach ten von vom 15. Januar 2003. Die Sachverständige legt nachvollziehbar dar, dass unter Berücksichtigung der Anhaltspunkte 1996, Seite 144 f. die den Kläger behindernde Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit (auswärts-/einwärts Drehbewegung 20-0-20°) keiner Einsteifung und insbesondere keinerlei Einsteifung in ungünstiger Stellung entspreche. Die Einsetzbarkeit der rechten Hand und des rechten Armes sei entsprechend der bestehenden Rechtshändigkeit trotz der Schädigungsfolgen führend. Dies habe im Rahmen des spontanen Bewegungsablaufes, des An- und Auskleidevorgangs usw. gesehen und dokumentiert werden können. Dementsprechend habe keine Schonhaltung oder verminderte Einsetzbarkeit oder gar eine schonhaltungsbedingte Muskelminderung bestanden. Entsprechend der bestehenden Rechtshändigkeit sei die Muskulatur im Bereich des rechten Armes gegenüber linksseitig etwas stärker ausgeprägt. In Anlehnung an die An haltspunkte 1996, Seite 145 sei für die isolierte Aufhebung der Unterarm drehbeweglichkeit in günstiger Stellung eine MdE um 10 v.H. und für eine Einsteifung in ungünstiger Stellung eine MdE um 20 v.H. vorgesehen. Von einer Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit im Sinne einer Einsteifung sei bei dem Kläger jedoch nicht auszugehen. Die Beweglichkeitseinschränkung entspreche bei fehlenden Hinweisen für zusätzliche radiologische Veränderungen wie z.B. einer posttraumatischen Arthrose einer MdE um 10 v.H ...
Soweit der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige demgegenüber die Schädigungsfolgen des Klägers mit einer MdE um 25 v.H. bewertet, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das Gutachten von leidet daran, dass er die Vorgaben der Anhaltspunkte 1996 zur Bildung der MdE nicht berücksichtigt. Die Sachverständige weist zutreffend darauf hin, dass nach diesen Begutachtungsrichtlinien die von angesetzte MdE um 25 v.H. bereits einer Versteifung des Handgelenkes in erheblich ungünstiger Stellung oder einer Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit mit gleichzeitigem weitgehenden Bewegungsverlust des Ellenbogengelenkes entspreche. Dem gegenüber ist der Kläger deutlich bessergestellt, so dass eine Vergleichbarkeit nicht besteht. weist zudem darauf hin, dass der Sachverständige sogar eine etwas bessere Unterarmdrehbeweglichkeit festgestellt habe als sie und ebenso wenig wie bei der späteren Begutachtung eine ver minderte Einsetzbarkeit des Armes mit Schonhaltung oder schonhaltungsbe dingter Muskelminderung beschrieben hat.
Nach alledem bleibt auf der Grundlage des Gutachtens von und der versorgungsärztlichen Stellungnahme von vom 19. Juni 2002 festzuhalten, dass die von erhobenen Befunde eine höhere MdE als 10 v.H. nicht zu begründen vermögen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person einen Anspruch auf Versorgungsrente hat.
Der im Jahre geborene Kläger ist nach einer Berufstätigkeit als. Am 28. Mai 1997 beantragte der Kläger bei dem Versorgungsamt Dortmund die Gewährung von Beschädigten-Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG). Der Kläger machte geltend, sein Nachbar habe ihm am 2. April 1997 mit einem Hackenstiel die Elle des rechten Armes gebrochen, ihn vor seinem Grundstück zu Fall gebracht und mit seinem rechten Fuß auf dem linken Handgelenk gestanden. Tatanlass sei gewesen, dass der von dem Nachbarn vor seinem Stellplatz abgestellte Müllsack von ihm auf dessen Grundstück zurückbefördert worden sei.
Der Beklagte zog Berichte der behandelnden Ärzte und die Akte der Staats anwaltschaft Dortmund (Az.: 49 Js 503/97) bei. Ausweislich des staats anwaltschaftlichen Vorgangs überzogen sich die Beteiligten gegenseitig mit Strafanzeigen, wobei der Tathergang gegenüber der Polizei unterschiedlich wiedergegeben wurde. Der Nachbar gab an, der Kläger habe plötzlich ein feststehendes Messer gezogen und ihn damit bedroht. Zudem habe der Kläger ihn mit größeren Steinen beworfen. Der Nachbar gab weiter an, vorsichtshal ber einen Stock ergriffen zu haben, um sich notfalls gegen den bewaffneten Kläger zu wehren. In dieser Situation sei es zu einer Rangelei gekommen, in deren Verlauf der Kläger das Messer eingesetzt habe, wobei es seitlich am Bein zu einem Schnitt gekommen sei. Die Staatsanwaltschaft Dortmund stellte das Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs und Körperverletzung im August 1997 ein, weil die Erhebung der öffentlichen Klage in der rein nachbarschaftlichen Streitigkeit nicht im öffentlichen Interesse liege.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1997 lehnte der Beklagte den Entschädigungs antrag des Klägers ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG, weil nicht nachgewiesen sei, dass es sich bei dem Vorfall um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff des Nachbarn gehandelt habe. Dieser habe sich dahingehend eingelassen, dass er sich allenfalls gegen Angriffe des Klägers gewehrt habe. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Das Amtsgericht Lünen verurteilte den Nachbarn des Klägers am 2. Februar 1999, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 3000,- DM zu zahlen (Az.: 9 C 12/98). In den Entscheidungsgründen stellte das Amtsgericht Lünen gestützt auf ein Sachverständigengutachten des ehemaligen Direktors der Chirurgischen Klinik Dortmund vom 28. September 1998 fest, dass der Kläger durch einen Schlag seines Nachbarns mit einem Keilhackenstiel eine Ellenbogenfraktur rechts im körperfernen Drittel mit Verschiebung erlitten habe. Es liege eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung zum Nachteil des Klägers vor. Der insoweit beweispflichtige Nachbar habe nicht beweisen können, dass er sich in einer Notwehrlage befunden habe. Hinsichtlich eines Angriffs des Klägers mit dem Messer lägen keine sicheren Erkenntnisse vor. Allerdings sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass die vorsätzliche Körperverletzung im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Nachbarn erfolgt sei. Beide hätten den jeweils anderen bereits im Vorfeld durch das Hinstellen bzw. Wegwerfen des gelben Sackes provoziert. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Vorfeld den Nachbarn mit Kieselsteinen beworfen und auch getroffen habe. Von daher sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 3000,- DM ausreichend. Das Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 2. Februar 1999 wurde nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.
Mit Abhilfebescheid vom 17. Oktober 2000 stellte der Beklagte fest, dass die Gesundheitsstörung des Klägers "verheilte distale Ellenbogenfraktur rechtsseitig mit Funktionsstörung der Unterarmumdrehung" durch schädigende Einwirkungen i.S.d. § 1 OEG hervorgerufen worden sei. Eine Rente könne jedoch nicht gewährt werden, weil die Schädigungsfolge keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 25 v.H. bedinge.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 30. Oktober 2000 Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 13. Oktober 1997 und 17. Oktober 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2001 zu verurteilen, ihm wegen des Ereignisses am 2. April 1997 eine Versorgungsrente nach einer MdE um wenigstens 25 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat das Verfahren bis zum Erlass des erforderlichen Wider spruchsbescheides des Beklagten ausgesetzt. Der Beklagte hat daraufhin ein Gutachten des Oberarztes der Chirurgischen Klinik des Knappschaftskranken hauses Dortmund h vom 10. Mai 2001 eingeholt. kommt zu dem Ergebnis, dass die MdE wegen der schädigungsabhängigen Funktionseinschränkung der Unterarmumwendebewegung bei verheiltem körperfernen Ellenbruch rechts 20 v.H. betrage. Der Beklagte hat den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2001 im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Das Gericht hat das Klageverfahren im November 2001 wieder aufgenommen. Auf Antrag des Klägers hat es gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein chirurgisches Gutachten von vom 15. Mai 2002 eingeholt. beschreibt als Schädigungsfolgen eine reizlose Narbe, eine Verbreiterung des rechten Handgelenkes, eine mäßige Bewegungseinschränkung des Handgelenkes, eine erhebliche Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit in beiden Richtungen sowie die entsprechenden röntgenologischen Veränderungen bei Zustand nach ausgeheilter Ellenfraktur. Die MdE betrage 25 v.H ... Maßgebend sei die deutliche Bewegungseinschränkung hinsichtlich der Unterarmdrehfähigkeit, die die Funktion des Armes entsprechend herabsetze.
Der Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme von vom 19. Juni 2002 vorgelegt. weist darauf hin, dass nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht des ehemaligen Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Anhaltspunkte 1996) eine Funktionseinschränkung des Handgelenkes geringen Grades mit einer MdE um 0 bis 10 v.H. zu bewerten sei. Die isolierte Aufhebung der Unterarmdreh beweglichkeit in günstiger Stellung bedinge eine MdE um 10 v.H ... Nach dem Gutachten von bestehe zwar eine erhebliche Einschränkung, aber keine vollständige Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit, die Funktion des Handgelenkes sei besser erhalten, als es einer geringgradigen Funk tionsstörung entspreche. Eine höhere MdE als 10 v.H. komme unverändert nicht in Betracht. Es bestehe keine vergleichbare Funktionseinschränkung wie bei der Versteifung des Handgelenkes in günstiger Stellung oder einer isolierten Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit in ungünstiger Stellung. Die im Gutachten angenommene MdE um 25 v.H. entspreche fast einer Verstei fung des Handgelenkes in ungünstiger Stellung oder einer isolierten Aufhe bung der Unterarmdrehbeweglichkeit in extremer Supinationsstellung. Eine vergleichbare Funktionseinschränkung bestehe unter Berücksichtigung der er hobenen Befunde nicht.
Das Gericht hat daraufhin von Amts wegen die Fachärztin für Chirurgie, plastische Chirurgie, Sozialmedizin zur weiteren Sachverständigen bestellt. kommt in ihrem chirurgisch-sozialmedizinischen Gutachten vom 15. Januar 2003 zu dem Ergebnis, dass als Folgen des Ereignisses vom 2. April 1997 eine deutliche Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit, eine diskrete Verbreiterung der Kontur des rechten Handgelenkes, radiologisch nachweisbare Veränderungen und ein Teil der subjektiven Beschwerden anzusehen seien. Aus medizinischer Sicht bestehe an dem Zusammenhang zwischen der stattgehabten Ulnarbruchbildung und der Einwirkung des Keilhackenstiels keinerlei Zweifel. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen dieser Beeinträchtigungen sei mit 10 v.H. anzusetzen. Mit der veranschlagten MdE um 25 v.H. durch den Sachverständigen bestehe keine Übereinstimmung. Diese Einschätzung könne mit den Anhaltspunkten 1996 nicht in Einklang gebracht werden. Eine MdE um 25 v.H. entspreche bereits der Versteifung eines Handgelenkes in erheblich ungünstiger Stellung oder auch einer Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit mit gleichzeitiger weitgehender Bewegungsunfähigkeit des Ellenbogengelenkes. Demgegenüber sei der Kläger deutlich besser gestellt. Auch habe eine verminderte Einsetzbarkeit des Armes - mit Schonhaltung und schonungsbedingter Muskel minderung - nicht beschreiben können. Ein höherwertiges Schmerzsyndrom des Klägers liege nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung am 5. Mai 2003 hat die Kammer den Kläger zu den Umständen des Ereignisses am 2. April 1997 befragt. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese Unter lagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten erweisen sich als rechtmäßig, weil der Kläger keinen Anspruch auf Versorgungsrente wegen der Folgen des Ereignisses vom 2. April 1997 hat.
Wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach § 1 Abs. 1 OEG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf An trag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesver sorgungsgesetzes (BVG).
Der Kläger ist am 2. April 1997 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs seines Nachbarn geworden. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG sind Leistungen jedoch zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung verursacht hat oder es aus sonstigen, insbesondere in dem eigenen Verhalten des Anspruchsstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren. Der Versagungsgrund der Verursachung der Schädigung greift ein, wenn der Geschädigte für die Schädigung eine wesentliche Bedingung im Sinne der allgemeinen sozialrechtlichen Ursachenlehre gesetzt hat.
Die Kammer sieht nach dem Akteninhalt und dem Ergebnis der Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch sein Verhalten in dem Streit um den Standort des gelben Müllsacks die gewalttätige Auseinandersetzung mitverursacht hat. Von daher wäre der Kläger nicht als unschuldiges Gewaltopfer anzusehen, das wegen eines Versagens der staatlichen Schutzvorkehrungen durch die Solidargemeinschaft zu entschädigen wäre, sondern hätte die Folgen der nachbarschaft lichen Auseinandersetzung selbst zu tragen. Unstreitig hat der Kläger den gelben Müllsack mehrfach auf das Grundstück des Nachbarn befördert und den Nachbarn mit Steinen beworfen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, den Nachbarn mit einem Messer bedroht zu haben, wobei er behauptet, dieses Messer nicht eingesetzt zu haben. Ungeachtet dessen kann jedoch festgehalten werden, dass der Kläger sich nicht um eine friedfertige und sozial adäquate Konfliktregelung des Nachbarschaftsstreits bemüht hat, sondern durch die Müllbeutelwürfe, Steinwürfe und die Androhung von Messer stichen die körperliche Auseinandersetzung mit provoziert hat. Ob hierin letztlich ein Versagungsgrund im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG zu sehen ist, kann vorliegend dahinstehen.
Der von dem Kläger geltend gemachte Versorgungsrentenanspruch scheitert bereits daran, dass eine rentenberechtigende MdE um wenigstens 25 v.H. wegen der Schädigungsfolgen nicht vorliegt.
Nach § 31 Abs. 1 und Abs. 2 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente ab einer MdE um 25 v.H ...
Die bei dem Kläger als Folgen des Ereignisses vom 2. April 1997 noch vor liegende deutliche Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit, diskrete Verbreiterung der Kontur des rechten Handgelenkes, radiologisch nachweisbaren Veränderungen und ein Teil seiner subjektiven Beschwerden rechtfertigen lediglich die Annahme einer MdE um 10 v.H ... Die Kammer stützt sich insoweit auf das sorgfältige und überzeugende chirurgisch-sozialmedizinische Gutach ten von vom 15. Januar 2003. Die Sachverständige legt nachvollziehbar dar, dass unter Berücksichtigung der Anhaltspunkte 1996, Seite 144 f. die den Kläger behindernde Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit (auswärts-/einwärts Drehbewegung 20-0-20°) keiner Einsteifung und insbesondere keinerlei Einsteifung in ungünstiger Stellung entspreche. Die Einsetzbarkeit der rechten Hand und des rechten Armes sei entsprechend der bestehenden Rechtshändigkeit trotz der Schädigungsfolgen führend. Dies habe im Rahmen des spontanen Bewegungsablaufes, des An- und Auskleidevorgangs usw. gesehen und dokumentiert werden können. Dementsprechend habe keine Schonhaltung oder verminderte Einsetzbarkeit oder gar eine schonhaltungsbedingte Muskelminderung bestanden. Entsprechend der bestehenden Rechtshändigkeit sei die Muskulatur im Bereich des rechten Armes gegenüber linksseitig etwas stärker ausgeprägt. In Anlehnung an die An haltspunkte 1996, Seite 145 sei für die isolierte Aufhebung der Unterarm drehbeweglichkeit in günstiger Stellung eine MdE um 10 v.H. und für eine Einsteifung in ungünstiger Stellung eine MdE um 20 v.H. vorgesehen. Von einer Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit im Sinne einer Einsteifung sei bei dem Kläger jedoch nicht auszugehen. Die Beweglichkeitseinschränkung entspreche bei fehlenden Hinweisen für zusätzliche radiologische Veränderungen wie z.B. einer posttraumatischen Arthrose einer MdE um 10 v.H ...
Soweit der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige demgegenüber die Schädigungsfolgen des Klägers mit einer MdE um 25 v.H. bewertet, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das Gutachten von leidet daran, dass er die Vorgaben der Anhaltspunkte 1996 zur Bildung der MdE nicht berücksichtigt. Die Sachverständige weist zutreffend darauf hin, dass nach diesen Begutachtungsrichtlinien die von angesetzte MdE um 25 v.H. bereits einer Versteifung des Handgelenkes in erheblich ungünstiger Stellung oder einer Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit mit gleichzeitigem weitgehenden Bewegungsverlust des Ellenbogengelenkes entspreche. Dem gegenüber ist der Kläger deutlich bessergestellt, so dass eine Vergleichbarkeit nicht besteht. weist zudem darauf hin, dass der Sachverständige sogar eine etwas bessere Unterarmdrehbeweglichkeit festgestellt habe als sie und ebenso wenig wie bei der späteren Begutachtung eine ver minderte Einsetzbarkeit des Armes mit Schonhaltung oder schonhaltungsbe dingter Muskelminderung beschrieben hat.
Nach alledem bleibt auf der Grundlage des Gutachtens von und der versorgungsärztlichen Stellungnahme von vom 19. Juni 2002 festzuhalten, dass die von erhobenen Befunde eine höhere MdE als 10 v.H. nicht zu begründen vermögen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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