L 7 AS 2367/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2267/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2367/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eingliederungsvereinbarung - Verwaltungsakt - Ersetzungsbescheid
Die Abänderung eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts während dessen Geltungszeitraum durch einen weiteren Ersetzungsbescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ist nur unter Beachtung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X zulässig.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Mai 2011 abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 29. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2011 wird angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller drei Viertel seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat nur in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist - wie nachstehend noch auszuführen sein wird - unter beide Regelungen zu fassen. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

1.) Die unter Beachtung der Form- und Fristvorschrift des § 173 SGG eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 172 SGG statthaft, soweit dieser mit seinem einstweiligen Rechtsschutzantrag die "Einsetzung der aufschiebenden Wirkung" seiner Rechtsbehelfe wegen des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 29. April 2011 begehrt. Da mittlerweile der - den Widerspruch des Antragstellers gegen diesen Bescheid zurückweisende - Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2011 ergangen ist und jener deswegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) am 9. Juni 2011 rechtzeitig Klage (S 13 AS 3041/11) erhoben hat, ist sein vorliegendes Rechtsschutzverlangen dahingehend auszulegen, dass es ihm nunmehr um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage wegen der vorgenannten Bescheide geht (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 16. April 2008 - L 7 AS 1398/08 ER-B - Breithaupt 2008, 1004). Denn die Anfechtungsklage gegen derartige Ersetzungsbescheide, die (wie hier) die Pflichten erwerbstätiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regeln, entfaltet gemäß der den § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG konkretisierenden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 30. Oktober 2009 - 1 BvR 2395/09 - NJW 2010, 1871) Bestimmung des § 39 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850); vgl. Art. 13 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453)) keine aufschiebende Wirkung. Der erstrebte einstweilige Rechtsschutz kann deshalb, wie vom SG zutreffend erkannt, nur über § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gesucht werden.

Der mithin statthafte Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren S 13 AS 3041/11 gegen den Bescheid vom 29. April 2011 (Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2011) greift hier auch durch. Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt eine Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geschützte Aufschubinteresse gegeneinander abzuwägen sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 12. April 2006 - L 7 AS 1196/06 ER-B - info also 2006, 132 und vom 16. April 2008 a.a.O.). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung sind in die Betrachtung einzubeziehen die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs; dabei kommt dem voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der Abwägung jedenfalls insoweit maßgebliche Bedeutung zu, als der Rechtsbehelf offensichtlich begründet oder aussichtslos erscheint (so schon Bundessozialgericht (BSG) BSGE 4, 151, 155; ferner Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage, Rdnrn. 208 ff.; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnrn. 12e, 12f). Ist der Verfahrensausgang dagegen als offen zu bezeichnen, ist darüber hinaus bei der Interessenabwägung in Anlehnung an die vom BVerfG zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze (vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 und vom 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09 - NZS 2009, 674; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2009 a.a.O.) auch die Schwere und Unabänderlichkeit des Eingriffs zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. April 2006 und 16. April 2008 a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnrn. 204a, 204b); in dieser Beziehung hat das Vollziehungsinteresse - namentlich bei den der Existenzsicherung dienenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II und dem SGB XII - umso eher zurückzustehen, je schwerer und nachhaltiger die durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen, insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz, wiegen.

Die sonach gebotene Interessenabwägung führt hier zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 29. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2011. Diese Bescheide haben sich nicht etwa durch Zeitablauf erledigt, weil die dem Antragsteller dort aufgegebene Teilnahme an der von der A. GmbH betreuten "Bewerberwerkstatt" zu den Terminen vom 5. und 19. Mai 2011 sowie 9. Juni 2011 sämtlich mittlerweile abgelaufen sind. Eine Erledigung im Sinne des § 39 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist auch nicht dadurch eingetreten, dass der Antragsgegner zwischenzeitlich den Sanktionsbescheid vom 15. Juni 2011 erlassen und den Widerspruch des Antragstellers gegen diesen Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2011 zurückgewiesen hat. Denn jedenfalls die Zuweisung zur Bewerberwerkstatt im oben bezeichneten Ersetzungsbescheid war Grundlage für den genannten Sanktionsbescheid und jener Bescheid könnte deshalb auch weiterhin eine rechtliche Basis für die dortige Sanktionierung bilden (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG) BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 (Rdnr. 12)). An eine Erledigung des Ersetzungsbescheids könnte allenfalls dann gedacht werden, wenn der Antragsteller den Bescheid vom 15. Juni 2011 (Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2011) nicht mit der Klage angreifen würde, was jedoch angesichts der vorliegend noch offenen Klagefrist (§ 87 SGG) derzeit nicht angenommen werden kann.

Der Ersetzungsbescheid vom 29. April 2011 ist allerdings entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil durch das Institut der Eingliederungsvereinbarung und des diese ersetzenden Verwaltungsakts dessen grundrechtliche Belange ("Kontrahierungszwang", "Vertragsfreiheit") berührt wären. Vielmehr sind die in § 15 Abs. 1 SGB II (hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 a.a.O.) geregelten Handlungsalternativen der Eingliederungsvereinbarung und des ersetzenden Verwaltungsakts Instrumente zur Umsetzung des mit dem SGB II verbundenen Hauptzwecks, erwerbsfähige leistungsberechtige Personen wieder in Arbeit einzugliedern, wobei dem Grundsicherungsträger das Initiativrecht zukommt (vgl. BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr. 1 (die Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des BVerfG vom 26. April 2010 - 1 BvR 1028/10 - nicht zur Entscheidung angenommen)). Demgemäß trifft der jeweilige Sachbearbeiter, freilich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, auch die Entscheidung darüber, ob Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung geführt werden oder ob die Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt ersetzt bzw. von vorherein ein Verwaltungsakt über Eingliederungsleistungen erlassen wird (vgl. BSG a.a.O.). Erwerbsfähige Leistungsberechtigte wiederum haben nach dem Grundsatz des Forderns alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit, insbesondere auch durch den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, mitzuwirken (vgl. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II).

Ernstliche Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Ersetzungsbescheids vom 29. April 2011 bestehen allerdings insoweit, als mit dem Bescheid vom 14. April 2011, dem Antragsteller zugestellt am 16. April 2011, ein bereits zuvor ergangener weiterer - von diesem im Übrigen ebenfalls mit den Rechtsbehelfen des Widerspruchs (Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2011) und der Klage (S 13 AS 3040/11) angefochtener - eine Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II mit einer Laufzeit vom 14. April bis 13. Oktober 2011 vorliegt; dort war der Antragsteller verpflichtet worden, dem Antragsgegner jeweils zum 1. eines Monats unaufgefordert Belege über seine Eigenbemühungen bei der Arbeitssuche vorzulegen. Auf die Rechtmäßigkeit des genannten - ebenfalls die Durchsetzung der Vorstellungen der Verwaltung zur Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (vgl. nochmals BSG a.a.O.) bezweckenden - Bescheids kann im vorliegenden Verfahren nicht eingegangen werden. Jedenfalls hat der Antragsgegner aber in diesem Bescheid für den Zeitraum vom 14. April bis 13. Oktober 2011 Pflichten festgelegt, die er nunmehr durch den Ersetzungsbescheid vom 29. April 2011 um die auf § 16 SGB II i.V.m. § 46 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) gestützte Zuweisung des Antragstellers zu der Maßnahme "Bewerberwerkstatt" ergänzt bzw. erweitert hat. Der Antragsgegner hat dabei freilich außer Acht gelassen, dass der Ersetzungsbescheid vom 14. April 2011 mit den dort für den Antragsteller geregelten Pflichten zu Eigenbemühungen mit der Zustellung an den Antragsteller wirksam geworden ist (vgl. § 39 Abs. 1 SGB X). Mit der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts ist die Verwaltung indes an ihn gebunden, selbst wenn der Bescheid noch angefochten werden kann oder bereits angefochten ist (vgl. BSG SozR 2200 § 587 Nr. 7; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Auflage, § 77 Rdnr. 5a). Die eingetretene Wirksamkeit hätte der Antragsgegner nur durchbrechen können, wenn er ihn unter Beachtung der §§ 44 ff. SGB X zurückgenommen oder im Sinne einer Abänderung ganz oder teilweise aufgehoben hätte (vgl. auch § 39 Abs. 2 SGB X). Eine derartige Korrektur ist im Bescheid vom 29. April 2011, der während der Zeit ergangen ist, für den der Bescheid vom 14. April 2011 Geltung beansprucht, jedoch gerade nicht erfolgt, weil der Antragsgegner offenbar gemeint hat, dem Antragsteller in einem gesonderten Bescheid zusätzliche zum erstrebten Eingliederungserfolg beitragende Pflichten aufgeben zu können, ohne die insoweit für ihn als Verwaltungsinstanz eingetretene materielle Bestandskraft des letztgenannten Bescheids zu beachten.

Schon deshalb erscheint der Ersetzungsbescheid vom 29. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2011 offensichtlich rechtswidrig. Dessen ungeachtet dürften die Voraussetzungen für die nachträgliche Korrektur des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts im Sinne einer "Anpassung" ohnehin nicht vorgelegen haben. In Betracht kommen dürfte insoweit nur die Bestimmung des § 48 Abs. 1 SGB X (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 15 Rdnr. 33 (dort zur entsprechenden Anwendung der Norm auf die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II)). Die genannte Bestimmung setzt indessen eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen voraus; eine "niederschwelligere Anpassungsverpflichtung" (vgl. hierzu Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage, § 15 Rdnr. 36; ferner Sauer in Sauer u.a., SGB II, 2011, § 15 Rdnr. 12), wie sie möglicherweise in § 37 Abs. 3 Satz 2 SGB III (in der Fassung des Neuausrichtungsgesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917) für die Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III gesehen werden kann, ist in Bezug auf den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB III auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des SGB XII vom 24. März 2011 (a.a.O.) weiterhin nicht normiert. Im Übrigen wird selbst für die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II, die nach bisher herrschender Meinung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellen soll (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 689/07 - (juris); Fuchsloch in Gagel, SGB II/SGB III, § 15 SGB II Rdnr. 21 (Stand Juni 2006); Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., Rdnr. 8; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Auflage, § 15 Rdnrn. 22, 25 ff. (Stand 24.08.2010); Sauer in Sauer u.a., a.a.O., Rdnr. 6; a.A. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 14 B 568/08 AS ER - (juris); Spellbrink in Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rdnr. 10 (normersetzende Handlungsform sui generis); so wohl auch BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr. 1; zu § 37 SGB III ferner Peters-Lange in Gagel, a.a.O., § 37 SGB III Rdnr. 7 (Stand Dezember 2009)), überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Anpassung nur bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 59 Abs. 1 SGB X verlangt werden kann (vgl. Fuchsloch, a.a.O., Rdnr. 75; Sonnhoff, a.a.O., Rdnrn. 132 ff.; Sauer, a.a.O, Rdnr. 12). Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse ist etwa gegeben, wenn bei der leistungsberechtigten Person zwischenzeitlich gesundheitliche Einschränkungen aufgetreten sind, sich in ihrem persönlichen oder familiären Bereich Veränderungen ergeben haben, ferner eine Maßnahme aus organisatorischen Gründen (z.B. wegen nicht genügender Teilnehmerzahl) oder aus sonstigen aus der Sphäre des Bildungsträgers stammenden Gründen nicht realisiert werden kann (vgl. Sonnhoff, a.a.O., Rdnr. 135). Demgegenüber dürfte allein eine neue Eingliederungsstrategie, die nicht erkennen lässt, weshalb die zuvor abgeschlossene und noch geltende Eingliederungsvereinbarung oder der sie ersetzende Verwaltungsakt objektiv fehlsam und damit ineffektiv sein sollen, eine Anpassung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nicht zu begründen vermögen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 25. Mai 2010 - L 11 AS 294/10 B ER - (juris)). Derartige vorstehend aufgezeigte Umstände, die für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sprechen könnten, sind hier indessen nicht ersichtlich.

Bereits aus den oben dargestellten Gründen bestehen mithin ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ersetzungsbescheids vom 29. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Mai 2011. In Anbetracht dieser Bedenken hat hier das gesetzliche Vollzugsinteresse zurückzustehen; die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist vielmehr geboten. Damit kann dahinstehen, ob der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide auch sonstige Umstände, z.B. die vom Antragsteller angeführte Betreuung seiner im Oktober 2008 und Oktober 2005 geborenen Kinder, entgegenstehen könnten. Nur der Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass sich die Zumutbarkeit einer Arbeit bei Erziehung eines Kindes an § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II (in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 a.a.O.) misst, wobei insoweit maßgeblich die objektive Betreuungssituation ist (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R - (juris; Rdnr. 22)). Ob dieser Maßstab auch bei der dem Antragsteller im Bescheid vom 29. April 2011 auferlegten Teilnahme an einer Bewerberwerkstatt anzusetzen wäre, kann hier offenbleiben; freilich hatte der Antragsgegner jenem im vorgenannten Bescheid die Möglichkeit aufgezeigt, die beiden Kinder zum Termin vom 5. Mai 2011 mitzunehmen, sofern er keine anderweitigen Betreuungsmöglichkeiten habe. Nicht weiter einzugehen war vorliegend ferner darauf, dass das SG mit Beschluss vom 19. Juli 2011 (S 13 AS 3265/11 ER) den dort unter dem 18. Juni 2011 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Absenkungsbescheids vom 15. Juni 2011 abgelehnt hat und dieser Beschluss - bei einer ab 1. Juli 2011 für drei Monate festgestellten Minderung des Regelbedarfs um monatlich 98,40 Euro - mangels Überschreitens der Beschwerdewertgrenze des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG - nicht beschwerdefähig sein dürfte. Ebenso ist hier nicht zu erörtern, ob die Voraussetzungen eines Abänderungsantrags nach § 86b Abs. 1 Satz 4 SGG gegeben wären (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 17. Dezember 2009 - L 7 SO 5021/09 ER - und vom 11. Oktober 2010 - L 7 SO 3392/10 ER-B - (beide juris)). Desgleichen hat unentschieden zu bleiben, ob die Rechtsgrundlage für die festgestellte Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung - wie im Bescheid vom 15. Juni 2011 geschehen - in Anbetracht des rechtlich bedenklichen Bescheids vom 29. April 2011 (Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2011) dennoch in § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II gesehen werden könnte (vgl. aber zur Rechtslage bis 31. März 2011 BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr. 2).

2.) Demgegenüber hat die Beschwerde bezüglich des vom SG zutreffend als Antrag auf eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG aufgefassten Begehrens des Antragstellers auf Übernahme der mit Schreiben vom 24. September und 24. Oktober 2010 geltend gemachten Bewerbungskosten in Höhe von insgesamt 54,82 Euro keinen Erfolg. Dabei lässt der Senat ausdrücklich offen, ob die Beschwerde insoweit angesichts der vorgenannten Summe überhaupt statthaft wäre (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 144 Rdnr. 16). Jedenfalls ist der Senat mit dem SG der Auffassung, dass insoweit ein Anordnungsgrund nicht besteht; von einer weiteren Begründung wird deshalb abgesehen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG, wobei der Senat das Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen angemessen berücksichtigt hat.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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