Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SB 3286/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4109/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 2. August 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) sowie des Merkzeichens "H" (Hilflosigkeit) streitig.
Der Kläger stellte am 27.12.2007 beim Landratsamt R. - Versorgungsamt - (VA) einen Antrag nach § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) für die Zeit ab 01.01.2007. Er berief sich auf eine psychische Erkrankung sowie auf einen Unfall bei der Bundeswehr (1988 Patellafraktur rechts). Das VA zog medizinische Befundunterlagen bei (Berichte Dr. B. vom 14.06.2004 und 19.05.2005, Dr. M. vom 15.09.2005 sowie ohne Datum, Stellungnahme von Nervenarzt Dr. F. (Landratsamt R. - Gesundheitsamt -) vom 30.01.2006, nervenärztliches Gutachten Dr. Ma. vom 16.09.2007 an die Agentur für Arbeit H. , Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit H. , Dr. W. , vom 15.02.2007 und 19.09.2007) und ließ diese ärztlich auswerten (gutachtliche Stellungnahme vom 14.03.2008). Mit Bescheid vom 03.04.2008 stellte das VA beim Kläger den GdB mit 30 seit 01.01.2007 fest. Gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) wurden nicht festgestellt.
Gegen den Bescheid vom 03.04.2008 legte der Kläger am 28.04.2008 Widerspruch ein, mit dem er einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "B" und "H" geltend machte. Entsprechend einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 30.05.2008 stellte das VA mit Teilabhilfebescheid vom 03.06.2008 beim Kläger wegen funktioneller Organbeschwerden, einer seelischen Störung und depressiven Verstimmung den GdB mit 50 seit 01.01.2007 fest. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die beim Kläger vorliegende Behinderung in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 50 angemessen bewertet sei. Die Zuerkennung des Merkzeichens "H" lasse sich nicht begründen. Da beim Kläger weder die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "H" oder "G" vorlägen, stehe ihm das Merkzeichen "B" schon deshalb nicht zu, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "B" erfüllt seien.
Hiergegen erhob der Kläger 06.10.2008 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er trug zur Begründung vor, die 1988 erlittene Patellafraktur sei vernachlässigt worden. Bereits 1990 sei wegen des Schadens am rechten Knie lediglich eine MdE 10 v.H. unzutreffend anerkannt worden. Ständige Schmerzen im rechten Knie hätten zu einer Überlastung des linken Beines und zu Schmerzen auch im linken Knie geführt. Damit verbundene Rückenprobleme hätten sich wesentlich verschlimmert. Er sehe eine Einstufung des GdB nicht unter 90 und das Merkzeichen "H" als absolutes Minimum an. Der Kläger legte den Befundbericht von Dr. Schi. vom 22.09.2008 sowie die versorgungsärztliche Stellungnahme des Versorgungsamtes L. , OMR Dr. Schu. , vom 07.12.1989 und den Bescheid des Versorgungsamtes H. vom 07.08.2001 über die Ablehnung der Neufeststellung des Versorgungsanspruches (MdE weiterhin 10 v.H.) vor.
Das SG hörte den Chirurgen Dr. Schi. und den Internisten Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Schi. teilte in seiner Stellungnahme vom 24.11.2008 hinsichtlich der Patellafraktur rechts den Behandlungsverlauf sowie die Befunde mit. Zusätzlich bestehe beim Kläger eine Retropatellararthrose rechts als Folge der Patellafraktur. Auf seinem Fachgebiet schätzte er den GdB auf 20 und den Gesamt-GdB um maximal 10 erhöht ein. Er verneinte die Frage, ob der Kläger infolge der Behinderungen für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens dauernd auf fremde Hilfe angewiesen sei. Dr. M. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.12.2008 die Behandlungsdaten seit Mitte 2007 sowie die Diagnosen mit. Die Retropatellararthrose sei medizinisch nicht relevant gewesen. Hinsichtlich der psychischen Erkrankung sei der GdB von entsprechenden Fachärzten zu beurteilen. Dr. M. verneinte ebenfalls die Frage, ob der Kläger infolge der Behinderungen für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens dauernd auf fremde Hilfe angewiesen sei. Die genannten Beispiele würden vom Kläger selbstständig, allerdings mit enormem zeitlichem Aufwand, durchgeführt.
Das SG holte anschließend das orthopädische Gutachten von Dr. P. vom 10.02.2009 ein. Dr. P. diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers Wirbelsäulenbeschwerden ohne pathologisches Korrelat, belastungsabhängige Beschwerden im rechten Kniegelenk nach Kniescheibenbruch und Operation 1988 ohne nennenswerte Funktionsstörungen und eine psychosomatische Überlagerung. Für einen Knorpelschaden unter der rechten Kniescheibe bewertete Dr. P. den GdB mit 10 und den Gesamt-GdB mit 50. Das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" wurde von Dr. P. verneint. Außerdem holte das SG das nervenärztliche Gutachten von Dr. S. vom 21.01.2007 ein. Dr. S. diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers (in dessen Wohnung) eine ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung mit histrionischen Zügen und einer persönlichkeitseigenen Neigung zur Somatisierung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung und einem chronischen psychophysischen Erschöpfungssyndrom. Auf psychiatrischem Gebiet schätzte Dr. S. den GdB auf 70 und den Gesamt-GdB ebenfalls auf 70 ein. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" sah Dr. S. beim Kläger als nicht erfüllt an.
Der Beklagte unterbreitete dem Kläger - unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 06.04.2010 - ein Vergleichsangebot dahin, den GdB auf 70 ab 01.01.2007 festzusetzen, das der Kläger nicht annahm.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.08.2010 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 70 festzusetzen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das SG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Erkrankungen des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet seien mit einem GdB von 70 zu bewerten. Die Grenze für eine schwere Störung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten seien, sei nicht überschritten. Eine Schädigung des rechten Kniegelenkes in Form von Knorpelschäden nach stattgehabter Patellafraktur sei mit einem GdB von 10 zu bemessen. Die genannten Behinderungen rechtfertigten insgesamt einen GdB von 70. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" lägen beim Kläger nicht vor.
Mit Ausführungsbescheid vom 19.08.2010 stellte das VA beim Kläger den GdB mit 70 seit 01.01.2007 fest.
Gegen den - der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers - am 05.08.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.08.2010 Berufung eingelegt. Er hat eine genaue Prüfung des GdB sowie der ihm zustehenden Merkzeichen geltend gemacht. Die orthopädische Einschätzung sei nicht richtig. Er sei keinen Tag ohne Schmerzen oder Beschwerden. Seine Schmerzen seien zusätzlich zu berücksichtigen. Die Patellafraktur sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die orthopädischen Leiden bedingten einen GdB von mindestens 60 und das Merkzeichen "G" sowie die psychosomatische Erkrankung einen GdB von mindestens 80. Verschlimmerungen machten sich erst nach einer gewissen Zeitspanne bemerkbar, was bei ihm mittlerweile drastisch der Fall sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 2. August 2010 sowie den Teilabhilfebescheid vom 3. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2008 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 19. August 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit mindestens 90 sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche (Merkzeichen) "H" "B" und "G" seit 1. Januar 2007 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat Dr. Schi. und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen zu Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers angehört. Dr. Schi. hat in seiner Stellungnahme vom 10.01.2001 mitgeteilt, den Kläger letztmalig am 22.09.2008 behandelt zu haben und hat auf seine Stellungnahme an des SG vom 24.11.2008 verwiesen. Dr. M. hat in seiner Stellungnahme vom 04.04.2011 mitgeteilt, die Gesundheitsstörung des Klägers bestehe seit Januar 2003 in nahezu unveränderter Form.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unzulässig, soweit er beantragt, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche (Merkzeichen) "B" und "G" seit 1. Januar 2007 festzustellen. Gegen die Ablehnung des Nachteilsausgleiches "B" hat sich der Kläger mit seiner Klage beim SG nicht gewandt, so dass die streitgegenständlichen Bescheide insoweit bestandskräftig geworden sind. Soweit der Kläger - erstmals im Berufungsverfahren - das Merkzeichen "G" geltend macht, ist die Berufung hinsichtlich dieses Merkzeichens mangels Verwaltungsverfahren unzulässig. Streitgegenstand sind der Teilabhilfebescheid des Beklagten vom 03.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2008 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 19.08.2010, mit dem der Beklagte beim Kläger zuletzt den GdB von auf 50 seit 01.01.2007 erhöht, jedoch die Feststellung des Nachteilsausgleiches "H" und "B" abgelehnt hat. Eine Entscheidung hinsichtlich des Merkzeichens "G" ist im Verwaltungsverfahren dagegen nicht ergangen.
Die im Übrigen gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von über 70 (1.) und auf Feststellung des Nachteilsausgleiches "H" (2.).
1. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) vorliegend inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend liegen beim Kläger keine Behinderungen vor, die einen GdB von über 70 rechtfertigen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er schließt sich den hierzu gemachten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll umfänglich an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen:
Im Vordergrund der Behinderung des Klägers steht ein schweres neurotisches Störungsbild (ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitszerstörung mit histrionischen Zügen und einer Neigung zur Somatisierung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung und einem chronischen psychophysischen Erschöpfungssyndrom), wie Dr. S. seinem Gutachten vom 21.01.2010 nachvollziehbar und den Senat überzeugend dargelegt hat. Diese Behinderung rechtfertigt nach der überzeugenden Bewertung von Dr. S. einen GdB von 70. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Ein GdB von 80 oder mehr ist auch zur Überzeugung des Senates nicht gerechtfertigt.
Bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen, wie sie beim Kläger vorliegen, ist nach den VG (Teil B Nr. 3.7) ein GdB von 80 bis 100 erst bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorgesehen. Solche Störungen liegen beim Kläger zur Überzeugung des Senates jedoch nicht vor. Nach der überzeugenden Bewertung von Dr. S. in seinem Gutachten ist die Ausprägung der Symptomatik hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Alltag mit einer schweren Residualsymptomatik einer endogenen (schizophrenieformen) Psychose vergleichbar, die beim Kläger zu ausgeprägten Beeinträchtigungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führt sowie zu einer weitgehenden Aufhebung des Leistungsvermögens auf dem Arbeitsmarkt. Diese rechtfertigt jedoch beim Kläger noch nicht die Annahme schwerer sozialen Anpassungsschwierigkeiten. So erschien der Kläger bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. P. psychisch geordnet, wie Dr. P. in seinem Gutachten vom 10.02.2009 ausgeführt hat. Weiter ist der Kläger durchaus in der Lage, den Alltag, wenn auch mit erheblichen Beeinträchtigungen, zu meistern und Vorsorge für etwaige schlechte Tage zu treffen. Auch die intellektuellen Fähigkeiten sind beim Kläger nicht beeinträchtigt, wie Dr. S. in seinem Gutachten ausgeführt hat. Insgesamt gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass beim Kläger von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen ist, die nach den VG (a.a.O.) mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten sind, wobei dieser GdB-Rahmen beim Kläger nach oben ausgeschöpft ist. Damit ist das schwere neurotische Störungsbild angemessen bewertet, wobei die vom Kläger im Berufungsverfahren geltend gemachten Schmerzen mit berücksichtigt sind, denn die vom Sachverständigen Dr. S. erhobene psychiatrische Diagnose einer "anhaltenden somatoformen Schmerzstörung" ist als "funktionelle Organbeschwerden" (versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 06.04.2010) in dem Teil-GdB 70 enthalten.
Sonstige Behinderungen, die nach den oben dargestellten Kriterien bei der Bildung des Gesamt-GdB erhöhend zu berücksichtigen sind, liegen beim Kläger nicht vor. Auf orthopädischem Gebiet besteht beim Kläger nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. P. an Funktionsbeeinträchtigungen nur einen Knorpelschaden am rechten Kniegelenk mit belastungsabhängigen Beschwerden ohne nennenswerte Funktionsstörungen nach einem Kniescheibenbruch im Jahr 1988, die nach der überzeugenden Bewertung von Dr. P. einen GdB von 10 rechtfertigt, der bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen ist. Die Bewertung von Dr. P. steht in Einklang mit den VG (vgl. Teil B Nr. 18.14). Der nach der vom Kläger vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von OMR Dr. Schu. vom 07.12.1989 knöchern verheilte Bruch der Kniescheibe rechtfertigt nach den VG für sich noch keinen GdB. Eine nennenswerte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks des Klägers liegt nach den von Dr. P. in seinem Gutachten dargelegten Kniegelenksbefunden nicht vor. Ein ausgeprägter Knorpelschaden rechtfertigt nach den VG bei anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung, einseitig einen GdB von 10 bis 30. Nach den Feststellungen von Dr. P. in seinem Gutachten besteht beim Kläger keine nennenswerte Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk. Auch anhaltende Reizerscheinungen bestehen nicht. Damit entspricht die Bewertung des GdB mit 10 wegen des rechten Kniegelenkes Klägers den rechtlichen Vorgaben der VG. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Der abweichenden Bewertung von Dr. Schi. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 24.11.2008 an das SG (und Befundbericht vom 22.09.2008) vermag sich der Senat dagegen nicht anzuschließen. Dr. Schi. stützt seine Bewertung (GdB 20) auf eine deutliche Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks, die nach dem von ihm mitgeteilten Befunden jedoch nicht nachvollzogen werden kann und nach den von Dr. P. erhobenen Kniegelenksbefunden auch nicht vorliegt. Sonst bestehen nach den von P. bei der Begutachtung erhobenen und im Gutachten dargelegten Befunden auf orthopädischem Gebiet beim Kläger keine Funktionsbeeinträchtigungen (hinsichtlich der Wirbelsäule, der oberen und unteren Extremitäten), die einen Teil-GdB von mindestens 10 bedingen. Hiervon geht auch Dr. P. in seinem Gutachten aus. Entsprechendes gilt für das internistische Fachgebiet. Dass beim Kläger internistische Erkrankungen vorliegen, lässt sich der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. M. vom 21.12.2008 an das SG nicht entnehmen.
2. Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "H".
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 69 Abs. 4 SGB IX. Danach treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1, wenn neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind.
Im Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen "H" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist (§ 3 Absatz 1 Nr. 2 Schwerbehindertenausweisverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1739), zuletzt geändert durch Artikel 20 Abs. 8 des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl. I S. 2904).
Gemäß § 33b Absatz 6 Satz 3 EStG (in der ab 16.12.2004 geltenden Fassung) ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages dauernd fremder Hilfe bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 3 dieser Vorschrift genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b Absatz 6 Satz 4 EStG). Dabei hat sich der Gesetzgeber bewusst nicht an den Begriff der Pflegebedürftigkeit i.S.d. SGB XI angelehnt (BSG a.a.O.). Die in § 33b Abs. 6 EStG normierten Voraussetzungen der Hilflosigkeit entsprechen denen, die auch für die Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gelten.
Bei den gemäß § 33 Absatz 6 EStG zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich um solche, die im Ablauf eines jeden Tages unmittelbar zur Wartung, Pflege und Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse des Betroffenen gehören sowie häufig und regelmäßig wiederkehren. Dazu zählen zunächst die auch von der Pflegeversicherung (vgl. § 14 Absatz 4 SGB XI) erfassten Bereiche der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm und Blasenentleerung), Ernährung (mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) und Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Diese Bereiche werden unter dem Begriff der sogenannten Grundpflege zusammengefasst (vgl. § 4 Absatz 1 Satz 1, § 15 Absatz 3 SGB XI; § 37 Absatz 1 Satz 2 SGB V). Hinzu kommen nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 6; VG Teil A Nr. 4 c) Maßnahmen zur psychischen Erholung, geistige Anregungen und Kommunikation (Sehen, Hören, Sprechen und Fähigkeit zu Interaktionen). Vom Begriff der Hilflosigkeit nicht umfasst ist der Hilfebedarf bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen (vgl. z.B. zu § 35 BVG: BSG, Urteil vom 2. Juli 1997 SozR 3-3100 § 35 Nr. 6).
Die tatbestandlich vorausgesetzte "Reihe von Verrichtungen" kann regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn es sich um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen (vgl. BSG SozR 3-3100 § 35 Nr. 6; Urteil vom 02.07.1997 - 9 RVs 9/96 -, VersorgVerw 1997, 94; vgl. auch BT-Drucks 12/5262 S 164). Die Beurteilung der Erheblichkeit orientiert sich an dem Verhältnis der dem Betroffenen nur noch mit fremder Hilfe möglichen Verrichtungen zu denen, die er auch ohne fremde Hilfe bewältigen kann. In der Regel ist dabei auf die Zahl der Verrichtungen, den wirtschaftlichen Wert der Hilfe und den zeitlichen Aufwand abzustellen. Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 15 SGB XI) ist die Erheblichkeit des Hilfebedarfs in erster Linie nach dem täglichen Zeitaufwand für erforderliche Betreuungsleistungen zu beurteilen. Danach ist nicht hilflos, wer nur in relativ geringem Umfange, täglich etwa eine Stunde, auf fremde Hilfe angewiesen ist (vgl. BSGE 67, 204, 207 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 1; BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 12; BSG SozR 3 3100 § 35 Nr. 6; Urteil vom 10.09.1997 - 9 RV 8/96 -). Daraus ergibt sich jedoch nicht schon, dass bei einem Überschreiten dieser Mindestgrenze in jedem Fall Hilflosigkeit zu bejahen ist. Ein täglicher Zeitaufwand ist - für sich genommen - vielmehr erst dann erheblich, wenn dieser mindestens zwei Stunden erreicht. Da die Begriffe der Pflegebedürftigkeit (vgl. §§ 14, 15 SGB XI) und der Hilflosigkeit (vgl. § 35 BVG, § 33b EStG) nicht völlig übereinstimmen (vgl. dazu BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 12), können die zeitlichen Grenzwerte der sozialen Pflegeversicherung zwar nicht unmittelbar übernommen werden, sie lassen sich jedoch als gewisse Orientierungspunkte nutzen. Zusätzlich sind noch die Bereiche der geistigen Anregung und Kommunikation und - ebenfalls anders als grundsätzlich in der Pflegeversicherung (vgl. BSG SozR 3 3300 § 14 Nr. 8) - Anleitung, Überwachung und Bereitschaft zur Hilfe zu berücksichtigen. Da im Hinblick auf den insoweit erweiterten Maßstab bei der Prüfung von Hilflosigkeit leichter ein größerer Zeitaufwand für fremde Betreuungsleistungen erreicht wird als im Bereich der Grundpflege bei der Pflegeversicherung, ist von einer Zwei-Stunden-Grenze auszugehen, was dem Grundpflegeerfordernis für die Pflegestufe II der Pflegeversicherung entspricht (vgl. § 15 Absatz 3 Nr. 2 SGB XI).
Um den individuellen Verhältnissen eines Behinderten Rechnung tragen zu können, ist es notwendig, bei der Beurteilung von Hilflosigkeit nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen. Vielmehr kommt dabei auch weiteren Umständen der Hilfeleistung, insbesondere ihrem wirtschaftlichen Wert, Bedeutung zu. Dieser Wert wird wesentlich durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Verrichtungen mitbestimmt, bei denen fremde Hilfe erforderlich ist. Denn eine Hilfsperson kann regelmäßig nur für zusammenhängende Zeitabschnitte, nicht jedoch für einzelne Handreichungen herangezogen bzw. beschäftigt werden. Dieser Umstand rechtfertigt es, Hilflosigkeit im hier geforderten Sinne bereits bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege (wegen der Zahl der Verrichtungen bzw. ungünstiger zeitlicher Verteilung der Hilfeleistungen) besonders hoch ist (vgl. zum Vorstehenden auch BSG, Urteil vom 12.02.2003 - B 9 SB1/02 R -, Urteil des erkennenden Senats vom 15.06.2007 - L 8 SB 1421/06 - und VG Teil A Nr. 4).
Nach den VG Teil A Nr. 4 e) kann bei einer Reihe schwerer Behinderungen, die aufgrund ihrer Art und besonderen Auswirkungen regelhaft Hilfeleistungen in erheblichem Umfang erfordern, im Allgemeinen ohne nähere Prüfung angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Dies gilt stets bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung, Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig - auch innerhalb des Wohnraums - die Benutzung eines Rollstuhls erfordern, in der Regel auch bei Hirnschäden, Anfallsleiden, geistiger Behinderung und Psychosen, wenn diese Behinderungen allein einen GdB von 100 bedingen sowie beim Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen, ausgenommen Unterschenkel oder Fußamputation beiderseits.
Hiervon ausgehend erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" nicht.
Der Kläger gehört nicht zu den Personenkreis, bei denen nach den VG Teil A Nr. 4e ohne nähere Prüfung angenommen werden kann, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Insbesondere besteht beim Kläger nach dem oben Ausgeführten keine geistige Behinderung oder Psychose, die mit einem GdB von 100 zu bewerten ist.
Der Kläger bedarf auch nicht in dem dargestellten Sinn für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages dauernd fremder Hilfe. Zwar ist der Kläger nach den Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten (zum Beispiel) bei den notwendigen wöchentlichen Reinigungsarbeiten im Treppenhaus, bei Auseinandersetzungen mit Behörden und behördenähnlichen Institutionen auf gewisse Hilfe angewiesen. Der Kläger ist jedoch, wenn auch mit Mühen, nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. weitgehend selbständig, weshalb Dr. S. beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" als nicht erfüllt ansieht. Diese Ansicht entspricht auch die Ansicht von Dr. P. in seinem Gutachten, der beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" ebenfalls als nicht erfüllt ansieht. Auch Dr. Schi. und Dr. M. haben in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG übereinstimmend Hilflosigkeit des Klägers verneint. Dr. M. hat dabei bestätigt, dass der Kläger, wenn auch mit enormen zeitlichen Aufwand, gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens selbständig durchführt.
3. Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die vom SG durchgeführten Ermittlungen für den Senat geklärt. Verschlimmerungen im Gesundheitszustand des Klägers sind nicht ersichtlich. Dr. Schi. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 10.01.2011 keine Verschlimmerung genannt und Dr. M. hat in seiner in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 04.04.2011 den Gesundheitszustand des Klägers als unverändert bezeichnet. Auch sonst sieht sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten sind die Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) sowie des Merkzeichens "H" (Hilflosigkeit) streitig.
Der Kläger stellte am 27.12.2007 beim Landratsamt R. - Versorgungsamt - (VA) einen Antrag nach § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) für die Zeit ab 01.01.2007. Er berief sich auf eine psychische Erkrankung sowie auf einen Unfall bei der Bundeswehr (1988 Patellafraktur rechts). Das VA zog medizinische Befundunterlagen bei (Berichte Dr. B. vom 14.06.2004 und 19.05.2005, Dr. M. vom 15.09.2005 sowie ohne Datum, Stellungnahme von Nervenarzt Dr. F. (Landratsamt R. - Gesundheitsamt -) vom 30.01.2006, nervenärztliches Gutachten Dr. Ma. vom 16.09.2007 an die Agentur für Arbeit H. , Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit H. , Dr. W. , vom 15.02.2007 und 19.09.2007) und ließ diese ärztlich auswerten (gutachtliche Stellungnahme vom 14.03.2008). Mit Bescheid vom 03.04.2008 stellte das VA beim Kläger den GdB mit 30 seit 01.01.2007 fest. Gesundheitliche Merkmale (Merkzeichen) wurden nicht festgestellt.
Gegen den Bescheid vom 03.04.2008 legte der Kläger am 28.04.2008 Widerspruch ein, mit dem er einen GdB von 100 sowie die Merkzeichen "B" und "H" geltend machte. Entsprechend einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 30.05.2008 stellte das VA mit Teilabhilfebescheid vom 03.06.2008 beim Kläger wegen funktioneller Organbeschwerden, einer seelischen Störung und depressiven Verstimmung den GdB mit 50 seit 01.01.2007 fest. Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Auswertung der ärztlichen Unterlagen habe ergeben, dass die beim Kläger vorliegende Behinderung in vollem Umfang erfasst und mit einem GdB von 50 angemessen bewertet sei. Die Zuerkennung des Merkzeichens "H" lasse sich nicht begründen. Da beim Kläger weder die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "H" oder "G" vorlägen, stehe ihm das Merkzeichen "B" schon deshalb nicht zu, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "B" erfüllt seien.
Hiergegen erhob der Kläger 06.10.2008 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er trug zur Begründung vor, die 1988 erlittene Patellafraktur sei vernachlässigt worden. Bereits 1990 sei wegen des Schadens am rechten Knie lediglich eine MdE 10 v.H. unzutreffend anerkannt worden. Ständige Schmerzen im rechten Knie hätten zu einer Überlastung des linken Beines und zu Schmerzen auch im linken Knie geführt. Damit verbundene Rückenprobleme hätten sich wesentlich verschlimmert. Er sehe eine Einstufung des GdB nicht unter 90 und das Merkzeichen "H" als absolutes Minimum an. Der Kläger legte den Befundbericht von Dr. Schi. vom 22.09.2008 sowie die versorgungsärztliche Stellungnahme des Versorgungsamtes L. , OMR Dr. Schu. , vom 07.12.1989 und den Bescheid des Versorgungsamtes H. vom 07.08.2001 über die Ablehnung der Neufeststellung des Versorgungsanspruches (MdE weiterhin 10 v.H.) vor.
Das SG hörte den Chirurgen Dr. Schi. und den Internisten Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Dr. Schi. teilte in seiner Stellungnahme vom 24.11.2008 hinsichtlich der Patellafraktur rechts den Behandlungsverlauf sowie die Befunde mit. Zusätzlich bestehe beim Kläger eine Retropatellararthrose rechts als Folge der Patellafraktur. Auf seinem Fachgebiet schätzte er den GdB auf 20 und den Gesamt-GdB um maximal 10 erhöht ein. Er verneinte die Frage, ob der Kläger infolge der Behinderungen für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens dauernd auf fremde Hilfe angewiesen sei. Dr. M. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.12.2008 die Behandlungsdaten seit Mitte 2007 sowie die Diagnosen mit. Die Retropatellararthrose sei medizinisch nicht relevant gewesen. Hinsichtlich der psychischen Erkrankung sei der GdB von entsprechenden Fachärzten zu beurteilen. Dr. M. verneinte ebenfalls die Frage, ob der Kläger infolge der Behinderungen für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens dauernd auf fremde Hilfe angewiesen sei. Die genannten Beispiele würden vom Kläger selbstständig, allerdings mit enormem zeitlichem Aufwand, durchgeführt.
Das SG holte anschließend das orthopädische Gutachten von Dr. P. vom 10.02.2009 ein. Dr. P. diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers Wirbelsäulenbeschwerden ohne pathologisches Korrelat, belastungsabhängige Beschwerden im rechten Kniegelenk nach Kniescheibenbruch und Operation 1988 ohne nennenswerte Funktionsstörungen und eine psychosomatische Überlagerung. Für einen Knorpelschaden unter der rechten Kniescheibe bewertete Dr. P. den GdB mit 10 und den Gesamt-GdB mit 50. Das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" wurde von Dr. P. verneint. Außerdem holte das SG das nervenärztliche Gutachten von Dr. S. vom 21.01.2007 ein. Dr. S. diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers (in dessen Wohnung) eine ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung mit histrionischen Zügen und einer persönlichkeitseigenen Neigung zur Somatisierung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung und einem chronischen psychophysischen Erschöpfungssyndrom. Auf psychiatrischem Gebiet schätzte Dr. S. den GdB auf 70 und den Gesamt-GdB ebenfalls auf 70 ein. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" sah Dr. S. beim Kläger als nicht erfüllt an.
Der Beklagte unterbreitete dem Kläger - unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 06.04.2010 - ein Vergleichsangebot dahin, den GdB auf 70 ab 01.01.2007 festzusetzen, das der Kläger nicht annahm.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.08.2010 verurteilte das SG den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 70 festzusetzen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das SG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Erkrankungen des Klägers auf nervenärztlichem Fachgebiet seien mit einem GdB von 70 zu bewerten. Die Grenze für eine schwere Störung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die mit einem GdB von 80 bis 100 zu bewerten seien, sei nicht überschritten. Eine Schädigung des rechten Kniegelenkes in Form von Knorpelschäden nach stattgehabter Patellafraktur sei mit einem GdB von 10 zu bemessen. Die genannten Behinderungen rechtfertigten insgesamt einen GdB von 70. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" lägen beim Kläger nicht vor.
Mit Ausführungsbescheid vom 19.08.2010 stellte das VA beim Kläger den GdB mit 70 seit 01.01.2007 fest.
Gegen den - der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers - am 05.08.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.08.2010 Berufung eingelegt. Er hat eine genaue Prüfung des GdB sowie der ihm zustehenden Merkzeichen geltend gemacht. Die orthopädische Einschätzung sei nicht richtig. Er sei keinen Tag ohne Schmerzen oder Beschwerden. Seine Schmerzen seien zusätzlich zu berücksichtigen. Die Patellafraktur sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die orthopädischen Leiden bedingten einen GdB von mindestens 60 und das Merkzeichen "G" sowie die psychosomatische Erkrankung einen GdB von mindestens 80. Verschlimmerungen machten sich erst nach einer gewissen Zeitspanne bemerkbar, was bei ihm mittlerweile drastisch der Fall sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 2. August 2010 sowie den Teilabhilfebescheid vom 3. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2008 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 19. August 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit mindestens 90 sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche (Merkzeichen) "H" "B" und "G" seit 1. Januar 2007 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat Dr. Schi. und Dr. M. schriftlich als sachverständige Zeugen zu Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers angehört. Dr. Schi. hat in seiner Stellungnahme vom 10.01.2001 mitgeteilt, den Kläger letztmalig am 22.09.2008 behandelt zu haben und hat auf seine Stellungnahme an des SG vom 24.11.2008 verwiesen. Dr. M. hat in seiner Stellungnahme vom 04.04.2011 mitgeteilt, die Gesundheitsstörung des Klägers bestehe seit Januar 2003 in nahezu unveränderter Form.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist unzulässig, soweit er beantragt, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche (Merkzeichen) "B" und "G" seit 1. Januar 2007 festzustellen. Gegen die Ablehnung des Nachteilsausgleiches "B" hat sich der Kläger mit seiner Klage beim SG nicht gewandt, so dass die streitgegenständlichen Bescheide insoweit bestandskräftig geworden sind. Soweit der Kläger - erstmals im Berufungsverfahren - das Merkzeichen "G" geltend macht, ist die Berufung hinsichtlich dieses Merkzeichens mangels Verwaltungsverfahren unzulässig. Streitgegenstand sind der Teilabhilfebescheid des Beklagten vom 03.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2008 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 19.08.2010, mit dem der Beklagte beim Kläger zuletzt den GdB von auf 50 seit 01.01.2007 erhöht, jedoch die Feststellung des Nachteilsausgleiches "H" und "B" abgelehnt hat. Eine Entscheidung hinsichtlich des Merkzeichens "G" ist im Verwaltungsverfahren dagegen nicht ergangen.
Die im Übrigen gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von über 70 (1.) und auf Feststellung des Nachteilsausgleiches "H" (2.).
1. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) vorliegend inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Hiervon ausgehend liegen beim Kläger keine Behinderungen vor, die einen GdB von über 70 rechtfertigen, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend begründet hat. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er schließt sich den hierzu gemachten Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids voll umfänglich an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen:
Im Vordergrund der Behinderung des Klägers steht ein schweres neurotisches Störungsbild (ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitszerstörung mit histrionischen Zügen und einer Neigung zur Somatisierung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung und einem chronischen psychophysischen Erschöpfungssyndrom), wie Dr. S. seinem Gutachten vom 21.01.2010 nachvollziehbar und den Senat überzeugend dargelegt hat. Diese Behinderung rechtfertigt nach der überzeugenden Bewertung von Dr. S. einen GdB von 70. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Ein GdB von 80 oder mehr ist auch zur Überzeugung des Senates nicht gerechtfertigt.
Bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen, wie sie beim Kläger vorliegen, ist nach den VG (Teil B Nr. 3.7) ein GdB von 80 bis 100 erst bei schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorgesehen. Solche Störungen liegen beim Kläger zur Überzeugung des Senates jedoch nicht vor. Nach der überzeugenden Bewertung von Dr. S. in seinem Gutachten ist die Ausprägung der Symptomatik hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Alltag mit einer schweren Residualsymptomatik einer endogenen (schizophrenieformen) Psychose vergleichbar, die beim Kläger zu ausgeprägten Beeinträchtigungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führt sowie zu einer weitgehenden Aufhebung des Leistungsvermögens auf dem Arbeitsmarkt. Diese rechtfertigt jedoch beim Kläger noch nicht die Annahme schwerer sozialen Anpassungsschwierigkeiten. So erschien der Kläger bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. P. psychisch geordnet, wie Dr. P. in seinem Gutachten vom 10.02.2009 ausgeführt hat. Weiter ist der Kläger durchaus in der Lage, den Alltag, wenn auch mit erheblichen Beeinträchtigungen, zu meistern und Vorsorge für etwaige schlechte Tage zu treffen. Auch die intellektuellen Fähigkeiten sind beim Kläger nicht beeinträchtigt, wie Dr. S. in seinem Gutachten ausgeführt hat. Insgesamt gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass beim Kläger von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen ist, die nach den VG (a.a.O.) mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten sind, wobei dieser GdB-Rahmen beim Kläger nach oben ausgeschöpft ist. Damit ist das schwere neurotische Störungsbild angemessen bewertet, wobei die vom Kläger im Berufungsverfahren geltend gemachten Schmerzen mit berücksichtigt sind, denn die vom Sachverständigen Dr. S. erhobene psychiatrische Diagnose einer "anhaltenden somatoformen Schmerzstörung" ist als "funktionelle Organbeschwerden" (versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 06.04.2010) in dem Teil-GdB 70 enthalten.
Sonstige Behinderungen, die nach den oben dargestellten Kriterien bei der Bildung des Gesamt-GdB erhöhend zu berücksichtigen sind, liegen beim Kläger nicht vor. Auf orthopädischem Gebiet besteht beim Kläger nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. P. an Funktionsbeeinträchtigungen nur einen Knorpelschaden am rechten Kniegelenk mit belastungsabhängigen Beschwerden ohne nennenswerte Funktionsstörungen nach einem Kniescheibenbruch im Jahr 1988, die nach der überzeugenden Bewertung von Dr. P. einen GdB von 10 rechtfertigt, der bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen ist. Die Bewertung von Dr. P. steht in Einklang mit den VG (vgl. Teil B Nr. 18.14). Der nach der vom Kläger vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von OMR Dr. Schu. vom 07.12.1989 knöchern verheilte Bruch der Kniescheibe rechtfertigt nach den VG für sich noch keinen GdB. Eine nennenswerte Funktionsstörung des rechten Kniegelenks des Klägers liegt nach den von Dr. P. in seinem Gutachten dargelegten Kniegelenksbefunden nicht vor. Ein ausgeprägter Knorpelschaden rechtfertigt nach den VG bei anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung, einseitig einen GdB von 10 bis 30. Nach den Feststellungen von Dr. P. in seinem Gutachten besteht beim Kläger keine nennenswerte Bewegungseinschränkung im rechten Kniegelenk. Auch anhaltende Reizerscheinungen bestehen nicht. Damit entspricht die Bewertung des GdB mit 10 wegen des rechten Kniegelenkes Klägers den rechtlichen Vorgaben der VG. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Der abweichenden Bewertung von Dr. Schi. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 24.11.2008 an das SG (und Befundbericht vom 22.09.2008) vermag sich der Senat dagegen nicht anzuschließen. Dr. Schi. stützt seine Bewertung (GdB 20) auf eine deutliche Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks, die nach dem von ihm mitgeteilten Befunden jedoch nicht nachvollzogen werden kann und nach den von Dr. P. erhobenen Kniegelenksbefunden auch nicht vorliegt. Sonst bestehen nach den von P. bei der Begutachtung erhobenen und im Gutachten dargelegten Befunden auf orthopädischem Gebiet beim Kläger keine Funktionsbeeinträchtigungen (hinsichtlich der Wirbelsäule, der oberen und unteren Extremitäten), die einen Teil-GdB von mindestens 10 bedingen. Hiervon geht auch Dr. P. in seinem Gutachten aus. Entsprechendes gilt für das internistische Fachgebiet. Dass beim Kläger internistische Erkrankungen vorliegen, lässt sich der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. M. vom 21.12.2008 an das SG nicht entnehmen.
2. Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens "H".
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 69 Abs. 4 SGB IX. Danach treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1, wenn neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind.
Im Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen "H" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist (§ 3 Absatz 1 Nr. 2 Schwerbehindertenausweisverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.07.1991 (BGBl. I S. 1739), zuletzt geändert durch Artikel 20 Abs. 8 des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl. I S. 2904).
Gemäß § 33b Absatz 6 Satz 3 EStG (in der ab 16.12.2004 geltenden Fassung) ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages dauernd fremder Hilfe bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den in Satz 3 dieser Vorschrift genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (§ 33b Absatz 6 Satz 4 EStG). Dabei hat sich der Gesetzgeber bewusst nicht an den Begriff der Pflegebedürftigkeit i.S.d. SGB XI angelehnt (BSG a.a.O.). Die in § 33b Abs. 6 EStG normierten Voraussetzungen der Hilflosigkeit entsprechen denen, die auch für die Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gelten.
Bei den gemäß § 33 Absatz 6 EStG zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich um solche, die im Ablauf eines jeden Tages unmittelbar zur Wartung, Pflege und Befriedigung wesentlicher Bedürfnisse des Betroffenen gehören sowie häufig und regelmäßig wiederkehren. Dazu zählen zunächst die auch von der Pflegeversicherung (vgl. § 14 Absatz 4 SGB XI) erfassten Bereiche der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm und Blasenentleerung), Ernährung (mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) und Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Diese Bereiche werden unter dem Begriff der sogenannten Grundpflege zusammengefasst (vgl. § 4 Absatz 1 Satz 1, § 15 Absatz 3 SGB XI; § 37 Absatz 1 Satz 2 SGB V). Hinzu kommen nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 6; VG Teil A Nr. 4 c) Maßnahmen zur psychischen Erholung, geistige Anregungen und Kommunikation (Sehen, Hören, Sprechen und Fähigkeit zu Interaktionen). Vom Begriff der Hilflosigkeit nicht umfasst ist der Hilfebedarf bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen (vgl. z.B. zu § 35 BVG: BSG, Urteil vom 2. Juli 1997 SozR 3-3100 § 35 Nr. 6).
Die tatbestandlich vorausgesetzte "Reihe von Verrichtungen" kann regelmäßig erst dann angenommen werden, wenn es sich um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen (vgl. BSG SozR 3-3100 § 35 Nr. 6; Urteil vom 02.07.1997 - 9 RVs 9/96 -, VersorgVerw 1997, 94; vgl. auch BT-Drucks 12/5262 S 164). Die Beurteilung der Erheblichkeit orientiert sich an dem Verhältnis der dem Betroffenen nur noch mit fremder Hilfe möglichen Verrichtungen zu denen, die er auch ohne fremde Hilfe bewältigen kann. In der Regel ist dabei auf die Zahl der Verrichtungen, den wirtschaftlichen Wert der Hilfe und den zeitlichen Aufwand abzustellen. Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 15 SGB XI) ist die Erheblichkeit des Hilfebedarfs in erster Linie nach dem täglichen Zeitaufwand für erforderliche Betreuungsleistungen zu beurteilen. Danach ist nicht hilflos, wer nur in relativ geringem Umfange, täglich etwa eine Stunde, auf fremde Hilfe angewiesen ist (vgl. BSGE 67, 204, 207 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 1; BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 12; BSG SozR 3 3100 § 35 Nr. 6; Urteil vom 10.09.1997 - 9 RV 8/96 -). Daraus ergibt sich jedoch nicht schon, dass bei einem Überschreiten dieser Mindestgrenze in jedem Fall Hilflosigkeit zu bejahen ist. Ein täglicher Zeitaufwand ist - für sich genommen - vielmehr erst dann erheblich, wenn dieser mindestens zwei Stunden erreicht. Da die Begriffe der Pflegebedürftigkeit (vgl. §§ 14, 15 SGB XI) und der Hilflosigkeit (vgl. § 35 BVG, § 33b EStG) nicht völlig übereinstimmen (vgl. dazu BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 12), können die zeitlichen Grenzwerte der sozialen Pflegeversicherung zwar nicht unmittelbar übernommen werden, sie lassen sich jedoch als gewisse Orientierungspunkte nutzen. Zusätzlich sind noch die Bereiche der geistigen Anregung und Kommunikation und - ebenfalls anders als grundsätzlich in der Pflegeversicherung (vgl. BSG SozR 3 3300 § 14 Nr. 8) - Anleitung, Überwachung und Bereitschaft zur Hilfe zu berücksichtigen. Da im Hinblick auf den insoweit erweiterten Maßstab bei der Prüfung von Hilflosigkeit leichter ein größerer Zeitaufwand für fremde Betreuungsleistungen erreicht wird als im Bereich der Grundpflege bei der Pflegeversicherung, ist von einer Zwei-Stunden-Grenze auszugehen, was dem Grundpflegeerfordernis für die Pflegestufe II der Pflegeversicherung entspricht (vgl. § 15 Absatz 3 Nr. 2 SGB XI).
Um den individuellen Verhältnissen eines Behinderten Rechnung tragen zu können, ist es notwendig, bei der Beurteilung von Hilflosigkeit nicht allein auf den zeitlichen Betreuungsaufwand abzustellen. Vielmehr kommt dabei auch weiteren Umständen der Hilfeleistung, insbesondere ihrem wirtschaftlichen Wert, Bedeutung zu. Dieser Wert wird wesentlich durch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Verrichtungen mitbestimmt, bei denen fremde Hilfe erforderlich ist. Denn eine Hilfsperson kann regelmäßig nur für zusammenhängende Zeitabschnitte, nicht jedoch für einzelne Handreichungen herangezogen bzw. beschäftigt werden. Dieser Umstand rechtfertigt es, Hilflosigkeit im hier geforderten Sinne bereits bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege (wegen der Zahl der Verrichtungen bzw. ungünstiger zeitlicher Verteilung der Hilfeleistungen) besonders hoch ist (vgl. zum Vorstehenden auch BSG, Urteil vom 12.02.2003 - B 9 SB1/02 R -, Urteil des erkennenden Senats vom 15.06.2007 - L 8 SB 1421/06 - und VG Teil A Nr. 4).
Nach den VG Teil A Nr. 4 e) kann bei einer Reihe schwerer Behinderungen, die aufgrund ihrer Art und besonderen Auswirkungen regelhaft Hilfeleistungen in erheblichem Umfang erfordern, im Allgemeinen ohne nähere Prüfung angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Dies gilt stets bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung, Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig - auch innerhalb des Wohnraums - die Benutzung eines Rollstuhls erfordern, in der Regel auch bei Hirnschäden, Anfallsleiden, geistiger Behinderung und Psychosen, wenn diese Behinderungen allein einen GdB von 100 bedingen sowie beim Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen, ausgenommen Unterschenkel oder Fußamputation beiderseits.
Hiervon ausgehend erfüllt der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" nicht.
Der Kläger gehört nicht zu den Personenkreis, bei denen nach den VG Teil A Nr. 4e ohne nähere Prüfung angenommen werden kann, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Insbesondere besteht beim Kläger nach dem oben Ausgeführten keine geistige Behinderung oder Psychose, die mit einem GdB von 100 zu bewerten ist.
Der Kläger bedarf auch nicht in dem dargestellten Sinn für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages dauernd fremder Hilfe. Zwar ist der Kläger nach den Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten (zum Beispiel) bei den notwendigen wöchentlichen Reinigungsarbeiten im Treppenhaus, bei Auseinandersetzungen mit Behörden und behördenähnlichen Institutionen auf gewisse Hilfe angewiesen. Der Kläger ist jedoch, wenn auch mit Mühen, nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. weitgehend selbständig, weshalb Dr. S. beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" als nicht erfüllt ansieht. Diese Ansicht entspricht auch die Ansicht von Dr. P. in seinem Gutachten, der beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" ebenfalls als nicht erfüllt ansieht. Auch Dr. Schi. und Dr. M. haben in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG übereinstimmend Hilflosigkeit des Klägers verneint. Dr. M. hat dabei bestätigt, dass der Kläger, wenn auch mit enormen zeitlichen Aufwand, gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens selbständig durchführt.
3. Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ist durch die vom SG durchgeführten Ermittlungen für den Senat geklärt. Verschlimmerungen im Gesundheitszustand des Klägers sind nicht ersichtlich. Dr. Schi. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 10.01.2011 keine Verschlimmerung genannt und Dr. M. hat in seiner in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 04.04.2011 den Gesundheitszustand des Klägers als unverändert bezeichnet. Auch sonst sieht sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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