L 9 U 5778/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1822/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5778/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1940 geborene Kläger war - nach seinen Angaben - von 1955 bis 1976 als Former in Polen und vom 1.3.1977 bis 30.4.1996 in der Bundesrepublik Deutschland bei den J. D. Werken beschäftigt. Seit 1.8.1995 bezieht er (so seine Angaben) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Mit Schreiben vom 31.7.2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, 1993 habe er beim Anheben eines ca. 55 kg schweren Kerns einen stechenden Schmerz im Rücken verspürt. Seit diesem Vorgang (Rückenschmerzen) stehe er in Behandlung. In einer Kernspinuntersuchung am 29.6.2005 sei ein Bandscheibenvorfall (Prolaps) festgestellt worden. Er beantrage deswegen die Feststellung einer BK.

Die Beklagte holte Auskünfte beim Kläger (Angaben vom 19.8.2005) ein, der den Befundbericht über die Kernspintomographie vom 29.6.2005 vorlegte, sowie bei den J. D. Werken (Angaben vom 5.10.2005) und veranlasste Ermittlungen durch ihren Präventionsdienst (Stellungnahmen von Dipl.-Ing. H. vom 7.11. und 21.11.2005), der unter anderem ausführte, der notwendige Schichtdosismindestwert von 5,5 x 106 Nh werde bei keiner der ausgeführten Arbeiten erreicht. Eine weitergehende Berechnung entfalle somit.

Mit Bescheid vom 13.12.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, bei ihm bestehe keine BK nach Nr. 2108 der BK-Liste (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule - LWS). Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Die von ihm ausgeübten Tätigkeiten hätten eine gewisse Belastung der LWS dargestellt. Für die Ermittlung der Gesamtdosis, oberhalb derer mit einer Gefährdung im Sinne der BK nach Nr. 2108 der BK-Liste zu rechnen sei, könnten jedoch nur Expositionsschichten mit einer bestimmten Beurteilungsdosis berücksichtigt werden. Die Berechnung der einzelnen Lastenhandhabungen durch den Präventionsdienst habe ergeben, dass die Belastungen wegen der geringen Zeitanteile der Hebe- und Tragevorgänge deutlich unter der Tagesschichtdosis gelegen hätten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.5.2006 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 9.6.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben und vorgetragen, die von ihm ausgeübten Tätigkeiten seien weitaus belastender gewesen, als von der Beklagten angenommen, und hätten die körperlichen Schäden hervorgerufen. Die Beklagte sei von einer falschen Tätigkeitsbeschreibung ausgegangen. Dazu hat der Kläger seine Belastungen im Einzelnen dargelegt (Schriftsätze vom 13.11.2006 und 15.5.2007).

Das SG hat zunächst den Orthopäden Dr. W. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 10.12.2006 erklärt, er habe den Kläger am 27.9.1993 und im 4. Quartal 1993 sechsmal behandelt. Dann habe er den Kläger ab 10.6.1996 regelmäßig mehrmals im Quartal bis zum 13.9.1999 behandelt. Zuletzt sei im 3. Quartal 2005 eine dreimalige Behandlung erfolgt. Er habe folgende Diagnosen gestellt: "Degenerative Veränderungen im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) und des lumbosakralen Übergangs mit rezidivierender Nervenwurzelreizung S1, Rhizarthrose beidseits, Arthrose des rechten Ellenbogengelenks mit schmerzhafter Funktionseinschränkung". Bei der Erstuntersuchung am 27.9.1993 sei von ihm eine Röntgenaufnahme der LWS angefertigt worden. Hierbei sei eine Arthrose der Zwischenwirbelgelenke L5/S1 beidseits aufgefallen, die zu einer Auftreibung der Gelenkfacetten geführt habe. Eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes L5/S1 sei nicht sehr deutlich ausgeprägt gewesen, sodass in diesem Fall in erster Linie degenerative Veränderungen in Frage kämen. Für die degenerative Entstehung spreche auch die Röntgenaufnahme der BWS, die am 10.6.1996 gefertigt worden sei und degenerative Veränderungen im Sinne der Osteochondrose sämtlicher einsehbarer Zwischenwirbelsegmente gezeigt habe. Die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls erneut angefertigte Röntgenaufnahme der LWS habe nur geringgradige Verschmälerungen der Zwischenwirbelsegmente L4/5 und L5/S1 gezeigt, bei weiterhin deutlicher Arthrose der Zwischenwirbelgelenke L5/S1 (Spondylarthrose). Zu diesem Zeitpunkt seien ebenfalls degenerative Veränderungen der darüber liegenden Segmente zu sehen gewesen mit Knochenspangen im Bereich der Seitkanten fast sämtlicher Wirbelkörper. Im radiologischen Befund von Dr. S. vom 30.6.2005 werde eine Einengung des Spinalkanals beschrieben, die durch die schon im Röntgenbild von 1993 sichtbare Spondylarthrose erklärt werden könne. Auch die (in Kopie anliegenden) Befunde von Frau Dr. K. vom 7.8.1997 und 14.4.1998 unterstützten die degenerative Entstehung der Beschwerden.

Anschließend hat das SG von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten eingeholt. Prof. Dr. C. hat in dem am 13.3.2008 beim SG eingegangenen Gutachten ausgeführt, aufgrund der typisch röntgen-morphologischen Erscheinungsform und des charakteristischen Alters gehe er davon aus, dass beim Kläger im Bereich der Wirbelsäule ein sogenannter Morbus Forestier vorliege. Hierbei handele es sich um eine diffuse idiopathische Skeletthyperostose noch nicht endgültig geklärter Ursache. Im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) seien die Segmente C2-7, im Bereich der BWS vorwiegend die unteren Segmente Th7-11 und im Bereich der LWS die Segmente L1-3 sowie zusätzlich der Wirbelkörper L4 betroffen. Weiter liege im Bereich der LWS eine bandscheibenbedingte Erkrankung in Form eines linksbetonten Bandscheibenvorfalls zwischen dem 4. und dem 5. Lendenwirbelkörper (LWK) vor, der zu der Operation im Jahr 2006 geführt habe. Infolge dieser Operation sei es zu einem Wirbelgleiten mit Versatz zwischen dem 4. und 5. LWK gekommen. Zusätzlich bestünden degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelbogengelenke L4/5 und L5/S1. Die Beurteilung beruhe auf dem kernspintomographischen Befund vom 29.5.2005, der einen Bandscheibenprolaps zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper beschreibe. Beim Kläger liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der unteren LWS vor, die entweder L4/5 oder L5/S1 oder beide Segmente befallen habe. Diese bandscheibenbedingte Erkrankung sei 2005 bildgebend diagnostiziert worden. Bereits 1997 sei nervenärztlicherseits ein chronischer Wurzelreiz S1 links diagnostiziert worden. Nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108 nicht vor. Aber selbst wenn man unterstellen würde, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorlägen, könnten die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2108 nicht bejaht werden. Wenn man unterstelle, dass bandscheibenbedingte Beschwerden im Bereich der LWS erstmals 1993 oder 1997 aufgetreten seien, so müsse man feststellen, dass dies nicht als gegenüber der altersgemäßen Norm vorauseilend anzusehen sei. Der Kläger sei zu diesem Zeitpunkt entweder 53 Jahre oder 57 Jahre alt gewesen. Damit seien die bandscheibenbedingten Beschwerden erstmals in der 6. Lebensdekade aufgetreten. Größere Statistiken zeigten, dass auch in einer beruflich nicht exponierten Normalpopulation das Gros der bandscheibenbedingten Erkrankungen in der 5. Lebensdekade auftrete. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die entsprechenden Beschwerden, die aus einer Nervenwurzelreizung resultierten, nicht nur durch den Bandscheibenvorfall L4/5 und/oder L5/S1 hervorgerufen worden seien, sondern der Nerv in seinem Verlauf in den seitlichen Ausläufern des Rückenmarkkanals und im Nervenwurzelaustrittsloch nicht nur durch den Bandscheibenvorfall, sondern durch eine degenerativ bedingte Vergrößerung der Wirbelbogengelenke und der gelben Bänder eingeengt worden sei. Die Höhe des Bandscheibenfaches L4/5 und L5/S1 sei in der Kernspintomographie-Aufnahme vom 29.6.2005 nur diskret gemindert, sodass entsprechend den Konsensempfehlungen eine Chondrose Grad II oder höher nicht vorliege. Darüber hinaus sei eine wesentliche Begleit-Spondylose nicht erkennbar. Zu diskutieren wäre eine Konstellation B2, bei der wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren und eine Begleit-Spondylose nicht vorlägen. Das zusätzliche Kriterium Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben (in diesem Fall L4/5 und L5/S1) wären erfüllt. Gegen einen Kausalzusammenhang spreche jedoch das Lebensalter beim erstmaligen Auftreten. Sollte bereits bei der Aufgabe der Tätigkeit im Jahr 1995 eine bandscheibenbedingte Erkrankung vorgelegen haben, wäre die Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit notwendig gewesen.

Nach weiteren Angaben des Klägers zu seiner Tätigkeit bei der Firma D. und Vorlage einer Stellungnahme von Herrn G., dem ehemaligen Betriebsleiter der Firma D., sowie Neuberechnung der Belastung nach dem Mainz-Dortmunder-Modell (MDD) auf der Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R (s. BSGE 99, 162 - 170 und Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - in Juris) ergab sich eine Gesamtdosis von 15,6 x 106 Nh (Stellungnahme von Dipl.-Ing.-Henke vom 30.1.2009) und damit mehr als die Hälfte des Richtwertes nach den MDD.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den Orthopäden Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 11.6.2009 ausgeführt, an der LWS zeige sich eine mindestens zweidrittlige Bewegungseinschränkung der Vorbeuge und eine vollständige Einschränkung der Rückbeugefähigkeit sowie eine über hälftige Einschränkung der Seitneige- und Seitdrehfähigkeit. Andauernde Nervenwurzelreizerscheinungen an den unteren Extremitäten in Form von Taubheitsgefühlen oder Lähmungen bzw. Nervendehnungsschmerzen seien nicht feststellbar gewesen. Anamnestisch bestünden jedoch höhergradige Verdachtsmomente auf eine Schaufensterkrankheit nicht nur durch die bekannte Gefäßerkrankung, sondern auch durch eine weiterhin bestehende Verengung des Wirbelkanals (Claudicatio spinalis) mit einer Schwäche der Oberschenkelmuskulatur beim Gehen. Hierzu passe auch die ständig leicht vornüber geneigte Körperhaltung, da durch eine Vorbeugung des Rumpfes der Wirbelkanal etwas erweitert werden könne im Vergleich zu einer aufrechten oder Hohlkreuzhaltung. Die Röntgenaufnahmen als auch die Kernspintomographie der LWS zeigten eine ausgeprägte Randzackenkrankheit vom 1. bis zum 4. Lendenwirbel. Die beiden untersten Bandscheiben wiesen degenerative Veränderungen auch im Sinne einer Dehydration (schwarze Bandscheibe/black disc) auf, allerdings sei der Zwischenwirbelraum bei L5/S1 nicht wesentlich höhengemindert und bei L4/5 nur leicht höhengemindert. Dies entspreche einer Chondrose Grad 1 (Grad 2 würde Bandscheibenverschmälerung um ein Drittel bis zur Hälfte der normierten Bandscheibenhöhe bedeuten und Grad 3 Bandscheibenverschmälerung um mehr als die Hälfte). Viel auffallender als die degenerativen Bandscheibenveränderungen seien beim Kläger die Abnutzungserscheinungen der kleinen Wirbelgelenke der beiden untersten Lendenwirbelsegmente (L4/5 und L5/S1). NachW.lich der Röntgenaufnahmen und insbesondere der kernspintomographischen Aufnahmen führten diese starken degenerativen Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke auch zu einer Einengung des Wirbelkanals bei LWK 4/5 und der Nervenaustrittslöcher. Bildgebend zeige sich darüber hinaus eine leichte, aber eindeutige Instabilität des Wirbelsäulensegments L4/5, die bereits präoperativ angedeutet zu erkennen gewesen sei (Kernspintomographie 2005) und sich postoperativ nachW.lich der aktuellen Röntgenaufnahmen verschlechtert habe. Darüber hinaus sei ein regelrecht einliegender Dübel zwischen dem Dornfortsatz des 4. und 5. Lendenwirbels nach Bandscheibenoperation 2006 in den Segmenten L4/5 und L5/S1 erkennbar.

Weiter hat Dr. W. ausgeführt, er habe beim Kläger eine chronisch einsteifende Wirbelsäulenerkrankung der HWS, BWS und LWS mit erheblicher Bewegungseinschränkung auf dem Boden einer ausgeprägten Randzackenkrankheit (Spondylose hyperostotica) sowie ein chronisches unteres LWS-Syndrom bei degenerativer Bandscheibenerkrankung L4/5 und L5/S1, degenerativem Gleitwirbel L4 über L5 und durchgeführter Bandscheibenoperation LWK5/S1 sowie eine Wirbelsegmentdekompression L4/5 im Oktober 2006 diagnostiziert. Es lägen eindeutig bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule vor. Bildgebend ließen sich eine leichte Zwischenwirbelraumverschmälerung der Bandscheibe L4/5 in den Röntgenaufnahmen sowie Dehydratationen der beiden untersten Bandscheiben L4/5 und L5/S1 in der Kernspintomographie nachW.en. Gegen eine Anerkennung einer BK 2108 spreche, dass die Bandscheibenerkrankung der LWS in den beiden unteren Wirbelsäulensegmenten zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens im 53. Lebensjahres als auch im Rahmen der kernspintomographischen Untersuchung im Jahr 2005 nur einer Chondrose 1. Grades zuzurechnen sei. Entsprechend sei keine eindeutige Linksverschiebung durch die Bandscheibenveränderungen festzustellen. Als konkurrierende Ursache liege eine ausgeprägte Randzackenkrankheit der Wirbelsäule vor, die zu einer zunehmenden Einsteifung derselben und dadurch zu einer Mehrbelastung der verbliebenen beweglichen Wirbelsäulensegmente, insbesondere der unteren LWS, geführt habe. Dies würde auch eine Erklärung für die kräftigen kleinen Wirbelgelenksarthrosen der beiden untersten LWS-Segmente liefern. Gegen eine Anerkennung der BK 2108 spreche insbesondere, dass die bandscheibenbedingten Veränderungen in den untersten beiden Wirbelsäulenabschnitten L4/5 und L5/S1 zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung 1993 gering ausgeprägt gewesen seien, ebenso 1996 und letztlich auch in der Kernspintomographie 2005 und andere Ursachen der Rückenbeschwerden im Vordergrund stünden und gestanden hätten. Dies sei die Spondylarthrose der untersten beiden LWS-Segmente, die zu einer Einengung des Wirbelkanals und der Nervenaustrittslöcher geführt habe. Seines Erachtens seien die überwiegenden Beschwerden auf diese Spondylarthrose zurückzuführen, die die altersübliche Ausprägung weit überschreite. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Berufsausübung und der Spondylarthrose sei nach dem derzeitigen medizinischen Wissensstand nicht zu bejahen.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, beim Kläger bestehe im Bereich der LWS eine Erkrankung bei L4/5 und L5/S1. Dies reiche für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 jedoch nicht aus. Prof. Dr. C. habe zutreffend ausgeführt, dass der Kläger beim erstmaligen Auftreten von Beschwerden im Bereich der LWS 53 bzw. 57 Jahre alt gewesen sei. Das erstmalige Auftreten von bandscheibenbedingten Beschwerden in der 6. Lebensdekade sei jedoch nicht als der altersgemäßen Norm vorauseilend anzusehen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die entsprechenden Beschwerden des Klägers, welche aus einer Nervenwurzelreizung resultierten, nicht durch den Bandscheibenvorfall in L4/L5 und/oder L5/S1 hervorgerufen seien, sondern der Nerv in seinem Verlauf in den seitlichen Ausläufern des Rückenmarkkanals und im Nervenwurzelaustrittsloch nicht nur durch den Bandscheibenvorfall eingeengt werde, sondern auch durch eine degenerativ bedingte Vergrößerung der Wirbelbogengelenke und der gelben Bänder. Die Höhe des Bandscheibenfaches L4/5 und L5/S1 sei, wie der Sachverständige weiter ausführe, in den Kernspintomographie-Aufnahmen vom 29.1.2005 nur als diskret gemindert erkennbar, sodass entsprechend den Konsensempfehlungen eine Chondrose Grad 2 oder höher nicht vorliege. Auch sei eine wesentliche Begleit-Spondylose nicht erkennbar. Auch wenn man das Fehlen wesentlicher konkurrierender Ursachen-Faktoren, das nicht Vorhandensein einer Begleit-Spondylose außer Betracht ließe und die arbeitstechnischen Voraussetzung unterstellte, ergebe sich trotz Vorliegens des zusätzlichen Kriteriums einer Höheminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben im Falle des Klägers kein Zusammenhang, da das Kriterium der altersgemäßen Norm vorauseilender Beschwerden nicht erfüllt sei. Auch Dr. W. sei in seinem Gutachten unter Abwägung der entsprechenden Umstände schlüssig und nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass mehr gegen als für die Annahme eines beruflich bedingten Zusammenhangs der bandscheibenbedingten Erkrankung spreche. Aus der Auskunft des Dr. W. ergebe sich kein anderes Ergebnis. Im Übrigen habe auch Dr. W. darauf hingewiesen, dass er nicht von einer beruflich bedingten, sondern eher von einer degenerativen Entstehung der Beschwerden ausgehe. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das 30.10.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.11.2009 Berufung eingelegt, mit der er die Anerkennung einer BK Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV weiter verfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 21. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuW.en.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Bei der Klage auf Feststellung einer BK 2108 handelt es sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass eine bestimmte BK nicht vorliegt, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen (BSG, Urteil vom 02. April 2009, B 2 U 30/07 R m.w.N. in juris).

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob sich der geltend gemachte Anspruch nach den Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) richtet, was bei einem Auftreten der BK spätestens im August 1995, dem Zeitpunkt der Aufgabe der Tätigkeit und dem Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente und damit vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) zum 01.01.1997 (Artikel 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII) der Fall wäre, oder nach den Vorschriften des SGB VII. Diese wären dann anzuwenden, wenn man von einem Auftreten der BK im Jahr 2005, dem NachW. des Bandscheibenvorfalls in der Kernspinuntersuchung vom 29.06.2005, ausgehen würde. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK haben sich durch die Ablösung der RVO durch das SGB VII nicht verändert.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (entsprechend § 551 Abs. 2 RVO) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 und 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.

Hierzu zählen nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein. Bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R a.a.O. und B 2 U 14/08 R a.a.O.).

Zur Ermittlung, ob die bei der beruflichen Tätigkeit aufgetretenen Belastungen geeignet sind, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS hervorzurufen, wurde das MDD erarbeitet, das auch nach der neueren Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. 11. 2008, B 2 U 14/08 R, in Juris) in den Grenzen seiner Thematik weiterhin eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur richtungW.end umschriebenen Einwirkungen darstellt. Allerdings legt das MDD selbst für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das aktuelle Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der WS-Belastung auf das MDD verW.t (BArbl 2006, Heft 10 Seite 30 ff). Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2108 sind danach zwar erfüllt, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden, doch schließt ein Unterschreiten dieser Richtwerte das Vorliegen der BK nicht von vorneherein aus (BSG, Urteil vom 31.10 2007, B 2 U 4/06 R, in Juris). Orientierungswerte sind andererseits keine unverbindlichen Größen, die beliebig unterschritten werden können. Ihre Funktion besteht in dem hier interessierenden Zusammenhang darin, zumindest die Größenordnung festzulegen, ab der die WS-belastende Tätigkeiten als potentiell gesundheitsschädlich einzustufen sind. Die Mindestbelastungswerte müssen naturgemäß niedriger angesetzt werden, weil sie ihrer Funktion als Ausschlusskriterium auch noch in besonders gelagerten Fällen, etwa beim Zusammenwirken des Hebens und Tragens mit anderen schädigenden Einwirkungen gerecht werden müssen. Bei einem Unterschreiten der Orientierungswerte in einem Ausmaß, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, ist eine BK 2108 ohne weitere Feststellung zum Krankheitsbild und zum Ursachenzusammenhang zu verneinen. Das BSG hat insofern unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der "Deutschen Wirbelsäulenstudie" (DWS) das MDD weiter entwickelt und entschieden, dass es derzeit in seiner Funktion zur Konkretisierung der für eine BK 2108 notwendigen beruflichen Einwirkungen nicht durch ein anderes, gleicher Maßen geeignetes Modell ersetzt werden kann. Allerdings ist es nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, dahingehend zu modifizieren, dass die dem MDD zu Grunde liegende Mindestdruckkraft pro Arbeitsvorgang bei Männern mit dem Wert 2700 N pro Arbeitsvorgang anzusetzen ist, auf eine Mindesttagesdosis nach dem Ergebnis der DWS zu verzichten ist, alle Hebe- und Tragebelastungen, die die Mindestbelastung um 2700 N bei Männern erreichen, entsprechend dem quadratischen Ansatz zu berechnen und aufzuaddieren sind und der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissenstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und BS-bedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen ist, auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes von 25 x 106 Nh, also auf 12,5 x 10 6 Nh herabzusetzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 18. 11. 2008, B 2 U 14/08 R, m.w.N. in juris).

Gemessen an den vorstehenden Kriterien hat der Kläger, der von 1955 bis 1976 als Former in Polen und von März 1977 bis Juli 1995 in Deutschland beschäftigt war, die Mindestbelastungsdosis, die medizinische Ermittlungen zum Krankheitsbild und zur Kausalität erforderlich macht, allein schon aufgrund seiner Tätigkeit in Deutschland erreicht bzw. überschritten. Der Senat stellt hierzu fest, dass der Kläger vom 1.3.1977 bis 31.12.1982 bei der Firma Deere als Gießereiarbeiter sowie vom 1.1.1983 bis 31.12.1988 und vom 1.1.1989 bis zum Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente bzw. der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit als Kernmacher wirbelsäulenbelastend tätig war. Unter Zugrundelegung dessen stellt der Senat weiter fest, dass sich nach den Berechnungen des Dipl.-Ing. H. vom 30.1.2009 eine Gesamtbelastungsdosis von 15,6 x 106 Nh ergab und damit der untere Grenzwert von 12,5 x 106 Nh überschritten ist.

Der Senat stellt ferner fest, dass beim Kläger zumindest seit dem Jahr 2005 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegt. Dies ergibt sich - wie Prof Dr. C. und Dr. W. übereinstimmend und nachvollziehbar dargelegt haben - aus der CT vom 29.6.2005, die Dehydrationen der beiden unteren Bandscheiben L4/5 und L5/S1 sowie einen kleinen Bandscheibenvorfall L4/5 erkennen lässt.

Nicht nachgewiesen ist dagegen für den Senat, dass im Zeitpunkt des Beginns der Erwerbsunfähigkeitsrente ab 1.8.1995 bzw. zum formellen Beschäftigungsende am 30.4.1996 eine bandscheibenbedingte Erkrankung beim Kläger vorgelegen hat. Zwar hat der Kläger am 27.9.1993 den Orthopäden Dr. W. unter anderem wegen Schmerzen im Bereich der LWS aufgesucht und wurde von diesem auch im 4. Quartal 1993 sechsmal behandelt. Danach erfolgten jedoch erst wieder Behandlungen vom 10.6.1996 bis 13.9.1999 und ab dem 3. Quartal 2005. Aus der Röntgenaufnahme vom 27.9.1993 ergab sich lediglich eine nicht sehr deutlich ausgeprägte Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes L5/S1, während eine Arthrose der Zwischenwirbelgelenke L5/S1 (Spondylarthrose) deutlich war, die zu einer Auftreibung der Gelenkfacetten geführt hat. Auch bei der Röntgenaufnahme vom 10.6.1996, nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Berufsleben, stand die Arthrose der Zwischenwirbelgelenke L5/S1 (Spondylarthrose) im Vordergrund, wobei degenerative Veränderungen der darunter liegenden Segmente zu sehen waren mit Knochenspangen im Bereich der Seitenkanten fast sämtlicher Wirbelkörper. Dagegen waren die Zwischenwirbelsegmente L4/5 und L5/S1 nur geringgradig verschmälert. Angesichts dessen ist die Beurteilung von Prof. Dr. C. nachvollziehbar und überzeugend, dass es sich hierbei um keinen der altersgemäßen Norm vorauseilenden Befund handelt, selbst wenn man unterstellen würde, es wären erstmals 1993 oder 1997 bandscheibenbedingte Beschwerden im Bereich der LWS aufgetreten. Ferner hat Prof. Dr. C. auch nicht festzustellen vermocht, dass die Tätigkeitsaufgabe im Jahr 1995 aufgrund einer bandscheibenbedingten Erkrankung notwendig war. Er hat vielmehr im Gutachten ausgeführt, dass eine Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit notwendig gewesen wäre, wenn zu diesem Zeitpunkt eine bandscheibenbedingte Erkrankung vorgelegen haben sollte. Eine solche vermag der Senat aus den von Dr. W. beschriebenen klinischen Befunden und den Röntgenbefunden aus den Jahren 1993 und 1996 ebenfalls nicht abzuleiten. Gegen eine nennenswerte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS spricht auch, dass der Kläger nach dem akuten Ereignis (Rückenschmerzen beim Heben eines 55 kg schweren Kerns) und den Behandlungen am 27.9.1993 sowie im 4. Quartal 1993 Dr. W. erst wieder ab 10.6.1996, und damit nahezu ein Jahr nach Beginn der Erwerbsunfähigkeitsrente, aufgesucht hat und danach erst wieder nach einer sechsjährigen Behandlungspause (zwischen 13.9.1999 und 3. Quartal 2005).

Ferner stellt der Senat fest, dass beim Kläger eine chronisch einsteifende Wirbelsäulenerkrankung der HWS, BWS und LWS mit erheblicher Bewegungseinschränkung auf dem Boden einer ausgeprägten Randzackenkrankheit (Spondylosis hyperostotiea) vorliegt und dass bei der Erstfeststellung bei Dr. W. im September 1993 die Arthrose der Zwischenwirbelgelenke L5/S1 beidseits im Vordergrund stand.

Die beim Kläger zumindest seit dem Jahr 2005 vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der LWS und die Verrichtung potentiell wirbelsäulenschädigender Tätigkeiten - wie beim Kläger - führt allerdings nicht dazu, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers als BK 2108 anzuerkennen wäre, weil die Erkrankung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungen zurückzuführen ist.

Nach den Konsensempfehlungen sind Grundvoraussetzungen für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhanges eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersunüblich sein muss, sowie eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufW.en muss (z.B. ausreichende Exposition vor der Erkrankung, abnehmende Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung). Bei Erfüllung dieser Grundvoraussetzungen ist eine Abwägung nach folgenden Kriterien vorzunehmen: Eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der LWS spricht eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung. Ein gleichzeitiger Befall der HWS und/oder BWS kann je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Für den Vergleich zwischen LWS und darüber gelegenen Bandscheibenabschnitten sind dabei Chondrosen und Vorfälle maßgeblich. Nicht mit Chondrosen einhergehende Spondylosen der HWS und/oder BWS haben bei gleichzeitigem Vorliegen einer altersuntypisch ausgeprägten Spondylose an der LWS keine negative Indizwirkung. Eine Aussparung der beiden unteren LWS-Segmente spricht eher gegen eine berufliche Verursachung. Über das Altersmaß hinausgehende Begleitspondylosen (Spondylosen in nicht von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten sowie in von Chondrose oder Vorfall betroffenen Segmenten, die nachgewiesenermaßen vor dem Eintritt der bandscheibenbedingten Erkrankung i.S. einer Chondrose oder eines Vorfalles aufgetreten sind), die mindestens zwei Segmente betreffen, haben eine positive Indizwirkung. Eine vorliegende Begleitspondylose hat auch eine positive Indizwirkung, wenn zwar konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar sind, diese jedoch nicht eine überragende Qualität haben. Bei beruflichen Belastungen, bei denen sich die Gefährdung hauptsächlich aus wiederholten Spitzenbelastungen ergibt, hat das Fehlen einer Begleitspondylose keine negative Indizwirkung. Bei monosegmentaler Chondrose im Röntgenbild ohne Begleitspondylose sprechen Plausibilitätsüberlegungen bei fehlenden magnetresonanztomographischen Begleitbefunden in anderen Segmenten ("black disc") eher gegen das Vorliegen einer BK, wenn das 45. Lebensjahr überschritten ist.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurden typische Fallkonstellationen (aufgelistet mit den Buchstaben A, B, C, D und E, jeweils mit Untergruppen) zusammengestellt. Bei der Mehrzahl wurde ein Konsens erzielt, ob ein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist oder nicht, bei einzelnen Konstellationen wurde ein Konsens nicht erzielt.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist Prof. Dr. C. für den Senat schlüssig und nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Belastung des Klägers und der bei ihm vorliegenden Erkrankung im Bereich der unteren LWS nicht wahrscheinlich zu machen ist. Wie Prof. Dr. C. dargelegt hat, spricht gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers, selbst wenn man unterstellt, dass bandscheibenbedingte Beschwerden im Bereich der LWS erstmals 1993 oder 1997 - und nicht erst 2005, und damit 10 Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben - aufgetreten sind, dass dies nicht als der altersgemäßen Norm vorauseilend anzusehen ist, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt 53 bzw. 57 Jahre alt und damit in der 6. Lebensdekade war. Statistiken zeigen, dass auch in einer beruflich nicht exponierten Normalpopulation das Gros der bandscheibenbedingten Beschwerden in der 5. Lebensdekade auftritt. Darüber hinaus ist beim Kläger zu berücksichtigen, dass die Beschwerden, die aus einer Nervenwurzelreizung resultieren, nicht nur durch den Bandscheibenvorfall L4/5 und/oder L5/S1 hervorgerufen wurden - der auch erst im Jahr 2005 festgestellt wurde -, sondern dadurch, dass der Nerv in seinem Verlauf in den seitlichen Ausläufern des Rückenmarkkanals und im Nervenaustrittsloch durch die degenerativ bedingte Vergrößerung der Wirbelgelenke und der gelben Bänder eingeengt wird.

Die Beurteilung von Prof. Dr. C. wird durch die Beurteilung von Dr. W. bestätigt. Aus seiner Sicht spricht gegen einen Kausalzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den bandscheibenbedingten Veränderungen das Lebensalter des Klägers beim Auftreten erstmaliger Beschwerden, zumal die Bandscheibenveränderungen den alterstypischen Veränderungen nicht wesentlich voranschritten und auch im Jahr 2005 lediglich eine Chrondrose ersten Grades feststellbar war. Ferner liegt als konkurrierende Ursache eine ausgeprägte Randzackenkrankheit der Wirbelsäule vor, die zu einer zunehmenden Einsteifung der Wirbelsäule und dadurch zu einer Mehrbelastung der verbliebenen beweglichen Wirbelsäulensegmente, insbesondere der unteren LWS, geführt hat. Dies könnte auch die Entstehung der kräftigen kleinen Wirbelgelenksarthrose der beiden untersten LWS-Segmente erklären. Im Vordergrund für die Beschwerden des Klägers sieht er die Spondylarthrose der untersten beiden LWS-Segmente, die zu einer Einengung des Wirbelkanals und der Nervenaustrittslöcher geführt hat und die altersübliche Ausprägung weit überschreitet, wie sich schon aus den von Dr. W. beschriebenen Befunden aus den Jahren 1993 und 1996 ergibt.

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV. Die Berufung musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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