L 10 KR 22/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 1 KR 90063/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 22/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 14. Februar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine operative Brustkorrektur zu gewähren hat.

Die 1977 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 6. März 2003 beantragte sie die Kostenübernahme für eine Brustkorrektur durch Implantate. Dies sei wegen einer seit der Kindheit bestehenden Trichterbrust rechts in Verbindung mit einer unterschiedlichen Größe der Brüste erforderlich. Die Trichterbrust sei nicht mehr operativ korrigierbar. Sie fügte ein Schreiben des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 17. Juni 2002 bei. Darin ist die Diagnose psychische Belastungsreaktion bei erlebter Organminderung angegeben. Die Klägerin sei bedrückt–ängstlich, leide sehr an der Deformation des Brustkorbs (Trichterbrust) und der Größenminderung der Mammae, die Vitalempfindungen seien depressiv verändert und es bestehe ein erheblicher Leidensdruck. Aus psychiatrischer Sicht werde daher die Korrektur empfohlen. Weiter fügte sie ein Schreiben des plastischen Chirurgen Dr. N. bei, der eine Mammaasymmetrie rechts/ links bei geringgradiger Trichterbrust angab. Eine Mammaoperation sei sicherlich zu empfehlen, es stelle sich aber die Frage der Kostenübernahme.

Im Auftrag der Beklagten fertigte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) am 1. April 2003 ein Gutachten, nach welchem die Klägerin in ihrer Jugend ein unterschiedliches Brustwachstum bemerkt habe. Sie habe unter Essstörungen und Depressionen gelitten, sei in der Schule und während der Berufsausbildung gehänselt worden und habe ihre jeweiligen Lehren daher abgebrochen. Kleidungsstücke mit Ausschnitt könne sie nicht tragen, baden gehe sie nur im T-Shirt und sie müsse dumme Bemerkungen über sich ergehen lassen. Auch in der Partnerschaft habe sie Probleme. Eine Berührung ihrer Brüste wünsche sie nicht. Nach der Trennung sei sie jeweils "ins Gerede" gekommen. Obwohl sie bereits mit 18 Jahren bei Dr. S. vorstellig geworden sei, habe sie das Problem der unterschiedlichen Brustgrößen erstmals 2002 vorbringen können. Selbst vor Ärzten habe sie Probleme sich auszuziehen und sei daher trotz des Wunsches nach der Brustoperation nicht zum Arzt gegangen. Zur Zeit trage sie Konfektionsgröße 36/38 und die rechte Brust fülle das Körbchen selbst bei einer BH-Größe von 75 A derzeit nicht aus. Sie wünsche wenigstens Körbchengröße B. Der MDK diagnostizierte ebenfalls eine Trichterbrust und eine Mammaasymmetrie. Die Brüste seien beidseits angelegt. Es bestehe keine Ptosis, keine Stauungskongenstion, keine Mastodynie. Der Brustumfang über dem Mammillen betrage 82 cm, ebenso der Brustumfang oberhalb der Mammae. Unterhalb der Mammae betrage der Brustumfang 75 cm, der Bauchumfang betrage 71,5 cm und der Hüftumfang 87,5 cm. Bei der Trichterbrust sei die rechte Thoraxseite weniger gewölbt als die linke. Die bestehende Mammaasymmetrie zu Gunsten der linken Seite werde durch die Fehlbildung des knöchernen Thoraxes optisch deutlich verstärkt. Durch eine Korrekturoperation werde allerdings die Asymmetrie der Mammae zu Gunsten der rechten Seite ausschlagen, das eigentliche Problem der ungleich entwickelten Brüste würde dadurch eher verstärkt werden. Die Ursache der Asymmetrie liege in der Trichterbrust, die nach Aussagen eines Chirurgen nicht operativ korrigiert werden könne. Die im Vordergrund der Problematik stehende psychische Alteration der Klägerin sei mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Daher könne eine Kostenübernahme nicht empfohlen werden.

Gegen den daraufhin ergangenen ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 4. April 2003 legte die Klägerin am 2. Mai 2003 Widerspruch ein und führte aus, sie wolle nicht nur die rechte Seite der Brust durch ein Silikonimplantat korrigieren lassen, sondern beide Seiten, so dass sich im Gesamtbild ein vollerer und symmetrischer Busen ergebe. Auch ihre Gynäkologin sei inzwischen zu der Auffassung gelangt, dass ihre physischen und psychischen Probleme nur durch eine Operation behoben werden könnten. Die Verschreibung starker Hormonpräparate habe keine Besserung gebracht. Die Depressionen gingen mit starken Kopfschmerzen einher und die durch die Trichterbrust bedingte buckelartige Fehlhaltung mit nach vorne hängenden Schultern und daraus resultierenden Beschwerden an der Brustwirbelsäule mit einer zusätzlich disharmonisch proportionierten Brust stelle für sie eine quälende seelische Belastung dar. Trotz der psychiatrischen Behandlung müsse sie ständig Antidepressiva und Schmerztabletten einnehmen, ohne dass sich an der grundlegenden Symptomatik der Fehlbildung dadurch etwas ändere.

Der MDK fertigte unter dem 11. August 2003 durch den Facharzt für Chirurgie M. erneut ein Gutachten, der bei der körperlichen Untersuchung feststellte, dass die Drüsenkörper beidseits angelegt, wenngleich deutlich hypoplastisch seien. Es sei nachvollziehbar, dass nach Ausschöpfen der Psychotherapie das Grundproblem nicht behoben sei, während ein Facharzt für Plastische Chirurgie eine suffiziente Behandlungsmöglichkeit sehe. Da es aber nicht um die Korrektur der Trichterbrust sondern allein um eine Mammaaufbauplastik gehe, sei im Wege einer Einzelfallentscheidung durch einen Psychiater zu prüfen, ob die Operation aus psychiatrischen Gründen indiziert sei. Daher erfolgte am 28. August 2003 eine erneute Untersuchung beim MDK durch die Psychiaterin Dr. K., die ausführte, die Anomalien im Bereich der Körperform begründeten keine funktionellen Defizite. Die Operation habe daher lediglich kosmetische Aspekte. Aus psychiatrischer Sicht könne die Kostenübernahme nicht empfohlen werden, da es sich bei den geschilderten Störungen des Selbstwertgefühls und gelegentlicher Gehemmtheit bei sozialen Kontakten um eine Anpassungsstörung handele. Symptome einer Depression oder Psychosomatose seien nicht festzustellen. Die nervenfachärztliche Behandlung sei bisher sehr sporadisch erfolgt und eine medikamentöse Behandlung finde derzeit nicht statt. Daher solle eine ambulante psychotherapeutische Behandlung mit dem Ziel der Stärkung des Selbstwertgefühls angestrebt werden.

Gegen den darauf gestützten ablehnenden Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19. September 2003 hat die Klägerin am 20. Oktober 2003 Klage erhoben. Sie hat sich insbesondere auf ihre psychische Erkrankung berufen und hierzu nochmals ein Attest von Dr. S. vom 30. Juni 2003 beigefügt. Dieser hat ausgeführt, die bisherigen therapeutischen Bemühungen hätten keinen ausreichenden Erfolg gebracht, die Klägerin neige inzwischen zunehmend zu Rückzugstendenzen und phobischen Verhaltensweisen. Sie leide außerdem unter Kopfschmerzen, depressiven Verstimmungen und multiplen psychosomatischen Beschwerden. Dies stehe in einem ursächlichen Zusammenhang mit ihren Minderwertigkeitsgefühlen im Rahmen einer Anomalie im Thoraxbereich mit Trichterbrust und asymmetrischen kleinen Mammae. Eine operative Korrektur der Brüste zur optischen Harmonisierung der thorakalen Dysplasie sei aus psychiatrischer Sicht gerechtfertigt und eine wichtige Voraussetzung für die Wiederherstellung des psychischen Gleichgewichts. Zudem hat die Klägerin ein Attest ihrer Gynäkologin vom 16. Januar 2003 beigefügt, die ausgeführt hat, es handele sich um eine ausgeprägte Mammaasymmetrie, bei der rechts fast eine Amastie vorliege. Dies führe zu einer erheblichen psychischen Beeinträchtigung. Hinzu komme eine angedeutete Trichterbrust. Aus gynäkologischer Sicht werde die Operation befürwortet.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten der Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Prof. Dr. M. vom 2. April 2007 eingeholt. Die Gutachterin hat ausgeführt, bei der mittelgradigen Ausprägung der Trichterbrust handele es sich um eine bogenförmige Einziehung des unteren Anteils des Brustkorbes. Dieser sei nur einseitig und dadurch auffälliger als bei symmetrischer Fehlbildung. Herz- oder Lungenprobleme seien nicht aufgetreten. Durch die Zurücksetzung der rechten Thoraxhälfte wirke auch die mindere Entwicklung der rechten Brust gegenüber der linken wesentlich stärker. Die Brustwandfehlbildung sei außerdem mit einer kyphoskoliotischen Fehlhaltung der Wirbelsäule und erheblicher Rundrückenbildung mit stark vorfallenden Schultern kombiniert. Die Klägerin befinde sich in einem Zustand subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung. Durch einen Implantataufbau der Brüste mit unterschiedlichen Prothesengrößen für rechts und links könne ein gutes optisches Bild erzielt werden. Bezüglich der Trichterbrust sei eine chirurgische Intervention nicht angezeigt. Durch eine operative Korrektur der Brüste sei mit einer psychischen Stabilisierung der Klägerin unbedingt zu rechnen. Alternative therapeutische Maßnahmen seien der Gutachterin nicht bekannt. Bei der Trichterbrust und der dadurch optisch noch wesentlich verstärkten Hypoplasie handele es sich nicht um einen Zustand im menschlichen Normbereich, sondern um einen regelwidrigen Körperzustand. Bei flüchtigem Betrachten habe die Klägerin ein geradezu ideales Erscheinungsbild. Erst bei näheren Kontakten und intimen Beziehungen würden ihre "Gebrechen" offensichtlich. Durch Spott und Hänseleien seit der Pubertät habe sie nie das Selbstbewusstsein entwickelt, mit ihren mäßigen Missbildungen umzugehen. Sie habe ihre Abwehrhaltung gesteigert und sich in Furcht, Ängsten und Misstrauen geflüchtet. Ihre Teilhabe am Leben sei auf unterschiedlichen Ebenen stark gestört. Nach einer Operation müsse zur Korrektur der schweren Fehlhaltung der Wirbelsäule eine physiotherapeutische Behandlung mit Muskel- und Haltungstraining eingeleitet werden. Die Gutachterin hat ein Foto des unbekleideten Oberkörpers der Klägerin beigefügt.

Hierzu hat der MDK ausgeführt, im Gegensatz zu den Angaben der Gutachterin verfüge die Klägerin über eine ausreichende soziale Kompetenz, da sie in der Lage sei, ein autonomes Leben zu führen mit mehreren Partnerschaften, in denen es auch zu intimen Kontakten gekommen sei. Auch zum Begutachtungszeitpunkt habe die Klägerin wieder in einer Partnerschaft gelebt. Eine psychiatrische Behandlung habe nur sehr unregelmäßig stattgefunden, eine psychotherapeutische Behandlung zur Verbesserung von Selbstwertgefühl, Vermeidung von sozialem Rückzug und der depressiven Verstimmung sei nicht durchgeführt worden. In der Begutachtung im August 2003 habe die Klägerin dargestellt, das Problem mit ihrer Brust sei weniger vom jeweiligen Partner als Problem angesehen worden als in erster Linie von ihr selbst. Eine emotionale Nachreifung und Stärkung der Ich-Funktion könne mit psychiatrischen und psychotherapeutischen Mitteln erreicht werden. Die Beklagte hat sich diese Ausführungen zu eigen gemacht.

Das Sozialgericht Stendal hat mit Urteil vom 14. Februar 2008 den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die Kosten für eine Krankenhausbehandlung zur operativen Korrektur der Mammakonturen der Klägerin zu übernehmen. In Auswertung der ärztlichen Beschreibungen, des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens und der Inaugenscheinnahme der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sei das erkennende Gericht zu der Einschätzung gelangt, der diagnostizierte Befund der Trichterbrust mit Hypoplasie der rechten Brust sowie kyphoskoliotischer Fehlhaltung mit ausgeprägter Rundrückenbildung habe entstellende Wirkung. Zwar seien die anatomischen Abweichungen bei lockerer Oberbekleidung oder wenn die Klägerin ihren BH mit Hilfsmitteln ausfülle nicht zu erkennen, es könne der Klägerin aber auch bei der Freizeitgestaltung, insbesondere beim Baden und Sporttreiben in der Öffentlichkeit nicht zugemutet werden, die Wirkungen der Entstellung zu ertragen oder sich dieser Freizeitgestaltung zu enthalten. Da die Beeinträchtigung durch die extreme Auffälligkeit und nicht durch eine krankhafte Fehlverarbeitung bedingt sei, könne ihr auch nicht erfolgreich durch eine psychologische Betreuung entgegengewirkt werden.

Gegen das der Beklagten am 3. April 2008 zugestellte Urteil hat diese noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, der Körperzustand der Klägerin weiche nicht augenscheinlich vom Leitbild bzw. der Norm eines gesunden Menschen erheblich ab. Ein regelwidriger Zustand oder irgendeine Auffälligkeit sei nicht zu erkennen, so dass nicht nachvollziehbar sei, warum sich die Klägerin nicht frei unter Menschen bewegen könne. Als kosmetische Angelegenheit sei eine Aufbauplastik keine Kassenleistung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 14. Februar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich auf die erstinstanzlichen

Entscheidungsgründe:

und ihren bisherigen Vortrag berufen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand des Verfahrens gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Gerichtsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Stendal ist aufzuheben und die Klage abzuweisen, da die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Brustoperation hat.

Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Vorschrift ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert zu. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgericht vgl. nur Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, zitiert nach juris, m.w.N.).

Bei der Klägerin geht es nicht darum, ob der bei ihr vorliegenden Trichterbrust, die nach den Aussagen der Ärzte ihre Körperfunktionen nicht beeinträchtigt, Krankheitswert im Rechtssinne zukommt. Denn eine (operative) Behandlung der Trichterbrust steht nicht im Streit.

Den Brüsten der Klägerin kommt weder im Hinblick auf ihre Form noch wegen ihrer Größe oder einer gegebenenfalls vorliegenden Asymmetrie Krankheitswert zu. Die Klägerin ist durch ihre Brüste nicht in einer Körperfunktion beeinträchtigt. Eine Funktionsbeeinträchtigung der Brust der Klägerin ist weder vorgetragen, noch lässt sie sich den ärztlichen Feststellungen entnehmen. Schließlich würde die begehrte Brustvergrößerungsoperation nicht dazu beitragen können, Funktionsmängel gegebenenfalls zu erkennen, zu beheben, zu verhüten oder zu lindern.

Eine äußerliche Entstellung der Klägerin, die den Bedarf nach einer Mammaoperation begründen könnte, sieht der Senat nicht. Eine solche ergibt sich weder aus der Form und Größe ihrer Brüste, noch aus der vorliegenden geringfügigen Asymmetrie, auch wenn deren Erscheinungsbild durch die Trichterbrust verstärkt wird. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Es muss sich vielmehr objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen oder zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG, 28. Februar 2008 – B 1 KR 19/07 R, Rdnr. 13, zitiert nach juris, m.w.N). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Unter diesen Aspekten ist eine Entstellung z. B. für das Fehlen des natürlichen Kopfhaares bei einer Frau, bei einer Wangenarthrophie oder bei Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert worden (vgl. BSGE 93, 252 = SozR 4-2500, § 27 Nr. 3). Bei der Fehlanlage eines Hodens hat das BSG eine Entstellung nicht einmal erwogen (vgl. BSGE 82, 158, 163 f. = SozR 3-2500, § 39 Nr. 5). Bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage sowie bei einer Asymmetrie der Brüste hat das Bundessozialgericht eine Entstellung unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust abgelehnt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500, § 27 Nr. 3; sowie Urteil vom 28. Februar 2008 a.a.O.).

Hinsichtlich der entstellenden Wirkung konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild davon machen, dass die Klägerin im bekleideten Zustand in keiner Weise auffällig erscheint. Reaktionen von Mitmenschen sind im Hinblick auf ihr äußeres Erscheinungsbild in Bezug auf ihren gesamten Brustkörper nicht zu erwarten. Offensichtlich ist die Klägerin in der Lage, die vorhandene, aber nach Auffassung des Senats nur geringgradig ausgeprägte Anomalie im Brustbereich mittels herkömmlicher Konfektionskleidung vollständig zu kaschieren. Auch die Gutachterin Prof. Dr. M. hat ausgeführt, die Klägerin stelle bei flüchtiger Betrachtung eine geradezu ideale Erscheinung dar und die Klägerin selbst hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, in bekleidetem Zustand keine Probleme wegen ihrer Brust zu haben. Sie habe auch keine Probleme in ihrem Beruf. Nach den zitierten Ausführungen des Bundessozialgerichts bleibt danach für eine Entstellung schon kein Raum mehr.

Der Senat konnte sich darüber hinaus durch die von der Gutachterin Prof. Dr. M. sowie die im Termin auf dem mitgebrachten Netbook gezeigten Ablichtungen des Oberkörpers der Klägerin in unbekleidetem Zustand auch ein Bild davon machen, dass sowohl die Trichterbrust rechts als auch die Asymmetrie der Brüste mit einer kleineren rechten Brust optisch nur geringgradig ausgeprägt sind. Selbst im unbekleideten Zustand wirken nach Auffassung des Senats weder die Hypoplasie der Mammae noch ihre Asymmetrie entstellend, sondern lediglich als Unregelmäßigkeit. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens mit der geringgradigen Trichterbrust. Selbst Prof. Dr. M. spricht lediglich von einer mäßigen Fehlbildung. Das geringe Maß der Unregelmäßigkeit wird schon daran deutlich, dass diese mittels konfektionierter Bekleidung so weitgehend kaschiert werden kann, dass sie nicht erkennbar ist. Daher geht der Senat auch davon, dass die Klägerin selbst in Badebekleidung, zumindest wenn diese im Brustbereich entsprechend unterfüttert ist, keine auffällige, die Blicke anderer auf sich ziehende Erscheinung ist. Die Teilhabe der Klägerin am Leben in der Gesellschaft ist aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes unter keinem Gesichtspunkt, auch nicht im Hinblick auf ihren beruflichen Werdegang oder ein erfülltes Sexualleben gefährdet. Diesbezüglich hat die Klägerin gegenüber der Gutachterin des MDK Dr. K. bei der körperlichen Untersuchung am 28. August 2008 angegeben, sie habe guten Kontakt mit Bekannten und Freunden, verbringe auch mit diesen ihre Freizeit und habe bereits mehrere Partner - auch mit Intimkontakten - gehabt. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegebenen Partnerschaftsprobleme auf ihr äußeres Erscheinungsbild zurückzuführen sind. Wenn die Klägerin sich in Gegenwart ihres Partners nicht ausziehen und von ihm nicht berühren lassen will, beschreibt sie damit möglicherweise psychische Probleme, die mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln sind. Denn das objektiv vorliegende Erscheinungsbild entspricht einer natürlichen Normvariante, die aus Sicht eines objektiven Betrachters keine besonderen Reaktionen ihrer Lebens- und Sexualpartner erwarten lässt. Allenfalls unter diesem Gesichtspunkt könnte der Senat zu der Annahme einer Entstellung gelangen. Die Klägerin hat aber in dem Gespräch mit der Gutachterin des MDK Dr. K. am 28. August 2008 selbst erkannt, dass nicht die Partner ihre Brust als Problem angesehen, sondern nur sie selbst. Einem erfüllten Sexualleben der Klägerin steht daher nicht ihr äußeres Erscheinungsbild entgegen, sondern allenfalls ihr eigener Umgang damit.

Die von der Klägerin angegebenen Hänseleien in Schule und Beruf sind objektiv aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes in keiner Weise nachvollziehbar, so dass der Senat davon überzeugt ist, dass gegebenenfalls erfolgte Hänseleien jedenfalls nicht auf das äußere Erscheinungsbild der Klägerin zurückzuführen sind. In der mündlichen Verhandlung hat sie solche bezogen auf den bekleideten Zustand auch nicht mehr angegeben.

Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt ebenfalls keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können psychische Leiden einen Anspruch auf eine Operation zum Brustaufbau nicht begründen (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008, a.a.O). Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung. Soll durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen werden, um dadurch eine Erkrankung mittelbar zu therapieren, kann ein solcher Eingriff grundsätzlich nur als letztes Mittel unter Abwägung von Art und Schwere der Erkrankung, Dringlichkeit der Intervention, dem durch die Therapie zu erwartenden Nutzen sowie ihren Risiken und möglichen Folgekosten in Betracht gezogen werden. Allein zur Behandlung eines psychischen Leidens kommt ein solcher Eingriff nicht in Betracht, denn einerseits hat die Krankenkasse nach ihrer begrenzten Aufgabenstellung nicht alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zum anderen wird durch einen solchen Eingriff nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen und die Erfolgsaussichten von Operationen zu Überwindung einer psychischen Krankheit sind im Hinblick auf die mit einer solchen Operation verbundenen Risiken nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse derzeit nicht hinreichend belegt.

Andere als psychische Leiden sind mit der Form, Größe oder Asymmetrie der Brüste der Klägerin nicht verbunden. Die Fehlhaltung der Wirbelsäule mit Rundrückenbildung und vorfallenden Schultern ist nicht durch die Brust bedingt, sondern beruht – falls keine orthopädische Ursache vorliegt – allenfalls auf dem psychisch bedingten mangelnden Selbstbewusstsein der Klägerin und ist daher ebenfalls mit psychotherapeutischen und ggf. orthopädischen und physiotherapeutischen Mitteln zu behandeln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 1 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
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