L 4 KR 113/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 257/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 113/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. März 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zahlung von Mutterschaftsgeld.

Die am ...1968 geborene Klägerin war vom 18.02. bis 10.09. 1995 über ihren Ehemann (Student) bei der Beklagten familienversichert. Mit Aufnahme der Erwerbstätigkeit als Gymnasiallehrerin im Angestelltenverhältnis im Anschluss an die Referendartätigkeit (Beamtin auf Widerruf) am 11.09.1995 wurde sie Mitglied der Beklagten und arbeitete bis 12.12.1995, bezog aber Arbeitsentgelt bis 31.12.1995. Aufgrund der Bescheinigung des Frauenarztes Dr ... vom 20.12.1995, der als Tag der voraussichtlichen Entbindung den 24.01.1996 angab, beantragte die Klägerin am 15.01.1996 Mutterschaftsgeld. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18.01.1996 mit, dass die zeitlichen Voraussetzungen für das Mutterschaftsgeld nicht erfüllt seien. Die Klägerin sei in der Rahmenfrist vom 24.03.1995 bis 23.10.1995 nicht mindestens 12 Wochen Mitglied gewesen bzw. habe nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Es bestehe lediglich ein Anspruch auf einmaliges Entbindungsgeld in Höhe von 150,- DM. Die Entbindung fand am 28.01.1996 statt.

Die Beklagte erteilte der Klägerin am 12.03.1996 eine weitere schriftliche Auskunft. Die Klägerin legte am 09.04.1996 "Widerspruch" gegen die Schreiben vom 18.01. und 12.03.1996 ein, mit dem sie geltend machte, ein Leistungsmissbrauch sei nicht gegeben, da sie seit 25.03.1996 wieder als Gymnasiallehrerin tätig sei. Sie habe aufgrund des Mutterschutzes einen Verlust an Arbeitsentgelt erlitten. Die in der gesetzlichen Regelung enthaltene Wartezeit diskriminiere schwangere Frauen und enthalte einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, den Schutz von Ehe und Familie sowie gegen das Diskriminierungsverbot des Europäischen Gemeinschaftsrechts.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29.04.1996 unter Bezugnahme auf ihre bisherigen Schreiben vom 18.01. und 12.03.1996 den Antrag auf Mutterschaftsgeld ab. Die Klägerin legte auch hiergegen Widerspruch ein, mit dem sie erneut die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung und den Verstoß gegen EG-Recht geltend machte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.1996 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Wartezeit könne nur durch eine eigene Mitgliedschaft, nicht jedoch durch eine Familienversicherung erfüllt werden. Die Klägerin sei innerhalb der Rahmenfristen vom 24.03.1995 bis 23.10.1995 bzw. 28.03.1995 bis 27.10.1995 nicht mindestens 12 Wochen Mitglied der Beklagten gewesen. Die Kasse sei in ihrem Verwaltungshandeln als Leistungsträger der gesetzlichen Krankenversicherung an die bestehenden Rechtsgrundlagen gebunden. Eine Beurteilung, inwieweit gesetzliche Bestimmungen verfassungsgemäß seien, stehe ihr als Verwaltungsorgan nicht zu.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 14.08.1996 beim Sozialgericht München (SG) geltend gemacht, sie habe die für die Zeit von Dezember 1995 bis einschließlich Februar 1996 irrtümlich erhaltenen Bezüge an die Bezirksfinanzdirektion München zurückzahlen müssen. Aufgrund dieser damals gewährten Leistungen habe ihr Sozialhilfe nicht zugestanden. Es habe auch ein Anspruch auf Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld nicht bestanden. Von einem Leistungsmissbrauch könne nicht die Rede sein, da sie während des laufenden Schuljahres im Anschluss an ihre zweite Staatsprüfung (Lehramtsassessorin) eine frühere Anstellung beim Freistaat Bayern nicht habe erhalten können. Sie sei mit ihrer Familie auf das Arbeitsentgelt angewiesen gewesen. Die Leistungsablehnung benachteilige sie gegenüber berufsanfangenden Frauen und Männern, verstoße gegen den Schutz von Ehe und Familie sowie die Förderungspflicht des Staates gegenüber Familien und enthalte außerdem einen Verstoß gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft aufgrund der Benachteiligung durch die Schwangerschaft.

Das SG hat mit Urteil vom 12.03.1998 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die gesetzlich geforderte Wartezeit durch eine eigene Mitgliedschaft oder durch ein Arbeitsverhältnis. An der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung und Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft, bestünden keine Zweifel. Die Wartezeit innerhalb der Rahmenfrist solle verhindern, dass Mutterschaftsgeld aufgrund bloß kurzer, unter Umständen nur mit dem Ziel des Leistungsbezuges begründeter Arbeitsverhältnisse gezahlt werde. Dieses gesetzgeberische Motiv berechtige jedoch nicht zu der Annahme, dass auf die Wartezeit verzichtet werden könne, wenn - wie im Falle der Klägerin - von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Mutterschaftsgeldes nicht auszugehen sei. Der Gesetzgeber könne den Leistungsanspruch vielmehr allgemein an bestimmten Vorversicherungs- und Wartezeiten knüpfen. Auch sei der Gesetzgeber nicht gehalten, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 16.07. 1998, mit der sie an ihrem bisherigen Vorbringen festhält. Sie sei insbesondere gegenüber berufsanfangenden Männern diskriminiert, da diese ab Geburt eines Kindes einen erhöhten Ortszuschlag erhielten. Sie dagegen habe während der gesamten Mutterschutzzeit kein Geld erhalten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.03.1998 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 29.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Mutterschaftsgeld für den Zeitraum sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Julius Benjamin zu zahlen, hilfsweise dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob § 200 Abs.1 RVO in der bis 31.12.1999 geltenden Fassung mit den Normen über das Verbot der Diskriminierung von Frauen im Einklang steht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten sowie die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.000,- DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG i.V.m. § 200 Abs.2 Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat, wie das SG und die Beklagte zutreffend entschieden haben, keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld gemäß § 200 Abs.1 RVO (aF).

Nach dieser früheren (mittlerweile zum 01.01.2000 geänderten) Vorschrift in der Fassung des Art.5 Nr.4 Gesetz vom 20.12.1988 (BGBl. I 2477) erhalten weibliche Mitglieder, die bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld haben oder denen wegen der Schutzfrist nach § 3 Abs.2 und 6 Abs.1 des Mutterschutzgesetzes kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, Mutterschaftsgeld, wenn sie vom Beginn des 10. bis zum Ende des vierten Monats vor der Entbindung mindestens 12 Wochen Mitglieder waren oder in einem Arbeitsverhältnis standen. Die gleichfalls das Mutterschaftsgeld regelnde Vorschrift des § 13 Abs.1 Mutterschutzgesetz, die auf die obengenannte Vorschrift der RVO verweist, hat demgegenüber nur deklaratorische Bedeutung (Bundessozialgericht vom 09.11.1977 BSGE 45, 114).

Die Klägerin war im Zeitpunkt des Versicherungsfalls Mitglied der Beklagten. Der Versicherungsfall beginnt mit der besonderen Schutzbedürftigkeit der werdenden Mutter, d.h. sechs Wochen vor der mutmaßlichen Entbindung mit dem Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs.2 Mutterschutzgesetz (BSG vom 29.04.1971 BSGE 32, 270; BSG vom 22.04.1986 USK 8609 m.w.N. auf die ständige Rechtsprechung). In der besonderen Schutzbedürftigkeit der werdenden Mutter vor und nach der Entbindung, beginnend mit der Schutzfrist nach § 3 Abs.2 Mutterschutzgesetz, liegt der Versicherungsfall für das Mutterschaftsgeld. Die Klägerin war schon vor diesem Zeitpunkt Mitglied der Beklagten.

Sie hatte auch mit Beginn des Versicherungsfalles als Mitglied der Beklagten Anspruch auf Krankengeld (§§ 44 f. Sozialgesetzbuch V). Denn sie war als Gymnasiallehrerin im Angestelltenverhältnis versicherungspflichtig beschäftigt und befand sich nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.

Die Klägerin erfüllt aber nicht die Wartezeit des § 200 Abs.1 RVO (aF) Für die Berechnung der Rahmenfrist (Beginn des 10. bis zum Ende des 4. Monats vor der Entbindung) ist vom Tag der Entbindung auszugehen. Wird vor dem Geburtstermin Mutterschaftsgeld beantragt, so ist der mutmaßliche Entbindungstag maßgeblich, der im Zeugnis des Arztes oder der Hebamme bestimmt ist (§ 200 Abs.3 Satz 3 RVO). Abweichend hiervon wird in der Verwaltungspraxis im Sinne einer Günstigkeitsregelung die Rahmenfrist unter Zugrundelegung des tatsächlichen Entbindungstages neu bestimmt, wenn die Wartezeit unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Entbindungstages nicht erfüllt war. Im vorliegenden Fall errechnet sich die Wartefrist unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Entbindungstages vom 24.03.1995 bis 23.10.1995 und unter Berücksichtigung des Tages der tatsächlichen Entbindung vom 28.03.1995 bis 27.10.1995. In beiden Fristen lag weder eine Mitgliedschaft noch ein Arbeitsverhältnis der Klägerin von mindestens zwölf Wochen vor. Damit ist ein Anspruch auf das Mutterschaftsgeld gemäß § 200 Abs.1 RVO (aF) nicht gegeben.

Der Senat hat keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung der Wartezeit. Die Klägerin wird nicht in gleichheitssatzwidriger Weise benachteiligt gegenüber anderen Schwangeren, die Sozialhilfe beziehen oder gegenüber männlichen Lehrern im Beamtenverhältnis, die mit Geburt des Kindes einen Ortszuschlag erhalten. Gemäß Art.3 Abs.1 Grundgesetz (GG) sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin (Art.3 Abs.2 GG). Niemand darf wegen seines Geschlechts ... benachteiligt oder bevorzugt werden (Art.3 Abs.3 Satz 1 GG). Der Schutzbereich des Art.3 Abs.1 GG ist betroffen, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Darüber hinaus liegt ein Verstoß auch in der Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Die Prüfung des Gleichheitssatzes setzt also den Vergleich zweier Sachverhalte voraus. Eine Ungleichbehandlung setzt u.a. voraus, dass die beiden Vergleichsfälle in den Kompetenzbereich der handelnden Stelle fallen. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden. Der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen konkretem Zuständigkeitsbereich. Damit ist der Gleichheitssatz bezüglich der Lehrer, die einen Ortszuschlag erhalten, der sich u.a. nach der Zahl der Kinder orientiert, nicht verletzt. Denn die Besoldung der Beamten richtet sich nach Landesrecht, während die streitige Norm der RVO Bundesrecht ist.

Es wird nicht verkannt, dass die Klägerin gegenüber einer Lehrerin, die Mutterschaftsgeld nicht erhält und deswegen Leistungen der Sozialhilfe bezieht, benachteiligt war, da sie das irrtümlich ausgezahlte Gehalt zurückzahlen musste. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch nicht willkürlich (Art.3 Abs.1 GG) gewesen. Denn die Klägerin war im Zeitraum der nach dem letzten Arbeitstag erfolgten Gehaltszahlungen offensichtlich nicht bedürftig im Sinne des Sozialhilferechts (§§ 1 Abs.2, 2.Abs.1 Bundessozialhilfegesetz ). Ob eine Bedürftigkeit mit der Verpflichtung zur Rückzahlung des Gehalts eingetreten ist, ist hier nicht zu prüfen. Selbst wenn der Senat eine Bedürftigkeit unterstellt, hätte die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen Anspruch auf Sozialhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften des BSHG gehabt.

Die Tatsache, dass die Klägerin aus dienstlichen und organisatorischen Gründen nicht früher eingestellt werden konnte und damit auch nicht die Wartezeit erfüllen konnte, führt nicht zu einer Ungleichbehandlung. Denn dies ist eine Frage der persönlichen Lebensplanung der Klägerin und der Organisation der staatlichen Schulverwaltung des Landes. Diese Umstände haben jedoch nichts mit einer angeblichen Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber zu tun. Ebenso wenig liegt eine geschlechtliche Benachteiligung der Klägerin vor. Sie wird im Gegenteil als mögliche Leistungsempfängerin durch die Vorschriften zum Schutze der Mutterschaft durch den Gesetzgeber begünstigt (Jarass/ Pieroth, GG, 3. Auflage, Art.3, Rn 58, 61). Eine derartige Begünstigung ist durch den Schutz von Ehe und Familie gerechtfertigt (Art.6 Abs.4 GG).

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die vom Gesetzgeber eingeführte Wartezeit im Verhältnis zu anderen leistungsrechtlichen Normen nicht willkürlich. Der Gesetzgeber braucht im konkreten Fall nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, es genügt vielmehr, wenn sich irgendein sachlich vertretbarer zureichender Grund anführen lässt. Er ist grundsätzlich frei, die Merkmale als Vergleichspaar zu wählen, an denen er Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung orientiert. Er hat also eine weite Gestaltungsfreiheit. Als Differenzierungsgrund kommt grundsätzlich jede vernünftige Erwägung in Betracht, wobei eine objektive Betrachtung geboten ist. Eine zulässige Erwägung bzw. ein zulässiger Differenzierungsgrund kann nicht nur im eigentlichen Zweck der betreffenden Regelung liegen, sondern auch in der Praktikabilität der Regelung, in finanziellen Gesichtspunkten, insbesondere bei Leistungsgesetzen, oder in der Grundkonzeption bzw. dem System des betreffenden Regelungsbereichs (Jarass/Pieroth, a.a.O., Rn. 11 bis 13 mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Unter diesen Voraussetzungen ist die Wartezeit in der hier anzuwendenden Fassung des § 200 Abs.1 RVO nicht willkürlich. Das Mutterschaftsgeld nach dieser Vorschrift hat Lohnersatzfunktion; es soll in erster Linie die wirtschaftliche Versorgung berufstätiger Mütter sicherstellen (BSG vom 03.06.1981 SozR 2200 § 200 Nr.6; BSG vom 10.10.1978 BSGE 47, 71). Die Wartezeit soll verhindern, dass Mutterschaftsgeld aufgrund bloßer kurzer, unter Umständen nur mit dem Ziel des Leistungsbezugs begründeter Arbeitsverhältnisse gezahlt wird (BSG vom 25.06.1991 SozR 3-2200 § 200 Nr.2). Die zeitliche Bestimmung der Wartezeit, d.h. die Bestimmung darüber, welche Dauer eines Arbeitsverhältnisses in welchem zeitlichen Rahmen als Leistungsvoraussetzung festzusetzen ist, liegt im gesetzgeberischen Ermessen. Der Gesetzgeber hatte mit der Leistungsvoraussetzung der Wartezeit eine sachlich vertretbare Regelung geschaffen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin einen Leistungsmissbrauch beabsichtigt hat. Er ging offensichtlich mit der früheren Regelung des § 200 Abs.1 RVO auch davon aus, dass Mitglieder der Krankenkasse die Entgeltersatzleistung erst dann erhalten sollen, wenn sie für eine gewisse Zeit Beiträge gezahlt haben.

In der Wartzeitregelung liegt auch kein Verstoß gegen den Schutz von Ehe und Familie (Art.6 GG). Ehe und Familie stehen demnach unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung (Art.6 Abs.1 Grundgesetz), jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft (Art.6 Abs.4 GG). Auch wenn der Staat somit die Pflicht hat, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit aber grundsätzlich selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe und Familie verwirklichen will. Da aus Art.6 Abs.1 GG noch keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen erwachsen, ist der Gesetzgeber schon deswegen frei in der Gestaltung der Leistungen. Hierbei steht die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann. Der Staat ist nicht verpflichtet, jegliche die Familie treffende finanzielle Belastung auszugleichen (Jarass/Pieroth, a.a.O., Art.6 GG, Rn.10, 11 m.w.N. auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Im vorliegenden Fall ist zudem zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für den Fall der Mutterschaft zahlreiche Regelungen des Mutterschutzes geschaffen hat, deren finanzielle Lasten auf mehrere Kostenträger (Bund, gesetzliche Krankenversicherung, Arbeitgeber) verteilt sind. Weder aus Art.6 Abs.1 noch aus Art.6 Abs.4 GG lässt sich jedoch eine konkrete Vorgabe für den Gesetzgeber ableiten, was im Einzelnen Gegenstand der Schutz- und Fürsorgepflicht der Gemeinschaft gegenüber der Mutter ist und welche wirtschaftlichen oder zeitlichen Belastungen durch die konkreten gesetzliche Regelungen auszugleichen sind. Es genügt vielmehr, dass der Gesetzgeber in verschiedenen Vorschriften des Arbeits-, Dienst-, Sozial- und Steuerrechts einen wirksamen Mutterschutz vorgesehen hat. Dass die Klägerin an der Inanspruchnahme einer dieser Leistungen scheitert, führt noch nicht zur Verfassungswidrigkeit dieser Regelung.

Zwar fehlt in der Neufassung des § 200 Abs.1 RVO die Wartezeit (vgl. Abs.11 Gesetz vom 22.12.1999 BGBl I 2626). Diese Vorschrift des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 ist aber erst auf Versicherungsfälle ab 01.01.2000 anwendbar. Die Begründung des Gesetzgebers, dass angesichts der heutigen Arbeitsmarktsituation die Gefahr des Rechtsmissbrauchs durch eine junge schwangere Arbeitnehmerin ausscheidet, spricht für die Absicht, das Erfordernis der Wartezeit nicht rückwirkend entfallen zu lassen.

Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass die von der Klägerin angegriffene Regelung gegen Art.119 EWG-Vertrag (EGV) verstößt. Danach wird jeder Mitgliedsstaat während der ersten Stufe den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten. Im vorliegenden Fall ist jedoch eine Benachteiligung der Klägerin bei Zahlung des Arbeitsentgelts nicht zu prüfen; streitig ist nur das Mutterschaftsgeld.

Da der Senat keine Zweifel an der Auslegung dieser Vorschrift hat, kommt insoweit eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht in Betracht (Art.177 Abs.2, 8 EGV bzw. Art.234 Abs.2, 3 EGV nF; vgl. Borchhardt in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1999, V., Rdnr.32, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG), zumal hier die Anwendung früheren Rechts streitig ist.
Rechtskraft
Aus
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