Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 195/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 131/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.04.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Befreiung von Eigenanteilen und Zuzahlungen zur zahnärztlichen Behandlung im Jahr 1998.
Der am 1943 geborene Kläger ist nicht buchführungspflichtiger Landwirt. Er beantragte am 14.04.1998 bei der Beklagten die Befreiung von Zuzahlungen unter Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 1996 und eines Schriftsatzes aus einem Verfahren vor dem Landgericht Memmingen bezüglich der Höhe seines Einkommens.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.05.1998 einen Härtefall mit der Begründung ab, das monatliche Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt überschreite die Einkommensgrenze. Im Jahr 1998 liege eine unzumutbare Belastung vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt 1.736,00 DM nicht überschritten würden. Die Einkommensgrenze erhöhe sich beim ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 651,00 DM; die persönliche Härtefallgrenze betrage somit im Jahr 1998 2.387,00 DM. Die monatlichen Bruttoeinnahmen, die sich aus dem Wirtschaftswert errechneten (3.927,33 DM), lägen über dieser Härtefallgrenze. Wegen des Nachweises von Sonderausgaben seien Einnahmen aus Vermietung nicht angerechnet worden. Die Beklagte sicherte mit Bescheid vom 19.05.1998 für den geplanten Zahnersatz einen Festzuschuss von 2.643,00 DM zu.
Auf den gegen den Bescheid vom 11.05.1998 eingelegten Widerspruch erläuterte die Beklagte mit Schreiben vom 25.06.1998 ein weiteres Mal die Ermittlung des Einkommens aus Land- und Fortwirtschaft ab 01.01.1995 auf Grund des modifizierten Wirtschaftswertes multipliziert mit einem Berechnungsfaktor. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Der Klägerbevollmächtigte machte mit Schreiben vom 17.09.1998 geltend, wegen der steuerrechtlichen Regelung sei auch krankenversicherungsrechtlich ein Abzug von Schulden und dauernden Lasten vorzunehmen, wenn es sich um Betriebsausgaben handle; die Beklagte habe die Belastungen des Klägers (Lohnzahlungen, Sozialversicherungsbeiträge) in Höhe von 22.931,00 DM zu berücksichtigen sowie Unterhaltsleistungen für das nicht eheliche Kind und die Pflegeheimkosten für die Mutter des Klägers.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.09.1998 eine Kostenerstattung für die kieferorthopädische Behandlung sowie eine zusätzliche Kostenbeteiligung am Zahnersatz ab. Sie wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.1998 den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Befreiung von Zuzahlungen und Eigenanteilen könne nicht erfolgen wegen Fehlens einer unzumutbaren Belastung. Bei Landwirten, deren Gewinn aus Land- und Fortwirtschaft nach § 13a Einkommensteuergesetz ermittelt werde, sei als Arbeitseinkommen der sich aus § 32 Abs.6 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ergebende Wert anzusetzen. Der danach maßgebende Beziehungswert orientiere sich am Wirtschaftswert und am außerbetrieblichen Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung (Bundessozialgericht Urteil vom 23.10.1996 - 4 RLw 4/96) habe entschieden, dass die Einkommensermittlung gemäß § 32 Abs.6 ALG nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz, verstoße. Unter Berücksichtigung des Wirtschaftswertes des landwirtschaftlichen Unternehmens von 28.140,00 DM ergebe sich nach Multiplikation mit dem Beziehungswert ein Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft von 47.128,00 DM. Hieraus errechne sich ein monatlicher Betrag von 3.927,33 DM. Bei dem Arbeitseinkommen aus Land- und Fortwirtschaft könnten auf Grund der eindeutigen gesetzlichen Vorgabe der Berechnungsbasis Betriebsausgaben, sonstige Verbindlichkeiten und Zahlungsverpflichtungen nicht berücksichtigt werden. Die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt überstiegen die persönliche Härtefallgrenze, eine Befreiung im Rahmen der Härtefallregelung sei daher nicht möglich. Auf Grund des monatlichen Bruttoeinkommens von 3.927,33 DM abzüglich der persönlichen Härtefallgrenze von 2.387,00 DM ergebe sich ein Betrag von 1.540,33 DM und nach Berücksichtigung eines Multiplikators von 3 eine unzumutbare Eigenbelastung von 4.620,99 DM. Auf Grund der Zahnersatzanträge sei jeweils ein Festzuschuss von 452,00 DM bzw. 2.643,00 DM festgestellt worden. Da die zumutbare Eigenbelastung die jeweiligen Festzuschüsse erheblich überschreite, könne keine zusätzliche Kostenbeteiligung erfolgen. Die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zur Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet hätten, gehöre nicht zur zahnärztlichen Behandlung. Da der Kläger die vom Gesetzgeber festgelegte Altersgrenze bereits erheblich überschritten habe und auch Ausnahmeregelungen nicht greifen würden, scheide ein Anspruch im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung aus.
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 17.12.1998 klargestellt, er werde das Klageverfahren betreiben, soweit hier die Härtefallregelung betroffen bzw. zu klären sei, ob das Einkommen des Klägers ausreiche, um die beantragten Zuzahlungen weiterhin abzulehnen.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 02.12.1998 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, das SG habe als Beweis für das Vorliegen eines Härtefalles ein Fachgutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen einzuholen. Fiktive Einkünfte dürften nicht als Berechnungsmaßstab angewendet werden. Nach dem Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 1996 habe er ein zu versteuerndes Einkommen von 9.450,00 DM erwirtschaftet. Die Beklagte hat in der Stellungnahme vom 23.06.1999 den Widerspruchsbescheid insofern berichtigt, als sie auf Grund der Verordnung zur Ermittlung des Arbeitseinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 (AELV 1998) den Beziehungswert mit 1,674784 und den danach festgesetzten korrigierten Wirtschaftswert mit 47.128,00 DM - das sind monatlich 3.927,33 DM - angegeben hat. Da nach den Angaben des Klägers dessen Sohn nicht im gemeinsamen Haushalt wohne, könnte die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung von 459,00 DM monatlich von den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt abgezogen werden. Dies bedeute allerdings auch, dass sich die persönliche Härtefallgrenze um einen Angehörigen reduziere, weil das Kind mit dem Kläger nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Unter Berücksichtigung der anrechenbaren verminderten Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt von 3.468,33 DM (3.927,33 abzüglich 459,00 DM) und der geänderten persönlichen Bemessungsgrenze von 1.736,00 DM werde die Härtefallgrenze auch weiterhin erheblich überschritten. Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 17.06.1999 bestätigt, dass der Kläger seinem Sohn und dessen Mutter einen Teil des Hauses zur Verfügung stelle, aber ein ständiger gemeinsamer Wohnsitz in einer Wirtschaftsgemeinschaft nicht bestehe.
Die Beklagte hat in der weiteren Stellungnahme vom 03.09.1999 noch einmal die Berechnung des Arbeitseinkommens aus der Landwirtschaft erläutert und den Wirtschaftswert mit 28.140,00 DM sowie nach der Multiplikation mit dem Beziehungswert von 1,674784 einen korrigierten Wirtschaftswert von 47.128,00 DM, monatlich von 3.927,33 DM ermittelt.
Das SG hat mit Urteil vom 26.04.2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf vollständige Befreiung von Zuzahlungen, da eine unzumutbare Belastung nicht vorliege. Das Einkommen des Klägers aus der Landwirtschaft liege im Jahr 1998 sowie in den Folgejahren über dieser Grenze. Sein Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft werde auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt, die sich aus dem Wirtschaftswert und dem fünfjährigen Durchschnitt der Gewinne der für den Agrarbericht der Bundesregierung ausgewerteten landwirtschaftlichen Testbetriebe ergäben und sich danach unterscheiden würden, welches außerbetriebliche Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen der landwirtschaftliche Unternehmer erzielt habe. Von dem danach ermittelten monatlichen Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft von 3.927,33 DM sei der Unterhalt für den Sohn von 459,00 DM abzuziehen, so dass sich ein monatliches Einkommen von 3.468,33 DM errechne. Demgegenüber stehe die Härtefallgrenze von 1.736,00 DM für den allein lebenden Kläger. Auch für die Jahre 1999 und 2000 liege das Einkommen des Klägers aus Land - und Forstwirtschaft über der Härtefallgrenze. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Ermittlung des Einkommens bei nicht buchführenden Landwirten mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Gleichheitssatz, vereinbar. Es handle sich um eine sachgerechte Methode der Ermittlung des Einkommens, wobei der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht verpflichtet sei, jede erwägenswerte Fallgestaltung zu regeln. Er dürfe auch eine Regelung generalisieren, typisieren und pauschalieren, sofern die damit verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten nur bei einer verhältnismäßig kleiner Zahl von Personen aufträten und der Gleichheitsgrundsatz nicht wesentlich verletzt sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Festsetzung eines höheren Zuschusses zum 1998 eingegliederten Zahnersatz. Die Beklagte habe den Zuschuss zutreffend mit 2.643,00 DM errechnet. Ein erhöhter Festzuschuss gemäß der Bonusregelung für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne sei dem Kläger nicht zu gewähren gewesen. Auch die Übernahme eines anteiligen Betrages zusätzlich zum Festzuschuss sei auf Grund der Höhe des klägerischen Einkommens nicht möglich.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 20.10.2000, mit der der Klägerbevollmächtigte wieder geltend macht, wenn, wie im vorliegenden Fall, das geringere Einkommen des Klägers durch ein Fachgutachten festgestellt sei, müsse vom tatsächlichen Einkommen ausgegangen werden. Nach § 32 Abs.1 bis 3 ALG seien die erzielten positiven Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes heranzuziehen. Es seien hierbei die Milchgeldbescheide und die Leistungen an die Sozialversicherungsträger zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung der Beihilfe zur Berufsausbildung des Sohnes des Klägers werde im BAB-Bescheid das Einkommen mit monatlich 1.424,33 DM in Ansatz gebracht. Die Einkommensermittlung könne aber nicht so gravierend und grundlegend verschieden erfolgen, es müsse vielmehr ein einheitlicher Bewertungsmaßstab gefunden werden.
Die Beklagte hat schließlich in den Stellungnahmen vom 10.04.2001 und 09.05.2001 noch einmal darauf hingewiesen, dass die Einkommensermittlung allein nach § 32 Abs.6 ALG zu erfolgen habe. Gegen diese Berechnungsweise bestünden nach der Rechtsprechung des BSG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Kläger habe sich gegen die genaue Ermittlung der tatsächlichen Einnahmen im Wege der Buchführung aus steuerlichen Gründen bewusst entschieden. Es sei daher nicht einzusehen, weshalb er nicht auch entsprechend der eindeutigen gesetzlichen Regelung die Konsequenzen seiner Entscheidung im Bereich der Krankenversicherung tragen solle.
Der Klägerbevollmächtigte stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 26.04.2000 und der Bescheide vom 11.05.1998 und 25.09.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.1998 zu verurteilen, den Kläger von den Eigenanteilen und Zuzahlungen zur zahnärztlichen Behandlung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie bedarf nicht der Zulassung, da die geltend gemachte Befreiung von Zuzahlungen wiederkehrende Leistungen betrifft (Bundessozialgericht (BSG) vom 29.01.1981 BSGE 51, 147); das SG hat im angefochtenen Urteil über die Befreiung von Zuzahlungen für die Jahre 1998, 1999 und 2000 entschieden. Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet.
Es ist im vorliegenden Fall entgegen dem SG nur über die vollständige und teilweise Befreiung gemäß §§ 61, 62 Abs.2 a Sozialgesetzbuch V (SGB V) für das Jahr 1998 zu befinden. Denn die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden nur über diese Leistungen für dieses Jahr entschieden, und der Kläger hat auch keinen anderen Antrag gestellt. Anderenfalls läge eine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG vor, die nicht sachdienlich ist, da für die Folgejahre noch Ermittlungen durchzuführen sind und der Rechtsstreit daher nicht entscheidungsreif ist.
Gemäß § 8 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) vom 20.12.1988 (BGBl. I S.2477) in Verbindung mit § 61 Abs.1 SGB V hat die Krankenkasse Versicherte von der Zuzahlung zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln, Hilfsmitteln sowie zu stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen nach § 23 Abs.4, §§ 24, 40 Abs.2 oder 41 zu befreien (Nr.1) und bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu dem Festzuschuss nach § 30 Abs.1 einen Betrag in gleicher Höhe zu übernehmen (Nr.2) ..., wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden. Gemäß § 61 Abs.2 Nr.1 SGB V, der nach Lage des Falles hier allein in Betracht kommt, liegt eine unzumutbare Belastung vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht überschreiten. Dieser Vomhundertsatz erhöht sich gemäß § 62 Abs.4 SGB V für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v.H. und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Im Jahre 1998 machten 40 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV 1.736,00 DM aus.
Unter Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt nach dieser Vorschrift sind die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienenden persönlichen Einnahmen der Versicherten einschließlich der gesetzlichen Abzüge zu verstehen. Es kommt nicht darauf an, dass die Einnahmen tatsächlich zum Lebensunterhalt verwendet werden; ausreichend ist, dass sie dem Lebensunterhalt zu dienen geeignet sind (Kasseler Kommentar - Höfler, § 61 SGB V, Rdnr.7 m.w.N.). In Betracht kommen daher Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie allgemeine Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und andere Einnahmen. § 15 Abs.2 SGB IV sieht vor, dass bei Landwirten, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EstG) ermittelt wird, als Arbeitseinkommen der sich aus § 32 Abs.6 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ergebende Wert anzusetzen ist. Das Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft dieser Landwirte wird auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt, die sich aus dem Wirtschaftswert und dem mehrjährigen Durchschnitt der Gewinne bestimmter Testbetriebe ergeben (Kasseler Kommentar - Seewald, § 15 SGB IV, Rdnr.7).
Nach dieser gesetzlichen Vorschrift in der Fassung vom 15.12.1995 (BGBl.I 1814), die vom 01.01.1996 bis 31.12.1999 gegolten hat, wird das Arbeitseinkommen aus der Land- und Forstwirtschaft nach Abs.5 auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt, die 1. sich aus dem Wirtschaftswert und dem fünfjährigen Durchschnitt der Gewinne der für den Agrarbericht der Bundesregierung ausgewerteten landwirtschaftlichen Testbetriebe ergeben; dabei sind die mit steigendem Wirtschaftswert sich verändernde Ertragskraft je DM Wirtschaftswert und die bei zusätzlicher außerbetrieblicher Berufstätigkeit unterschiedliche Ertragskraft zu berücksichtigen und 2. sich nach in der Vorschrift näher beschriebenen Gruppen unterscheiden. Zur Gruppe 1 gehören Betriebe, deren Unternehmer nach § 1 Abs.2 oder Abs.4 Satz 4 ein außerbetriebliches Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen bis zu einem Sechstel der Bezugsgröße des Jahres erzielt hat, auf das für das außerbetriebliche Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen abzustellen ist.
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Berechnungen der Beklagten unzutreffend sind und der Kläger hat dies auch nicht geltend gemacht. Es ist also davon auszugehen, dass, wie die Beklagte in den gerichtlichen Verfahren mehrmals ausgeführt hat, der Wirtschaftswert der Land- und Forstwirtschaft des Klägers 28.140,00 DM beträgt. Der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers wird nach § 32 Abs.6 ALG wegen des außerbetrieblichen Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommens der Gruppe 1 zugeordnet. Daraus ergibt sich aus der Anlage 1 der AELV 1998 ein Beziehungswert von 1,674784. Auf Grund der Multiplikation des Wirtschaftswertes mit diesem Beziehungswert errechnet sich ein korrigierter Wirtschaftswert von 47.128,00 DM, monatlich also ein Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft von 3.927,33 DM. Es kann hier offen bleiben, ob die so ermittelten monatlichen Bruttoeinnahmen gemäß § 61 Abs.2 i.V.m. Abs.4 SGB V um 15 v.H. der monatlichen Bezugsgröße zu erhöhen sind. Daraus ergäbe sich eine Anhebung der Belastungsgrenze von 1.736,00 DM auf 2.387,00 DM. Wie die Beklagte in ihrem Schreiben vom 23.06.1999 an das SG dargelegt hat, folgt aus der Behauptung, dass der Sohn des Klägers mit ihm nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnt, ein Abzug der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 459,00 DM monatlich von den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt sowie eine Verringerung der persönlichen Härtefallgrenze um einen Angehörigen. Unter Berücksichtigung der anrechenbaren verminderten Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (3.927,33 DM - 459,00 DM = 3.468,33 DM) und der geänderten persönlichen Bemessungsgrenze (50 v.H. der monatlichen Bezugsgröße von 4.340,00 DM) wird die Härtefallgrenze auch weiterhin erheblich überschritten. Wegen der gesetzlich vorgegebenen Einkommensermittlung ist die Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens sinnlos.
Die Anwendung dieser Vorschriften führt also dazu, dass der Kläger wegen Fehlens einer unzumutbaren Belastung keinen Anspruch auf vollständige Befreiung für die Zuzahlung nach § 61 Abs.1 Nr.1 SGB V sowie die Erhöhung des Festzuschusses bei der Versorgung mit Zahnersatz gemäß § 61 Abs.1 Nr.2 SGB V hat.
Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung begegnet die Ermittlung des Bruttoeinkommens des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft nach § 15 Abs.2 SGB IV i.V.m. § 32 ALG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das BSG hat mit Urteil vom 29.06.2000 (SozR 3-2600 § 97 Nr.2) im Anschluss an seine bisherige ständige Rechtssprechung (BSG vom 23.10.1996 4 RLv 4/96; BSG vom 08.10.1998 SozR 3-5868 § 32 Nr.1; BSG vom 08.10.1998 B 10/4 LW 10/96 R; BSG vom 08.10.1998 B 10 LW 6/97 R) für Recht erkannt, dass diese pauschale Einkommensermittlungsmethode insbesondere, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Grundgesetz - GG -) verstößt. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Lebenssachverhalte er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Außerhalb dieses Bereichs lässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehend Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang gleich oder verschieden zu behandeln. Soweit sich der Kläger mit Landwirten vergleicht, deren Gewinn vom Finanzamt nach Maßgabe des § 4 Abs.1 oder 3 EStG ermittelt oder gemäß § 162 Abgabenordnung geschätzt wird, ist ihm entgegenzuhalten, dass derartige wirklichkeitsnahe Feststellungen in seinem Fall gerade fehlen. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehalten, die Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittssätzen auch im Sozialrecht anzuerkennen. Denn diese steuerliche Gewinnermittlungsmethode hat Subventionscharakter (BSG vom 29.06.2000 m.w.N.). Er musste auch nicht regeln, dass das tatsächliche Einkommen von nicht buchführungspflichtigen Landwirten individuell zu ermitteln sei. Dies hätte für die betroffenen Versicherungsträger einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeutet. Die Beklagte und das SG haben den Kläger auch zutreffend darauf hingewiesen, dass er nach Maßgabe des § 13a Abs.2 EstG eine andere, an seine tatsächlichen Verhältnissen orientierte steuerrechtliche Gewinnermittlungsmethode wählen kann, womit eine Anwendung des § 15 Abs.2 SGB IV i.V.m. § 32 Abs.6 ALG entfällt. Ebensowenig kann von einem Verstoß gegen Art.6 GG (Ehe und Familie) die Rede sein; denn der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit grundsätzlich selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe und Familie verwirklichen will. Damit erwachsen aus Art.6 Abs.1 GG noch keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen (Jarass/Pieroth, GG, Art.6, Rn.10 m.w.N.).
Zu Recht hat die Beklagte auch die Leistung nach § 62 Abs.2a SGB V (teilweise Befreiung) abgelehnt, da der Festzuschuss nach § 30 Abs.1 SGB V den maßgebenden Differenzbetrag (multipliziert mit 3) zwischen den monatlichen Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt (§ 61 SGB V) und der danach maßgebenden Einnahmegrenze nicht übersteigt. Die genaue Berechnung ist aus dem Widerspruchsbescheid ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Befreiung von Eigenanteilen und Zuzahlungen zur zahnärztlichen Behandlung im Jahr 1998.
Der am 1943 geborene Kläger ist nicht buchführungspflichtiger Landwirt. Er beantragte am 14.04.1998 bei der Beklagten die Befreiung von Zuzahlungen unter Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 1996 und eines Schriftsatzes aus einem Verfahren vor dem Landgericht Memmingen bezüglich der Höhe seines Einkommens.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11.05.1998 einen Härtefall mit der Begründung ab, das monatliche Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt überschreite die Einkommensgrenze. Im Jahr 1998 liege eine unzumutbare Belastung vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt 1.736,00 DM nicht überschritten würden. Die Einkommensgrenze erhöhe sich beim ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 651,00 DM; die persönliche Härtefallgrenze betrage somit im Jahr 1998 2.387,00 DM. Die monatlichen Bruttoeinnahmen, die sich aus dem Wirtschaftswert errechneten (3.927,33 DM), lägen über dieser Härtefallgrenze. Wegen des Nachweises von Sonderausgaben seien Einnahmen aus Vermietung nicht angerechnet worden. Die Beklagte sicherte mit Bescheid vom 19.05.1998 für den geplanten Zahnersatz einen Festzuschuss von 2.643,00 DM zu.
Auf den gegen den Bescheid vom 11.05.1998 eingelegten Widerspruch erläuterte die Beklagte mit Schreiben vom 25.06.1998 ein weiteres Mal die Ermittlung des Einkommens aus Land- und Fortwirtschaft ab 01.01.1995 auf Grund des modifizierten Wirtschaftswertes multipliziert mit einem Berechnungsfaktor. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Der Klägerbevollmächtigte machte mit Schreiben vom 17.09.1998 geltend, wegen der steuerrechtlichen Regelung sei auch krankenversicherungsrechtlich ein Abzug von Schulden und dauernden Lasten vorzunehmen, wenn es sich um Betriebsausgaben handle; die Beklagte habe die Belastungen des Klägers (Lohnzahlungen, Sozialversicherungsbeiträge) in Höhe von 22.931,00 DM zu berücksichtigen sowie Unterhaltsleistungen für das nicht eheliche Kind und die Pflegeheimkosten für die Mutter des Klägers.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.09.1998 eine Kostenerstattung für die kieferorthopädische Behandlung sowie eine zusätzliche Kostenbeteiligung am Zahnersatz ab. Sie wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.1998 den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Befreiung von Zuzahlungen und Eigenanteilen könne nicht erfolgen wegen Fehlens einer unzumutbaren Belastung. Bei Landwirten, deren Gewinn aus Land- und Fortwirtschaft nach § 13a Einkommensteuergesetz ermittelt werde, sei als Arbeitseinkommen der sich aus § 32 Abs.6 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ergebende Wert anzusetzen. Der danach maßgebende Beziehungswert orientiere sich am Wirtschaftswert und am außerbetrieblichen Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung (Bundessozialgericht Urteil vom 23.10.1996 - 4 RLw 4/96) habe entschieden, dass die Einkommensermittlung gemäß § 32 Abs.6 ALG nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz, verstoße. Unter Berücksichtigung des Wirtschaftswertes des landwirtschaftlichen Unternehmens von 28.140,00 DM ergebe sich nach Multiplikation mit dem Beziehungswert ein Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft von 47.128,00 DM. Hieraus errechne sich ein monatlicher Betrag von 3.927,33 DM. Bei dem Arbeitseinkommen aus Land- und Fortwirtschaft könnten auf Grund der eindeutigen gesetzlichen Vorgabe der Berechnungsbasis Betriebsausgaben, sonstige Verbindlichkeiten und Zahlungsverpflichtungen nicht berücksichtigt werden. Die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt überstiegen die persönliche Härtefallgrenze, eine Befreiung im Rahmen der Härtefallregelung sei daher nicht möglich. Auf Grund des monatlichen Bruttoeinkommens von 3.927,33 DM abzüglich der persönlichen Härtefallgrenze von 2.387,00 DM ergebe sich ein Betrag von 1.540,33 DM und nach Berücksichtigung eines Multiplikators von 3 eine unzumutbare Eigenbelastung von 4.620,99 DM. Auf Grund der Zahnersatzanträge sei jeweils ein Festzuschuss von 452,00 DM bzw. 2.643,00 DM festgestellt worden. Da die zumutbare Eigenbelastung die jeweiligen Festzuschüsse erheblich überschreite, könne keine zusätzliche Kostenbeteiligung erfolgen. Die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zur Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet hätten, gehöre nicht zur zahnärztlichen Behandlung. Da der Kläger die vom Gesetzgeber festgelegte Altersgrenze bereits erheblich überschritten habe und auch Ausnahmeregelungen nicht greifen würden, scheide ein Anspruch im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung aus.
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 17.12.1998 klargestellt, er werde das Klageverfahren betreiben, soweit hier die Härtefallregelung betroffen bzw. zu klären sei, ob das Einkommen des Klägers ausreiche, um die beantragten Zuzahlungen weiterhin abzulehnen.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 02.12.1998 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, das SG habe als Beweis für das Vorliegen eines Härtefalles ein Fachgutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen einzuholen. Fiktive Einkünfte dürften nicht als Berechnungsmaßstab angewendet werden. Nach dem Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 1996 habe er ein zu versteuerndes Einkommen von 9.450,00 DM erwirtschaftet. Die Beklagte hat in der Stellungnahme vom 23.06.1999 den Widerspruchsbescheid insofern berichtigt, als sie auf Grund der Verordnung zur Ermittlung des Arbeitseinkommens aus der Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 (AELV 1998) den Beziehungswert mit 1,674784 und den danach festgesetzten korrigierten Wirtschaftswert mit 47.128,00 DM - das sind monatlich 3.927,33 DM - angegeben hat. Da nach den Angaben des Klägers dessen Sohn nicht im gemeinsamen Haushalt wohne, könnte die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung von 459,00 DM monatlich von den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt abgezogen werden. Dies bedeute allerdings auch, dass sich die persönliche Härtefallgrenze um einen Angehörigen reduziere, weil das Kind mit dem Kläger nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Unter Berücksichtigung der anrechenbaren verminderten Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt von 3.468,33 DM (3.927,33 abzüglich 459,00 DM) und der geänderten persönlichen Bemessungsgrenze von 1.736,00 DM werde die Härtefallgrenze auch weiterhin erheblich überschritten. Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 17.06.1999 bestätigt, dass der Kläger seinem Sohn und dessen Mutter einen Teil des Hauses zur Verfügung stelle, aber ein ständiger gemeinsamer Wohnsitz in einer Wirtschaftsgemeinschaft nicht bestehe.
Die Beklagte hat in der weiteren Stellungnahme vom 03.09.1999 noch einmal die Berechnung des Arbeitseinkommens aus der Landwirtschaft erläutert und den Wirtschaftswert mit 28.140,00 DM sowie nach der Multiplikation mit dem Beziehungswert von 1,674784 einen korrigierten Wirtschaftswert von 47.128,00 DM, monatlich von 3.927,33 DM ermittelt.
Das SG hat mit Urteil vom 26.04.2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf vollständige Befreiung von Zuzahlungen, da eine unzumutbare Belastung nicht vorliege. Das Einkommen des Klägers aus der Landwirtschaft liege im Jahr 1998 sowie in den Folgejahren über dieser Grenze. Sein Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft werde auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt, die sich aus dem Wirtschaftswert und dem fünfjährigen Durchschnitt der Gewinne der für den Agrarbericht der Bundesregierung ausgewerteten landwirtschaftlichen Testbetriebe ergäben und sich danach unterscheiden würden, welches außerbetriebliche Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen der landwirtschaftliche Unternehmer erzielt habe. Von dem danach ermittelten monatlichen Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft von 3.927,33 DM sei der Unterhalt für den Sohn von 459,00 DM abzuziehen, so dass sich ein monatliches Einkommen von 3.468,33 DM errechne. Demgegenüber stehe die Härtefallgrenze von 1.736,00 DM für den allein lebenden Kläger. Auch für die Jahre 1999 und 2000 liege das Einkommen des Klägers aus Land - und Forstwirtschaft über der Härtefallgrenze. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Ermittlung des Einkommens bei nicht buchführenden Landwirten mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Gleichheitssatz, vereinbar. Es handle sich um eine sachgerechte Methode der Ermittlung des Einkommens, wobei der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht verpflichtet sei, jede erwägenswerte Fallgestaltung zu regeln. Er dürfe auch eine Regelung generalisieren, typisieren und pauschalieren, sofern die damit verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten nur bei einer verhältnismäßig kleiner Zahl von Personen aufträten und der Gleichheitsgrundsatz nicht wesentlich verletzt sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Festsetzung eines höheren Zuschusses zum 1998 eingegliederten Zahnersatz. Die Beklagte habe den Zuschuss zutreffend mit 2.643,00 DM errechnet. Ein erhöhter Festzuschuss gemäß der Bonusregelung für eigene Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne sei dem Kläger nicht zu gewähren gewesen. Auch die Übernahme eines anteiligen Betrages zusätzlich zum Festzuschuss sei auf Grund der Höhe des klägerischen Einkommens nicht möglich.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 20.10.2000, mit der der Klägerbevollmächtigte wieder geltend macht, wenn, wie im vorliegenden Fall, das geringere Einkommen des Klägers durch ein Fachgutachten festgestellt sei, müsse vom tatsächlichen Einkommen ausgegangen werden. Nach § 32 Abs.1 bis 3 ALG seien die erzielten positiven Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes heranzuziehen. Es seien hierbei die Milchgeldbescheide und die Leistungen an die Sozialversicherungsträger zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung der Beihilfe zur Berufsausbildung des Sohnes des Klägers werde im BAB-Bescheid das Einkommen mit monatlich 1.424,33 DM in Ansatz gebracht. Die Einkommensermittlung könne aber nicht so gravierend und grundlegend verschieden erfolgen, es müsse vielmehr ein einheitlicher Bewertungsmaßstab gefunden werden.
Die Beklagte hat schließlich in den Stellungnahmen vom 10.04.2001 und 09.05.2001 noch einmal darauf hingewiesen, dass die Einkommensermittlung allein nach § 32 Abs.6 ALG zu erfolgen habe. Gegen diese Berechnungsweise bestünden nach der Rechtsprechung des BSG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Kläger habe sich gegen die genaue Ermittlung der tatsächlichen Einnahmen im Wege der Buchführung aus steuerlichen Gründen bewusst entschieden. Es sei daher nicht einzusehen, weshalb er nicht auch entsprechend der eindeutigen gesetzlichen Regelung die Konsequenzen seiner Entscheidung im Bereich der Krankenversicherung tragen solle.
Der Klägerbevollmächtigte stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 26.04.2000 und der Bescheide vom 11.05.1998 und 25.09.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.1998 zu verurteilen, den Kläger von den Eigenanteilen und Zuzahlungen zur zahnärztlichen Behandlung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie bedarf nicht der Zulassung, da die geltend gemachte Befreiung von Zuzahlungen wiederkehrende Leistungen betrifft (Bundessozialgericht (BSG) vom 29.01.1981 BSGE 51, 147); das SG hat im angefochtenen Urteil über die Befreiung von Zuzahlungen für die Jahre 1998, 1999 und 2000 entschieden. Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 SGG).
Die Berufung ist unbegründet.
Es ist im vorliegenden Fall entgegen dem SG nur über die vollständige und teilweise Befreiung gemäß §§ 61, 62 Abs.2 a Sozialgesetzbuch V (SGB V) für das Jahr 1998 zu befinden. Denn die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden nur über diese Leistungen für dieses Jahr entschieden, und der Kläger hat auch keinen anderen Antrag gestellt. Anderenfalls läge eine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG vor, die nicht sachdienlich ist, da für die Folgejahre noch Ermittlungen durchzuführen sind und der Rechtsstreit daher nicht entscheidungsreif ist.
Gemäß § 8 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) vom 20.12.1988 (BGBl. I S.2477) in Verbindung mit § 61 Abs.1 SGB V hat die Krankenkasse Versicherte von der Zuzahlung zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln, Hilfsmitteln sowie zu stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen nach § 23 Abs.4, §§ 24, 40 Abs.2 oder 41 zu befreien (Nr.1) und bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu dem Festzuschuss nach § 30 Abs.1 einen Betrag in gleicher Höhe zu übernehmen (Nr.2) ..., wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden. Gemäß § 61 Abs.2 Nr.1 SGB V, der nach Lage des Falles hier allein in Betracht kommt, liegt eine unzumutbare Belastung vor, wenn die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht überschreiten. Dieser Vomhundertsatz erhöht sich gemäß § 62 Abs.4 SGB V für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 v.H. und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Im Jahre 1998 machten 40 v.H. der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV 1.736,00 DM aus.
Unter Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt nach dieser Vorschrift sind die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienenden persönlichen Einnahmen der Versicherten einschließlich der gesetzlichen Abzüge zu verstehen. Es kommt nicht darauf an, dass die Einnahmen tatsächlich zum Lebensunterhalt verwendet werden; ausreichend ist, dass sie dem Lebensunterhalt zu dienen geeignet sind (Kasseler Kommentar - Höfler, § 61 SGB V, Rdnr.7 m.w.N.). In Betracht kommen daher Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie allgemeine Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz und andere Einnahmen. § 15 Abs.2 SGB IV sieht vor, dass bei Landwirten, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EstG) ermittelt wird, als Arbeitseinkommen der sich aus § 32 Abs.6 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ergebende Wert anzusetzen ist. Das Arbeitseinkommen aus Land- und Forstwirtschaft dieser Landwirte wird auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt, die sich aus dem Wirtschaftswert und dem mehrjährigen Durchschnitt der Gewinne bestimmter Testbetriebe ergeben (Kasseler Kommentar - Seewald, § 15 SGB IV, Rdnr.7).
Nach dieser gesetzlichen Vorschrift in der Fassung vom 15.12.1995 (BGBl.I 1814), die vom 01.01.1996 bis 31.12.1999 gegolten hat, wird das Arbeitseinkommen aus der Land- und Forstwirtschaft nach Abs.5 auf der Grundlage von Beziehungswerten ermittelt, die 1. sich aus dem Wirtschaftswert und dem fünfjährigen Durchschnitt der Gewinne der für den Agrarbericht der Bundesregierung ausgewerteten landwirtschaftlichen Testbetriebe ergeben; dabei sind die mit steigendem Wirtschaftswert sich verändernde Ertragskraft je DM Wirtschaftswert und die bei zusätzlicher außerbetrieblicher Berufstätigkeit unterschiedliche Ertragskraft zu berücksichtigen und 2. sich nach in der Vorschrift näher beschriebenen Gruppen unterscheiden. Zur Gruppe 1 gehören Betriebe, deren Unternehmer nach § 1 Abs.2 oder Abs.4 Satz 4 ein außerbetriebliches Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen bis zu einem Sechstel der Bezugsgröße des Jahres erzielt hat, auf das für das außerbetriebliche Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen abzustellen ist.
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Berechnungen der Beklagten unzutreffend sind und der Kläger hat dies auch nicht geltend gemacht. Es ist also davon auszugehen, dass, wie die Beklagte in den gerichtlichen Verfahren mehrmals ausgeführt hat, der Wirtschaftswert der Land- und Forstwirtschaft des Klägers 28.140,00 DM beträgt. Der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers wird nach § 32 Abs.6 ALG wegen des außerbetrieblichen Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommens der Gruppe 1 zugeordnet. Daraus ergibt sich aus der Anlage 1 der AELV 1998 ein Beziehungswert von 1,674784. Auf Grund der Multiplikation des Wirtschaftswertes mit diesem Beziehungswert errechnet sich ein korrigierter Wirtschaftswert von 47.128,00 DM, monatlich also ein Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft von 3.927,33 DM. Es kann hier offen bleiben, ob die so ermittelten monatlichen Bruttoeinnahmen gemäß § 61 Abs.2 i.V.m. Abs.4 SGB V um 15 v.H. der monatlichen Bezugsgröße zu erhöhen sind. Daraus ergäbe sich eine Anhebung der Belastungsgrenze von 1.736,00 DM auf 2.387,00 DM. Wie die Beklagte in ihrem Schreiben vom 23.06.1999 an das SG dargelegt hat, folgt aus der Behauptung, dass der Sohn des Klägers mit ihm nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnt, ein Abzug der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 459,00 DM monatlich von den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt sowie eine Verringerung der persönlichen Härtefallgrenze um einen Angehörigen. Unter Berücksichtigung der anrechenbaren verminderten Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (3.927,33 DM - 459,00 DM = 3.468,33 DM) und der geänderten persönlichen Bemessungsgrenze (50 v.H. der monatlichen Bezugsgröße von 4.340,00 DM) wird die Härtefallgrenze auch weiterhin erheblich überschritten. Wegen der gesetzlich vorgegebenen Einkommensermittlung ist die Einholung eines landwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens sinnlos.
Die Anwendung dieser Vorschriften führt also dazu, dass der Kläger wegen Fehlens einer unzumutbaren Belastung keinen Anspruch auf vollständige Befreiung für die Zuzahlung nach § 61 Abs.1 Nr.1 SGB V sowie die Erhöhung des Festzuschusses bei der Versorgung mit Zahnersatz gemäß § 61 Abs.1 Nr.2 SGB V hat.
Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung begegnet die Ermittlung des Bruttoeinkommens des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft nach § 15 Abs.2 SGB IV i.V.m. § 32 ALG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das BSG hat mit Urteil vom 29.06.2000 (SozR 3-2600 § 97 Nr.2) im Anschluss an seine bisherige ständige Rechtssprechung (BSG vom 23.10.1996 4 RLv 4/96; BSG vom 08.10.1998 SozR 3-5868 § 32 Nr.1; BSG vom 08.10.1998 B 10/4 LW 10/96 R; BSG vom 08.10.1998 B 10 LW 6/97 R) für Recht erkannt, dass diese pauschale Einkommensermittlungsmethode insbesondere, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Grundgesetz - GG -) verstößt. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Lebenssachverhalte er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Außerhalb dieses Bereichs lässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehend Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang gleich oder verschieden zu behandeln. Soweit sich der Kläger mit Landwirten vergleicht, deren Gewinn vom Finanzamt nach Maßgabe des § 4 Abs.1 oder 3 EStG ermittelt oder gemäß § 162 Abgabenordnung geschätzt wird, ist ihm entgegenzuhalten, dass derartige wirklichkeitsnahe Feststellungen in seinem Fall gerade fehlen. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehalten, die Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittssätzen auch im Sozialrecht anzuerkennen. Denn diese steuerliche Gewinnermittlungsmethode hat Subventionscharakter (BSG vom 29.06.2000 m.w.N.). Er musste auch nicht regeln, dass das tatsächliche Einkommen von nicht buchführungspflichtigen Landwirten individuell zu ermitteln sei. Dies hätte für die betroffenen Versicherungsträger einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeutet. Die Beklagte und das SG haben den Kläger auch zutreffend darauf hingewiesen, dass er nach Maßgabe des § 13a Abs.2 EstG eine andere, an seine tatsächlichen Verhältnissen orientierte steuerrechtliche Gewinnermittlungsmethode wählen kann, womit eine Anwendung des § 15 Abs.2 SGB IV i.V.m. § 32 Abs.6 ALG entfällt. Ebensowenig kann von einem Verstoß gegen Art.6 GG (Ehe und Familie) die Rede sein; denn der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit grundsätzlich selbst bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe und Familie verwirklichen will. Damit erwachsen aus Art.6 Abs.1 GG noch keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen (Jarass/Pieroth, GG, Art.6, Rn.10 m.w.N.).
Zu Recht hat die Beklagte auch die Leistung nach § 62 Abs.2a SGB V (teilweise Befreiung) abgelehnt, da der Festzuschuss nach § 30 Abs.1 SGB V den maßgebenden Differenzbetrag (multipliziert mit 3) zwischen den monatlichen Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt (§ 61 SGB V) und der danach maßgebenden Einnahmegrenze nicht übersteigt. Die genaue Berechnung ist aus dem Widerspruchsbescheid ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved