Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 37/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 137/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10. November 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für eine Infusiontherapie nach Rea.
Der am 1951 geborene Kläger, der bei der Beklagten pflichtversichert ist, war seit 26.11.1996 arbeitsunfähig und erhielt Krankengeld vom 08.01.1997 bis 31.07.1997.
Der Dermatologe und Umweltmediziner Dr.M. fragte mit Schreiben vom 10.04.1997 bei der Beklagten an, ob bei dem Kläger aufgrund einer toxischen Encephalopathie, Polyneuropathie und einer Beeinträchtigung der Lymphozytensubpopulation infolge toxischer Einflüsse eine Behandlung "außerhalb der Kassenleistungen" möglich sei. Die Beklagte holte eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Gutachter Dr.L.) ein, die eine Aussagekraft des vorgelegten Szintigraphiebefundes hinsichtlich toxischer Einflüsse verneinte und dem Kläger eine Untersuchung in der umweltmedizinischen Sprechstunde des Institutes für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen empfahl.
Sie lehnte mit Bescheid vom 15.05.1997 daraufhin eine Kostenübernahme einer Behandlung außerhalb von Kassenleistungen ab. Der Klägerbevollmächtigte machte mit dem Widerspruch geltend, die von der Beklagten nicht befürwortete SPECT-Hirnstamm-Rezeptorszintigraphie sei eine wissenschaftlich anerkannte Leistung.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1999 den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger sei aufgrund einer Überweisung von Dr.M. durch den Röntgen- und Nuklearmediziner Dr.La. mit einer SPECT-Hirnstamm-Rezeptorszintigraphie sowie SPECT-Hirn-Perfusionsszintigraphie bereits untersucht worden. Die Kosten dieser Leistungen seien im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abgerechnet worden. Das Gutachten des MDK habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft des Szintigraphiebefundes hinsichtlich eventuell vorliegender toxischer Einflüsse wissenschaftlich nicht anerkannt sei. Die von Dr.M. bezeichneten Allergien könnten im Rahmen von Vertragsleistungen behandelt werden. Dr.M. habe jedoch auf Anfrage nicht mitgeteilt, um welche Therapie es sich bei der beantragten Behandlung außerhalb der Kassenleistungen handele.
Der Kläger hat mit der Klage vom 06.03.1998 beim Sozialgericht Augsburg (SG) geltend gemacht, die Beklagte habe die Kosten für die Behandlung bei Dr.M. zu übernehmen. Es handele sich bei den SPECT-Untersuchungen grundsätzlich um kostenübernahmefähige und erfolgreiche Diagnose- und Therapiemaßnahmen, wie sich aus den beigefügten medizinischen Unterlagen ergebe.
Mit dem Schriftsatz vom 27.07.1999 hat der Klägerbevollmächtigte nunmehr geltend gemacht, die Beklagte sei zu verurteilen, die Kosten einer Infusionstherapie nach Rea zu übernehmen, hilfsweise dem Kläger die schon erbrachten Kosten zu erstatten. Die SPECT-Untersuchung solle nur der Vorbereitung dieser Therapie dienen. Aus dem beigefügten Kostenvoranschlag von Dr.M. ergebe sich, dass sich die Gesamtkosten für zehn Infusionen nach Rea sich auf 1.018,30 DM belaufen.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.07.1999 hat der Kläger erklärt, die Infusionstherapie sei am 09.02.1998 durchgeführt worden und hierfür seien Kosten in Höhe von 629,47 DM und 426,59 DM angefallen. Diese Kosten seien zu erstatten. Das SG hat daraufhin den Rechtsstreit vertagt und der Klägerbevollmächtigte hat weitere ärztliche Unterlagen von Dr.M. über die SPECT-Untersuchungen vorgelegt.
Die Beklagte hat noch einmal eine gutachtliche Stellungnahme des MDK (Dr.E.) vom 30.08.1999 eingeholt. Dr.E. ist bezüglich der Therapie nach Rea zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich hierbei um eine experimentelle Methode aus dem Bereich der klinischen Ökologie handele. Die dabei durchgeführte Behandlung mit Vitaminen sei bei den vorliegenden Erkrankungen nicht zweckmäßig.
Das SG hat mit Urteil vom 10.11.1999 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe eine Kostenerstattung nicht zu. Auch wenn ein Antrag rechtzeitig gestellt worden sei, sei die privat in Anspruch genommene Therapie nicht vom Anspruch des Versicherten auf eine ärztliche Versorgung umfasst, die zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und wirtschaftlich ist. Die von Dr.M. genannten Störungen wie Parkinson-Syndrom, Polyneuropathie, Hirnleistungsstörung oder Depression seien nicht genügend belegt. Die Erkrankung Typ-4-Allergie gegen diverse Substanzen könne fachallergologisch bzw. durch Expositionsprophylaxe im Rahmen von Vertragsleistungen behandelt werden. Soweit sich die Infusionstherapie nach Rea auf die Behandlung dieser Krankheit bezogen haben soll, scheitere ihre Erstattung an der Anerkennung des therapeutischen Nutzens der neuen Methode. Voraussetzung der Kostenverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer neuen Behandlungsmethode sei, dass die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben haben. Eine positive Empfehlung zur Infusionstherapie nach Rea liege aber nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägerbevollmächtigten vom 18.11.1999, die trotz mehrmaliger Aufforderungen des Senats nicht begründet wurde.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 10.11.1999 sowie des Bescheides vom 15.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1998 zu verurteilen, die Kosten für die Infusionstherapie nach Rea in Höhe von 629,47 DM und 426,59 DM (insgesamt 538,59 Euro) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtmittels maßgebenden Betrag von 1.000,00 Deutsche Mark (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Infusionstherapie nach Rea.
Anspruchsgrundlage ist nach Lage des Falles allein § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Die gesetzliche Bestimmung setzt voraus, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Ferner wird gefordert, dass die Leistung notwendig war.
Unter die erste Alternative dieser Vorschrift, d.h. unter den Begriff unaufschiebbare Leistungen, fallen Notfälle und andere dringliche Bedarfslagen, also Leistungen, bei denen eine Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar und der Versicherte daher auf die Hilfe eines Nicht-Vertragsarztes angewiesen war (Kasseler Kommentar-Höfler, § 13 SGB V, Rdnr.8 mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)). Der Sachverhalt bietet keinerlei Anhalt für die Annahme, dass es sich bei der Infusionstherapie nach Rea um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat. Denn der Klägerbevollmächtigte hat zunächst im Verwaltungs- und erstinstanziellen Verfahren eine Kostenübernahme der SPECT-Untersuchung geltend gemacht und erst im Juli 1999 darauf hingewiesen, dass diese Behandlung der Vorbereitung der Infusionstherapie nach Rea diene. Schon aus diesen unschlüssigen Darlegungen ergibt sich, dass die Infusionstherapie nach Rea nicht unaufschiebbar gewesen ist.
Die Beklagte hat die Erstattung der Kosten dieser Therapie auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Zwar hat der Kläger im Verwaltungsverfahren und zunächst auch im erstinstanziellen Verfahren nur eine Kostenübernahme der SPECT-Untersuchungen geltend gemacht und erst mit Schriftsatz vom 27.07.1999 angegeben, dass die Infusionstherapie nach Rea streitig sei. Der Senat hält die hierin liegende Klageänderung jedoch gemäß § 99 Abs.1 SGG, der auch im Berufungsverfahren gilt, für zulässig, da die Änderung sachdienlich ist. Der Rechtsstreit ist insoweit entscheidungsreif.
Der Senat ist allerdings entgegen dem SG der Auffassung, dass die hier zu beurteilende Leistung vom Kläger nicht rechtzeitig beantragt worden ist. Zwar hat Dr.M. am 14.04.1997 Leistungen angefragt und die Infusionstherapie wurde am 09.02.1998, d.h. nach Erlass des Bescheides vom 15.05.1997, erbracht. Die Anfrage betraf aber ganz allgemein die Kostenübernahme außervertraglicher Leistungen, worunter auch im Hinblick auf die angegebenen Diagnosen eine Vielzahl medizinischer Leistungen fallen kann. Erst im Verlauf des Verwaltungsverfahrens hat der Klägerbevollmächtigte die Kostenübernahme auf die SPECT-Untersuchung beschränkt. Dass es sich bei dem Anliegen des Klägers um eine Kostenübernahme für die Infusionstherapie nach Rea handelt, hat der Klägerbevollmächtigte erstmals mit Schriftsatz vom 27.07.1999, also mehrere Monate nach Erlass des Widerspruchsbescheides mitgeteilt. Diese Verfahrensweise ist nicht mit der ständigen Rechtsprechung des BSG zu vereinbaren, das bezüglich des Kausalitätserfordernisses bei § 13 Abs.3 SGB V ausgeführt hat, dass die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung im Regelfall nicht zu erstatten sind, wenn der Versicherte sich die Leistung besorgt, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen. § 13 Abs.3 SGB V schließt eine Kostenerstattung für die Zeit vor der Leistungsablehnung generell aus (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 Nr.15; BSG vom 16.12.1993 SozR 3-2500 § 12 Nr.4). Da es der Sinn des § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V ist, wegen des Sachleistungsprinzips eine Kostenerstattung nur dann zuzulassen, wenn eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung nicht im Rahmen des Sachleistungssystems erbracht werden kann, muss ein Versicherter, wenn er eine Leistung außerhalb dieses Systems in Anspruch nehmen will, der Krankenkasse erst die Möglichkeit zur Prüfung geben, ob die konkret zu bezeichnende Leistung im Rahmen des Systems durch zugelassene Leistungserbringer und/oder durch zugelassene Leistungen erbracht werden kann. Mit diesen Vorgaben ist es nicht zu vereinbaren, lediglich pauschal Leistungen außerhalb des Versorgungssystems bei der Krankenkasse zu beantragen. Die Anfrage muss vielmehr die gewünschte Leistung so konkret bezeichnen, dass der Krankenkasse bzw. dem MDK eine medizinische Prüfung ermöglicht wird und die Kasse den Versicherten Wege für die Inanspruchnahme der Leistung aufzeigen kann.
Abgesehen davon handelt es sich bei der Infusionstherapie nach Rea, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht um eine von den Krankenkassen zu vergütende Leistung. Gemäß § 2 Abs.1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die im 3. Kapitel (des SGB V) genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang regelt § 92 Abs.1 SGB V, dass die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließen. Hierzu gehören auch Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 92 Abs.1 Satz 2 Nr.5 SGB V). Nach den im Zeitpunkt der Leistungserbringung noch geltenden Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) vom 04.12.1990 (BArb Nr.2/1991) zählt die Infusionstherapie nach Rea nicht zu den Behandlungsmethoden, die der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannt hat. Das BSG hat unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung mit Urteil vom 16.09.1997 für Recht erkannt (1 RK 28/95 = BSGE 81, 54), dass, wenn der Bundesausschuss über die Anerkennung einer neuen Methode ohne sachlichen Grund nicht oder nicht rechtzeitig entschieden hat, ausnahmsweise ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs.3 SGB V in Betracht kommt, falls die Wirksamkeit der Methode festgestellt wird. Lässt sich die Wirksamkeit aus medizinischen Gründen nur begrenzt objektivieren, hängt die Einstandspflicht der Krankenkassen davon ab, ob sich die fragliche Methode in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat. Hiervon kann nach Lage des Falles nicht ausgegangen werden. Denn dem Gutachten von Dr.E. (MDK) ist zu entnehmen, dass die Infusionstherapie nach Rea ein experimentelles Verfahren ist, das sich im Bereich der Spekulationen bewegt. Die von Dr.E. zitierte Literatur belegt, dass es keinerlei Beweise für die Effektivität der auf dieser Methode beruhenden therapeutischen Maßnahmen gibt. Sie ist in der medizinischen Literatur in Deutschland nahezu unbekannt. Damit kann auch nicht von einer weiten Verbreitung dieser Methode bzw. Durchsetzung in der medizinischen Praxis gesprochen werden.
Die Berufung ist auch dann ohne Erfolg, wenn der Senat nicht auf das Therapiekonzept, sondern allein auf die Verabreichung von Vitaminen und Mineralstoffen in Form von Spritzen abstellt (§ 31 SGB V). Bezüglich der Behandlung mit Arzneimitteln regeln die Arzneimittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 31.08.1993 in Nr.17.2 (BAnz Nr.246 S.11155), dass Mineralstoff- und Vitaminpräparate grundsätzlich zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden dürfen und ihr Einsatz nur in den dort genannten Ausnahmefällen zulässig ist. Der Sachverhalt bietet keinen Grund zur Annahme, dass derartige Ausnahmetatbestände (z.B. nachgewiesener Vitaminmangel) vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat sieht die Prozessführung des Klägerbevollmächtigten wegen dessen mangelnder Mitwirkung am Verfahren als mutwillig an. Der Senat weist ihn darauf hin, dass er im Falle einer Wiederholung mit der Auferlegung von Mutwillenskosten zu rechnen hat (§ 192 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenübernahme für eine Infusiontherapie nach Rea.
Der am 1951 geborene Kläger, der bei der Beklagten pflichtversichert ist, war seit 26.11.1996 arbeitsunfähig und erhielt Krankengeld vom 08.01.1997 bis 31.07.1997.
Der Dermatologe und Umweltmediziner Dr.M. fragte mit Schreiben vom 10.04.1997 bei der Beklagten an, ob bei dem Kläger aufgrund einer toxischen Encephalopathie, Polyneuropathie und einer Beeinträchtigung der Lymphozytensubpopulation infolge toxischer Einflüsse eine Behandlung "außerhalb der Kassenleistungen" möglich sei. Die Beklagte holte eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Gutachter Dr.L.) ein, die eine Aussagekraft des vorgelegten Szintigraphiebefundes hinsichtlich toxischer Einflüsse verneinte und dem Kläger eine Untersuchung in der umweltmedizinischen Sprechstunde des Institutes für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen empfahl.
Sie lehnte mit Bescheid vom 15.05.1997 daraufhin eine Kostenübernahme einer Behandlung außerhalb von Kassenleistungen ab. Der Klägerbevollmächtigte machte mit dem Widerspruch geltend, die von der Beklagten nicht befürwortete SPECT-Hirnstamm-Rezeptorszintigraphie sei eine wissenschaftlich anerkannte Leistung.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1999 den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger sei aufgrund einer Überweisung von Dr.M. durch den Röntgen- und Nuklearmediziner Dr.La. mit einer SPECT-Hirnstamm-Rezeptorszintigraphie sowie SPECT-Hirn-Perfusionsszintigraphie bereits untersucht worden. Die Kosten dieser Leistungen seien im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abgerechnet worden. Das Gutachten des MDK habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft des Szintigraphiebefundes hinsichtlich eventuell vorliegender toxischer Einflüsse wissenschaftlich nicht anerkannt sei. Die von Dr.M. bezeichneten Allergien könnten im Rahmen von Vertragsleistungen behandelt werden. Dr.M. habe jedoch auf Anfrage nicht mitgeteilt, um welche Therapie es sich bei der beantragten Behandlung außerhalb der Kassenleistungen handele.
Der Kläger hat mit der Klage vom 06.03.1998 beim Sozialgericht Augsburg (SG) geltend gemacht, die Beklagte habe die Kosten für die Behandlung bei Dr.M. zu übernehmen. Es handele sich bei den SPECT-Untersuchungen grundsätzlich um kostenübernahmefähige und erfolgreiche Diagnose- und Therapiemaßnahmen, wie sich aus den beigefügten medizinischen Unterlagen ergebe.
Mit dem Schriftsatz vom 27.07.1999 hat der Klägerbevollmächtigte nunmehr geltend gemacht, die Beklagte sei zu verurteilen, die Kosten einer Infusionstherapie nach Rea zu übernehmen, hilfsweise dem Kläger die schon erbrachten Kosten zu erstatten. Die SPECT-Untersuchung solle nur der Vorbereitung dieser Therapie dienen. Aus dem beigefügten Kostenvoranschlag von Dr.M. ergebe sich, dass sich die Gesamtkosten für zehn Infusionen nach Rea sich auf 1.018,30 DM belaufen.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.07.1999 hat der Kläger erklärt, die Infusionstherapie sei am 09.02.1998 durchgeführt worden und hierfür seien Kosten in Höhe von 629,47 DM und 426,59 DM angefallen. Diese Kosten seien zu erstatten. Das SG hat daraufhin den Rechtsstreit vertagt und der Klägerbevollmächtigte hat weitere ärztliche Unterlagen von Dr.M. über die SPECT-Untersuchungen vorgelegt.
Die Beklagte hat noch einmal eine gutachtliche Stellungnahme des MDK (Dr.E.) vom 30.08.1999 eingeholt. Dr.E. ist bezüglich der Therapie nach Rea zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich hierbei um eine experimentelle Methode aus dem Bereich der klinischen Ökologie handele. Die dabei durchgeführte Behandlung mit Vitaminen sei bei den vorliegenden Erkrankungen nicht zweckmäßig.
Das SG hat mit Urteil vom 10.11.1999 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe eine Kostenerstattung nicht zu. Auch wenn ein Antrag rechtzeitig gestellt worden sei, sei die privat in Anspruch genommene Therapie nicht vom Anspruch des Versicherten auf eine ärztliche Versorgung umfasst, die zur Heilung oder Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und wirtschaftlich ist. Die von Dr.M. genannten Störungen wie Parkinson-Syndrom, Polyneuropathie, Hirnleistungsstörung oder Depression seien nicht genügend belegt. Die Erkrankung Typ-4-Allergie gegen diverse Substanzen könne fachallergologisch bzw. durch Expositionsprophylaxe im Rahmen von Vertragsleistungen behandelt werden. Soweit sich die Infusionstherapie nach Rea auf die Behandlung dieser Krankheit bezogen haben soll, scheitere ihre Erstattung an der Anerkennung des therapeutischen Nutzens der neuen Methode. Voraussetzung der Kostenverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer neuen Behandlungsmethode sei, dass die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben haben. Eine positive Empfehlung zur Infusionstherapie nach Rea liege aber nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägerbevollmächtigten vom 18.11.1999, die trotz mehrmaliger Aufforderungen des Senats nicht begründet wurde.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 10.11.1999 sowie des Bescheides vom 15.05.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1998 zu verurteilen, die Kosten für die Infusionstherapie nach Rea in Höhe von 629,47 DM und 426,59 DM (insgesamt 538,59 Euro) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtmittels maßgebenden Betrag von 1.000,00 Deutsche Mark (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Infusionstherapie nach Rea.
Anspruchsgrundlage ist nach Lage des Falles allein § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Die gesetzliche Bestimmung setzt voraus, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Ferner wird gefordert, dass die Leistung notwendig war.
Unter die erste Alternative dieser Vorschrift, d.h. unter den Begriff unaufschiebbare Leistungen, fallen Notfälle und andere dringliche Bedarfslagen, also Leistungen, bei denen eine Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar und der Versicherte daher auf die Hilfe eines Nicht-Vertragsarztes angewiesen war (Kasseler Kommentar-Höfler, § 13 SGB V, Rdnr.8 mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)). Der Sachverhalt bietet keinerlei Anhalt für die Annahme, dass es sich bei der Infusionstherapie nach Rea um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat. Denn der Klägerbevollmächtigte hat zunächst im Verwaltungs- und erstinstanziellen Verfahren eine Kostenübernahme der SPECT-Untersuchung geltend gemacht und erst im Juli 1999 darauf hingewiesen, dass diese Behandlung der Vorbereitung der Infusionstherapie nach Rea diene. Schon aus diesen unschlüssigen Darlegungen ergibt sich, dass die Infusionstherapie nach Rea nicht unaufschiebbar gewesen ist.
Die Beklagte hat die Erstattung der Kosten dieser Therapie auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Zwar hat der Kläger im Verwaltungsverfahren und zunächst auch im erstinstanziellen Verfahren nur eine Kostenübernahme der SPECT-Untersuchungen geltend gemacht und erst mit Schriftsatz vom 27.07.1999 angegeben, dass die Infusionstherapie nach Rea streitig sei. Der Senat hält die hierin liegende Klageänderung jedoch gemäß § 99 Abs.1 SGG, der auch im Berufungsverfahren gilt, für zulässig, da die Änderung sachdienlich ist. Der Rechtsstreit ist insoweit entscheidungsreif.
Der Senat ist allerdings entgegen dem SG der Auffassung, dass die hier zu beurteilende Leistung vom Kläger nicht rechtzeitig beantragt worden ist. Zwar hat Dr.M. am 14.04.1997 Leistungen angefragt und die Infusionstherapie wurde am 09.02.1998, d.h. nach Erlass des Bescheides vom 15.05.1997, erbracht. Die Anfrage betraf aber ganz allgemein die Kostenübernahme außervertraglicher Leistungen, worunter auch im Hinblick auf die angegebenen Diagnosen eine Vielzahl medizinischer Leistungen fallen kann. Erst im Verlauf des Verwaltungsverfahrens hat der Klägerbevollmächtigte die Kostenübernahme auf die SPECT-Untersuchung beschränkt. Dass es sich bei dem Anliegen des Klägers um eine Kostenübernahme für die Infusionstherapie nach Rea handelt, hat der Klägerbevollmächtigte erstmals mit Schriftsatz vom 27.07.1999, also mehrere Monate nach Erlass des Widerspruchsbescheides mitgeteilt. Diese Verfahrensweise ist nicht mit der ständigen Rechtsprechung des BSG zu vereinbaren, das bezüglich des Kausalitätserfordernisses bei § 13 Abs.3 SGB V ausgeführt hat, dass die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung im Regelfall nicht zu erstatten sind, wenn der Versicherte sich die Leistung besorgt, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen. § 13 Abs.3 SGB V schließt eine Kostenerstattung für die Zeit vor der Leistungsablehnung generell aus (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 Nr.15; BSG vom 16.12.1993 SozR 3-2500 § 12 Nr.4). Da es der Sinn des § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V ist, wegen des Sachleistungsprinzips eine Kostenerstattung nur dann zuzulassen, wenn eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung nicht im Rahmen des Sachleistungssystems erbracht werden kann, muss ein Versicherter, wenn er eine Leistung außerhalb dieses Systems in Anspruch nehmen will, der Krankenkasse erst die Möglichkeit zur Prüfung geben, ob die konkret zu bezeichnende Leistung im Rahmen des Systems durch zugelassene Leistungserbringer und/oder durch zugelassene Leistungen erbracht werden kann. Mit diesen Vorgaben ist es nicht zu vereinbaren, lediglich pauschal Leistungen außerhalb des Versorgungssystems bei der Krankenkasse zu beantragen. Die Anfrage muss vielmehr die gewünschte Leistung so konkret bezeichnen, dass der Krankenkasse bzw. dem MDK eine medizinische Prüfung ermöglicht wird und die Kasse den Versicherten Wege für die Inanspruchnahme der Leistung aufzeigen kann.
Abgesehen davon handelt es sich bei der Infusionstherapie nach Rea, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht um eine von den Krankenkassen zu vergütende Leistung. Gemäß § 2 Abs.1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die im 3. Kapitel (des SGB V) genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 SGB V) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang regelt § 92 Abs.1 SGB V, dass die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließen. Hierzu gehören auch Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (§ 92 Abs.1 Satz 2 Nr.5 SGB V). Nach den im Zeitpunkt der Leistungserbringung noch geltenden Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) vom 04.12.1990 (BArb Nr.2/1991) zählt die Infusionstherapie nach Rea nicht zu den Behandlungsmethoden, die der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannt hat. Das BSG hat unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung mit Urteil vom 16.09.1997 für Recht erkannt (1 RK 28/95 = BSGE 81, 54), dass, wenn der Bundesausschuss über die Anerkennung einer neuen Methode ohne sachlichen Grund nicht oder nicht rechtzeitig entschieden hat, ausnahmsweise ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs.3 SGB V in Betracht kommt, falls die Wirksamkeit der Methode festgestellt wird. Lässt sich die Wirksamkeit aus medizinischen Gründen nur begrenzt objektivieren, hängt die Einstandspflicht der Krankenkassen davon ab, ob sich die fragliche Methode in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat. Hiervon kann nach Lage des Falles nicht ausgegangen werden. Denn dem Gutachten von Dr.E. (MDK) ist zu entnehmen, dass die Infusionstherapie nach Rea ein experimentelles Verfahren ist, das sich im Bereich der Spekulationen bewegt. Die von Dr.E. zitierte Literatur belegt, dass es keinerlei Beweise für die Effektivität der auf dieser Methode beruhenden therapeutischen Maßnahmen gibt. Sie ist in der medizinischen Literatur in Deutschland nahezu unbekannt. Damit kann auch nicht von einer weiten Verbreitung dieser Methode bzw. Durchsetzung in der medizinischen Praxis gesprochen werden.
Die Berufung ist auch dann ohne Erfolg, wenn der Senat nicht auf das Therapiekonzept, sondern allein auf die Verabreichung von Vitaminen und Mineralstoffen in Form von Spritzen abstellt (§ 31 SGB V). Bezüglich der Behandlung mit Arzneimitteln regeln die Arzneimittel-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 31.08.1993 in Nr.17.2 (BAnz Nr.246 S.11155), dass Mineralstoff- und Vitaminpräparate grundsätzlich zu Lasten der Krankenkassen nicht verordnet werden dürfen und ihr Einsatz nur in den dort genannten Ausnahmefällen zulässig ist. Der Sachverhalt bietet keinen Grund zur Annahme, dass derartige Ausnahmetatbestände (z.B. nachgewiesener Vitaminmangel) vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat sieht die Prozessführung des Klägerbevollmächtigten wegen dessen mangelnder Mitwirkung am Verfahren als mutwillig an. Der Senat weist ihn darauf hin, dass er im Falle einer Wiederholung mit der Auferlegung von Mutwillenskosten zu rechnen hat (§ 192 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
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