L 4 KR 147/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 719/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 147/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Oktober 2000 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Dauer der freiwilligen Mitgliedschaft.

Der am ...1950 geborene Kläger, der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, war bei der Beklagten freiwillig versichert. In der Zeit vom 01.07.1996 bis 31.06.1999 wurden die Krankenversicherungsbeiträge von der Landeshauptstadt München entrichtet. Sie konnte wegen fehlenden Mitwirkens des Klägers Sozialhilfebedürftigkeit nicht mehr feststellen und stellte die Beitragszahlung ab 01.07.1999 ein.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 04.08.1999 den Kläger darauf hin, dass er bei einer freiwilligen Krankenversicherung für die Beitragszahlung selbst verantwortlich sei und dass bei fehlender Beitragszahlung für zwei Monate die freiwillige Krankenversicherung mit Ablauf des nächsten Zahltages ende. Die Beklagte unterrichtete den Kläger im Juli 1999 schriftlich über eine Änderung der Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung und erinnerte ihn an die Bekanntgabe seiner tatsächlichen Einkünfte. Mit Schreiben vom 09.08.1999 wies sie den Kläger erneut darauf hin, dass er als freiwillig Versicherter Beitragsschuldner sei; die Auseinandersetzungen des Klägers mit dem Sozialhilfeträger seien für das Versicherungsverhältnis ohne Bedeutung.

Die Beklagte forderte mit der Zahlungserinnerung vom 19.08.1999 den Kläger zum Ausgleich des Zahlungsrückstandes in Höhe von 274,64 DM innerhalb einer Woche auf und erinnerte ihn mit dem weiteren Schreiben vom 17.09.1999 an die Zahlung der Beitragsschuld von mittlerweile 552,28 DM; beide Erinnerungen waren mit dem Hinweis der Beendigung der Mitgliedschaft verbunden, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge nicht entrichtet würden. Die Beklagte mahnte den Kläger schließlich mit Schreiben vom 20.09.1999 die Zahlung der Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung von insgesamt 511,20 DM bis spätestens 30.09.1999 und wies wieder auf das Ende der freiwilligen Krankenversicherung mit Ablauf des nächsten Zahltages hin, falls bis zum vorgesehenen Termin die Beiträge nicht gezahlt würden. Der Kläger legte gegen diesen mit Postzustellungsurkunde zugestellten Bescheid am 20.09.1999 Widerspruch ein und machte geltend, nicht er, sondern die Sozialhilfeverwaltung sei zahlungspflichtig.

Mit Bescheid vom 28.09.1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Versicherungsschutz ende zum 15.10.1999, falls die Beitragsforderung für die Monate Juli bis September 1999 in Höhe von 773,80 DM nicht bis zu diesem Tage ausgeglichen würde und erläuterte noch einmal die Zahlungsverpflichtung, die Beitragshöhe und die Berechnung der Beitragsforderung. Der Bescheid wurde dem Kläger am 01.10.1999 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit dem weiteren Bescheid vom 18.10.1999 stellte die Beklagte die Beendigung der Krankenversicherung mit Ablauf des 15.10.1999 fest und forderte den Kläger zur Zahlung des Beitragsrückstandes vom 01.07.1999 bis 15.10.1999 in Höhe von 901,60 DM (einschließlich Säumniszuschläge) auf. Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 20.10.1999 zugestellt. Der behandelnde Arzt des Klägers (Dr.J ...) teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19.10.1999 mit, der Kläger befinde sich wegen einer HIV-Erkrankung in seiner ambulanten Behandlung und benötige eine ständige antiretrovirale Kombinationstherapie mit Laboruntersuchungen; die Beklagte solle bei der Sozialhilfeverwaltung erreichen, dass die rückständigen Beiträge für den Kläger gezahlt werden.

Der Kläger legte auch gegen diesen Bescheid am 27.10.1999 zur Niederschrift bei der Beklagten in München Widerspruch ein und beantragte am 26.10.1999 beim Verwaltungsgericht München u.a. den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die Landeshauptstadt München zu verpflichten, bis zur Klärung der Sachlage weiterhin die Krankenversicherungsbeiträge an die Beklagte zu zahlen.

Der Kläger hat am 01.12.1999 beim Sozialgericht München (SG) Untätigkeitsklage erhoben. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2000 den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, er sei als freiwillig Krankenversicherter beitrags- und zahlungspflichtig. Die Übernahme der Beiträge durch den Sozialhilfeträger befreie ihn nicht von dieser Verpflichtung.

Das SG hat mit Urteil vom 25.10.2000 die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei als ehemaliges freiwilliges Mitglied der Beklagten verpflichtet gewesen, seine Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen. Die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen durch den Sozialhilfeträger sei keine sozialversicherungsrechtliche Regelung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gebe es keine Rechtsgrundlage dafür, dass die Krankenkasse den Sozialhilfeträger unmittelbar auf Beitragszahlung in Anspruch nehme. Die freiwillige Mitgliedschaft ende mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet würden. Dem Kläger seien zeitnah ab Beitragsfälligkeit Zahlungserinnerungen zugesandt worden; die freiwillige Mitgliedschaft sei rechtmäßig beendet worden.

Das Urteil wurde am 14.11.2000 mittels Einschreiben zur Post gegeben und am 16.11.2000 vom Kläger abgeholt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 22.12.2000 mit der er u.a. geltend macht, die Zahlungsaufforderungen der Beklagten seien unerklärlich und entbehrten einer Rechtsgrundlage; das Sozialamt der Landeshauptstadt München und das Verwaltungsgericht München sowie der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hätten sich rechtswidrig verhalten.

Der Senat hat mit Schreiben vom 15.01.2001 den Kläger auf die Versäumung der Berufungsfrist hingewiesen und ihn gebeten, etwaige Gründe hierfür anzugeben. Der Kläger hat mit Schreiben vom 22.01.2001 mitgeteilt, der "psychische Terror", dem er durch die Beklagte und das Sozialamt als Aids-Kranker ausgesetzt sei, sei ein ausreichender Grund für die Fristversäumung. Die Beitragserhöhung durch die Beklagte sei nicht gerechtfertigt, das Sozialamt habe bei der Beklagten die Beendigung der Mitgliedschaft erzwungen und die Beklagte und das Sozialamt fälschten Akten und würden vor Gericht falsch aussagen. Mit den weiteren Schreiben vom 01.03. und 26.03.2001 äußerte er die Auffassung, die Kündigung der Mitgliedschaft sei unverhältnismäßig, er habe keine Beitragsschulden und es bestehe kein Grund für die Beendigung der Mitgliedschaft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 28.09.1999 und 18.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2000 aufzuheben und festzustellen, dass er über den 15.10.1999 hinaus weiterhin freiwilliges Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten des SG und der Beklagten, auf deren Inhalt im Übrigen verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist (§ 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Gemäß § 151 Abs.1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundensbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundensbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs.2 Satz 1 SGG). Die Berufungsfrist ist eine gesetzliche Frist und kann nicht verlängert oder verkürzt werden (§ 65 SGG).

Gemäß § 64 Abs.1 SGG beginnt die Frist mit dem Tage nach der Zustellung des Urteils. Da das Sozialgericht (SG) das Urteil durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes zugestellt hat (§ 4 VwZG), gilt der Brief mit dem dritten Tage nach der tatsächlichen Aufgabe zur Post als zugestellt. Damit galt der am 14.11.2000 abgesandte Brief am 17.11.2000 als zugestellt, auch wenn das Einschreiben bereits am 16.11.2000 am Postschalter abgeholt wurde. Der Lauf der Berufungsfrist begann somit am 18.11.2000 0.00 Uhr und endete am 17.12.2000 24.00 Uhr, da es sich um den Tag handelt, der nach seiner Zahl dem Tage entspricht, in den die Zustellung fiel (§ 64 Abs.2 Satz 1 SGG). Da der 17.12.2000 jedoch ein Sonntag war, endete die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages, d.h. am Montag den 18.12.2000 24.00 Uhr (§ 64 Abs.3 SGG). Damit ist die am 21.12.2000 verfertigte Berufung, die der Kläger am 22.12.2000 persönlich abgegeben hat, außerhalb der Berufungsfrist eingegangen.

Für die Versäumung der Berufungsfrist kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs.1 SGG nicht in Betracht. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger nicht vor, da er nicht glaubhaft gemacht hat (§ 64 Abs.2 Satz 2 SGG), dass er die Berufungsfrist ohne Verschulden versäumt hat. Das ist der Fall, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen und nach allgemeiner Verkehranschauung vernünftigerweise zuzumuten ist (Meyer-Ladewig, SGG, § 67, Rn.3 m.w.N. auf die Rechtsprechung).

Die als Entschuldigung vorgebrachte Behauptung eines "Psychoterrors" der Beklagten bzw. des Sozialamtes der Landeshauptstadt München ist, abgesehen davon, dass hierfür jeglicher Nachweis fehlt, kein schlüssiger Entschuldigungsgrund, da sich hieraus nicht ergibt, weshalb der Kläger gehindert sein sollte, einen Bevollmächtigten fristwahrend mit der Einlegung der Berufung zu beauftragen (vgl. BSG vom 21.05.1990 9a BV 68/90). Ebensowenig stellt die Erkrankung des Klägers eine Entschuldigung für die Versäumung der Berufungsfrist dar. Denn der Kläger konnte, auch wenn er nach ärztlichen Angaben auf eine ständige ambulante ärztliche Behandlung angewiesen ist, die Berufung fristgerecht einlegen oder einen Anderen damit beauftragen. Etwas Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Schreiben des behandelnden Arztes Dr.J ... an die Beklagte. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass der Kläger, wie seine zahlreichen und umfangreichen Schreiben an die Beklagte, das SG und das Bayer. Landessozialgericht zeigen, in der Lage ist, trotz dieser Erkrankung seine Interessen wahrzunehmen.

Die irrige Ansicht des Klägers, das auf dem Umschlag des Einschreibens (von der Post) angebrachte Datum "22.11.2000" sei maßgebend für den Beginn der Berufungsfrist, lässt gleichfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu. Denn die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils weist darauf hin, dass die Berufungsfrist nach Zustellung des Urteils beginnt. Der 22.11.2000 war nicht das Zustellungsdatum. Dies hätte der Kläger erkennen können, da dieses auf dem Umschlag gestempelte Datum keinen ersichtlichen Bezug zum Beginn der Rechtsmittelfrist hat. Vielmehr ergibt sich aus der Rechtsmittelbelehrung des Urteils des SG, das im Umschlag enthalten war, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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