S 27 AL 108/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AL 108/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2002 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab 03.02.2002 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ab 03.02.2002 Arbeitslosenhilfe zusteht. Der Streit wird hierbei um die Bedürftigkeit des Klägers geführt.

Der im April 1942 geborene Kläger war von April 1970 bis zum Mai 1999 (der Insolvenz des Arbeitgebers) beschäftigt. Die Beklagte bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 01.06.1999 für 960 Tage mit Unterbrechungen bis zum 02.02.2002 (Erschöpfung des Anspruchs) zuletzt nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 770 EUR in der Leistungsgruppe C mit Kindermerkmalen entsprechend 302,33 EUR wöchentlich.

Im Januar 2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Er gab hierbei u.a. an, gemeinsam mit der Ehefrau in einem selbstgenutzten Haus mit einem Verkehrswert von 120.000 EUR zu wohnen. Er gab weiterhin an, Inhaber eines Sparkassenbriefes mit einem Wert von 25.564,59 EUR, eines Kontos von 2.025,77 EUR, eines Guthabens von 1.558,53 EUR und einer Berliner Lebensversicherung im Betrag von 2.129,20 EUR zu sein. Der Kläger gab im Antrag weiterhin an, seinem Sohn als Ausstattung im Dezember 2001 eine Sparurkunde der Sparkasse übertragen zu haben. Er legte das entsprechende Sparkassenzertifikat (über 38.346 EUR) vor, in dem der Sohn des Klägers als Berechtigter durch die Sparkasse eingetragen worden ist.

Mit Bescheid vom 02.04.2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab und führte aus, die Leistung könne nicht bewilligt werden, da der Kläger nicht bedürftig sei. Er verfüge gemeinsam mit der Ehefrau über ein Vermögen von 69.624 EUR, das verwertbar sei und dessen Verwertung zumutbar sei. Das im Dezember 2001 übertragene Sparkassenzertifikat sei zu berücksichtigen, weil zum Vermögen auch zivilrechtliche Rückforderungs- bzw. Rückübertragungsrechte zählten. In dem genannten Betrag sei die ab 01.08.1970 beim Deutschen Herold abgeschlossene Lebensversicherung nicht enthalten, weil vom Kläger kein Auszahlungsbetrag bei Rückkauf angegeben worden sei. Unter Berücksichtigung der Freibeträge für den Kläger in Höhe von 30.680 EUR und für die Ehegattin (geboren im Juli 1950) in Höhe von 26.520 EUR verblieben 12.424 EUR, die bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen seien.

Den gegen diesen Bescheid am 11.04.2002 eingelegte Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 03.05.2002 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 14.05.2002 vor dem Sozialgericht Dortmund erhobene Klage, mit der der Kläger die Gewährung von Arbeitslosenhilfe weiterverfolgt. Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Die Berücksichtigung des Sparkassenzertifikates sei unzutreffend, denn ihm stehe kein Rückübertragungsanspruch zu. Bei diesem Wertpapier handele es sich nämlich um eine Ausstattung für den Sohn im Sinne von § 1624 BGB, die im Hinblick auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung des Sohnes erfolgt sei. Der im Jahre 1982 geborene Sohn habe seine Schulausbildung 2001 abgeschlossen gehabt und eine Ausbildung zum Industriekaufmann begonnen. Zur Absicherung der Ausbildung sowie zur Sicherung der Finanzierung des dann beabsichtigten Studiums sei die Übertragung erfolgt. Sie übersteige auch nicht das den Vermögensverhältnissen der Eltern entsprechende Maß. Weiter sei zu berücksichtigen, dass er zwischenzeitlich einen Betrag in Höhe von 6.723 EUR für die Reparatur der Heizungsanlage habe aufbringen müssen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2002 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 03.02.2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, sie gehe davon aus, dass das übertragene Sparkassenzertifikat weiterhin beim Kläger zu berücksichtigen sei. Hierbei handele es sich um eine Übertragung zum einem Zeitpunkt, zu dem das Ende des Arbeitslosengeldbezuges absehbar gewesen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung zur Begründung einer selbständigen Lebensstellung des Sohnes erforderlich gewesen sei, ergäben sich für die Beklagte aus der Akte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten - und hierbei insbesondere auf die Bescheinigung über den Rückkaufswert der bei der Deutschen Herold bestehenden Lebensversicherung über 8.591,07 EUR - und den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet, denn dem Kläger steht ab 03.02.2002 dem Grunde nach Arbeitslosenhilfe zu, weil er die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe erfüllt.

Diese Voraussetzungen erfüllt (§ 190 Abs. 1 SGB III) ein Arbeitnehmer, der arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (mehr) hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen Sperrzeiten erloschen ist und bedürftig ist.

Der arbeitslose Kläger hat sich mit dem Arbeitslosenhilfeantrag nach Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruches arbeitslos gemeldet, ohne dass sein Anspruch wegen Sperrzeiten erloschen war.

Schließlich liegt die im Gesetz geforderte Bedürftigkeit des Klägers auch für die streitige Zeit vor. Sie wird weder durch Einkommen (§ 193 Abs. 1 SGB III) noch durch Vermögen (§ 193 Abs. 2 SGB III) gehindert.

Die Bedürftigkeit wird nicht durch Einkommen gehindert, weil der Kläger nur ein Nebeneinkommen von monatlich ca. 205 EUR erzielt hat. Die Bedürftigkeit des Klägers wird schließlich auch nicht durch das vorhandene Vermögen gehindert. Zwar bestand beim Kläger im Februar 2002 ein zu berücksichtigendes Vermögen von 39.869,16 EUR. Diese Vermögen war zu diesem Zeitpunkt jedoch nur insoweit zu berücksichtigen, soweit der Wert dieses Vermögens den Freibetrag von 520 EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seiner Ehefrau überstieg. Dabei darf dieser Freibetrag für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 33.800 EUR nicht übersteigen (§ 1 Abs. 2 Arbeitslosenhilfeverordnung vom 13.12.2001). Im Hinblick auf die Freibeträge für den Kläger und seine Ehefrau im Gesamtbetrag von 57.200 EUR war somit das genannte Vermögen nicht zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Betrag von 38.346,89 EUR für die im Dezember 2001 an den Sohn übertragene Sparurkunde nicht als Vermögen des Klägers zu berücksichtigen. Diese Sparurkunde ist auf den Sohn als Inhaber durch die Sparkasse eingetragen worden, so dass sie nicht mehr zum Vermögen des Klägers gezählt werden kann. Die Sparurkunde scheidet somit ganz und gar aus der Berücksichtigung aus. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fortfall von Vermögen zu einem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitslose bzw. andere Vermögensinhaber mit der Notwendigkeit der Verwendung des Vermögensgegenstandes für den Lebensunterhalt rechnen musste und unabhängig von den Gründen für den vorherigen Vermögensverlust (so Gagel SGB III § 193 Anmerkung 128 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aber auch kein Rückübertragungsanspruch nach § 528 BGB in Höhe des Betrages der Sparurkunde ganz oder anteilig als weiteres Vermögen berücksichtigt werden. Zur Überzeugung der Kammer steht insoweit nämlich fest, dass die Übertragung der Sparurkunde trotz der zeitlichen Nähe zum Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld als Ausstattung aus dem Elternvermögen und damit nicht als Schenkung zu werten ist. Gemäß § 1624 BGB ist nämlich u.a. das, was einem Kind mit Rücksicht auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder Lebensstellung von dem Vater oder der Mutter zugewendet wird (Ausstattung), auch wenn eine Verpflichtung nicht besteht, nur insoweit als Schenkung zu berücksichtigen, als die Ausstattung das den Umständen, insbesondere den Vermögensverhältnissen des Vater oder der Mutter entsprechende Maß übersteigt.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, da die Sparurkunde dem Sohn nach dem Abitur und dem gelungenen Start ins Berufsleben zur Sicherung der Startchance übertragen worden ist, wie es in weiten Kreisen der Bevölkerung in größerem oder kleinerem Umfang üblich ist. Wenn hierbei der Betrag in Relation zum Gesamtvermögen der Eheleute von damals ca. 200.000 EUR gesehen wird, so liegt der übertragene Teil bei unter 20% und bewegt sich somit im zumutbaren Bereich. Hierbei ist nach Abfassung der Kammer ergänzend zu berücksichtigen, dass die oben geschilderte Bedürftigkeit selbst dann noch vorliegen würde, wenn ca. die Hälfte des übertragenen Betrages der Sparurkunde doch zum Vermögen des Klägers zu rechnen wäre. Durch das tatsächlich vorhandene Vermögen von knapp 40.000 EUR wurde der bestehende Freibetrag von 57.200 EUR nämlich deutlich unterschritten.

Der Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 193 SGG stattzugeben.
Rechtskraft
Aus
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