L 4 P 2642/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 P 3210/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 2642/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Juni 2011 abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab September 2011 häusliche Krankenpflege im Umfang von 21,6 Stunden täglich als Sachleistung zu erbringen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutz noch, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr vorläufig vom 10. Juni bis zum 31. Dezember 2011 Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Umfang von 21,6 Stunden täglich zu gewähren.

Die am 1979 geborene alleinlebende Antragstellerin, die bei der Antragsgegnerin krankenversichert und bei deren Pflegekasse pflegeversichert ist, ist bettlägerig und muss vollständig gelagert werden. Sie leidet an einer generalisierten Kollagenopathie (Ehler-Danlos-Syndrom), einer instabilen Halswirbelsäule mit Atlas-Axisdislokation sowie häufigen rezidivierenden myoklonischen Krampfanfällen, einem Hypermobilitätssyndrom und einer Tetraplegie. Bei den myoklonischen Anfällen kommt es zu unkontrollierten Bewegungen mit der Gefahr von Verletzungen oder eines Sturzes aus dem Bett und manchmal zu Bewusstlosigkeit bzw. passageren Atempausen. Auch bei der Verabreichung von Dormicum im Rahmen eines PEJ-Wechsels bzw. Diazepam zur Durchführung der Krankengymnastik kam es bei der Antragstellerin schon zu Atempausen, einmal mit einem Abfall der Sauerstoffsättigung auf 70%, Sopor und Myoklonien und das andere Mal mit beginnender Zyanose. Des Weiteren besteht bei der Antragstellerin eine Magen- und Darmmobilitätsstörung mit Gastroparese und gastroösophagealem Reflux, weshalb seit April 2009 die Ernährung überwiegend über eine PEJ-Sonde erfolgt. Außerdem kam es schon zu Aspirationen mit der Folge einer Hypoxämie und Pneumonie. Wegen einer Nebenniereninsuffizienz können Hypoglykämien auftreten. Es findet eine Langzeitsauerstofftherapie mit einer Sauerstoffgabe von zwei bis drei Litern pro Minute statt. Dies ergibt sich aus dem von Dr. H.-B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) erstatteten sozialmedizinischen Gutachtens vom 25. März 2011, der Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 17. April 2011 und dem vorläufigen Entlassungsbericht der Dres. N./R., Klinikum S.-B. vom 10. Juni 2011 sowie der Stellungnahme von Dr. P., Klinikum S.-B. vom 24. Juni 2011. Die Antragstellerin ist pflegebedürftig und erhält von der bei der Antragsgegnerin errichteten Pflegekasse Kombinationsleistungen nach der Pflegestufe III. Die Bewilligung dieser Pflegeleistungen erfolgte auf der Grundlage des Gutachtens der Pflegefachkraft N., MDK, vom 23. August 2010. Danach sind bei der Antragstellerin grundpflegerische Hilfen im Umfang von 278 Minuten täglich erforderlich. Zumindest in der Zeit vom 30. September 2009 bis 25. Mai 2011 erfolgte durch den Fachpflegedienst S. eine 24 Stunden-Intensivpflege der Antragstellerin, deren Kosten die Antragsgegnerin übernahm. Ab 26. Mai 2011 bis zur stationären Aufnahme im Klinikum S.-B. am 10. Juni 2011 wurde die Antragstellerin 24 Stunden täglich durch ehrenamtliche Kräfte gepflegt. Am 04. Juli 2011 wurde sie von der Klinik in die betreute Wohngruppe des Pflegedienstes ProVita in M. verlegt, wo für sie 24 Stunden Behandlungspflege geleistet wird. Beabsichtigt ist eine 24-Stunden-Pflege der Antragstellerin durch den Pflegedienst ProVita am Wohnort der Antragstellerin. Diese kam bisher noch nicht zustande, da der Pflegedienst ProVita am Wohnort der Antragstellerin noch über keine Pflegekräfte verfügt.

Dr. F. verordnete für die Zeit vom 01. Januar bis 30. Juni 2011 (Folgeverordnung vom 07. Januar 2011) und vom 01. Juli bis 31. Dezember 2011 (Folgeverordnung vom 16. Juni 2011) die Gewährung häuslicher Krankenpflege. Sie gab an, erforderlich sei eine 24-stündige Überwachungsbedürftigkeit, da im Rahmen der atonen Anfälle jederzeit mit der Möglichkeit von lebensbedrohlichen Zuständen gerechnet werden müsse. Zudem verordnete Dr. F. für die Zeit vom 27. Mai bis 10. Juni 2011 häuslicher Krankenpflege wegen Blutzuckermessungen, Injektionen, Verabreichen von Medikamenten und Anlegen von stützenden Verbänden (Erstverordnung vom 26. Mai 2011).

Am 21. Februar 2011 beantragte die Antragstellerin unter Vorlage der Verordnung vom 07. Januar 2011 die Kostenübernahme der 24-Stunden-Pflege für die Zeit vom 01. Januar 2011 bis 30. Juni 2011. Die Antragsgegnerin wandte sich zunächst an den MDK. Dr. H.-B. vom MDK gelangte im Gutachten vom 25. März 2011 zum Ergebnis, die häusliche Intensivkrankenpflege von 24 Stunden täglich sei medizinisch nicht begründet. Welche Maßnahmen in Fällen der Atemstörungen ergriffen würden, bleibe unklar. Gemäß Pflegeplanung solle bei Aspirationsgefahr Mund- und Rachenraum abgesaugt werden, laut Pflegedokumentation sei dies jedoch nicht erforderlich gewesen. Auch das Konzept der Sauerstoffgabe bleibe unklar. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Sauerstoffgabe und bedarfsmäßige Erhöhung des Sauerstoff-Flows zur Besserung der Atemstörung bzw. Aufhebung des Atemstillstandes oder Beseitigung der Atemaussetzung beitragen könnte. Bei myoklonischen Anfällen werde die Antragstellerin gelagert und vor Verletzungen geschützt. Hierbei handele es sich um eine grundpflegerische Maßnahme. Eine akute vitale Gefährdung, welche eine kontinuierliche Überwachung und Sicherung der Vitalfunktion Atmung erforderlich mache, gehe aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Grundpflegerische Maßnahmen seien ausreichend. Dr. F. teilte auf Nachfrage der Beklagten unter dem 17. April 2011 mit, die Klägerin befinde sich seit ihrem stationären Aufenthalt im November 2010 im Städtischen Klinikum Pforzheim in einem stabileren Zustand. Die Anfallshäufigkeit sei seitdem deutlich geringer, laut Pflegebericht einmal pro Woche. Das Konzept der Sauerstoffgabe sei schwierig. Bei einem Atemstillstand komme es regelmäßig zu einer Zyanose. Im Krankenhaus Leonberg sei eine Sauerstoffsättigung von 70% dokumentiert worden. Wenn der Anfall beendet sei, komme es reflektorisch zu tiefer Einatmung, sodass es sinnvoll erscheine, in diesem Moment mehr Sauerstoff (vier Liter pro Minute) anzubieten, um die Sauerstoffsättigung möglichst schnell wieder zu normalisieren und Hirnschädigungen weitestgehend zu verhindern. Im vergangenen Jahr sei es häufig vorgekommen, dass sich die Antragstellerin erbrochen habe. Es sei zu ständigem gastroösophagealem Reflux gekommen, sodass häufig der Mageninhalt über das PEJ-System in einem Magenbeutel aufgefangen worden sei. In diesen Situationen sei es auch zu Aspirationen gekommen. Aktuell bestünden diese nicht mehr. Die Refluxproblematik bestehe aber weiterhin. Wegen der komplexen Funktionsstörungen halte sie es für dringend erforderlich, dass eine Versorgung der Antragstellerin durch Fachpersonal erfolge. Dr. H.-B. äußerte sich hierauf in ihrem Gutachten vom 26. April 2011 ergänzend dahingehend, dass bei der Antragstellerin ein hoher grundpflegerischer Hilfebedarf vorliege. Zudem sei eine ständige Betreuung und Beaufsichtigung im Sinne einer allgemeinen Krankenbeobachtung erforderlich. Bei Aspirationsgefahr solle gemäß Pflegeplanung Mund- und Rachenraum abgesaugt werden, dies sei laut Pflegedokumentation jedoch nicht erforderlich gewesen. Darüber hinaus sei die Entfernung von Speichel und Sekret aus dem Mundraum eine grundpflegerische Maßnahme. Auch bei der Lagerung und dem Schutz vor Verletzungen bei myoklonischen Anfällen handele es sich um eine grundpflegerische Maßnahme. Eine Beatmung sei beim Aussetzen der Atmung nie durchgeführt worden und sei auch nicht erforderlich gewesen, da der Atemstillstand von selbst sistiere und die Atmung von selbst wieder einsetze. Die Sauerstoffgabe könne zur Beseitigung der Atemstörung und zur Beendigung der Verhinderung des Atemstillstandes nicht beitragen. Die Erholung der Sauerstoffsättigung und Beseitigung der Hypoxie erfolge unter Sauerstoffgabe rascher. Es handele sich hierbei jedoch um eine Maßnahme zur langfristigen Verbesserung der Prognose, nicht um eine Maßnahme aus vitaler Indikation. Eine akute vitale Gefährdung, welche eine kontinuierliche Überwachung und Sicherung der Vitalfunktion Atmung erforderlich mache, gehe aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Grundpflegerische Maßnahmen (wie Lagerung und Entfernung von Sekret aus dem Mundraum) seien ausreichend, um bei respiratorischen Störungen einzugreifen. Hierauf genehmigte die Antragsgegenerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 03. Mai 2011 Intensivpflege im verordneten Umfang nur bis zum 15. Mai 2011. Ab dem 16. Mai 2011 könnten nur noch die behandlungspflegerischen Maßnahmen wie folgt übernommen werden: Blutzuckermessung: zweimal täglich/siebenmal wöchentlich; Medikamentengabe: Herrichten und Verabreichen: viermal täglich/siebenmal wöchentlich; Anlegen von stützenden/stabilisierenden Verbänden: zweimal täglich/siebenmal wöchentlich; Verbandswechsel PEG. Mit Schreiben vom 12. Mai 2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, sie übernehme bis einschließlich 22. Mai 2011 die Kosten der 24-Stunden Intensivpflege, dies wurde mit Schreiben vom 20. Mai 2011 verlängert bis einschließlich 25. Mai 2011.

Die Antragstellerin erhob Widerspruch. Sie müsse zur Sicherstellung ihrer Atmung 24 Stunden lang ununterbrochen beobachtet werden. Bei Bedarf müsse auch eine Sekretabsaugung erfolgen. Dr. F. habe eine nach wie vor bestehende Refluxproblematik bestätigt. Hinzu komme, dass aufgrund der myoklonischen Krampfanfälle häufig komatöse Zustände aufträten. Auch während dieser Krampfanfälle würden regelmäßig Atemaussetzer mit Zyanose auftreten. Wenn der Anfall beendet sei, komme es reflektorisch zu tiefer Einatmung, sodass es erforderlich sei, in diesem Moment mehr Sauerstoff anzubieten, um die Sauerstoffsättigung möglichst schnell wieder zu normalisieren und Hirnschädigungen weitestgehend zu verhindern. Hierbei handele es sich um behandlungspflegerische Maßnahmen. Im Widerspruchsverfahren erhob die Antragsgegnerin das weitere MDK-Gutachten des Dr. R. vom 18. Mai 2011. Dr. R. stimmte dem Gutachten von Dr. H.-B. vom 26. April 2011 zu. Die Antragstellerin bedürfe einer aufwändigen allgemeinen und pflegerischen Betreuung, speziell ausgebildetes Intensivpflegepersonal sei jedoch nicht erforderlich. Die Gefahr einer Aspiration könne durch Maßnahmen der Grundpflege abgewendet werden. Hierauf teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne. Über den aufrechterhaltenen Widerspruch ist bislang noch nicht entschieden worden.

Mit Bescheid vom 01. Juni 2011 übernahm die Antragsgegnerin die Kosten für die bei der Antragstellerin erforderlichen Blutzuckermessungen, Injektionen, Verabreichen von Medikamenten und Anlegen von stützenden Verbänden für die Zeit vom 27. Mai 2011 bis 10. Juni 2011 entsprechend der Verordnung von Dr. F. vom 26. Mai 2011.

Am 27. Mai 2011 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, Leistungen der Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich ab sofort zu gewähren. Sie benötige 24 Stunden pro Tag spezielle Krankenbeobachtung mit regelmäßiger Überwachung der Vitalfunktionen. Bei der Sauerstoffgabe nach Atemstillstand handele es sich nicht um eine Maßnahme zur langfristigen Verbesserung der Prognose, sondern um eine Maßnahme aus vitaler Indikation, nämlich auch zur Vermeidung von Hirnschäden. Die Kosten für den Pflegedienst S., der seine Dienste am 26. Mai 2011 12.00 Uhr eingestellt habe, für die Zeit vom 25. Mai 2011 24.00 Uhr bis 26. Mai 2011 12.00 Uhr könnten von ihrem Vater aufgebracht werden. Sie selbst sei wirtschaftlich hierzu nicht imstande, sie habe Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beantragt. Die Antragstellerin legte ein Schreiben von Dr. F. vom 25. Mai 2011 vor, in dem auf die dringend notwendige Gewährleistung einer Betreuung durch geschultes Fachpersonal bis zu einer Unterbringung in einer geeigneten Pflegeeinrichtung hingewiesen wurde. Ergänzend reichte die Antragstellerin eine Bestätigung ihres Vaters vom 08. Juni 2011 ein, wonach sich ihr Gesundheitszustand durch die belastende Situation sehr verschlechtert habe. Die myoklonischen Krampfanfälle und Hypoglykämien träten wieder vermehrt auf. Bestätigt wurde dies auch durch die Fachpflegerin Anja Seidler und die ehrenamtliche Fachkraft Marlies Marthiensen.

Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen. Ein Anordnungsanspruch sei zu verneinen. Aufgrund der Verordnung vom 26. Mai 2011 sei eine 24 Stunden Intensivpflege nicht mehr angezeigt. Auch fehle ein Anordnungsgrund. Bisherige Gutachten könnten die Notwendigkeit einer 24 Stunden-Intensivpflege nicht belegen.

Mit Beschluss vom 10. Juni 2011 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin, der Antragstellerin vorläufig ab sofort (10. Juni 2011) bis zum 30. Juni 2011 Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege im Umfang von 19,5 Stunden täglich zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung führte das SG aus, unstreitig leide die Antragstellerin unter schwersten krankheitsbedingten Störungen, die eine ständige Betreuung und Beaufsichtigung im Sinne einer Krankenbeobachtung erforderten. Die behandelnde Ärztin Dr. F. habe im Januar 2011 der Antragstellerin auch eine Behandlungspflege in Form einer 24-stündigen Krankenbeobachtung bis 30. Juni 2011 verordnet. Die Frage, ob aufgrund der immer wieder auftretenden Krampfanfälle und Atemstörungen eine Beaufsichtigung durch medizinisches Fachpersonal notwendig und indiziert sei, könne im Rahmen des Eilverfahrens nicht geklärt werden. Eine abschließende Würdigung des Sachverhalts lasse sich auch nicht auf der Grundlage der Gutachten des MDK vornehmen. Zum einen beruhten die nach Aktenlage erstellten Gutachten auf einer lückenhaften Beurteilungsgrundlage, nachdem den Gutachtern das aktuellste Pflegegutachten vom 23. August 2010 ausweislich der zitierten Grundlagen der Begutachtung nicht vorgelegen hätten. Zum anderen würden die gutachtlichen Äußerungen des MDK auch den Begriff der Behandlungspflege in rechtlich unzutreffender Weise verengen, indem sie das Absaugen von Sekret und Magensäften aus dem Mund- und Rachenraum sowie die Lagerung und den Schutz der Antragstellerin während eines Krampfanfalls dem Bereich der Grundpflege zurechneten. Bei offenem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache sei eine Folgenabwägung vorzunehmen. Hier überwiege das Interesse der Antragstellerin erheblich gegenüber den Interessen der Antragsgegnerin. Es bestehe die nicht auszuschließende Gefahr, dass ohne eine ständige Krankenbeobachtung und gegebenenfalls Einleitung von lebenserhaltenden Behandlungspflegemaßnahmen die Antragstellerin irreversible Nachteile erleide und damit ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt werde. Demgegenüber werde die Antragsgegnerin zunächst lediglich vorläufig finanziell belastet. Im Übrigen könne der Antragstellerin ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden. Der Umfang der zugesprochenen Behandlungspflege sei jedoch zu beschränken. Die Antragstellerin habe von vornherein nur einen Anspruch auf Behandlungspflege in dem Umfang, der nach Abzug des für ihre Grundpflege festgestellten Zeitbedarfs von 278 Minuten von dem geltend gemachten behandlungspflegerischen Gesamtpflegebedarf von 24 Stunden verbleibe (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10. November 2005 - B 3 KR 38/04 R - = SozR 4-2500 § 37 Nr. 6). Hinsichtlich des restlichen Zeitanteils sei der Antrag abzulehnen. Die Antragstellerin könne den Beobachtungsbedarf für diese Zeiten aus den Leistungen der Pflegeversicherung decken und - soweit diese nicht vollständig ausreichen sollten - gegebenenfalls auch aus eigenen Mitteln vorläufig vorfinanzieren.

Am 27. Juni 2011 hat die Antragstellerin gegen den Beschluss Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG habe sich auf die zwischenzeitlich veraltete Rechtsprechung des BSG gestützt, wonach die Behandlungspflege in den Hintergrund trete, soweit Krankenbeobachtung und Grundpflege nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zusammenträfen. Diese Auffassung werde vom BSG nicht mehr vertreten. Nach dem Urteil des BSG vom 17. Juni 2010 - B 3 KR 7/09 R - = SozR 4-2500 § 37 Nr. 11 sei so vorzugehen, dass zunächst die von der Pflegekasse geschuldete Grundpflege zeitlich zu erfassen sei und anschließend der ermittelte Zeitwert nicht vollständig, sondern nur zur Hälfte vom Anspruch auf die ärztlich verordnete 24-stündige Behandlungspflege einschließlich der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen abzuziehen sei, weil während der Durchführung der Grundpflege weiterhin Behandlungspflege - auch als Krankenbeobachtung - stattfinde und beide Leistungsbereiche gleichrangig nebeneinander stünden. Nach dem letzten Pflegegutachten des MDK vom 23. August 2010 bestünde bei ihr für die Grundpflege ein Zeitbedarf von 278 Minuten. Die Hälfte hiervon seien 139 Minuten, d.h. 2,3 Stunden, weshalb die Antragsgegnerin zu verpflichten sei, ihr Leistungen der Behandlungspflege im Umfang von 21,6 Stunden täglich zu gewähren. Die Antragstellerin hat den vorläufigen Entlassbericht der Dres. N./R., Klinikum S.-B., vom 10. Juni 2011 über ihre stationäre Behandlung in der Zeit ab 10. Juni 2011 vorgelegt. Danach wird die Antragstellerin wegen der seit Jahren bekannten und unkalkulierbar auftretenden Myoklonien und Hypoglykämien auf der Intensivstation und nicht auf einer Normalstation, wo die Aufsicht unzureichend erscheine, betreut. Die Konstellation erfordere die konkrete Anwesenheit einer Person in der Nähe der Antragstellerin, die in der Lage sei, sofort einzugreifen, wenn Myoklonien (Sicherung, Gabe eines Sedativums), Hypoglykämien (Blutzuckermessung, Gabe von schnell wirksamen Kohlenhydraten) oder eine Aspiration (Absaugen, Gabe von Sauerstoff, Messen der Sauerstoff-Sättigung und weiterer Vitalparameter) auftrete. Je nach Schweregrad seien gegebenenfalls weitergehende Maßnahmen erforderlich. Weiterhin müsse die Antragstellerin regelmäßig fachgerecht gelagert werden. Auch unter stationären Bedingungen habe die Antragstellerin mehrfach und rezidivierend tonische Anfälle, die mit Atempausen und Selbstgefährdung einhergegangen seien, geboten. Bestätigt hat dies in einer ebenfalls vorgelegten Stellungnahme vom 24. Juni 2011 Dr. P., Klinikum S.-B ... Außerdem hat die Antragstellerin den wegen der noch ausstehenden Genehmigung des zuständigen Landratsamts B. noch nicht unterzeichneten Pflegedienstvertrag zwischen ihr und ProVita vorgelegt.

Die Antragstellerin beantragt (sachgerecht gefasst),

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Juni 2011 abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr einstweilen nach Vorlage der jeweils notwendigen Verordnung für 21,6 Stunden täglich häusliche Krankenpflege als Sachleistung zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin, die der Antragstellerin bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens 19,5 Stunden Krankenpflege gewährt, vertritt die Auffassung, dass streitig sei, ob eine 24-Stunden-Intensivpflege notwendig sei. Auf das Urteil des BSG vom 17. Juni 2010 komme es daher nicht an. Sie hat ein weiteres Gutachten von Dr. H.-B. vom 05. August 2011, wonach die medizinischen Voraussetzungen für die 24-stündige häusliche Krankenpflege nicht erfüllt sind, vorgelegt. Dr. H.-B. hat in ihrem Gutachten ausgeführt, nach der vorliegenden Intensivpflegekurve über den Zeitraum vom 10. Juni bis 04. Juli 2011 habe es sich bei der Langzeitsauerstofftherapie mit einer Sauerstoffgabe von zwei bis drei Litern pro Minute um eine kontinuierliche Therapie und nicht um eine Akutintervention gehandelt. Eine Aspiration sei in der Pflegedokumentation nicht abgebildet. Während des Aufenthalts auf der Intensivstation über mehr als drei Wochen seien Absaugemaßnahmen mit Entfernung von Sekret aus dem Mund-Rachenraum nicht durchgeführt worden. Es sei zwar einige Male zu Erbrechen, jedoch nicht zu einer Aspiration gekommen. Insgesamt seien während des dreiwöchigen Aufenthalts dreimal myoklonische Anfälle aufgetreten. Einmal sei die Gabe von Diazepam erfolgt, einmal sei die Antragstellerin nicht mehr ansprechbar gewesen sei, habe eine Atempause gehabt, habe wegen Eigengefährdung fixiert werden müssen und habe Tavor erhalten. Der Atemstillstand habe von selbst sistiert, Beatmung oder Bebeutelung mit Maske sei nicht erforderlich gewesen. Behandlungspflichtige Hypoglykämien seien nicht dokumentiert. Die notwendige Lagerung und Fixierung während der Myoklonien zur Verhinderung von Eigengefährdung seien grundpflegerische Maßnahmen. Eine kontinuierliche Überwachung und Sicherung der Vitalfunktionen sei nicht erforderlich. Auch bei den behandlungsbedürftigen Schmerzzuständen handele es sich nicht um akut vitalgefährdende Situationen. Ergänzend hat die Beklagte noch mitgeteilt, dass sie keine Pflegedokumentation vorlegen könne. Diese sei vom MDK direkt angefordert worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen. II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr.1Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, wonach die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Der im Beschwerdeverfahren streitige Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Sachleistung im Umfang von insgesamt 21,6 Stunden (dazu sogleich) übersteigt den Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist überwiegend begründet. Das SG hat zu Unrecht den vorläufigen Sachleistungsanspruch der Antragstellerin auf häusliche Krankenpflege auf 19,5 Stunden täglich beschränkt. Die Klägerin hat vorläufig Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Sachleistung im Umfang von 21,6 Stunden täglich (2.2.). Der vorläufige Anspruch auf Sachleistung kann der Klägerin aber lediglich für die Zukunft zugesprochen werden, nicht für die Vergangenheit, so dass insoweit die Beschwerde unbegründet (2.1.)

2.1. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Antragstellerin, ihr vorläufig für 21,6 Stunden täglich häusliche Krankenpflege als Sachleistung zu gewähren. Auch wenn zum Zeitpunkt des Antrages auf Erlass der einstweiligen Anordnung nur die Verordnung der Dr. F. vom 07. Januar 2011 für die Zeit vom 01. Januar bis 30. Juni 2011 vorlag, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin ihr Begehren lediglich auf diesen Zeitraum begrenzt hat. Ihr Begehren ist sachgerecht dahin auszulegen (§ 123 SGG), dass sie auf unbestimmte Zeit nach Vorlage der jeweils notwendigen Verordnung (§73 Abs. 2 Nr. 8 SGB V i.V.m. § 3 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege [Häusliche Krankenpflege-Richtlinie] vom 17. September 2009, Bundesanzeiger Nr. 93, S. 2214) häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich begehrt. Demgemäß liegt nach Vorlage der weiteren Verordnung der Dr. F. vom 16. Juni 2011 für die Zeit vom 01. Juli bis 31. Dezember 2011 keine Antragserweiterung im Sinne einer entsprechenden Anwendung des § 99 SGG vor.

Die Antragstellerin hat lediglich die Sachleistung begehrt. Eine solche kann nur für die Zukunft zugesprochen werden, nicht aber für die Vergangenheit. Wenn eine Krankenkasse Leistungen zu Unrecht verweigert hat oder aus anderen Gründen eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig hat erbringen können, wandelt sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) um. Zumindest für die vergangene Zeit vom 04. Juli und 31. August 2011 steht der Antragstellerin allenfalls noch ein Kostenerstattungsanspruch zu. Ein solcher hätte beziffert werden müssen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 5/09 R - = SozR 4-2500 § 31 Nr. 15). Dies ist nicht erfolgt.

Für die Zeit vor dem 04. Juli 2011 sind aufgrund der dem Senat vorliegenden Akten der Antragstellerin keine Kosten für häusliche Krankenpflege entstanden. Bis 25. Mai 2011 hat die Antragsgegnerin häusliche Krankenpflege im Umfang von 24 Stunden täglich gewährt. Sodann sind bis 03. Juli 2011 Kosten für die Sachleistung bei der Antragstellerin nicht angefallen, da diese von ihrem Vater übernommen bzw. ehrenamtlich erbracht wurden. Im Anschluss daran befand sich die Klägerin bis 04. Juli 2011 stationär im Krankenhaus, sodass auch insoweit keine Kosten für häusliche Krankenpflege entstanden sind.

2.2. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung kommt in Betracht, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Grundsätzlich kann hinsichtlich des geltend gemachten Anordnungsanspruchs nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, desto weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Bei Beeinträchtigung besonders hoher Rechtsgüter - im Rahmen der Krankenversicherung gehören dazu Beeinträchtigungen von Leben und körperlicher Unversehrtheit - verbietet sich gegebenenfalls eine summarische Prüfung. Bleibt für eine intensive Prüfung keine Zeit, ist eine reine Folgenabwägung vorzunehmen, ohne dass dabei die Erfolgsaussicht der Hauptsache intensiv zu prüfen wäre (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1585/02 - = NJW 2003, 1236).

2.2.1. Aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes besteht der von der Antragstellerin geltend gemachte Sachleistungsanspruch vorläufig

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (so genannte Behandlungssicherungspflege). Nach Halbsatz 2 der genannten Vorschrift umfasst der Anspruch verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist. Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Krankenpflege aus der sozialen Pflegeversicherung (BSG, Urteil vom 17. März 2005 - B 3 KR 9/04 R - = SozR 4-2500 § 37 Nr. 3). Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die nur durch eine bestimmte Krankheit verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 17. März 2005 a.a.O. m.w.N.).

Die Antragstellerin hat demnach nach summarischer Prüfung einen Anspruch auf so genannte qualifizierte, d.h. durch eine Pflegefachkraft zu leistende Behandlungspflege rund um die Uhr, weil sie wegen der unregelmäßig und unkalkulierbar auftretenden myoklonischen Krampfanfälle, bei denen es zu unkontrollierten Bewegungen mit der Gefahr von Verletzungen oder eines Sturzes aus dem Bett kommen sowie Atempausen und Bewusstlosigkeit mit der Folge des Abfalls der Sauerstoffsättigung oder einer Zyanose auftreten können, sowie des zeitweisen Erbrechens und des vorhandenen gastroosöphagealen Refluxes mit der Gefahr einer Aspiration 24 Stunden täglich ununterbrochen beobachtet werden muss. Hiervon ist auch nicht deshalb abzuweichen, weil die Atemstillstände in der Vergangenheit nicht sistierten, denn dies hat nicht zur Konsequenz, dass die Antragstellerin während der Anfälle nicht beobachtet werden müsste. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es in der Vergangenheit durchaus auch schon zu einem Sauerstoffabfall und einer beginnenden Zyanose kam. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Aspirationsgefahr. Zwar traten Aspirationen, die Absaugmaßnahmen erforderlich machten, in der jüngsten Vergangenheit nicht auf, dies bedeutet aber nicht, dass die Gefahr ausgeräumt ist, zumal es weiterhin zu Erbrechen und auch einem gastroosöphagealen Reflux kommt. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Dr. H.-B. vom 25. März 2011 und 26. April 2011, der Auskunft von Dr. F. vom 17. April 2011 sowie insbesondere aus dem Entlassungsbericht von Dres. N./R. vom 10. Juni 2011 und der Stellungnahme von Dr. P. vom 24. Juni 2011.

Der Antragsgegnerin ist auch nicht darin zu folgen, dass es sich bei den notwendigen Interventionen nur um grundpflegerische Maßnahmen durch Lagerung und Fixierung handele. Vielmehr stellen die gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen behandlungspflegerische Maßnahmen dar, die über die regelmäßig zu leistende Grundpflege hinausgehen, ein sofortiges Eingreifen erfordern, durch die Krankheit der Antragstellerin verursacht werden und die die Verschlimmerung der Krankheit verhüten bzw. Krankheitsbeschwerden verhindern oder lindern sollen.

Diesem Sachleistungsanspruch konnte - wie vom SG zugrunde gelegt - nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar 1999 - B 3 KR 4/98 R - = SozR 3-2500 § 37 Nr. 1; Urteil vom 10. November 2005 - B 3 KR 38/04 R - a.a.O.) entgegengehalten werden, dass die Antragstellerin zugleich Leistungen der Grundpflege in einem zeitlichen Umfang von 278 Minuten täglich erhält (so genannter Vorrang der Grundpflege). Diese Rechtsprechung zugrunde gelegt hat das SG von dem behandlungspflegerischen Gesamtbedarf von 24 Stunden 278 Minuten abgezogen und nur einen Bedarf an häuslicher Krankenpflege im Umfang von 19,5 Stunden errechnet. Diese Rechtsprechung ist mittlerweile jedoch überholt und aufgegeben worden. Das BSG hat insoweit in seinem Urteil vom 17. Juni 2010 (B 3 KR 7/09 R a.a.O.) ausgeführt, dass zur Abgrenzung des Bereichs der Behandlungspflege und der Grundpflege wie folgt vorzugehen sei: Es sei zunächst von dem im MDK-Gutachten festgestellten Gesamtumfang aller Hilfeleistungen bei der Grundpflege die von der Pflegekasse geschuldete "reine" Grundpflege zu trennen und zeitlich zu erfassen; die hauswirtschaftliche Versorgung spiele in der Regel, weil sie nicht von der Pflegefachkraft erbracht werde, keine Rolle. Der so ermittelte Zeitwert sei aber nicht vollständig, sondern nur zur Hälfte vom Anspruch auf die ärztlich verordnete, rund um die Uhr erforderliche Behandlungspflege (einschließlich der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen) abzuziehen, weil während der Durchführung der Grundpflege weiterhin Behandlungspflege - auch als Krankenbeobachtung - stattfinde und beide Leistungsbereiche gleichrangig nebeneinander stünden. Aus der Differenz zwischen dem verordneten zeitlichen Umfang der häuslichen Krankenpflege und der Hälfte des zeitlichen Umfang der "reinen" Grundpflege ergebe sich der zeitliche Umfang der häuslichen Krankenpflege, für den die Krankenkasse einzutreten habe. Vor diesem Hintergrund ist vom Anspruch der Antragstellerin auf Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden täglich maximal die Hälfte der Grundpflege von 278 Minuten, mithin 139 Minuten abzuziehen. Dies ergibt einen Umfang von Behandlungspflege in Höhe von 21,6 Stunden. Darauf, ob insoweit noch zu differenzieren ist zwischen reiner Grundpflege und verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen kommt es insoweit nicht an, nachdem die Antragstellerin "nur" häusliche Krankenpflege im Umfang von 21,6 Stunden beansprucht.

Die für die häusliche Krankenpflege notwendige vertragsärztliche Verordnung (§73 Abs. 2 Nr. 8 SGB V i.V.m. § 3 Häusliche Krankenpflege-Richtlinie) liegt jedenfalls für die Zeit bis 31. Dezember 2011 vor (vertragsärztliche Folgeverordnung der Dr. F. vom 16. Juni 2011 für die Zeit vom 01. Juli bis 31. Dezember 2011).

2.2.2. Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor.

Der Antragstellerin drohen erhebliche Gefahren von Leib und Leben, wenn sie nicht 24 Stunden täglich beobachtet wird. Sie ist nicht erwerbsfähig und hat nach ihren Angaben Leistungen nach dem SGB XII beantragt, weshalb sie nicht darauf verwiesen werden kann, die häusliche Krankenpflege zunächst bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und möglicherweise eines sich anschließenden Klageverfahrens auf eigene Kosten selbst in Auftrag zu geben und anschließend bei der Beklagten die Erstattung der Kosten nach § 13 Abs.3 SGB V geltend zu machen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §193 SGG. Soweit die Beschwerde der Antragstellerin nicht erfolgreich war, betrifft dies im Verhältnis zu dem Erfolg der Beschwerde nur einen geringen Teil, so dass es nicht angemessen ist, insoweit von einer Kostenerstattung abzusehen.

Dieser Beschluss ist mit der (weiteren) Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved