Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 P 7474/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4136/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. Mai 2009 und die Bewilligung von Pflegegeld nur noch nach der Pflegestufe I ab diesem Zeitpunkt.
Die 1942 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Nach einer Bandscheibenoperation im Jahre 1982 verblieben Restbeschwerden, u.a. jedenfalls seit 1992 eine Blasenentleerungsstörung, so dass ein Katheterisieren zur Entleerung der Blase notwendig ist. Es erfolgte im Jahre 1999 eine Versorgung mit einer Knieendoprothese rechts und am 5. September 2005 die Implantation einer bikondylären Schlittenprothese am linken Kniegelenk. Vom 20. September bis 18. Oktober 2005 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsbehandlung teil mit dem Ziel, die Schmerzsymptomatik zu lindern, die Beweglichkeit im linken Kniegelenk zu verbessern und begleitend einen Aufbau der gelenkführenden und rumpfstabilisierenden Muskulatur zu erreichen. Bei der Abschlussuntersuchung demonstrierte die Klägerin unter noch nicht vollständiger Belastung des linken Beines einen klein- bis mittelschrittigen vorsichtigen Gang im Viererkreuzgang (Bericht des Internisten/Rheumatologen Prof. Dr. J. vom 17. Oktober 2005).
Die Beklagte zahlte der Klägerin seit 1. April 1998 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 13. August 1998). Auf den unter dem 28. Dezember 2003 gestellten Antrag auf Höherstufung bewilligte die Beklagte mit dem an den Ehemann der Klägerin gerichteten Bescheid vom 29. März 2004 ab 1. Dezember 2003 Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Dem zugrunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft B., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 10. März 2004. Sie nannte als pflegebegründende Diagnosen eine Fibromyalgie, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation sowie Blasenentleerungsstörungen und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 131 Minuten täglich (Körperpflege 62 Minuten, Ernährung acht Minuten, Mobilität 61 Minuten) ein. Die Schulter- und Ellenbogenbeweglichkeit sei deutlich eingeschränkt. Das Anheben der Arme sei aktiv bis Ohrhöhe möglich. Nacken-, Schürzen- und Zehengriff seien nicht ausführbar. Gehen sei nur über kurze Strecken mit Unterstützung durch die Pflegeperson möglich. Pflegeartikel würden bereitgestellt. Gesicht und Oberkörper wasche sich die Klägerin so weit möglich alleine, Rücken und Unterkörper werde durch die Pflegeperson gewaschen. Zahnpasta werde aufgelegt. Es erfolge Hilfe bei den Toilettengängen, Unterstützung bei der Intimpflege nach Defäkation sowie das Bereitstellen und Entleeren der Artikel zum Katheterisieren. Feste Speisen würden zurechtgeschnitten. Erforderlich sei Hilfe beim Über-den-Kopfziehen der Kleidung sowie beim Öffnen und Schließen von kleinen Knöpfen und Verschlüssen, wobei im Bereich des Unterkörpers eine komplette Übernahme notwendig sei. Zur Mittagsruhe werde die Klägerin teilentkleidet. Unterstützt werde sie abhängig von der Tagesverfassung und den Schmerzen beim Transfer Bett/Rollstuhl/WC sowie vor allem morgens beim Fahren mit dem Rollstuhl. Ferner zahlte die Beklagte der Klägerin im Januar 2005 einen Zuschuss in Höhe von EUR 2.557,00 für einen behindertengerechten Zugang zum Haus als wohnumfeldverbessernde Maßnahme.
Nachdem die Krankenkasse der Beklagten mitgeteilt hatte, die Klägerin habe sich über Präventionsmaßnahmen wie Nordic Walking und Aqua-Aerobic erkundigt, veranlasste die Beklagte eine Nachuntersuchung. Pflegefachkraft E., MDK, nannte in ihrem Gutachten vom 2. April 2008 als pflegebegründende Diagnosen eine Gehbehinderung und eine neurogene Blasenentleerungsstörung bei Zustand nach Bandscheibenoperation, eine Fibromyalgie, eine Wirbelsäuleninsuffizienz sowie eine Adipositas und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf insgesamt 50 Minuten täglich (Körperpflege 30 Minuten und Mobilität 20 Minuten) ein. Nach Anpassung des Wohnumfelds und einer durchgeführten Rehabilitation sei die Klägerin mit ihrem Elektrorollstuhl mobil geworden. Die Handkraft habe so weit zugenommen, dass bei der Ernährung, beim Richten der Kleider, bei der Zahnpflege und beim Kämmen der Haare kein Hilfebedarf mehr bestehe. Transfers würden selbstständig bewältigt. Die Pflegesituation habe sich dahin geändert, dass die Klägerin ein Wirbelsäulenkorsett und Kompressionsstrümpfe tragen müsse. Hilfestellung brauche sie noch zum Waschen des Rückens und wegen der Schwäche in den Beinen zum Waschen der Füße. Beim Säubern nach dem Stuhlgang müsse die übergewichtige Klägerin unterstützt werden. Auch seien ihr zum selbstständigen Katheterisieren die Utensilien bereitzulegen und das Auffanggefäß zu entleeren. Schließlich müssten witterungsentsprechende Tageskleider bereitgelegt und über die Füße gestreift werden. Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 8. April 2008) verfügte die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 9. April 2008 unter der Betreffangabe "Förmlicher Änderungsbescheid zur Reduzierung der Pflegeleistungen von Pflegestufe II in Pflegestufe I", dass sie (die Beklagte) ab 1. März 2008 nur Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von EUR 205,00 auszahlen könne.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Ihr Zustand habe sich nicht verbessert, sondern verschlechtert. Ärztin S., MDK, führte im Gutachten nach Aktenlage vom 8. Mai 2008 aus, die Pflegesituation von März 2004 habe sich im Vergleich zu der im April 2008 dahin geändert, dass die Klägerin ihre Ressourcen besser nutzen könne. Die Handkraft habe zugenommen, so dass der Hilfebedarf in den einzelnen Verrichtungen deutlich zurückgegangen sei. Der Hilfebedarf habe sich (gegenüber März 2004) reduziert auf Teilübernahme beim täglichen Waschen und Duschen des Rückens und der Füße, auf Unterstützung und Teilübernahme bei der Intimreinigung nach Stuhlgang ein- bis zweimal täglich sowie bei der Vor- und Nachbereitung des selbstständig durchgeführten Katheterisierens. Kein Hilfebedarf bestehe mehr beim Aufstehen und Zubettgehen, beim Drehen im Bett sowie bei den Transfers von und zu den definierten Verrichtungen, weil die Klägerin jetzt mit dem Elektrorollstuhl weitgehend selbstständig mobil sei. In der Gesamtsicht könne zwar ein geringfügig höherer Hilfebedarf im Bereich der Ernährung, insbesondere beim Bereitstellen von Getränken und Öffnen von Flaschenverschlüssen anerkannt werden, dieser liege jedoch weiterhin deutlich im Zeitrahmen der Pflegestufe I. Die (im Widerspruch vorgebrachte) Versorgung rezidivierender Abszesse zähle nicht zu den definierten grundpflegerischen Verrichtungen. Die Beklagte half dem Widerspruch insoweit ab, als sie Pflegegeld nach der Pflegestufe II bis 30. Juni 2008 zahlte und das Pflegegeld erst mit Wirkung ab 1. Juli 2008 auf die Pflegestufe I reduzierte (Bescheid vom 5. Juni 2008).
Vom 4. bis 19. August 2008 befand sich die Klägerin in akutstationärer Krankenhausbehandlung wegen einer seropositiven rheumatoiden Arthritis mit destruierendem Verlauf. Es erfolgte u.a. eine individuell angepasste physikalische und krankengymnastische Behandlung zur Mobilisierung der Gelenke und zur Festigung der Muskulatur sowie Ergotherapie mit funktionell-motorischen Übungen für die Hände, von der die Klägerin gut profitiert habe (Entlassungsbericht des Internisten/Rheumatologen Dr. K. vom 25. August 2008). Im weiteren von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 15. Mai 2009 nannte Pflegefachkraft L., MDK, aufgrund einer am 11. Mai 2009 erfolgten Untersuchung der Klägerin in häuslicher Umgebung dieselben pflegebegründenden Diagnosen wie Pflegefachkraft E. und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 64 Minuten täglich (Körperpflege 30 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität 28 Minuten) ein. Die Handkraft sei beidseits stark reduziert. Die Finger seien arthrotisch geschwollen. Der Faustschluss beidseits und der Schürzengriff seien inkomplett. Die Greiffunktion sei erhalten. Die Feinmotorik sei etwas erschwert. Der Arme könnten beidseits zur Horizontalen angehoben werden. Das Gehen innerhalb der Wohnung sei mit Stock oder mit dem elektrischen Rollstuhl selbstständig möglich. Beim Duschen müssten Rücken und Beine gewaschen werden. Selbstständig wasche die Klägerin den Oberkörper vorn sowie den Genitalbereich und führe die Zahnpflege durch. Die Haare am Hinterkopf müssten nachgekämmt werden. Abhängig von der Tagesform seien Hilfestellungen beim Aufstehen und Zubettgehen nötig. Das An- und Entkleiden des Unterkörpers einschließlich des An- und Ausziehens der Kompressionsstrümpfe müsse voll übernommen werden, das des Oberkörpers teilweise, wenn Kleidung über den Kopf zu ziehen sei oder der Büstenhalter und Knöpfe zu öffnen oder zu schließen seien. Hilfestellungen seien täglich beim Ein- und Aussteigen beim Duschen sowie beim Auto wegen der viermal wöchentlich stattfindenden Therapien (Krankengymnastik, Schlingentisch, Massage und Ergotherapie). Das Katheterisieren finde selbstständig durch die Klägerin statt. Ihr müssten die Utensilien bereitgelegt sowie das dazu verwendete Gefäß geleert werden.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten hob den Bescheid vom 9. April 2008 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 5. Juni 2008 für die Zeit bis zum 30. April 2009 auf und wies im Übrigen den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2009). Aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens vom 10. März 2004 sei die Klägerin seit Dezember 2003 im Umfang der Pflegestufe II pflegebedürftig gewesen. Danach hätten sich allerdings Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen ergeben. Jedenfalls seit Mai 2009 sei die Klägerin nur noch in geringerem Umfang pflegebedürftig. Aus dem Vergleich der Beschreibungen der gesundheitlichen und pflegerischen Situation im Gutachten (vom 10. März) 2004 mit demjenigen im Gutachten (vom 15. Mai) 2009 lasse sich erkennen, dass im Bereich der Aktivitäten mit Armen und Händen wie auch im Bereich der Nutzung der Beine wahrnehmbare Verbesserungen eingetreten seien. Die sich im Vergleich zwischen Dezember 2003/Februar 2004 und 2008/2009 ergebende Änderung sei wesentlich. Der für die Pflegestufe II erforderliche Mindestwert von durchschnittlich 120 Minuten Grundpflegebedarf pro Tag werde nicht mehr erreicht. Das Gutachten des MDK vom 15. Mai 2009 stelle nachvollziehbar einen gesicherten Bedarf von 64 Minuten fest. Das von der Klägerin im Widerspruch geltend gemachte Zittern der Hände und die durch die Knieprothesen besonders eingeschränkte Mobilität habe der MDK nicht nachvollziehen können. Der MDK habe mehrmals Verrichtungen beschrieben, die auf eine dem festgestellten Hilfebedarf entsprechende bestehende Beweglichkeit der Finger, Hände und Arme schließen ließen (Brötchen bestreichen, Blutzuckerkontrolle, Notieren der Werte, Medikamenteneinnahme). Das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei mit achtmal pro Woche (viermal Hinweg, viermal Rückweg) in der geltend gemachten Häufigkeit für die Inanspruchnahme der Heilmittel berücksichtigt. Arztbesuche fielen nur alle 14 Tage an und könnten daher nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen sei mit 131 Minuten die Pflegestufe II nur knapp erreicht worden. Die Verbesserungen ließen ein Absinken auf jedenfalls deutlich unter 120 Minuten nachvollziehbar erscheinen.
Gegen den ihr am 8. Oktober 2009 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am Montag, 9. November 2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte erneut geltend, eine Verbesserung sei nicht eingetreten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Auf Veranlassung des SG erstattete Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Wi. aufgrund eines Hausbesuchs am 29. März 2010 das Gutachten vom selben Tag. Seit mehr als 10 Jahren bestehe bei der Klägerin eine primär chronische Polyarthritis mit Einschränkungen der Beweglichkeit der kleinen Fingergelenke und ein Fibromyalgiesyndrom, das diffuse Schmerzen im Bewegungsapparat verursache, ein behandelter Diabetes mellitus, jetzt eine Polyneuropathie der Beine mit Missempfindungen sowie seit 1992 eine neurogene Blasenstörung. Der Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege betrage 77 Minuten (Körperpflege 44 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität 27 Minuten). Beide Hände zeigten Einschränkungen im Bereich der Greif- und Haltefunktion. Der Faustschluss sei nicht vollständig möglich. Die kleinen Fingergelenke zeigten an beiden Händen Schwellungen und Überwärmung. Beide Arme könnten mühsam nur bis zur Horizontalen angehoben werden. Der Boden könne im Sitzen mit den Armen nicht erreicht werden. Selbstständiges Gehen innerhalb des Pflegebereichs sei mit Gehstützen langsam möglich, auch das Aufstehen vom elektrischen Rollstuhl, der selbstständig innerhalb des Pflegebereichs bewegt werde. Die Klägerin benötige Hilfe bei der täglich notwendigen Ganzkörperwäsche, insbesondere im Bereich des Unterkörpers, beim Kämmen, bei der Zahnpflege, beim Katheterisieren, beim Richten der Bekleidung vor und nach dem Katheterisieren, beim Einschenken von Getränken, beim Öffnen von Flaschen, beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Entkleiden, auch der Kompressionsstrümpfe, beim Transfer auf die Toilette im Rahmen des Stuhlgangs sowie zu den viermal wöchentlichen Therapiebesuchen beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto sowie dem An- und Auskleiden witterungsgerechter Kleidung. Die Klägerin sei im Jahr 2005 erfolgreich am zweiten Kniegelenk operiert worden und habe in der Rehabilitation das selbstständige Gehen und Stehen wieder erreichen können. Es seien zwar nur kurze Strecken innerhalb des Pflegebereichs mit Gehstützen möglich, allerdings seien auch nur diese Wege anrechenbar. Zusätzlich könne sie den Elektrorollstuhl selbstständig nutzen. Auch beim Verlassen und Wiederaufsuchen des Hauses für Therapiemaßnahmen habe sie eine Selbstständigkeit aufgrund einer Wohnumfeldverbesserung (behindertengerechter Zugang zum Haus) erreicht. Aufgrund zunehmender Beeinträchtigung der Feinmotorik der Hände bei schmerzhaften Schwellungen einiger kleinerer Fingergelenke mit einer Funktionsminderung benötige die Klägerin seit einigen Monaten Hilfe beim Katheterisieren. Wegen eines Venenleidens müsse sie Kompressionsstrümpfe tragen, was 2004 noch nicht dokumentiert gewesen sei.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2010 ab. Es schloss sich der Begründung des Widerspruchsbescheids nach eigener Prüfung an und kam gestützt auf die Gutachten des MDK vom 10. März 2004 und 15. Mai 2009 sowie der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010 zur Überzeugung, dass seit dem Erlass des Bewilligungsbescheids vom 29. März 2004 bis zum Mai 2009 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei, weil sich der Grundpflegebedarf der Klägerin deutlich reduziert habe und erheblich unter die für die Pflegestufe II erforderliche Grenze von 120 Minuten täglich gesunken sei. Der Grundpflegebedarf im Bereich der Mobilität habe sich deutlich reduziert, was nachvollziehbar auf die durchgeführte Rehabilitation und die wohnumfeldverbessernde Maßnahme zurückzuführen sei. Auch die Beweglichkeit der Hände, Arme und Beine habe sich wesentlich verbessert. Soweit seit Mai 2009 wieder eine Verschlechterung eingetreten sei, sei dies nicht relevant, da allein der Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung maßgeblich sei.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. August 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 2. September 2010 Berufung eingelegt. Eine manifeste Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation sei nicht eingetreten. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass sie das täglich mehrmals durchzuführende Katheterisieren nur mit fremder Hilfe vornehmen könne sowie dass beide Hände im Wesentlichen gebrauchsuntauglich seien, weil das Festhalten selbst von leichten Gegenständen nicht mehr möglich sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie hat die genannten Berichte des Prof. Dr. J. vom 17. Oktober 2005 und des Dr. K. vom 25. August 2008 vorgelegt.
Die Klägerin hat am 21. September 2010 die Höherstufung beantragt. Pflegefachkraft H., MDK, hat in ihrem Gutachten vom 29. Oktober 2010 den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit täglich 143 Minuten (Körperpflege 94 Minuten, zehn Minuten, Mobilität 39 Minuten) geschätzt. Die Klägerin sei in ihrer Beweglichkeit und Mobilität stark eingeschränkt. Die Hände seien in der Beweglichkeit stark eingeschränkt, es bestehe keine Feinmotorik und nur bedingte Greiffunktion. Die Klägerin verfüge über keine Handkraft mehr, der Faustschluss sei nicht mehr möglich. Sie sei gangunsicher mit Sturzrisiko. Das Gehen sei breitbasig, langsam und tapsig und es könnten nur noch kurze Strecken mit Handstock in der Wohnung zurückgelegt werden. Die Beklagte hat der Klägerin mit Bescheid vom 18. November 2010 Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. September 2010 bewilligt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn streitig sind höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), und zwar auch unter Berücksichtigung der im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgten Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht mit Wirkung zum 1. Mai 2009 die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe I gezahlt, weil jedenfalls im Mai 2009 eine wesentliche Änderung im Sinne eines reduzierten Grundpflegebedarfs vorlag.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte die mit (an den Ehemann der Klägerin gerichtetem) Bescheid vom 29. März 2004 ab 1. Dezember 2003 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. Mai 2009 teilweise aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe I bewilligt. Obwohl dies ausdrücklich in den genannten Bescheiden so nicht verfügt worden ist, lässt sich dies mit gerade noch hinreichender Bestimmtheit den genannten Bescheiden entnehmen (zu den Anforderungen an die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld siehe z.B. Urteil des erkennenden Senats vom 5. März 2010 - L 4 P 4773/08 - in juris). Denn jedenfalls im Betreff des Bescheids vom 9. April 2008 gab die Beklagte an, dass sie einen Aufhebungsbescheid erlassen habe.
Der Bescheid vom 18. November 2010 ist nicht nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn weder ändert er den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009, noch ersetzt er diesen Bescheid.
2. Gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 kann sich die Klägerin nur mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGG wenden. Eine (zusätzlich) erhobene Leistungsklage mit dem Begehren, dass die Beklagte auch ab 1. Mai 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zahlt, ist unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG - SozR 4100 § 134 Nr. 29). Denn mit der Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 bliebe der Bewilligungsbescheid vom 29. März 2004 wirksam und die Beklagte wäre verpflichtet, Pflegegeld nach der Pflegestufe II auch für die Zeit ab 1. Mai 2009 zu zahlen. Demgemäß war der sachgerechte Antrag der Klägerin zu fassen (§ 123 SGG).
3. Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe II in Pflegestufe I zum 1. Mai 2009 ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).
Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom 29. März 2004 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Maßgebliches Vergleichsgutachten ist damit das diesem Bescheid zugrunde liegende Gutachten der Pflegefachkraft B. vom 10. März 2004, wovon die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2009 auch zutreffend ausgegangen ist. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung der Beklagten, mit der die Aufhebung der Bewilligung verfügt worden ist. Dies ist der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009. Denn bei einer isolierten Anfechtungsklage - wie hier - ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts maßgeblich (z.B. BSG SozR 3-2200 § 708 Nr. 1). Später eingetretene Änderungen, insbesondere eine Verschlechterung (siehe dazu unten), sind unbeachtlich.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Hingegen sind nach Nr. 2 dieser Vorschrift Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) Personen, die (in denselben Bereichen) mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt (1.) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen, (2.) in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen. Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
Eine wesentliche Änderung im Grundpflegebedarf war jedenfalls im Mai 2009 eingetreten, weil der Grundpflegebedarf sich zu diesem Zeitpunkt reduziert hatte. Dies ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden Gutachten des MDK sowie der Sachverständigen Dr. Wi ... Die Klägerin war im Mai 2009 selbstständiger geworden. Im März 2004 konnte die Klägerin allenfalls den Oberkörper selbstständig waschen. Im Mai 2009 bestand Hilfebedarf nur noch für das Waschen des Rückens und der Beine, Oberkörper und Genitalbereich konnte die Klägerin selbstständig waschen. Ebenso konnte die Klägerin im Mai 2009 die Zahnpflege selbstständig durchführen, während im März 2004 noch die Zahnpasta aufgelegt werden musste. Die am 5. September 2005 erfolgte Implantation einer bikondylären Schlittenprothese am linken Kniegelenk mit der nachfolgenden Rehabilitationsbehandlung brachte eine Verbesserung der Gehfähigkeit der Klägerin. Auch in der stationären Krankenhausbehandlung im August 2008 erfolgte eine gezielte physikalische und krankengymnastische Behandlung zur Mobilisierung der Gelenke und zur Festigung, von der die Klägerin gut profitierte (Entlassungsbericht des Dr. K. vom 25. August 2008). Sie war im Mai 2009 zumindest innerhalb der Wohnung in der Lage, kurze Strecken selbstständig zurückzulegen, entweder mit einer Gehstütze oder dem Elektrorollstuhl. Im März 2004 war für das Gehen auch über kurze Strecken noch die Unterstützung der Pflegeperson erforderlich. Zu der Verbesserung der Mobilität mit dem Elektrorollstuhl trug auch eine von der Beklagten geförderte Verbesserung des Wohnumfelds bei. Angesichts der genannten Veränderungen ist eine Verringerung des täglichen Hilfebedarfs bei den Verrichtungen der Grundpflege auf einen Wert von unter 120 Minuten nachvollziehbar, zumal der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im März 2004 mit 131 Minuten nur knapp über der für die Pflegestufe II maßgeblichen Grenze von 120 Minuten lag.
Die zunehmende Einschränkung der Beweglichkeit der Fingergelenke ist erstmals im Gutachten der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010 beschrieben. Die Sachverständige ging davon aus, dass dieser Zustand seit einigen Monaten besteht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass dieser Zustand bereits im Jahre 2009 bestand.
Das Gutachten der Pflegefachkraft H. vom 29. Oktober 2010 erfordert keine andere Beurteilung. Vielmehr ergibt sich aus diesem Gutachten, dass sich der Grundpflegebedarf der Klägerin wieder erhöht hat. Pflegefachkraft H. beschreibt in ihrem Gutachten einen veränderten Befund. Die Klägerin verfügt nunmehr über keine Handkraft mehr und der Faustschluss ist nicht mehr möglich. Das Gehvermögen ist breitbasig, langsam und tapsig. Auch können nur noch kurze Strecken mit Handstock in der Wohnung zurückgelegt werden. Wegen der beschriebenen Verschlechterung der Gebrauchsfähigkeit der Finger und Hände ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin nunmehr nicht mehr in der Lage ist, das wegen der Blasenentleerungsstörung notwendige Katheterisieren selbst vorzunehmen, wozu sie im Mai 2009 noch in der Lage war, wie sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 15. Mai 2009 ergibt. Ihr mussten damals lediglich die Utensilien bereitgelegt sowie das dazu verwendete Gefäß nach Abschluss des Katheterisierens geleert werden. Auch aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010 ergibt sich, dass die Klägerin das Katheterisieren selbst durchführte, allerdings wegen der progredienten Einschränkung der Greiffunktion und Feinmotorik der Hände aber zunehmend auf Hilfe angewiesen war. Die insoweit eingetretene Verschlechterung ist jedoch nach Oktober 2009 (Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids als letzter Verwaltungsentscheidung) eingetreten und damit - wie dargelegt - für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Allein der nunmehr notwendige Hilfebedarf beim Katheterisieren ist erheblich und wird von Pflegefachkraft H. mit 60 Minuten täglich eingeschätzt. Die vorangegangenen Gutachten nannten demgegenüber einen deutlich geringeren Hilfebedarf (Gutachten der Pflegefachkraft B. vom 10. März 2004 und Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 15. Mai 2009: jeweils 15 Minuten; Gutachten der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010: 25 Minuten). Allein schon dieser erhebliche Zeitaufwand für das Katheterisieren von 60 Minuten täglich führt dazu, dass mit einem Hilfebedarf von 143 Minuten der für die Pflegestufe II maßgebliche Hilfebedarf von 120 Minuten überschritten wird.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. Mai 2009 und die Bewilligung von Pflegegeld nur noch nach der Pflegestufe I ab diesem Zeitpunkt.
Die 1942 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Nach einer Bandscheibenoperation im Jahre 1982 verblieben Restbeschwerden, u.a. jedenfalls seit 1992 eine Blasenentleerungsstörung, so dass ein Katheterisieren zur Entleerung der Blase notwendig ist. Es erfolgte im Jahre 1999 eine Versorgung mit einer Knieendoprothese rechts und am 5. September 2005 die Implantation einer bikondylären Schlittenprothese am linken Kniegelenk. Vom 20. September bis 18. Oktober 2005 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsbehandlung teil mit dem Ziel, die Schmerzsymptomatik zu lindern, die Beweglichkeit im linken Kniegelenk zu verbessern und begleitend einen Aufbau der gelenkführenden und rumpfstabilisierenden Muskulatur zu erreichen. Bei der Abschlussuntersuchung demonstrierte die Klägerin unter noch nicht vollständiger Belastung des linken Beines einen klein- bis mittelschrittigen vorsichtigen Gang im Viererkreuzgang (Bericht des Internisten/Rheumatologen Prof. Dr. J. vom 17. Oktober 2005).
Die Beklagte zahlte der Klägerin seit 1. April 1998 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 13. August 1998). Auf den unter dem 28. Dezember 2003 gestellten Antrag auf Höherstufung bewilligte die Beklagte mit dem an den Ehemann der Klägerin gerichteten Bescheid vom 29. März 2004 ab 1. Dezember 2003 Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Dem zugrunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft B., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 10. März 2004. Sie nannte als pflegebegründende Diagnosen eine Fibromyalgie, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation sowie Blasenentleerungsstörungen und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 131 Minuten täglich (Körperpflege 62 Minuten, Ernährung acht Minuten, Mobilität 61 Minuten) ein. Die Schulter- und Ellenbogenbeweglichkeit sei deutlich eingeschränkt. Das Anheben der Arme sei aktiv bis Ohrhöhe möglich. Nacken-, Schürzen- und Zehengriff seien nicht ausführbar. Gehen sei nur über kurze Strecken mit Unterstützung durch die Pflegeperson möglich. Pflegeartikel würden bereitgestellt. Gesicht und Oberkörper wasche sich die Klägerin so weit möglich alleine, Rücken und Unterkörper werde durch die Pflegeperson gewaschen. Zahnpasta werde aufgelegt. Es erfolge Hilfe bei den Toilettengängen, Unterstützung bei der Intimpflege nach Defäkation sowie das Bereitstellen und Entleeren der Artikel zum Katheterisieren. Feste Speisen würden zurechtgeschnitten. Erforderlich sei Hilfe beim Über-den-Kopfziehen der Kleidung sowie beim Öffnen und Schließen von kleinen Knöpfen und Verschlüssen, wobei im Bereich des Unterkörpers eine komplette Übernahme notwendig sei. Zur Mittagsruhe werde die Klägerin teilentkleidet. Unterstützt werde sie abhängig von der Tagesverfassung und den Schmerzen beim Transfer Bett/Rollstuhl/WC sowie vor allem morgens beim Fahren mit dem Rollstuhl. Ferner zahlte die Beklagte der Klägerin im Januar 2005 einen Zuschuss in Höhe von EUR 2.557,00 für einen behindertengerechten Zugang zum Haus als wohnumfeldverbessernde Maßnahme.
Nachdem die Krankenkasse der Beklagten mitgeteilt hatte, die Klägerin habe sich über Präventionsmaßnahmen wie Nordic Walking und Aqua-Aerobic erkundigt, veranlasste die Beklagte eine Nachuntersuchung. Pflegefachkraft E., MDK, nannte in ihrem Gutachten vom 2. April 2008 als pflegebegründende Diagnosen eine Gehbehinderung und eine neurogene Blasenentleerungsstörung bei Zustand nach Bandscheibenoperation, eine Fibromyalgie, eine Wirbelsäuleninsuffizienz sowie eine Adipositas und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf insgesamt 50 Minuten täglich (Körperpflege 30 Minuten und Mobilität 20 Minuten) ein. Nach Anpassung des Wohnumfelds und einer durchgeführten Rehabilitation sei die Klägerin mit ihrem Elektrorollstuhl mobil geworden. Die Handkraft habe so weit zugenommen, dass bei der Ernährung, beim Richten der Kleider, bei der Zahnpflege und beim Kämmen der Haare kein Hilfebedarf mehr bestehe. Transfers würden selbstständig bewältigt. Die Pflegesituation habe sich dahin geändert, dass die Klägerin ein Wirbelsäulenkorsett und Kompressionsstrümpfe tragen müsse. Hilfestellung brauche sie noch zum Waschen des Rückens und wegen der Schwäche in den Beinen zum Waschen der Füße. Beim Säubern nach dem Stuhlgang müsse die übergewichtige Klägerin unterstützt werden. Auch seien ihr zum selbstständigen Katheterisieren die Utensilien bereitzulegen und das Auffanggefäß zu entleeren. Schließlich müssten witterungsentsprechende Tageskleider bereitgelegt und über die Füße gestreift werden. Nach Anhörung der Klägerin (Schreiben vom 8. April 2008) verfügte die Beklagte mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 9. April 2008 unter der Betreffangabe "Förmlicher Änderungsbescheid zur Reduzierung der Pflegeleistungen von Pflegestufe II in Pflegestufe I", dass sie (die Beklagte) ab 1. März 2008 nur Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von EUR 205,00 auszahlen könne.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Ihr Zustand habe sich nicht verbessert, sondern verschlechtert. Ärztin S., MDK, führte im Gutachten nach Aktenlage vom 8. Mai 2008 aus, die Pflegesituation von März 2004 habe sich im Vergleich zu der im April 2008 dahin geändert, dass die Klägerin ihre Ressourcen besser nutzen könne. Die Handkraft habe zugenommen, so dass der Hilfebedarf in den einzelnen Verrichtungen deutlich zurückgegangen sei. Der Hilfebedarf habe sich (gegenüber März 2004) reduziert auf Teilübernahme beim täglichen Waschen und Duschen des Rückens und der Füße, auf Unterstützung und Teilübernahme bei der Intimreinigung nach Stuhlgang ein- bis zweimal täglich sowie bei der Vor- und Nachbereitung des selbstständig durchgeführten Katheterisierens. Kein Hilfebedarf bestehe mehr beim Aufstehen und Zubettgehen, beim Drehen im Bett sowie bei den Transfers von und zu den definierten Verrichtungen, weil die Klägerin jetzt mit dem Elektrorollstuhl weitgehend selbstständig mobil sei. In der Gesamtsicht könne zwar ein geringfügig höherer Hilfebedarf im Bereich der Ernährung, insbesondere beim Bereitstellen von Getränken und Öffnen von Flaschenverschlüssen anerkannt werden, dieser liege jedoch weiterhin deutlich im Zeitrahmen der Pflegestufe I. Die (im Widerspruch vorgebrachte) Versorgung rezidivierender Abszesse zähle nicht zu den definierten grundpflegerischen Verrichtungen. Die Beklagte half dem Widerspruch insoweit ab, als sie Pflegegeld nach der Pflegestufe II bis 30. Juni 2008 zahlte und das Pflegegeld erst mit Wirkung ab 1. Juli 2008 auf die Pflegestufe I reduzierte (Bescheid vom 5. Juni 2008).
Vom 4. bis 19. August 2008 befand sich die Klägerin in akutstationärer Krankenhausbehandlung wegen einer seropositiven rheumatoiden Arthritis mit destruierendem Verlauf. Es erfolgte u.a. eine individuell angepasste physikalische und krankengymnastische Behandlung zur Mobilisierung der Gelenke und zur Festigung der Muskulatur sowie Ergotherapie mit funktionell-motorischen Übungen für die Hände, von der die Klägerin gut profitiert habe (Entlassungsbericht des Internisten/Rheumatologen Dr. K. vom 25. August 2008). Im weiteren von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 15. Mai 2009 nannte Pflegefachkraft L., MDK, aufgrund einer am 11. Mai 2009 erfolgten Untersuchung der Klägerin in häuslicher Umgebung dieselben pflegebegründenden Diagnosen wie Pflegefachkraft E. und schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 64 Minuten täglich (Körperpflege 30 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität 28 Minuten) ein. Die Handkraft sei beidseits stark reduziert. Die Finger seien arthrotisch geschwollen. Der Faustschluss beidseits und der Schürzengriff seien inkomplett. Die Greiffunktion sei erhalten. Die Feinmotorik sei etwas erschwert. Der Arme könnten beidseits zur Horizontalen angehoben werden. Das Gehen innerhalb der Wohnung sei mit Stock oder mit dem elektrischen Rollstuhl selbstständig möglich. Beim Duschen müssten Rücken und Beine gewaschen werden. Selbstständig wasche die Klägerin den Oberkörper vorn sowie den Genitalbereich und führe die Zahnpflege durch. Die Haare am Hinterkopf müssten nachgekämmt werden. Abhängig von der Tagesform seien Hilfestellungen beim Aufstehen und Zubettgehen nötig. Das An- und Entkleiden des Unterkörpers einschließlich des An- und Ausziehens der Kompressionsstrümpfe müsse voll übernommen werden, das des Oberkörpers teilweise, wenn Kleidung über den Kopf zu ziehen sei oder der Büstenhalter und Knöpfe zu öffnen oder zu schließen seien. Hilfestellungen seien täglich beim Ein- und Aussteigen beim Duschen sowie beim Auto wegen der viermal wöchentlich stattfindenden Therapien (Krankengymnastik, Schlingentisch, Massage und Ergotherapie). Das Katheterisieren finde selbstständig durch die Klägerin statt. Ihr müssten die Utensilien bereitgelegt sowie das dazu verwendete Gefäß geleert werden.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten hob den Bescheid vom 9. April 2008 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 5. Juni 2008 für die Zeit bis zum 30. April 2009 auf und wies im Übrigen den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2009). Aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens vom 10. März 2004 sei die Klägerin seit Dezember 2003 im Umfang der Pflegestufe II pflegebedürftig gewesen. Danach hätten sich allerdings Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen ergeben. Jedenfalls seit Mai 2009 sei die Klägerin nur noch in geringerem Umfang pflegebedürftig. Aus dem Vergleich der Beschreibungen der gesundheitlichen und pflegerischen Situation im Gutachten (vom 10. März) 2004 mit demjenigen im Gutachten (vom 15. Mai) 2009 lasse sich erkennen, dass im Bereich der Aktivitäten mit Armen und Händen wie auch im Bereich der Nutzung der Beine wahrnehmbare Verbesserungen eingetreten seien. Die sich im Vergleich zwischen Dezember 2003/Februar 2004 und 2008/2009 ergebende Änderung sei wesentlich. Der für die Pflegestufe II erforderliche Mindestwert von durchschnittlich 120 Minuten Grundpflegebedarf pro Tag werde nicht mehr erreicht. Das Gutachten des MDK vom 15. Mai 2009 stelle nachvollziehbar einen gesicherten Bedarf von 64 Minuten fest. Das von der Klägerin im Widerspruch geltend gemachte Zittern der Hände und die durch die Knieprothesen besonders eingeschränkte Mobilität habe der MDK nicht nachvollziehen können. Der MDK habe mehrmals Verrichtungen beschrieben, die auf eine dem festgestellten Hilfebedarf entsprechende bestehende Beweglichkeit der Finger, Hände und Arme schließen ließen (Brötchen bestreichen, Blutzuckerkontrolle, Notieren der Werte, Medikamenteneinnahme). Das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sei mit achtmal pro Woche (viermal Hinweg, viermal Rückweg) in der geltend gemachten Häufigkeit für die Inanspruchnahme der Heilmittel berücksichtigt. Arztbesuche fielen nur alle 14 Tage an und könnten daher nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen sei mit 131 Minuten die Pflegestufe II nur knapp erreicht worden. Die Verbesserungen ließen ein Absinken auf jedenfalls deutlich unter 120 Minuten nachvollziehbar erscheinen.
Gegen den ihr am 8. Oktober 2009 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am Montag, 9. November 2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte erneut geltend, eine Verbesserung sei nicht eingetreten.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Auf Veranlassung des SG erstattete Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Wi. aufgrund eines Hausbesuchs am 29. März 2010 das Gutachten vom selben Tag. Seit mehr als 10 Jahren bestehe bei der Klägerin eine primär chronische Polyarthritis mit Einschränkungen der Beweglichkeit der kleinen Fingergelenke und ein Fibromyalgiesyndrom, das diffuse Schmerzen im Bewegungsapparat verursache, ein behandelter Diabetes mellitus, jetzt eine Polyneuropathie der Beine mit Missempfindungen sowie seit 1992 eine neurogene Blasenstörung. Der Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege betrage 77 Minuten (Körperpflege 44 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität 27 Minuten). Beide Hände zeigten Einschränkungen im Bereich der Greif- und Haltefunktion. Der Faustschluss sei nicht vollständig möglich. Die kleinen Fingergelenke zeigten an beiden Händen Schwellungen und Überwärmung. Beide Arme könnten mühsam nur bis zur Horizontalen angehoben werden. Der Boden könne im Sitzen mit den Armen nicht erreicht werden. Selbstständiges Gehen innerhalb des Pflegebereichs sei mit Gehstützen langsam möglich, auch das Aufstehen vom elektrischen Rollstuhl, der selbstständig innerhalb des Pflegebereichs bewegt werde. Die Klägerin benötige Hilfe bei der täglich notwendigen Ganzkörperwäsche, insbesondere im Bereich des Unterkörpers, beim Kämmen, bei der Zahnpflege, beim Katheterisieren, beim Richten der Bekleidung vor und nach dem Katheterisieren, beim Einschenken von Getränken, beim Öffnen von Flaschen, beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Entkleiden, auch der Kompressionsstrümpfe, beim Transfer auf die Toilette im Rahmen des Stuhlgangs sowie zu den viermal wöchentlichen Therapiebesuchen beim Ein- und Aussteigen aus dem Auto sowie dem An- und Auskleiden witterungsgerechter Kleidung. Die Klägerin sei im Jahr 2005 erfolgreich am zweiten Kniegelenk operiert worden und habe in der Rehabilitation das selbstständige Gehen und Stehen wieder erreichen können. Es seien zwar nur kurze Strecken innerhalb des Pflegebereichs mit Gehstützen möglich, allerdings seien auch nur diese Wege anrechenbar. Zusätzlich könne sie den Elektrorollstuhl selbstständig nutzen. Auch beim Verlassen und Wiederaufsuchen des Hauses für Therapiemaßnahmen habe sie eine Selbstständigkeit aufgrund einer Wohnumfeldverbesserung (behindertengerechter Zugang zum Haus) erreicht. Aufgrund zunehmender Beeinträchtigung der Feinmotorik der Hände bei schmerzhaften Schwellungen einiger kleinerer Fingergelenke mit einer Funktionsminderung benötige die Klägerin seit einigen Monaten Hilfe beim Katheterisieren. Wegen eines Venenleidens müsse sie Kompressionsstrümpfe tragen, was 2004 noch nicht dokumentiert gewesen sei.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2010 ab. Es schloss sich der Begründung des Widerspruchsbescheids nach eigener Prüfung an und kam gestützt auf die Gutachten des MDK vom 10. März 2004 und 15. Mai 2009 sowie der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010 zur Überzeugung, dass seit dem Erlass des Bewilligungsbescheids vom 29. März 2004 bis zum Mai 2009 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei, weil sich der Grundpflegebedarf der Klägerin deutlich reduziert habe und erheblich unter die für die Pflegestufe II erforderliche Grenze von 120 Minuten täglich gesunken sei. Der Grundpflegebedarf im Bereich der Mobilität habe sich deutlich reduziert, was nachvollziehbar auf die durchgeführte Rehabilitation und die wohnumfeldverbessernde Maßnahme zurückzuführen sei. Auch die Beweglichkeit der Hände, Arme und Beine habe sich wesentlich verbessert. Soweit seit Mai 2009 wieder eine Verschlechterung eingetreten sei, sei dies nicht relevant, da allein der Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung maßgeblich sei.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. August 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 2. September 2010 Berufung eingelegt. Eine manifeste Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation sei nicht eingetreten. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass sie das täglich mehrmals durchzuführende Katheterisieren nur mit fremder Hilfe vornehmen könne sowie dass beide Hände im Wesentlichen gebrauchsuntauglich seien, weil das Festhalten selbst von leichten Gegenständen nicht mehr möglich sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie hat die genannten Berichte des Prof. Dr. J. vom 17. Oktober 2005 und des Dr. K. vom 25. August 2008 vorgelegt.
Die Klägerin hat am 21. September 2010 die Höherstufung beantragt. Pflegefachkraft H., MDK, hat in ihrem Gutachten vom 29. Oktober 2010 den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit täglich 143 Minuten (Körperpflege 94 Minuten, zehn Minuten, Mobilität 39 Minuten) geschätzt. Die Klägerin sei in ihrer Beweglichkeit und Mobilität stark eingeschränkt. Die Hände seien in der Beweglichkeit stark eingeschränkt, es bestehe keine Feinmotorik und nur bedingte Greiffunktion. Die Klägerin verfüge über keine Handkraft mehr, der Faustschluss sei nicht mehr möglich. Sie sei gangunsicher mit Sturzrisiko. Das Gehen sei breitbasig, langsam und tapsig und es könnten nur noch kurze Strecken mit Handstock in der Wohnung zurückgelegt werden. Die Beklagte hat der Klägerin mit Bescheid vom 18. November 2010 Pflegegeld nach der Pflegestufe II ab 1. September 2010 bewilligt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben. Denn streitig sind höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), und zwar auch unter Berücksichtigung der im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgten Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zu Recht mit Wirkung zum 1. Mai 2009 die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe I gezahlt, weil jedenfalls im Mai 2009 eine wesentliche Änderung im Sinne eines reduzierten Grundpflegebedarfs vorlag.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte die mit (an den Ehemann der Klägerin gerichtetem) Bescheid vom 29. März 2004 ab 1. Dezember 2003 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. Mai 2009 teilweise aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe I bewilligt. Obwohl dies ausdrücklich in den genannten Bescheiden so nicht verfügt worden ist, lässt sich dies mit gerade noch hinreichender Bestimmtheit den genannten Bescheiden entnehmen (zu den Anforderungen an die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld siehe z.B. Urteil des erkennenden Senats vom 5. März 2010 - L 4 P 4773/08 - in juris). Denn jedenfalls im Betreff des Bescheids vom 9. April 2008 gab die Beklagte an, dass sie einen Aufhebungsbescheid erlassen habe.
Der Bescheid vom 18. November 2010 ist nicht nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn weder ändert er den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009, noch ersetzt er diesen Bescheid.
2. Gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 kann sich die Klägerin nur mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGG wenden. Eine (zusätzlich) erhobene Leistungsklage mit dem Begehren, dass die Beklagte auch ab 1. Mai 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zahlt, ist unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG - SozR 4100 § 134 Nr. 29). Denn mit der Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 9. April 2008 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009 bliebe der Bewilligungsbescheid vom 29. März 2004 wirksam und die Beklagte wäre verpflichtet, Pflegegeld nach der Pflegestufe II auch für die Zeit ab 1. Mai 2009 zu zahlen. Demgemäß war der sachgerechte Antrag der Klägerin zu fassen (§ 123 SGG).
3. Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe II in Pflegestufe I zum 1. Mai 2009 ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).
Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und damit der maßgebliche Vergleichszeitpunkt ist vorliegend die durch Bescheid vom 29. März 2004 erfolgte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Maßgebliches Vergleichsgutachten ist damit das diesem Bescheid zugrunde liegende Gutachten der Pflegefachkraft B. vom 10. März 2004, wovon die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2009 auch zutreffend ausgegangen ist. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung der Beklagten, mit der die Aufhebung der Bewilligung verfügt worden ist. Dies ist der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2009. Denn bei einer isolierten Anfechtungsklage - wie hier - ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts maßgeblich (z.B. BSG SozR 3-2200 § 708 Nr. 1). Später eingetretene Änderungen, insbesondere eine Verschlechterung (siehe dazu unten), sind unbeachtlich.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Hingegen sind nach Nr. 2 dieser Vorschrift Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) Personen, die (in denselben Bereichen) mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt (1.) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen, (2.) in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen. Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
Eine wesentliche Änderung im Grundpflegebedarf war jedenfalls im Mai 2009 eingetreten, weil der Grundpflegebedarf sich zu diesem Zeitpunkt reduziert hatte. Dies ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden Gutachten des MDK sowie der Sachverständigen Dr. Wi ... Die Klägerin war im Mai 2009 selbstständiger geworden. Im März 2004 konnte die Klägerin allenfalls den Oberkörper selbstständig waschen. Im Mai 2009 bestand Hilfebedarf nur noch für das Waschen des Rückens und der Beine, Oberkörper und Genitalbereich konnte die Klägerin selbstständig waschen. Ebenso konnte die Klägerin im Mai 2009 die Zahnpflege selbstständig durchführen, während im März 2004 noch die Zahnpasta aufgelegt werden musste. Die am 5. September 2005 erfolgte Implantation einer bikondylären Schlittenprothese am linken Kniegelenk mit der nachfolgenden Rehabilitationsbehandlung brachte eine Verbesserung der Gehfähigkeit der Klägerin. Auch in der stationären Krankenhausbehandlung im August 2008 erfolgte eine gezielte physikalische und krankengymnastische Behandlung zur Mobilisierung der Gelenke und zur Festigung, von der die Klägerin gut profitierte (Entlassungsbericht des Dr. K. vom 25. August 2008). Sie war im Mai 2009 zumindest innerhalb der Wohnung in der Lage, kurze Strecken selbstständig zurückzulegen, entweder mit einer Gehstütze oder dem Elektrorollstuhl. Im März 2004 war für das Gehen auch über kurze Strecken noch die Unterstützung der Pflegeperson erforderlich. Zu der Verbesserung der Mobilität mit dem Elektrorollstuhl trug auch eine von der Beklagten geförderte Verbesserung des Wohnumfelds bei. Angesichts der genannten Veränderungen ist eine Verringerung des täglichen Hilfebedarfs bei den Verrichtungen der Grundpflege auf einen Wert von unter 120 Minuten nachvollziehbar, zumal der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im März 2004 mit 131 Minuten nur knapp über der für die Pflegestufe II maßgeblichen Grenze von 120 Minuten lag.
Die zunehmende Einschränkung der Beweglichkeit der Fingergelenke ist erstmals im Gutachten der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010 beschrieben. Die Sachverständige ging davon aus, dass dieser Zustand seit einigen Monaten besteht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass dieser Zustand bereits im Jahre 2009 bestand.
Das Gutachten der Pflegefachkraft H. vom 29. Oktober 2010 erfordert keine andere Beurteilung. Vielmehr ergibt sich aus diesem Gutachten, dass sich der Grundpflegebedarf der Klägerin wieder erhöht hat. Pflegefachkraft H. beschreibt in ihrem Gutachten einen veränderten Befund. Die Klägerin verfügt nunmehr über keine Handkraft mehr und der Faustschluss ist nicht mehr möglich. Das Gehvermögen ist breitbasig, langsam und tapsig. Auch können nur noch kurze Strecken mit Handstock in der Wohnung zurückgelegt werden. Wegen der beschriebenen Verschlechterung der Gebrauchsfähigkeit der Finger und Hände ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin nunmehr nicht mehr in der Lage ist, das wegen der Blasenentleerungsstörung notwendige Katheterisieren selbst vorzunehmen, wozu sie im Mai 2009 noch in der Lage war, wie sich aus dem Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 15. Mai 2009 ergibt. Ihr mussten damals lediglich die Utensilien bereitgelegt sowie das dazu verwendete Gefäß nach Abschluss des Katheterisierens geleert werden. Auch aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010 ergibt sich, dass die Klägerin das Katheterisieren selbst durchführte, allerdings wegen der progredienten Einschränkung der Greiffunktion und Feinmotorik der Hände aber zunehmend auf Hilfe angewiesen war. Die insoweit eingetretene Verschlechterung ist jedoch nach Oktober 2009 (Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids als letzter Verwaltungsentscheidung) eingetreten und damit - wie dargelegt - für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Allein der nunmehr notwendige Hilfebedarf beim Katheterisieren ist erheblich und wird von Pflegefachkraft H. mit 60 Minuten täglich eingeschätzt. Die vorangegangenen Gutachten nannten demgegenüber einen deutlich geringeren Hilfebedarf (Gutachten der Pflegefachkraft B. vom 10. März 2004 und Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 15. Mai 2009: jeweils 15 Minuten; Gutachten der Sachverständigen Dr. Wi. vom 29. März 2010: 25 Minuten). Allein schon dieser erhebliche Zeitaufwand für das Katheterisieren von 60 Minuten täglich führt dazu, dass mit einem Hilfebedarf von 143 Minuten der für die Pflegestufe II maßgebliche Hilfebedarf von 120 Minuten überschritten wird.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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