L 1 U 1782/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1408/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1782/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.01.2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif der Beklagten im Streit.

Die klagende GmbH ist seit dem 01.01.2003 als Nachfolgeunternehmen der Firma B. S. u. W. tätig, wobei der frühere Firmeninhaber Geschäftsführer der Klägerin geworden ist. Das Vorgängerunternehmen war mit Veranlagungsbescheid vom 04.03.1993 der Tarifstelle 018 (Wintergartenanlagen) entsprechend dem damals geltenden Gefahrtarif zugeordnet worden. In der Gewerbeanmeldung vom 20.01.2003 wurde die Tätigkeit der Klägerin wie folgt beschrieben: "Primär die Konzeption und Planung sowie Errichtung von Wintergärten aller Art und der sonstige Glas- und Profilbau. Daneben werden der Verkauf von Bau-Profilen und Bau-Elementen sowie der Vertrieb und Einbau von Türen, Fenstern und Pergolen sowie entsprechende Beratungsleistungen angeboten."

Mit Bescheid vom 09.07.2003 erklärte sich die W. B.-Berufsgenossenschaft ab dem 01.01.2003 für die Klägerin zuständig und veranlagte diese zur Tarifstelle 04 und der Nummer 020 des zu diesem Zeitpunkt gültigen Gefahrtarifs mit der Gefahrklasse 6,0 (Unternehmenszweig: Wintergartenanlagen). Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der W. B.-Berufsgenossenschaft.

Im Fragebogen der Beklagten zur Art der verrichteten Arbeiten gab die Klägerin am 21.09.2005 an, sie führe den Bau von Wintergärten, Fenstern, Jalousien, Plissee und Beschattungen aus und stelle stationär Holzelemente und Aluminiumzuschnitte her. Der Wintergartenbau nehme 2/3 der Tätigkeit und die Herstellung von Holzelementen 1/3 der Tätigkeit in Anspruch.

Ab dem 01.01.2006 wurde die Klägerin mit Bescheid vom 06.12.2005 zur Tarifstelle 100 (Gewerbezweig: Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus) mit der Gefahrklasse 16,1 des ab 01.01.2006 gültigen 1. Gefahrtarifs (GT) veranlagt. Gesondert veranlagt wurde der Büroteil des Unternehmens als Hilfsunternehmen zur Tarifstelle 900 (nur Beschäftigte, die ausschließlich Bürotätigkeiten in Büros in Verwaltungsgebäuden verrichten) mit der Gefahrklasse 1,0. Eine besondere Eingruppierung für den Wintergartenbau sieht der seit dem 01.01.2006 geltende Gefahrtarif nicht mehr vor.

Die Klägerin legte am 27.12.2005 Widerspruch ein, da die Tarifstelle 200 (Gewerbezweig: Bauausbau) einschlägig sei. Man arbeite hauptsächlich mit Flachglas an und in Bauten, wobei die vorbereitenden Arbeiten in der stationären Werkstatt erfolgten.

Mit Bescheid vom 19.04.2006 erhob die Beklagte bei der Klägerin für das Jahr 2006 einen Beitragsvorschuss in Höhe von 10.092,96 EUR. Am 28.04.2006 legte die Klägerin auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung am 24.07.2006 händigte die Beklagte der Klägerin ein Exemplar des GT mit Erläuterungen aus. Gemäß dem Vermerk des Sachbearbeiters der Beklagten sei Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin der Wintergartenbau, wohingegen Beschattungsanlagen (Markisenmontage) sowie der Fensterelementeeinbau außerhalb des Wintergartenbaus nur in geringfügigem Umfang anfielen. Der Arbeitsablauf bei der Erstellung von Wintergärten sei so organisiert, dass zunächst in der Werkshalle die Fertigung der notwendigen Stützen aus Holz/Metall als tragende Elemente des Wintergartens erfolge, was ca. 20 % des Arbeitsaufwandes ausmache. Anschließend erfolge die Aufstellung dieser Elemente als Rahmengerüst beim Kunden, was ungefähr weiteren 10% des Arbeitsaufwandes entspreche. Auf die anschließende Verglasung des im Grundgerüst stehenden Wintergartens entfielen sodann ca. 65% des Arbeitsaufwandes. Die verbleibenden 5% der Tätigkeit würden für die Beschattung des Wintergartens benötigt.

Mit Schreiben vom 23.11.2006 beantragte die Klägerin die Überweisung an die beigeladene Berufsgenossenschaft H. und M ...

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2007 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 06.12.2005 und 19.04.2006 zurück und lehnte im Übrigen den Antrag auf Überweisung zur Beigeladenen ab. Der 1. GT der Beklagten sei ein sog. "Gewerbezweigtarif" und orientiere sich an den grundlegenden strukturellen Änderungen in der Bauwirtschaft. Durch die Liberalisierung des Handwerksrechts sei eine Vermischung von bisher getrennt von unterschiedlichen Unternehmen ausgeübter Gewerbe erfolgt. Deswegen sei es erforderlich gewesen, alle gleichartigen Tätigkeiten und alle häufig gemischt ausgeübten Einzelgewerbe aus den Bereichen des Bauhauptgewerbes zu der größeren Tarifstelle 100 zusammenzufassen. Auf die Tarifstelle 200 entfielen nur von Glasereiunternehmen durchgeführte Glaserarbeiten, wohingegen der Wintergartenbau eher mit der Montage von Fertigteilen im Rohbau, der Montage an Bauten und dem Fassadenbau vergleichbar sei. Im Übrigen seien Fehler bei der Beitragsberechnung nicht erkennbar.

Im Beitragsbescheid der Beklagten für das Jahr 2006 vom 20.04.2007 wurde ein Beitrag in Höhe von 9.515,71 EUR festgestellt.

Die Klägerin hat über ihre Bevollmächtigten am 10.04.2007 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Vor dem SG hat die Klägerin nähere Ausführungen zu ihren Arbeitsabläufen vorgetragen, wonach ihrer Auffassung nach ein größerer Anteil auf die in der Werkstatt erfolgenden Vorarbeiten vor der Montage des Wintergartens auf den Grundstücken der Kunden erfolge. Der Zeitaufwand sei jedoch individuell unterschiedlich, da es sich um vor Ort den Kundenwünschen angepasste Wintergärten handele, worauf auch im wesentlichen die Gewinnerzielung des Unternehmens beruhe. Da ein Zuschneiden in der Werkstatt im Einzelfall auf die erforderlichen Maße möglich sei, sei die Klägerin nicht auf normierte Maße und Standardkonstruktionen beschränkt. Eine Veranlagung zur Tarifstelle 100 scheide aus, da sie keine von einem Gebäude unabhängig nutzbare Bauwerke herstelle. Außerdem seien die Montagearbeiten auf der Baustelle von untergeordneter Bedeutung, weil dort im Wesentlichen die in der Tarifstelle 200 beschriebenen Ausbauleistungen wie das Herstellen von Isolierung und Abdichtung und das Anbringen von Sonnenschutzeinrichtungen erfolge. Die durchgeführten Tätigkeiten seien vergleichbar mit dem Errichten von Fertighäusern mit "nicht überwiegender Baustellenmontage". Demnach habe die Veranlagung zur Tarifstelle 220 (Gewerbezweig: Herstellen von Fertigteilen und Betonwaren), ersatzweise zur Tarifstelle 200 zu erfolgen. Zudem seien die ausgeübten Tätigkeiten weniger gefährlich als andere unter der Tarifstelle 100 zusammengefasste Tätigkeiten wie Hoch- und Tiefbau, Brückenbau mit Dacharbeiten, Zimmererarbeiten, Gerüst- und Zeltbau. Gegebenenfalls liege ein Ermessensfehler bei der Bildung des Gefahrtarifs vor, wenn die Beklagte vor Erstellung des Tarifs das ihr vorliegende Zahlenmaterial über die bei ihr versicherten Hersteller von Wintergärten und ähnlichen Gebäudeteilen nicht ausgewertet habe. Da eine Unterscheidung zwischen gefährlichen und weniger gefährlichen Unternehmensarten möglich sei, stelle die Zusammenfassung der Unternehmen innerhalb einer einzigen Tarifstelle eine unzulässige Typisierung dar. Im Übrigen sehe der GT im Teil II Nr. 7 für besondere Härtefälle eine stufenweise Anhebung des Versicherungsbeitrages vor, der in ihrem Falle einschlägig sei. Seit dem 01.01.2009 habe die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit auf Glaser- und Fensterbauarbeiten verlagert.

Die Klägerin beantragte vor dem SG die Abänderung des Veranlagungsbescheids vom 06.12.2005, des Vorschussbescheids vom 19.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2007 und des Beitragsbescheides vom 20.04.2007 sowie die Verurteilung der Beklagten, sie für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2009 in der Tarifstelle 220 des Teil I des GT 2006 der Beklagten zu veranlagen und für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2006 entsprechend der Tarifstelle 220 niedrigere Beiträge zu erheben, hilfsweise eine entsprechende Zuweisung zu der Tarifstelle 200 des GT.

Die Beklagte trat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, dass die Tarifstelle 220 betreffend den Vertrieb von Fertighäusern und -teilen einen bestimmten Grad an Automatisierung voraussetze, der im Falle der individuellen Fertigungsweise des Betriebs der Klägerin nicht erreicht werde. Eine Veranlagung zur Tarifstelle 200 scheide aus, da diese nur für Glasereiunternehmen gelte. Der GT sei vom Bundesversicherungsamt am 26.06.2005 genehmigt worden. Es handele sich um einen Gewerbezweiggefahrtarif, bei dem nicht auf die konkreten Tätigkeiten, sondern die Art des Unternehmens bzw. Gewerbes abgestellt werde. Die insoweit gebildeten Gefahrklassen bzw. Gefahrengemeinschaften seien im Fall der Klägerin nicht zu beanstanden. Eine unverhältnismäßig starke Abweichung im Gefahrenrisiko der zusammengefassten Unternehmen bestehe nicht. Die Anwendung der Härtefallregelung sei ausgeschlossen, da diese nur für die im Anhang zu dieser Regelung genannten Gewerbezweige gelte.

Das SG hat die Klage nach Einnahme eines Augenscheins im Betrieb der Klägerin am 11.06.2010 mit Urteil vom 25.01.2011 abgewiesen. Der Veranlagungsbescheid vom 06.12.2005, der Vorschussbescheid vom 19.04.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 sowie der Beitragsbescheid vom 20.04.2007 seien rechtmäßig. Die Beklagte habe als Unfallversicherungsträger den GT als autonomes Recht in Überstimmung mit § 157 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) und § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII festgesetzt. Der GT werde nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs gebildet würden. Hierbei seien Gewerbezweige mit annähernd gleichem Unfallrisiko zu Tarifstellen zusammengefasst worden, wobei maßgebend in erster Linie die tatsächlichen Gefahren seien (mit Hinweis auf BSGE 55, 26; BSGE 91, 128). Bei dem GT handele es sich um von der Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers autonom gesetztes objektives Recht, welches nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sei. Eine Überprüfbarkeit bestehe nur dahingehend, ob der GT mit dem Gesetz, welches die Ermächtigungsgrundlage biete, den Vorschriften des SGB VII und sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sei. Die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung sprechenden Gesichtspunkten bei der Gestaltung des Gefahrtarife und die daraus folgende Entscheidung oblägen dem Unfallversicherungsträger (mit Hinweis auf BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 und BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R -).

Die Anknüpfung an Gewerbezweige durch die Beklagte bei der Bildung von Gefahrtarifstellen sei eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften (mit Hinweis auf BSGE 95, 47). Die Risikobewertung nach dem Gewerbezweigprinzip sei im Grundsatz mit den Zielvorstellungen und Wertentscheidung des Gesetzes und der Verfassung vereinbar (BSGE 91, 128). Insoweit sei festzustellen, dass die Beklagte eine sachgerechte Abgrenzung der Gewerbezweige und eine korrekte Zuordnung zu den Gefahrtarifstellen vorgenommen habe. Einschlägig sei vorliegend der seit dem 01.01.2006 geltende GT der Beklagten, welcher neben dem Teil I mit einzelnen Gewerbezweigen und dazugehörigen Gefahrklassen im Teil II sonstige Bestimmungen enthalte.

Danach habe die Beklagte zutreffend eine Einstufung der Klägerin in der Tarifstelle 100 des GT vorgenommen. Zwar umfasse die Tarifstelle 100 (Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus) viele Unternehmen, welche in diesem Gewerbezweig tätig seien. Es bestünden jedoch keine Zweifel, dass die Beklagte die Abgrenzung der Gewerbezweige sachgerecht vorgenommen und korrekt den Gefahrtarifstellen zugeordnet habe. Der Tarifstelle 100 seien nach Überzeugung der Kammer Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen Unfallrisiken zugeordnet. Aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen sei zwar eine gewisse Abweichung vom durchschnittlichen Unfallrisiko der in der Tarifstelle 100 zusammengefassten Unternehmen zu erkennen. Dies sei jedoch dem Wesen des GT nach Gewerbezweigen immanent und grundsätzlich hinzunehmen. Ein eigenständiger Gewerbezweig könne erst dann gebildet werden, wenn die dazugehörigen Betriebe und Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung erreichten, bei der sich eine gewerbetypische Unfalllast nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnen lasse, § 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Dies sei vorliegend weder für die Kammer erkennbar, noch habe die Klägerin plausibel und nachvollziehbar derartige Fehler behauptet (mit Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg vom 24.03.2010 - L 2 U 33/09 -). Die Bildung des GT sei daher nicht zu beanstanden und wirksame Grundlage für die Veranlagung der Klägerin. Zutreffend sei auch die Zuordnung in der Tarifstelle 100 und nicht zu den Tarifstellen 200 (Bauausbau) oder 220 (Herstellen von Fertigteilen und Betonwaren). Entscheidend für die Zuordnung der Klägerin zu einem Gewerbezweig sei nicht, welche einzelnen Tätigkeiten im Rahmen des Unternehmens in welchem Umfang ausgeführt würden, sondern welchem Gewerbezweig das Unternehmen selbst - aufgrund der Art und Weise der Betätigung am Markt - zuzuordnen sei. Die Klägerin habe sich weit überwiegend im streitigen Zeitraum mit der Planung, Konzeption und dem Bau von Wintergärten am Markt gegenüber ihren Kunden präsentiert und auch entsprechende Aufträge abgewickelt. Aus dem Bericht der Betriebsprüfung vom 24.07.2006 wie auch aus der Schilderung der Klägerin im Rahmen der Klagebegründung vom 08.06.2007 ergebe sich, dass nach Auftragseingang im Regelfall die Planung des Wintergartens durch den Geschäftsführer der Klägerin erfolge, und die Bauteile dann in der Werkstatt der Klägerin in Einzelteilen hergestellt und vormontiert würden. Auf der Baustelle hätten die Mitarbeiter der Klägerin die Konstruktion dann aufgestellt, ausgerichtet und mit dem bestehenden Gebäude verbunden. Danach sei die Einglasung und der Einbau von Fenstern bzw. der in einer Glaserei bestellten Glasteile erfolgt, anschließend der Einbau von Profilen und etwaigen Sonnenschutzeinrichtungen. Unabhängig vom Zeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten habe die Klägerin gegenüber den Kunden damit die Errichtung eines Wintergartens geschuldet, wobei sie diese Werkleistung auch entsprechend auf ihrer Internetseite beworben habe. Gegenstand des Unternehmens sei damit aber nicht die Erbringung einzelner Werke, wie das Einglasen, die Erstellung der Holzkonstruktion oder die Planung des Wintergartens, sondern die Errichtung desselben mit den jeweils dazugehörigen Einzelleistungen. Dies ergebe sich auch aus den von der Klägerin vorgelegten Auftragsunterlagen aus dem Jahre 2006.

Die Klägerin sei deswegen im Bereich der Errichtung von Wintergärten tätig gewesen, was dem Gewerbezweig des Errichtens von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus (Tarifstelle 100) zuzuordnen sei. Bei einem Wintergarten handele es sich - auch unter Zugrundelegung der Erläuterungstabelle zum GT - unzweifelhaft um ein - wenn auch unselbständiges - Bauwerk. Die Tarifstelle 100 setze nicht voraus, dass ein selbständig nutzbares Bauwerk errichtet werde, was sich bereits aus dem Wortlaut ergebe. So gehöre nach der Erläuterungstabelle zu dieser Tarifstelle beispielsweise auch die Errichtung von Lärmschutzwänden. Auf den zeitlichen Umfang der einzelnen Tätigkeiten der Klägerin komme es demgegenüber nicht an. Insoweit handele es sich bestenfalls um Hilfsunternehmen im Sinne des Teils II, Nr. 2 GT, schon weil für diese Unternehmensbestandteile eine getrennte Aufzeichnung über Arbeitsentgelte nicht erfolge und diese lediglich unselbständig dem Hauptunternehmen, der Errichtung von Wintergärten, dienten. Eigenwirtschaftliche Zwecke würden durch diese Unternehmensbestandteile nicht verfolgt, weswegen eine gesonderte Veranlagung ausscheide. Dementsprechend sei auch die Veranlagung zur Tarifstelle 220 nicht möglich, weil hierunter nur der Gewerbezweig des Herstellens von Fertigteilen und Betonwaren falle. Bei der Klägerin liege jedoch auch insoweit nur eine Hilfstätigkeit vor, welche dem Hauptziel der Errichtung des Wintergartens diene. Nicht erheblich sei es damit letztlich, inwieweit es sich um die Herstellung von Fertigteilen handele und hierbei ein erforderlicher gewisser Automatisierungsgrad erreicht werde.

Eine Veranlagung zur Tarifstelle 200 gemäß dem Hilfsantrag der Klägerin scheide aus, da das Unternehmen der Klägerin nicht dem Gewerbezweig des Bauausbaus zuzuordnen sei. Zwar weise die Erläuterungstabelle zu dieser Tarifstelle darauf hin, dass hierunter unter anderem auch Glaserarbeiten (Be- und Verarbeiten und Montage von Flachglasan- und -einbauten) gehörten. Die im Rahmen des Wintergartenbaus durchgeführten Montagearbeiten mit eingekauftem Glas prägten jedoch die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin nicht. Auch hierbei handele es sich insoweit nur um eine unselbständige Hilfstätigkeit im Rahmen des Gewerbezweigs Wintergartenbau. Schließlich sei der Büroteil des klägerischen Unternehmens zu Recht zur Tarifstelle 900 veranlagt worden (mit Hinweis auf Teil II Nr. 3 des Gefahrtarifs). Da eine Änderung der Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nachgewiesen und erst ab 01.01.2010 eine Verlagerung der Tätigkeit auf die Herstellung sogenannten Pfosten/Riegelkonstruktionen erfolgt sei, sei die Veranlagung und Beitragserhebung unter Zugrundelegung der Tarifstelle 100 mit der Gefahrklasse 16,1 insgesamt nicht zu beanstanden. Insbesondere scheide auf die Anwendung der Übergangsregelung nach Teil II, Nr. 7 GT aus, da die Klägerin aufgrund ihrer Betätigung nicht zu den im Anhang zu Nr. 7 genannten (Teil-) Gewerbezweigen gehöre. Das Urteil ist den Bevollmächtigten der Klägerin am 01.04.2011 zugestellt worden.

Zwischenzeitlich hat die Beklagte zu Anfang des Jahres 2011 die Klägerin rückwirkend ab dem 01.01.2010 an die H.-Berufsgenossenschaft überwiesen.

Am 02.05.2011 haben die Bevollmächtigten der Klägerin beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Bereits bei der Gründung des zunächst einzelkaufmännisch geführten Unternehmens sei zunächst vom Landesverband der Berufsgenossenschaften mitgeteilt worden, dass eine Zuständigkeit der H.-Berufsgenossenschaft vorliege. Es habe sich dann jedoch die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Klägerin gemeldet und eine Einstufung als Zimmereibetrieb sowie anschließend mit Schreiben vom 09.02.1993 zum Unternehmenszweig "Wintergartenanlagen" vorgenommen. Erst mit der Zwangsfusion der Berufsgenossenschaften und dem ab dem 01.01.2006 geschaffenen neuen 1. GT mit nur noch 17 Tarifstellen sei die Tarifstelle Wintergartenbau entfallen, und es habe eine Zuordnung der Klägerin zu der Tarifstelle 100 mit der höchsten Gefahrklasse 16,1 stattgefunden. Die angefochtenen Veranlagungs- und Beitragsbescheide seien rechtswidrig, da der GT an einer unzureichenden Bildung von Tarifstellen leide.

Entgegen der Begründung des GT liege kein Gefahrtarif nach Gewerbezweigen vor. Vielmehr seien Gewerbezweige und Tätigkeiten in einzelnen Tarifstellen zusammengefasst worden (100, 200, 220) und daneben rein tätigkeitsbezogene Tarifstellen gebildet worden (400 Gebäude und Straßenreinigung, 500 Abbruch, Entsorgung und Sprengungen und 900 Büroteil des Unternehmens). Zwar seien sowohl Tätigkeitstarife und Gewerbezweigtarife als auch Mischformen zulässig. Allerdings sei die Differenzierung im vorliegenden Fall bezogen auf Arbeiten, welche mit dem Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus in Zusammenhang stünden, weder ausreichend noch widerspruchsfrei. Die Aufstellung von lediglich drei Tarifstellen (100, 200 und 220) reiche für diesen Bereich nicht aus. Den Vorgaben einer sachgerechten Abgrenzung bei gleichzeitiger Zusammenfassung von Gewerbezweigen mit vergleichbaren Gefährdungsrisiken sei die Beklagte nicht nachgekommen (mit Hinweis auf BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R -). Es liege lediglich eine "Sammeltarifstelle" vor, wobei dann wiederum lediglich Rückausnahmen bei der Tarifstelle 200 für bestimmte Isolierungen und Abdichtungen und bei der Tarifstelle 220 für den Fall vorgenommen worden seien, dass die Baustellenmontage den Herstellungsaufwand der Fertigteile überwiege. Dieses Regel-Ausnahmeverhältnis stelle keine Gliederung nach Gewerbezweigen dar. Die Systematik werde durch die Aufnahme von sonstigen Montagearbeiten und Dekorationsarbeiten in die Tarifstelle 200 unterbrochen. In der Tarifstelle 220 (Herstellen von Fertigteilen und Betonwaren) würden Fertigteile unterschiedlichster Größe, Funktion und unterschiedlichster Materialien zusammengefasst. Das für diese Tarifstelle charakteristische Merkmal in Abgrenzung zu den Tarifstellen 100 und 200 sei nicht gewerbezweig- sondern tätigkeitsbezogen. Zusammengefasst würden hier Tätigkeiten, deren Schwerpunkt in der Herstellung von Bauteilen und nicht in deren Montage bestehe. Es folge mithin eine pauschale Abgrenzung von Risiken aus der Produktion von Fertigteilen zu den Risiken einer überwiegenden Tätigkeit auf einer Baustelle. Noch offensichtlicher sei die unzureichende Berücksichtigung verschiedener Risiken bei der Tarifstelle 100. Dort werde das Errichten von Wohn-, Büro und gewerblichen Bauten des Hochbaus mit der Errichtung von Kraftwerken und Industrieanlagen zusammengefasst. Bei den genannten Großbaustellen handele es sich durchgängig um Stahlbau und das Verlegen von Leitungen und Rohrtrassen, wobei gänzlich andere Materialien als bei der Errichtung von sonstigen Gebäuden zum Einsatz kämen. Deshalb würden derartige Leistungen auch von anderen Unternehmen ausgeführt. Die Errichtung eines Kraftwerks könne jedoch nicht mit Errichtung eines Blockhauses oder einer Baustellenreinigung verglichen werden. Der bis zum 31.12.2005 geltende Gefahrtarif der Rechtsvorgängerin der Beklagten zeige zudem, dass eine den Anforderungen des § 157 Abs. 1 und 2 SGB entsprechende Bildung eines Gefahrtarifes nach Gewerbezweigen möglich sei. Ein wesentlicher Unterschied sei insbesondere, dass ein Wintergarten als Anbau an ein bereits bestehendes Gebäude errichtet werde, wobei ein geringeres Baustellenrisiko bestehe, als bei der Errichtung eines selbständigen Gebäudes.

Gehe man von der Rechtmäßigkeit des GT aus, sei jedenfalls eine Zuordnung zu den Tarifstellen 220 oder 200 vorzunehmen. Im Unterschied zur Tarifstelle 100 würden in der Tarifstelle 220 Tätigkeiten zusammengefasst, deren Schwerpunkt in der Herstellung von Bauteilen vor deren Anlieferung auf der Baustelle liege. Auch bei dem Kläger würden entsprechend gleiche Werkstoffe mit gleichen Messungen in gleicher Weise verbunden und vorbereitet werden. Die Arbeiten unterschieden sich insofern nicht von Wandelementen von Fertighäusern oder Trockenbauwänden, die unter den genannten Konstruktionsprinzipien und eines vorgegebenen Aufbaus als Holzständerwerke vorgefertigt auf die Baustelle kämen. Demgegenüber unterscheide sich das Gefährdungspotenzial für die Mitarbeiter der Klägerin erheblich von demjenigen der Bauarbeiter, welche für den Rohbau eines Gebäudes oder eines Ingenieurbauwerks eingesetzt würden. Schließlich sei auch die Tarifstelle 200 mit den dort geschilderten Montagearbeiten eher einschlägig. Der Wintergartenbau sei auch vergleichbar mit der Tätigkeit im Messebau, wo ebenfalls Konstruktionen aus Holz oder Metall errichtet würden. Auch die Trockenarbeiten seien mit dem Herstellen und Aufstellen eines Wintergartens vergleichbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25. Januar 2011 sowie den Bescheid vom 06. Dezember 2005, vom 19. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. März 2007 und den Bescheid vom 20. April 2007 aufzuheben und den Gefahrtarif der Beklagten, gültig ab 01. Januar 2006, für unwirksam zu erklären,

hilfsweise die Klägerin vom 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 zur Tarif- stelle 220 Teil I des Gefahrtarifs 2006 der Beklagten zu veranlagen und für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 entsprechend der Tarifstelle 220 Beiträge bei der Klägerin zu erheben,

äußerst hilfsweise die Klägerin vom 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 zur Tarifstelle 200 des Teils I des Gefahrtarifs 2006 der Beklagten zu veranlagen und für die Zeit vom 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 entsprechend der Tarifstelle 200 Beiträge bei der Klägerin zu erheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist im Wesentlichen auf dessen Begründung. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Tarifstellen nicht zu klein zu bilden seien, um einen hinreichenden Risikoausgleich zu gewährleisten, denn bei zu kleinen Tarifstellen könnten sich unerwünschte Zufallsschwankungen durch einige wenige Unfälle ergeben. Eine zu große Aufspaltung der Gefahrklassen lasse sich mit dem Versicherungsprinzip, dem Verlagern der Risiken auf breite Schultern, nicht vereinbaren (mit Hinweis auf Bayrisches LSG vom 19.11.1998 - L 3 U 311/98 -). In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass nach § 162 Abs. 1 SGB VII Zuschläge zu erheben oder Nachlässe zu gewähren seien, um die Beitragslast möglichst gerecht der tatsächlichen Unfallgefahr in einem Unternehmen anzupassen. Im Übrigen verweist die Beklagte auf den bei der Erstellung des Gefahrtarifs eingeräumten, nicht zu eng zu bemessenden Spielraum (mit Hinweis auf BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 11/84 -).

Die beigeladene Berufsgenossenschaft H. und M. hat sich mit Schriftsatz vom 31.05.2011 den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.

In der mündlichen Verhandlung des Senats am 19.09.2009 haben die Beteiligten einen prozessualen Teilvergleich geschlossen, wonach der Streitgegenstand dieses Verfahrens nur der Veranlagungsbescheid 2006 und der Vorschuss- bzw. Beitragsbescheid für das Geschäftsjahr 2006 sein sollen und die Beklagte sich bereit erklärt hat, entsprechend dem rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens die Beitragsbescheide für die Geschäftsjahre 2007 bis 2009 gegebenenfalls zu ändern.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f und 151 Sozialgerichtgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Das Unternehmen der Klägerin hat die Beklagte zu Recht zur Tarifstelle 100 ihres GT veranlagt. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist alleine die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif der Beklagten für das Jahr 2006, nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2009 einen Verfahrensvergleich für die nachfolgenden Beitragsjahre 2007 bis 2009 geschlossen haben.

Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Die in der gesetzlichen Unfallversicherung allein von den Unternehmern aufzubringenden Beiträge berechnen sich nach dem Finanzbedarf der Berufsgenossenschaften, den Arbeitsentgelten der Versicherten und dem in der Gefahrklasse zum Ausdruck kommenden Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen (§ 153 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Um eine Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr zu ermöglichen, muss jede BG einen Gefahrtarif aufstellen. Dieser Gefahrtarif ist vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen, und in ihm sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII). Er ist nach Gefahrtarifstellen zu gliedern, denen jeweils eine aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist (§ 157 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB VII). In den Tarifstellen sind Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs zu bilden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Gefahrtarife sind durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unbeschadet der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (§ 158 Abs. 1 SGB VII) überprüfbar, als autonom gesetztes objektives Recht (vgl. § 157 SGB VII, §§ 33 ff. des Vierten Buches Sozialgesetzbuch) allerdings nur daraufhin, ob sie mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sind. Den Unfallversicherungsträgern ist ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr. 1). Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte; die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus folgende Entscheidung obliegt vielmehr den Unfallversicherungsträgern. Die Bildung des Gefahrtarifs muss allerdings auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (BSGE aaO).

Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 28.11.2006 (B 2 U 10/05 R) ausgeführt hat, ist es den Berufsgenossenschaften im Rahmen ihrer Satzungsautonomie und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen gestattet, den Gefahrtarif nach Gewerbezweigen zu gliedern. Ein solcher Gewerbezweigtarif basiert auf der Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche Unfallrisiken aufweisen und der Gewerbezweig deshalb eine geeignete Grundlage für die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellt. Die Risikobewertung nach dem Gewerbezweigprinzip ist damit im Grundsatz mit den Zielvorstellungen und Wertentscheidungen des Gesetzes und der Verfassung vereinbar, wie das BSG in zahlreichen Entscheidungen zur Rechtslage nach der RVO und auch nach dem SGB VII entschieden hat (BSGE 95, 47 = SozR 4-2700 § 157 Nr. 2; BSG vom 28. November 2006 a.a.O.). Dies setzt voraus, dass eine sachgerechte Abgrenzung der Gewerbezweige und ihre korrekte Zuordnung zu den Gefahrtarifstellen stattgefunden hat, denn die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine möglichst gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 2200 § 734 Nr. 2). Da ein Gewerbezweigtarif seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben bezieht, kommt es für die Bildung der Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an. Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen eine Vergleichbarkeit sprechende Gesichtspunkte beschränken; sie muss vielmehr alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einbeziehen (BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr. 1 zu § 730 RVO). Dafür sind in erster Linie Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr. 1).

Insbesondere bei heterogen zusammengesetzten Gewerbezweigen muss aber geprüft werden, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen "gewerbetypischen" Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von Unternehmen ein vom Durchschnitt des Gewerbezweiges erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf Verselbstständigung als eigener Gewerbezweig oder auf Zuteilung zu einem anderen Gewerbezweig folgen (dazu BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr. 1 zu § 730 RVO; BSG vom 22. September 1988 - 2 RU 2/88 = HV-INFO 1988, 2215).

Die Forderung eines Unternehmens, wegen eines erheblich abweichenden Grades der Unfallgefahr einem anderen Gewerbezweig zugeteilt zu werden, kann jedoch nur dann mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden, wenn der Gefahrtarif der BG mehrere für die betreffende Unternehmensart in Betracht kommende Gewerbezweige ausweist und unklar ist, welchem von ihnen sie nach Art und Gegenstand zuzurechnen ist. Steht dagegen die nach technologischen Kriterien richtige Zuordnung fest, kann die Zugehörigkeit zu dem Gewerbezweig nicht mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation in Frage gestellt werden. Die Bildung von Gefahrklassen nach dem Gewerbezweigprinzip hat zur zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Gewerbezweige nicht nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gibt. Dass alle gewerbezweigzugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet werden als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entsprechen würde, ist als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen (vgl. BSG SozR 2200 § 734 Nr. 1; BVerfG SozR 2200 § 734 Nr. 2; BSG vom 21. August 1991 - 2 RU 54/90 = NZA 1992, 335).

Nach Maßgabe dieser Kriterien hat die Beklagte nicht nur zulässigerweise im Rahmen ihres autonomen Satzungsrechts entschieden, einen nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif zu erlassen, sondern auch das Unternehmen der Klägerin ohne Rechtsfehler der Gefahrtarifstelle 100 zugeordnet.

Die Beklagte hat diese gesetzlichen Vorgaben in ihrem am 01.01.2006 in Kraft getretenen Gefahrtarif in der Weise umgesetzt, dass sie als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen Gewerbezweige gewählt hat. Die Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr ist Ausdruck des Versicherungsprinzips, das im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung verwirklicht ist. Die Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine möglichst gerechte Verteilung der Unfalllast auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.03.1982 - 1 BvR 34/82 -, SozR 2200 § 734 Nr. 2). Sie muss sich deshalb an den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes messen lassen. Für einen Gewerbezweigtarif bedeutet das, dass nicht nur die zu einer Tarifstelle gehörenden Gewerbezweige, sondern grundsätzlich auch die den Gewerbezweig bildenden Unternehmen und Unternehmensarten untereinander hinsichtlich der Unfallgefahren vergleichbar sein müssen. Die Gewerbezweige müssen im Rahmen des Möglichen so zugeschnitten und voneinander abgegrenzt werden, dass diesem Gebot Rechnung getragen wird. Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen eine Vergleichbarkeit sprechende Gesichtspunkte beschränken, sondern muss alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einbeziehen. So hat das BSG in einer älteren Entscheidung die Einordnung einer Kreidegrube in die Gefahrklasse für Kalksteingruben als rechtswidrig angesehen, weil zwar die Gesteinsarten verwandt seien und ihr Abbau demselben Verwendungszweck diene, die Abbaumethoden und die eingesetzten technischen Hilfsmittel aber ersichtlich eine unterschiedliche Gefahrenlage bedingten und die Kreidegruben deshalb als eigener Gewerbezweig einer anderen Tarifstelle zugeordnet werden müssten (BSGE 27, 237, 241 ff = SozR Nr. 1 zu § 730 RVO). Die vorgebrachten Einwände der Klägerin gegen den Gefahrtarif der Beklagten vermochten den Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Satzungsgeber die Grenzen seiner Autonomie überschritten hat.

Alleine der Umstand, dass für den Bau von Wintergärten keine eigene Tarifstelle existiert, führt noch nicht zur Unwirksamkeit des GT, denn Zweckmäßigkeitsüberlegungen lassen die Wirksamkeit unberührt. Die vorgebrachten Einwände hinsichtlich des dem Gefahrtarif zugrunde liegenden Rechenwerks sind zu allgemein gehalten, als dass sie den Senat zu weiteren Ermittlungen veranlassen könnten. Entgegen dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten ist der Gefahrtarif der Beklagten auch nicht derart strukturiert, dass die Tarifstelle 100 mit ihrer recht hohen Gefahrklasse eine Art "Auffangtarifstelle" darstellen würde. Vielmehr sind alle Tarifstellen in ihrer Wertigkeit untereinander gleich, ein System der Über- und Unterordnung ist nicht vorgesehen, so dass auch insoweit die Gliederung nach Gewerbezweigen nicht durchbrochen wird. Es liegt auch im Rahmen der Satzungsautonomie der Beklagten zu entscheiden, wie viele Tarifstellen sie für das Baugewerbe schafft, solange die Aufteilung und die Zuordnung der einzelnen Gewerbezweige einer nachvollziehbaren Logik folgt, was hier der Fall ist. Dem Einwand des Klägerbevollmächtigten, wonach der Gefahrtarif eine Mischform aus Gewerbezweigen und tätigkeitsbezogenen Einstufungen enthalte, konnte der Senat ebenfalls nicht folgen, da schon nach dem Wortlaut des Gefahrtarifs eine Zuordnung nur nach Gewerbezweigen erfolgt. Dass diese im Einzelfall ggf. eine Umschreibung verlangen, in der sich auch Tätigkeitselemente wieder finden, lässt seine Natur als Gewerbezweig-Gefahrtarif unberührt. Ob von der Tarifstelle 100 Hochbauten erfasst werden, die aus unterschiedlichen Materialien bestehen (Stahlbau einerseits, Mauerwerk andererseits), lässt die Wirksamkeit des Gefahrtarifs ebenfalls unberührt, da es nicht auf das zu verarbeitende Material, sondern nur auf die Art des Unternehmens ankommt.

Aber auch die konkrete Einstufung in Tarifstelle 100 unterliegt keinen Rechtsfehlern. Maßstab für die Einstufung in eine Tarifstelle ist bei einem nach Gewerbezweigen aufgebauten Gefahrtarif nicht die rechnerische Gewichtung einzelner Tätigkeitsschritte in einem Fertigungsprozess, sondern der Schwerpunkt des klägerischen Unternehmens, die Art und Weise, wie das Unternehmen am Markt auftritt und welche Werkleistung angeboten wird. Dies ist bei der Klägerin im hier streitigen Zeitraum die Erstellung von individuell geplanten Wintergärten.

Nach dem hier maßgeblichen Gefahrtarif sind in Tarifstelle 100 Unternehmen des Hoch- und Tiefbaus zu veranlagen, die sich mit der Errichtung von entsprechenden Bauwerken befassen. Ergänzend zum Hochbau selbst sind nach den Erläuterungen zu Teil I des GT von der Tarifstelle u.a. auch Bauhilfsdienste, Baustahlbiege-, -flecht und -verlegearbeiten, Baustellenreinigung, Holz- und Bautenschutz, Bautrocknung, Betonbohren und -schneiden, Betonsanierung, Fassadenbau, Feuerungsbau, Fuger im Hochbau, Klinkerbau, Montage von Fertigteilen, Schalungsbau und Torkretierungen erfasst.

Die Tarifstelle 200 erfasst hingegen Arbeiten im Bauausbau, wozu entsprechend den Erläuterungen des GT Malerarbeiten aller Art, Isolierung und Abdichtung von Bauwerken, Beschichtungen, Verfugarbeiten (selbständige Herstellung und Sanierung von Raum- und Scheinfugen im Hochbau, Verfugungen im Innenausbau), Verputzarbeiten, Stuckarbeiten, Wand- und Bodenbelagsarbeiten aller Art, Glaserarbeiten, Montagearbeiten und Dekorationsarbeiten gehören. Die Tarifstelle 220 erfasst demgegenüber das Herstellen von Fertigteilen und Betonwaren, wozu nach dem Wortlaut und den Erläuterungen standardisierte Fertigteile zu zählen sind. Die Klägerin trägt indes selbst vor, dass sie individuell nach Kundenwünschen erforderliche Teile anfertigt, was zwar der Montagevorbereitung vor Ort dient, diese Teile aber noch nicht zu Fertigteilen im Sinne der Tarifstelle 220 macht. Die Tarifstelle 220 ist daher ebenso wenig einschlägig wie die Tarifstelle 200.

Die in der Tarifstelle 100 anhand ihrer Unfallgefahr zusammengefassten Baugewerke zeichnen sich dadurch aus, dass neben Unternehmen, die sich mit der Errichtung von Bauwerken befassen, auch sonstige Bautätigkeiten veranlagt sind, die an der Substanz von Bauwerken tätig sind, also - anders als die in Tarifstelle 200 beschriebenen Gewerke - nicht nur reine Oberflächenbehandlung bzw. Ausbauarbeiten an bereits errichteten Bauwerken erledigen.

Unter Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen, die durch die Arbeitsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt werden, handelt es sich beim Unternehmen der Klägerin um ein solches, das dem Holzhüttenbau bzw. Holzhausbau zuzurechnen und daher in Tarifstelle 100 zu veranlagen ist. Dem Wintergartenbau vergleichbare Tätigkeiten - mit ähnlichen oder teils vermutlich gar geringeren Unfallrisiken - werden ausdrücklich im 1. GT der Beklagten als der Tarifstelle 100 zugehörig beschrieben (vgl. Ziff. 6 Erläuterungen und Ziff. 7 Stichwortverzeichnis: Blockhausbau, Fertighäuser, Holzhausbau, Holz- und Bautenschutz, Lärmschutzwände, Auf- und Abbau von Sicherungsnetzen, Bauwerke für Spielanlagen, und Sportanlagen, Spielplatzbau, Treppenbau Auf- und Abbau von Zelten, etc.).

Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch sonst nicht in Zweifel zu ziehen, dass die Klägerin nach der Beratung von Kunden und Auftragseingang zunächst in ihrer Werkshalle die Fertigung der notwendigen Stützen aus Holz/Metall als tragende Elemente des Wintergartens vornimmt. Ein wesentlicher - und nach dem Vortrag im Verwaltungsverfahren überwiegender - Arbeitsanteil erfolgt anschließend auf der Baustelle beim Kunden im Wege der Aufstellung dieser Elemente als Rahmengerüst und Verglasung des Rahmengerüsts und weiterer Montagearbeiten des Rahmengerüsts. Auch wenn zuletzt vor dem SG behauptet wurde, dass nicht die zunächst für die Baustellenarbeiten angegebenen 75 % des Arbeitsaufwandes, sondern der geringere Anteil aufzuwenden ist, ist die Klägerin doch mit dem Errichten und Fertigstellen von Bauwerken beauftragt, was dem Gewerbe der Klägerin seine bestimmende Prägung gibt.

Ausgehend von diesem Sachverhalt und den voranstehenden rechtlichen Vorgaben hat das SG zu Recht eine Zuordnung zu der Tarifstelle 100 des GT vorgenommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Urteil des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.

Wesentliche neue Argumente wurden mit der Berufung nicht vorgetragen. Sofern die Klägerin vorbringt, der bis zum 31.12.2005 geltende Gefahrtarif der Rechtsvorgängerin der Beklagten zeige, dass eine den Anforderungen des § 157 Abs. 1 und 2 SGB entsprechende Bildung eines Gefahrtarifes möglich sei, betrifft dies die Bildung des neuen GT ab dem 01.01.2006 nach Gewerbezweigen, die nach den voranstehenden Ausführungen zulässig ist und auch im vorliegenden Fall nicht auf Bedenken stößt. Die Beklagte hat anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Liberalisierung des Handwerksrechts eine Vermischung von bisher getrennt von unterschiedlichen Unternehmen ausgeübter Gewerbe erfolgt ist, die es erforderlich gemacht hat, alle gleichartigen Tätigkeiten und alle häufig gemischt ausgeübten Einzelgewerbe aus den Bereichen des Bauhauptgewerbes zu der größeren Tarifstelle 100 zusammenzufassen. Dieser Gefahrtarif unterlag mit seiner Tarifstelle 100 bereits der Prüfung des erkennenden Senats und gab insoweit keinen Anlass zu Beanstandungen (Urteil des erkennenden Senats vom 21.07.2009 - L 1 U 74/09 -).

Im Übrigen ist die im Klageverfahren vor dem SG ursprünglich (zuletzt am 10.12.2010) noch beantragte rückwirkende Überweisung der Klägerin an die H.-Berufsgenossenschaft nicht mehr Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens, nachdem die Beklagte die Klägerin ab dem 01.01.2010 an die H.-Berufsgenossenschaft überwiesen und die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 25.01.2011 den Rechtsstreit "insoweit" für erledigt erklärt hat. Entsprechend dem in der Verhandlung vom 25.01.2011 zu Protokoll gegebenen Klageantrag war eine weiter in die Vergangenheit reichende Überweisung an die Holz-Berufsgenossenschaft nicht mehr beantragt und ist demnach nicht mehr streitgegenständlich.

An der Berechnung der Gefahrklasse hat der Senat wie das SG keine Zweifel. Substantiierte Einwendungen sind darüber hinaus von der Klägerin nicht erhoben worden. Das Gleiche gilt für die Höhe der von der Beklagten berechneten Beiträge, die bei der Klägerin angefordert wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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