L 4 KR 53/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 229/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 53/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Zahlung von Krankengeld über den 31.03.1997 hinaus.

Die am 1935 geborene Klägerin war in Rumänien in der Zeit von 1966 bis 1981 angeblich als Landwirtschaftstechnikerin beschäftigt. Sie war zunächst bei der Beklagten pflichtversichert wegen Bezugs von Arbeitslosengeld bzw. -hilfe - die Versicherung setzte sich aufgrund Krankengeldbezugs bis 31.03.1997 fort - und ist ab 01.04.1997 freiwillig versichertes Mitglied. (Die Beiträge werden vom Sozialhilfeträger übernommen).

Die Beklagte hatte der Klägerin innerhalb der Blockfrist vom 04.10.1994 bis 03.10.1997 für die Zeit vom 04.10.1994 bis 01.04.1996 (Höchstbezugsdauer) Krankengeld u. a. wegen chronischer Bronchitis, Bronchiolitis, Colelithiasis und Durchfallerkrankungen gezahlt.

Die praktische Ärztin Dr.M. stellte mit den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 17.01.1997, 24.01.1997, 04.02.1997 und 14.02.1997 für die Zeit vom 17.01. bis 21.02. 1997 Arbeitsunfähigkeit wegen akuter Bronchitis und Dorsalgie bei degenerativem Wirbelsäulensyndrom fest. Die Ärztin bescheinigte in den Auszahlscheinen für Krankengeld vom 21.02.1997 und 04.03.1997 Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres bei den bekannten Diagnosen.

In der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 07.03.1997 stellte Dr.F. fest, dass nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin die die Arbeitsunfähigkeit auslösende Erkrankung abgeklungen sei. Es sei vertretbar, die Klägerin an einen zustandsangepassten Arbeitsplatz ab 01.04.1997 zu vermitteln. Die Arbeitsunfähigkeit sei an diesem Tage beendet.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.03.1997 sinngemäß Krankengeld ab und teilte dies der behandelnden Ärztin mit. Hiergegen legte die Ärztin am 19.03.1997 und 24. 03.1997 unter Mitteilung zahlreicher Diagnosen Einspruch ein. Sie gab die Diagnosen auf telefonische Nachfrage der Beklagten bekannt.

Die Klägerin legte gegen die Ablehnung des Krankengelds am 27.03.1997 Widerspruch ein. Die Stadt Nürnberg (Sozialamt) teilte der Beklagten am 03.04.1997 mit, dass sie der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt als Vorschuss auf das Krankengeld gewähre und machte einen Erstattungsanspruch geltend. Die Ärztin Dr.P. (MDK) erklärte in der Stellungnahme vom 27.03.1997, dass ein Zusammenhang bestehe zwischen den zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen vom 04.10.1994 bis 01.04.1996 und den ab 17.01.1997 mitgeteilten Krankheiten.

Die Klägerin erhob am 01.04.1997 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage auf Zahlung vom Krankengeld (S 7 KR 79/97). Sie wurde am 18.04.1997 durch den Internisten Dr.H. (MDK) untersucht, der die Beiziehung früherer ärztlicher Befunde für erforderlich hielt. Daraufhin ermittelte die Beklagte bei den von der Klägerin angegebenen Ärzten. Die Beklagte zahlte der Klägerin Krankengeld vom 20.02.1997 bis 31.03.1997 nach.

Die behandelnde Ärztin Dr.M. bescheinigte in den Auszahlscheinen für Krankengeld vom 29.04.1997, 05.05.1997, 26.05.1997, 06.06.1997 und 16.06.1997 weiterhin Arbeitsunfähigkeit bei den bekannten Diagnosen. Dr.B. (MDK) stellte in dem Gutachten nach Aktenlage vom 26.06.1997 fest, die Krankheiten, die ab 17.01.1997 Arbeitsunfähigkeit bedingt hätten (chronische Bronchitis, Dorsalgie und Wirbelsäulensyndrom) stünden im Zusammenhang mit den Erkrankungen, die zum Höchstbezug des Krankengelds bis 01.04.1996 geführt hätten. Die Klägerin könne seit April 1997 leichte Arbeit vollschichtig ausführen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.07.1997 Krankengeld über den 31.03.1997 hinaus ab und teilte der Klägerin mit, Ar- vor. Dr.M. bescheinigte in dem Auszahlschein für Krankengeld am 08.07.1997 Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres wieder bei den bekannten Diagnosen und teilte dem SG mit Attest vom gleichen Tage zahlreiche Erkrankungen mit, deretwegen die Klägerin behandelt werde.

Die Klägerin erhob am 15.07.1997 eine weitere Klage beim SG Nürnberg auf Zahlung von Krankengeld (S 7 KR 155/97). Der von der Beklagten noch einmal gehörte Gutachter Dr.B. (MDK) äußerte in der Stellungnahme vom 25.07.1997, dass die Klägerin für einen zustandsangepassten Arbeitsplatz arbeitsfähig sei. Die Klägerin nahm am 29.07.1997 in der mündlichen Verhandlung vor dem SG beide Klagen zurück und die Beklagte sagte die Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.1997 den Widerspruch mit der Begründung zurück, sie habe in der vom 01.10.1994 bis 03.10.1997 laufenden Blockfrist Krankengeld für die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen bezahlt. Die ab 17.01.1997 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit beruhe auf derselben Erkrankung. Schon deswegen habe die Klägerin keinen Anspruch auf die Weiterzahlung vom Krankengeld. Sie sei aber auch über den 01.04.1997 hinaus nicht mehr arbeitsunfähig.

Hiergegen hat die Klägerin am 19.11.1997 Klage (S 7 KR 229/97) beim SG erhoben. Das SG hat, nachdem die Klägerin in die Beiziehung ärztlicher Unterlagen nicht eingewilligt hat, mit Urteil vom 29.02.2000 die Klage abgewiesen und unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid ausgeführt, die ab 17.01.1997 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit beruhe auf derselben Erkrankung, für die die Klägerin bereits in der laufenden Blockfrist Krankengeld von 78 Wochen erhalten habe. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts aus den Stellungnahmen des MDK. Ab 04.10. 1997 habe die Klägerin in der neuen Blockfrist keinen Anspruch auf Krankengeld, da Arbeitsunfähigkeit für diese Zeit nicht mehr bescheinigt worden sei. Ermittlungen des Gerichts seien nicht veranlasst, da die Klägerin auch auf gerichtlichen Hinweis nicht bereit gewesen sei, ihre behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11.04. 2000, mit der sie die Verletzung der Menschenrechte, verfassungsrechtlicher und krankenversicherungsrechtlicher Vorschriften durch die Beklagte und das SG rügt und die Nachzahlung von Krankengeld geltend macht.

Sie beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 29.02.2000 sowie der Bescheide vom 07.03.1997 und 02.07.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.1997 zu verurteilen, ihr über den 31.03.1997 hinaus Krankengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.000 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG).

Die Berufung ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden; denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den 31.03.1997 hinaus.

Gemäß § 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch V (SGB V)haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs.4, §§ 24, 40 Abs.2 und 41) behandelt werden. Arbeitsunfähigkeit liegt nach allgemeiner Meinung vor, wenn der Versicherte auf Grund einer Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlichen Tätigkeit nachzugehen (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. Bundessozialgericht (BSG) vom 15.11.1984 BSGE 57, 227; BSG vom 10.03.1987 BSGE 61, 193; KassKomm Höfler, § 44 SGB V, Rdnr.10 mit weiteren Nachweisen).

Für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld bestimmt § 48 Abs.1 SGB V, dass Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung erhalten, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert. Damit hat ein Versicherter für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit für höchstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren (sog. Blockfrist), gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, Anspruch auf Krankengeld. Eine weitere Einschränkung des Anspruchs auf Krankengeld enthält § 48 Abs.1 Satz 2 SGB V in dem Sinne, dass auch für den Fall des Hinzutritts einer weiteren Krankheit die Leistungsdauer von 78 Wochen nicht verlängert wird. Sie wird selbst dann nicht verlängert, wenn die hinzugetretene Krankheit später allein fortbesteht und die durch sie verursachte Arbeitsunfähigkeit vom 24.06.1969 SozR § 183 RVO Nr.40; BSG vom 28.11.1979 BSGE 49, 163).

Im vorliegenden Fall ist von der starren Blockfrist von drei Jahren auszugehen, die am 04.10.1994 begonnen und am 03.10.1997 geendet hat. Die Klägerin hat innerhalb dieses Zeitraums, was hier unstreitig ist, für die Höchstbezugsdauer von 78 Wochen Krankengeld erhalten. Gemäß § 48 Abs.3 SGB V werden bei der Feststellung dieser Leistungsdauer die Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs vom Krankengeld berücksichtigt. Damit ist im vorliegenden Fall die Zeit des Bezugs von Arbeitslosenhilfe als Leistungszeit zu berücksichtigen, weil § 49 Abs.1 Nr.3 a SGB V regelt, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange Versicherte Arbeitslosenhilfe beziehen.

Ein Anspruch auf Krankengeld über den 31.03.1997 hinaus besteht somit nicht. Denn die nach diesem Zeitpunkt bescheinigten Krankheiten sind dieselben Krankheiten, deretwegen innerhalb der Blockfrist Krankengeld für die Höchstbezugsdauer gezahlt worden ist. Dieselbe Krankheit im Sinne des § 48 Abs.1 SGB V liegt vor bei einem einheitlichen Krankheitsgeschehen im ursächlichen Sinn; nicht entscheidend sind Erscheinungsbild oder -formen. Dieselbe Krankheit kann auch fortbestehen, wenn Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit (vorübergehend) entfallen sind. Es muss sich lediglich um ein im ursächlichen Sinne einheitliches Krankheitsgeschehen handeln (BSG vom 20.09. 1974 BSGE 38, 133; BSG vom 19.10.1983 BSGE 56, 13; KassKomm - Höfler, § 48, Rdnr.4 m.w.N.).

Die Klägerin hat ab 04.10.1994 Krankengeld für 78 Wochen erhalten wegen der Erkrankungen Bronchitis, Gallenkoliken, Abdomenkoliken und Durchfallerkrankungen. Die den streitigen Zeitraum betreffenden Auszahlungsscheine, mit den von der Ärztin Dr.M. bescheinigten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 29.04.1997 und 26.05.1997, die Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres annehmen, enthalten in der Rubrik Diagnose lediglich das Wort bekannt. Damit nimmt die Ärztin Bezug auf frühere Atteste und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Sie hat in den Bescheinigungen vom 17.01.1997, 24.01.1997, 04.02.1997 und 14.02. 1997 die Diagnosen akute Bronchitis und Dorsalgie bei degenerativem Wirbelsäulensyndrom angegeben. Ferner hat sie in ihren Einsprüchen vom 19.03.1997 und 24.03.1997 weitere Erkrankungen vorwiegend auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet angeführt. Gleiches gilt für die Auszahlungsbescheinigungen vom 16.06.1997 und 08.07.1997.

Die Beklagte hat zur Frage der Dauer des Anspruchs auf Krankengeld zwei Stellungnahmen des MDK vom 27.03.1997 und 26.06.1997 eingeholt. Die Ärzte gelangen übereinstimmend zu der Auffassung, dass die Erkrankungen, für die ab 17.01.1997 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird, im Zusammenhang mit den Erkrankungen stehen, die zum Höchstbezug des Krankengelds bis 01.04. 1996 geführt haben. Insbesondere Dr.B. verweist auf die Untersuchung durch Dr.H. (MDK) im Gutachten vom 18.04.1997 sowie auf die im Anschluss daran von der Beklagten eingeholten Befunde anderer behandelnden Ärzte. Der Senat ist von der Richtigkeit dieser medizinischen Beurteilung überzeugt, zumal hiergegen schlüssige Einwendungen nicht erhoben worden sind.

Abgesehen davon ist auch nicht erwiesen, dass die im Jahre 1997 von Dr.M. bescheinigten Krankheiten zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin geführt haben. Die gutachtlichen Stellungnahmen des MDK vom 07.03.1997 (Dr.F.) und 26.06. 1997 (Dr.B.) sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin ab April 1997 nicht mehr arbeitsunfähig ist. Sie kann danach auf einem leichten Arbeitsplatz vollschichtig eingesetzt werden. Der Senat schließt sich dieser ärztlichen Beurteilung an, da sie auf den oben genannten Untersuchung der Klägerin beruht, während die von der Ärztin Dr.M. geäußerte gegenteilige Ansicht durch keinerlei Befunde belegt ist.

Die Klägerin hat, soweit ersichtlich, auch keinen Anspruch auf Krankengeld in der ab 04.10.1997 beginnenden neuen Blockfrist, da es schon an entsprechenden Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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