Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 13/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 305/11 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Neuregelung der Regelbedarfe zum 01.01.2011 verfassungskonform - keine Zulassung der Berufung mangels grundsätzlicher Bedeutung und keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht
Die Neuregelung der Regelbedarfe in § 20 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I S. 453) ist verfassungskonform. Die hieran geäußerten Zweifel begründen weder eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigen würde, noch hinreichende Erfolgsaussichten, die die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO rechtfertigen würden (Anschluss an BayLSG, Beschlüsse vom 27.05.2011 Az. L 7 AS 342/11 B PKH und vom 05.07.2011 Az. L 16 AS 310/11 B PKH).
Die Neuregelung der Regelbedarfe in § 20 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I S. 453) ist verfassungskonform. Die hieran geäußerten Zweifel begründen weder eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigen würde, noch hinreichende Erfolgsaussichten, die die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO rechtfertigen würden (Anschluss an BayLSG, Beschlüsse vom 27.05.2011 Az. L 7 AS 342/11 B PKH und vom 05.07.2011 Az. L 16 AS 310/11 B PKH).
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 07.03.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin A., A-Stadt, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Zeitraum von Januar bis April 2011 Anspruch auf einen höheren Regelbedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat, als gesetzlich vorgesehen.
Mit Bescheid vom 27.09.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit von November 2010 bis April 2011 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wobei er von einer Regelleistung in Höhe von monatlich 359 EUR ausging. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2007 als unbegründet zurück.
Am 05.01.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben und vorgetragen, die in § 20 SGB II festgesetzte Höhe der Regelleistung sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Zeit ab dem 01.01.2011 verfassungswidrig. Er begehre Regelleistungen in Höhe eines Betrages von 420 EUR monatlich. Diesen Betrag habe der Paritätische Wohlfahrtsverband errechnet.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.03.2011 (Az. S 8 AS 13/11) abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 16.03.2011 zugestellt worden.
Am 24.03.2011 ist das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ausgefertigt und am 25.03.2011 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. I S. 453). Es sieht in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II eine Erhöhung des Regelbedarfs für alleinstehende Personen auf 364 EUR rückwirkend zum 01.01.2011 vor.
Am 25.03.2011 hat der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid vom 07.03.2011 Beschwerde eingelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 hat der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.04.2011 entsprechend dem erhöhten Regelbedarf höhere Leistungen bewilligt.
Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde verweist der Kläger zum einen auf die Begründung seiner Klage. Zusätzlich führt er aus, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe im Gesetz vom 24.03.2011 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend beachtet habe. Hierzu gebe es einen Musterschriftsatz des Deutschen Anwaltvereins, dessen Inhalt er wie folgt wiedergibt:
- Die Festlegung der Referenzgruppe sei in qualitativer und quantitativer Hinsicht fehlerhaft, insbesondere, soweit bei den Einzelpersonen auf die unteren 15 % und bei den Familienhaushalten auf die unteren 20 % abgestellt werde.
- Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2008 sei im Gegensatz zu derjenigen von 2003 als Datengrundlage nicht ausreichend, da keine eigenen statistischen Erhebungen der Bundesregierung zu den Bedarfen vorgenommen worden seien.
- Die Problematik von Abschlägen infolge der Vermischung des Warenkorb- mit dem Statistik-Modell führe zu einer Größenordnung der Reduzierung des Regelsatzes, die es ausschließe, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen Position auszugleichen. Hinzu komme, dass die Abschläge immer auch Personen träfen, die diese Ausgaben nicht hätten.
- Tabak und Alkohol hätten nicht aus dem Regelbedarf gestrichen werden dürfen, weil der Konsum von Bier und Wein vielfach Bestandteil einer regionalen Kultur sei. Es gebe nur sehr wenige Veranstaltungen im privaten und öffentlichen Bereich, in denen die Zugehörigkeit im gesellschaftlichen Leben nicht auch dadurch geprägt sei, dass man in der Lage sei, die Kosten für ein Getränk, das auch Alkohol enthalte, aufzubringen, wie das Bier beim Schauen einer Sport- oder Musikveranstaltung. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, bei denen der Konsum von Bier oder Wein üblich sei, dürfe auch Empfängern von Leistungen nach dem SGB II nicht grundsätzlich vorenthalten bleiben.
- Bei der Berechnung des Bedarfs für Verkehr hätten Personen, die ein Auto fahren, nicht herausgerechnet werden dürfen. Dies bewirke einen deutlichen statistischen Fehler, der zu einer Verfälschung nach unten führe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 07.03.2011 zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Weiter beantragt der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin A., A-Stadt, beizuordnen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht ist gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Bei Gerichtsbescheiden haben die Beteiligten ein Wahlrecht, ob sie Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, die gegen ein Urteil gegeben wäre, oder gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG die mündliche Verhandlung vor dem SG beantragen (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 105 Rdnr. 16). Der in § 105 Abs. 2 Satz 3 SGG angeordnete Vorrang des Antrags auf mündliche Verhandlung kommt nicht zum Tragen, da ein solcher Antrag nicht gestellt worden ist.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil die Berufung gegen das Urteil des SG gemäß § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung bedarf und kein Grund vorliegt, nach § 144 Abs. 2 SGG, die Berufung zuzulassen.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG der Zulassung, weil sie nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 144 Rdnr. 14). Versagt hat der angefochtene Gerichtsbescheid die Differenz zwischen dem vom Kläger geforderten Regelbedarf in Höhe von 420 EUR monatlich und dem im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides noch gültigen Regelbedarf von 359 EUR, also einen Betrag von 61 EUR monatlich für die Zeit von Januar bis April 2011, insgesamt also einen Betrag von 4 x 61 EUR = 244 EUR. Damit liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes unterhalb der Berufungssumme von 750 EUR.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Rechtssache hat im vorliegenden Fall keine grundsätzliche Bedeutung.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Urteil vom 09.02.2010 (BVerfGE 125, 175) ausführlich und erschöpfend zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bestimmung der Höhe der Regelleistung durch den Gesetzgeber im SGB II und SGB XII Stellung genommen. Die hierbei zu beachtenden Grundsätze sind damit höchstrichterlich geklärt. Grundsätzliche Bedeutung hätte man im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides noch der Frage beimessen können, in welcher Höhe die Regelleistung in der Zeit ab dem 01.01.2011 bis zu der vom Bundesverfassungsgericht geforderten gesetzlichen Neuregelung der Regelleistung anzuwenden war, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem oben genannten Urteil die bis dahin geltende gesetzliche Regelung für verfassungswidrig und nur für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 für anwendbar erklärt hatte. Diese allenfalls übergangsweise bestehende grundsätzliche Rechtsfrage hat sich jedoch mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I S. 453; vgl. Neubekanntmachung des SGB II vom 13.05.2011, BGB. I S. 850) erledigt. In diesem Gesetz hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II den Regelbedarf für Alleinstehende von 359 EUR rückwirkend zum 01.01.2011 auf 364 EUR erhöht. Der Beklagte hat das am 24.03.2011 erlassene Gesetz noch vor dessen Verkündung am 29.03.2011 in seinem Änderungsbescheid vom 26.03.2011 zu Gunsten des Klägers umgesetzt. Dieser Änderungsbescheid ist gemäß § 96 SGG zum Gegenstand der Klage geworden.
Auch die Rechtsfrage, ob die Neuregelung der Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 20 SGB II durch das Gesetz vom 24.03.2011 mit dem aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmininums in Einklang steht und insbesondere die vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 hierfür aufgestellten Grundsätze beachtet hat, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung, weil Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung nicht bestehen.
Das BVerfG hat bereits im Urteil vom 09.12.2010 festgestellt, dass der seiner Entscheidung zugrunde liegende Regelsatz für Alleinstehende in Höhe von 345 EUR nicht evident unzureichend ist (aaO. Rdnr. 152). Dies muss für den nach § 20 Abs. 2 SGB II n. F. auf 364 EUR erhöhten Regelbedarf für Alleinstehende erst recht gelten. Das BVerfG hat darüber hinaus nur gefordert, dass der Gesetzgeber zur Ermittlung des Anspruchsumfangs alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu berechnen hat (aaO. Rdnr. 139). Dabei steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasst (aaO. Ls. 2 und Rdnr. 138). Eine bestimmte Methode ist ihm nicht vorgeschrieben, jedoch müssen Abweichungen von der gewählten Methode sachlich gerechtfertigt sein (Rdnr. 139). Mit Rücksicht auf den gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum beschränkt sich die materielle Kontrolle des BVerfG im Hinblick auf das Ergebnis darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (Rdnr. 141).
Aus den Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 26.10.2010 BT-Drs. 17/3404, S. 42 ff.) geht hervor, dass der Gesetzgeber sich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe gehalten hat. Auf Grundlage einer Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2008 wurden die Bedarfe von Erwachsenen und Kindern im Einzelnen ermittelt. Abschläge von einzelnen Verbrauchspositionen wurden entweder nicht mehr vorgenommen (z. B. bei Bekleidung) oder durch Sonderauswertungen berichtigt (z. B. Heizstromanteil, Personennahverkehr, Telefonkosten). Die Fortschreibung der Regelbedarfe wurde an die Entwicklung der Preise mit einem Anteil von 70 % sowie der Nettolöhne und -gehälter zu 30 % angebunden (§ 20 Abs. 5 SGB II i. V. m. § 28a
SGB XII), statt wie zuvor an die Rentenentwicklung. Zu den Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche wurden gesonderte Anspruchsgrundlagen in §§ 28 und 29 SGB II geschaffen. Für den Mehrbedarf in atypischen Härtefällen war bereits mit Gesetz vom 27.05.2010 (BGBl I S. 1076) in § 21 Abs. 6 SGB II eine Anspruchsgrundlage eingefügt worden, die den Vorgaben des BVerfG entspricht.
Einzelne Punkte der Ermittlung des neuen Regelbedarfs werden politisch unterschiedlich bewertet, etwa die Abgrenzung der unteren Einkommensschicht nach § 4 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG), wonach von den Einpersonenhaushalten die unteren 15 % und von den Familienhaushalten die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt werden. Dies darf aber nicht mit der Frage verwechselt werden, ob die getroffene Regelung verfassungswidrig ist. Das BVerfG hat im Urteil vom 09.02.2010 nicht die Forderung aufgestellt, nicht weniger als die unteren 20 % der Haushalte zu berücksichtigen. Es hat lediglich festgestellt, dass die bisherige Entscheidung des Gesetzgebers, die unteren 20 % der Haushalte zu berücksichtigen, auf sachgerechten Erwägungen beruhe und deshalb nicht zu beanstanden sei, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht zu prüfen habe, ob die Wahl einer anderen Referenzgruppe angemessener gewesen wäre (aaO. Rdnr. 168). Auf sachgerechten Erwägungen beruht auch die neue Wahl der Referenzgruppe durch den Gesetzgeber in § 4 RBEG. Er durfte davon ausgehen, dass die Wahl der untersten 15 % bei den Einpersonenhaushalten die Gruppe der Bezieher von geringen Einkommen möglichst breit erfasst und statistisch zuverlässige Daten erlangt werden. Dabei hat der Gesetzgeber nachvollziehbar berücksichtigt, dass bei den Einpersonenhaushalten der Anteil der vorab - zur Vermeidung von Zirkelschlüssen - ausgeschlossenen Haushalte mit 8,6 % aller Haushalte dieses Haushaltstyps erheblich über den bei der Sonderauswertung der EVS 2003 ausgeschlossenen Haushalten (0,5 %) liegt, der durchschnittliche Konsum der jeweiligen Referenzgruppe um ca. 70,- EUR monatlich gestiegen ist und bei einem Anteil der Referenzhaushalte von 20 % an allen nach dem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalten sich die Abgrenzung nach oben hin zu höheren Einkommen verschieben würde (BT-Drs. 17/3404, S. 89). Auch der Vergleich der Obergrenze der Referenzgruppe "Einpersonenhaushalte" der Sonderauswertung EVS 2008 und EVS 2003 zeigt, dass diese nunmehr bei 22,3 % (8,6 % ausgeschlossene Haushalte + 15 % Referenzhaushalte) gegenüber 20,5 % (EVS 2003) liegt (vgl. BT-Drs. 17/3404, S 89). Dass der Gesetzgeber bei der Referenzgruppe "Familienhaushalte" (§ 2 Nr. 2 RBEG) dagegen die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt (§ 4 S. 1 und 2 Nr. 2 RBEG), ist nicht zu beanstanden, da hier zur Vermeidung von Zirkelschlüssen lediglich 2,3 % der Paarhaushalte mit Kind nach § 3 RBEG ausgeschlossen werden mussten.
Ein Fehler ist dem Gesetzgeber allerdings zugunsten der Betroffenen unterlaufen, der bei der Festlegung des Existenzminimums einen Spielraum nach oben eröffnet. Die Bedarfsermittlungen im RBEG wurden nämlich auf der Grundlage vorgenommen, dass die Kosten für Warmwasser aus dem Regelbedarf zu bezahlen sind. Erst in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens wurden die Kosten für Warmwasser zu den Kosten der Unterkunft umsortiert (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 7 und § 77 Abs. 6 SGB II), ohne aber gleichzeitig die Regelbedarfe entsprechend nach unten zu korrigieren.
Zu den übrigen vom Kläger gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Regebedarfe vorgebrachten Argumenten ist auszuführen:
- Anhaltspunkte dafür, dass die EVS 2008 als Datengrundlage nicht ausreichend sein könnten, sind nicht gegeben.
- Die Möglichkeit, die Ausgaben der erfassten unteren Referenzgruppe nur zu einem bestimmten Anteil zu berücksichtigen, wurde vom BVerfG ausdrücklich anerkannt, sofern die Abschläge realitätsnah und nachvollziehbar ermittelt werden (aaO. Rdnr. 170). Warum dies nicht geschehen sein soll, wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch in sonstiger Weise nicht ersichtlich.
- Die Entscheidung, Ausgaben für Tabak und Alkohol nicht zu berücksichtigen (und gleichzeitig die Ausgaben für Mineralwasser um 2,99 EUR zu erhöhen), ist rein politischer Art, in verfassungsrechtlicher Hinsicht vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aber abgedeckt.
- Ebenso gehört die Entscheidung, die Ausgaben für die Nutzung von Kraftfahrzeugen nicht zu berücksichtigen, in den politischen, aber rechtlich nicht überprüfbaren Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der im Ausgleich dafür in nachvollziehbarer Weise durch eine Sonderauswertung den Anteil der Ausgaben für Fahrräder und den öffentlichen Personennahverkehr erhöht hat (BT-Drs. 17/3404 S. 59).
- Dass Stromkosten in den Regelbedarf eingerechnet und nicht in tatsächlicher Höhe als Kosten der Unterkunft erstattet werden, stellt ebenfalls eine politische Entscheidung des Gesetzgebers dar, die rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung zu einer der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten obergerichtlichen Entscheidungen liegt nicht vor. Insbesondere hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 10.06.2011 (Az. L 12 AS 1077/11) die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung ausführlich begründet.
Einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel hat der Kläger nicht geltend gemacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
IV.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin A. ist gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Anschluss an BayLSG, Beschlüsse vom 27.05.2011 Az. L 7 AS 342/11 B PKH und vom 05.07.2011 Az. L 16 AS 310/11 B PKH).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin A., A-Stadt, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger im Zeitraum von Januar bis April 2011 Anspruch auf einen höheren Regelbedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat, als gesetzlich vorgesehen.
Mit Bescheid vom 27.09.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit von November 2010 bis April 2011 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wobei er von einer Regelleistung in Höhe von monatlich 359 EUR ausging. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2007 als unbegründet zurück.
Am 05.01.2011 hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben und vorgetragen, die in § 20 SGB II festgesetzte Höhe der Regelleistung sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Zeit ab dem 01.01.2011 verfassungswidrig. Er begehre Regelleistungen in Höhe eines Betrages von 420 EUR monatlich. Diesen Betrag habe der Paritätische Wohlfahrtsverband errechnet.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.03.2011 (Az. S 8 AS 13/11) abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 16.03.2011 zugestellt worden.
Am 24.03.2011 ist das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ausgefertigt und am 25.03.2011 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. I S. 453). Es sieht in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II eine Erhöhung des Regelbedarfs für alleinstehende Personen auf 364 EUR rückwirkend zum 01.01.2011 vor.
Am 25.03.2011 hat der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid vom 07.03.2011 Beschwerde eingelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 hat der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.04.2011 entsprechend dem erhöhten Regelbedarf höhere Leistungen bewilligt.
Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde verweist der Kläger zum einen auf die Begründung seiner Klage. Zusätzlich führt er aus, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe im Gesetz vom 24.03.2011 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend beachtet habe. Hierzu gebe es einen Musterschriftsatz des Deutschen Anwaltvereins, dessen Inhalt er wie folgt wiedergibt:
- Die Festlegung der Referenzgruppe sei in qualitativer und quantitativer Hinsicht fehlerhaft, insbesondere, soweit bei den Einzelpersonen auf die unteren 15 % und bei den Familienhaushalten auf die unteren 20 % abgestellt werde.
- Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2008 sei im Gegensatz zu derjenigen von 2003 als Datengrundlage nicht ausreichend, da keine eigenen statistischen Erhebungen der Bundesregierung zu den Bedarfen vorgenommen worden seien.
- Die Problematik von Abschlägen infolge der Vermischung des Warenkorb- mit dem Statistik-Modell führe zu einer Größenordnung der Reduzierung des Regelsatzes, die es ausschließe, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen Position auszugleichen. Hinzu komme, dass die Abschläge immer auch Personen träfen, die diese Ausgaben nicht hätten.
- Tabak und Alkohol hätten nicht aus dem Regelbedarf gestrichen werden dürfen, weil der Konsum von Bier und Wein vielfach Bestandteil einer regionalen Kultur sei. Es gebe nur sehr wenige Veranstaltungen im privaten und öffentlichen Bereich, in denen die Zugehörigkeit im gesellschaftlichen Leben nicht auch dadurch geprägt sei, dass man in der Lage sei, die Kosten für ein Getränk, das auch Alkohol enthalte, aufzubringen, wie das Bier beim Schauen einer Sport- oder Musikveranstaltung. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen, bei denen der Konsum von Bier oder Wein üblich sei, dürfe auch Empfängern von Leistungen nach dem SGB II nicht grundsätzlich vorenthalten bleiben.
- Bei der Berechnung des Bedarfs für Verkehr hätten Personen, die ein Auto fahren, nicht herausgerechnet werden dürfen. Dies bewirke einen deutlichen statistischen Fehler, der zu einer Verfälschung nach unten führe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 07.03.2011 zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Weiter beantragt der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin A., A-Stadt, beizuordnen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht ist gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Bei Gerichtsbescheiden haben die Beteiligten ein Wahlrecht, ob sie Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, die gegen ein Urteil gegeben wäre, oder gemäß § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG die mündliche Verhandlung vor dem SG beantragen (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 105 Rdnr. 16). Der in § 105 Abs. 2 Satz 3 SGG angeordnete Vorrang des Antrags auf mündliche Verhandlung kommt nicht zum Tragen, da ein solcher Antrag nicht gestellt worden ist.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil die Berufung gegen das Urteil des SG gemäß § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung bedarf und kein Grund vorliegt, nach § 144 Abs. 2 SGG, die Berufung zuzulassen.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG der Zulassung, weil sie nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 144 Rdnr. 14). Versagt hat der angefochtene Gerichtsbescheid die Differenz zwischen dem vom Kläger geforderten Regelbedarf in Höhe von 420 EUR monatlich und dem im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides noch gültigen Regelbedarf von 359 EUR, also einen Betrag von 61 EUR monatlich für die Zeit von Januar bis April 2011, insgesamt also einen Betrag von 4 x 61 EUR = 244 EUR. Damit liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes unterhalb der Berufungssumme von 750 EUR.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Rechtssache hat im vorliegenden Fall keine grundsätzliche Bedeutung.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Urteil vom 09.02.2010 (BVerfGE 125, 175) ausführlich und erschöpfend zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bestimmung der Höhe der Regelleistung durch den Gesetzgeber im SGB II und SGB XII Stellung genommen. Die hierbei zu beachtenden Grundsätze sind damit höchstrichterlich geklärt. Grundsätzliche Bedeutung hätte man im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides noch der Frage beimessen können, in welcher Höhe die Regelleistung in der Zeit ab dem 01.01.2011 bis zu der vom Bundesverfassungsgericht geforderten gesetzlichen Neuregelung der Regelleistung anzuwenden war, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem oben genannten Urteil die bis dahin geltende gesetzliche Regelung für verfassungswidrig und nur für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 für anwendbar erklärt hatte. Diese allenfalls übergangsweise bestehende grundsätzliche Rechtsfrage hat sich jedoch mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I S. 453; vgl. Neubekanntmachung des SGB II vom 13.05.2011, BGB. I S. 850) erledigt. In diesem Gesetz hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II den Regelbedarf für Alleinstehende von 359 EUR rückwirkend zum 01.01.2011 auf 364 EUR erhöht. Der Beklagte hat das am 24.03.2011 erlassene Gesetz noch vor dessen Verkündung am 29.03.2011 in seinem Änderungsbescheid vom 26.03.2011 zu Gunsten des Klägers umgesetzt. Dieser Änderungsbescheid ist gemäß § 96 SGG zum Gegenstand der Klage geworden.
Auch die Rechtsfrage, ob die Neuregelung der Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 20 SGB II durch das Gesetz vom 24.03.2011 mit dem aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmininums in Einklang steht und insbesondere die vom BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 hierfür aufgestellten Grundsätze beachtet hat, bedarf keiner grundsätzlichen Klärung, weil Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung nicht bestehen.
Das BVerfG hat bereits im Urteil vom 09.12.2010 festgestellt, dass der seiner Entscheidung zugrunde liegende Regelsatz für Alleinstehende in Höhe von 345 EUR nicht evident unzureichend ist (aaO. Rdnr. 152). Dies muss für den nach § 20 Abs. 2 SGB II n. F. auf 364 EUR erhöhten Regelbedarf für Alleinstehende erst recht gelten. Das BVerfG hat darüber hinaus nur gefordert, dass der Gesetzgeber zur Ermittlung des Anspruchsumfangs alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu berechnen hat (aaO. Rdnr. 139). Dabei steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasst (aaO. Ls. 2 und Rdnr. 138). Eine bestimmte Methode ist ihm nicht vorgeschrieben, jedoch müssen Abweichungen von der gewählten Methode sachlich gerechtfertigt sein (Rdnr. 139). Mit Rücksicht auf den gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum beschränkt sich die materielle Kontrolle des BVerfG im Hinblick auf das Ergebnis darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (Rdnr. 141).
Aus den Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 26.10.2010 BT-Drs. 17/3404, S. 42 ff.) geht hervor, dass der Gesetzgeber sich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Bestimmung der Höhe der Regelbedarfe gehalten hat. Auf Grundlage einer Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2008 wurden die Bedarfe von Erwachsenen und Kindern im Einzelnen ermittelt. Abschläge von einzelnen Verbrauchspositionen wurden entweder nicht mehr vorgenommen (z. B. bei Bekleidung) oder durch Sonderauswertungen berichtigt (z. B. Heizstromanteil, Personennahverkehr, Telefonkosten). Die Fortschreibung der Regelbedarfe wurde an die Entwicklung der Preise mit einem Anteil von 70 % sowie der Nettolöhne und -gehälter zu 30 % angebunden (§ 20 Abs. 5 SGB II i. V. m. § 28a
SGB XII), statt wie zuvor an die Rentenentwicklung. Zu den Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche wurden gesonderte Anspruchsgrundlagen in §§ 28 und 29 SGB II geschaffen. Für den Mehrbedarf in atypischen Härtefällen war bereits mit Gesetz vom 27.05.2010 (BGBl I S. 1076) in § 21 Abs. 6 SGB II eine Anspruchsgrundlage eingefügt worden, die den Vorgaben des BVerfG entspricht.
Einzelne Punkte der Ermittlung des neuen Regelbedarfs werden politisch unterschiedlich bewertet, etwa die Abgrenzung der unteren Einkommensschicht nach § 4 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG), wonach von den Einpersonenhaushalten die unteren 15 % und von den Familienhaushalten die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt werden. Dies darf aber nicht mit der Frage verwechselt werden, ob die getroffene Regelung verfassungswidrig ist. Das BVerfG hat im Urteil vom 09.02.2010 nicht die Forderung aufgestellt, nicht weniger als die unteren 20 % der Haushalte zu berücksichtigen. Es hat lediglich festgestellt, dass die bisherige Entscheidung des Gesetzgebers, die unteren 20 % der Haushalte zu berücksichtigen, auf sachgerechten Erwägungen beruhe und deshalb nicht zu beanstanden sei, und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht zu prüfen habe, ob die Wahl einer anderen Referenzgruppe angemessener gewesen wäre (aaO. Rdnr. 168). Auf sachgerechten Erwägungen beruht auch die neue Wahl der Referenzgruppe durch den Gesetzgeber in § 4 RBEG. Er durfte davon ausgehen, dass die Wahl der untersten 15 % bei den Einpersonenhaushalten die Gruppe der Bezieher von geringen Einkommen möglichst breit erfasst und statistisch zuverlässige Daten erlangt werden. Dabei hat der Gesetzgeber nachvollziehbar berücksichtigt, dass bei den Einpersonenhaushalten der Anteil der vorab - zur Vermeidung von Zirkelschlüssen - ausgeschlossenen Haushalte mit 8,6 % aller Haushalte dieses Haushaltstyps erheblich über den bei der Sonderauswertung der EVS 2003 ausgeschlossenen Haushalten (0,5 %) liegt, der durchschnittliche Konsum der jeweiligen Referenzgruppe um ca. 70,- EUR monatlich gestiegen ist und bei einem Anteil der Referenzhaushalte von 20 % an allen nach dem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalten sich die Abgrenzung nach oben hin zu höheren Einkommen verschieben würde (BT-Drs. 17/3404, S. 89). Auch der Vergleich der Obergrenze der Referenzgruppe "Einpersonenhaushalte" der Sonderauswertung EVS 2008 und EVS 2003 zeigt, dass diese nunmehr bei 22,3 % (8,6 % ausgeschlossene Haushalte + 15 % Referenzhaushalte) gegenüber 20,5 % (EVS 2003) liegt (vgl. BT-Drs. 17/3404, S 89). Dass der Gesetzgeber bei der Referenzgruppe "Familienhaushalte" (§ 2 Nr. 2 RBEG) dagegen die unteren 20 % der Haushalte berücksichtigt (§ 4 S. 1 und 2 Nr. 2 RBEG), ist nicht zu beanstanden, da hier zur Vermeidung von Zirkelschlüssen lediglich 2,3 % der Paarhaushalte mit Kind nach § 3 RBEG ausgeschlossen werden mussten.
Ein Fehler ist dem Gesetzgeber allerdings zugunsten der Betroffenen unterlaufen, der bei der Festlegung des Existenzminimums einen Spielraum nach oben eröffnet. Die Bedarfsermittlungen im RBEG wurden nämlich auf der Grundlage vorgenommen, dass die Kosten für Warmwasser aus dem Regelbedarf zu bezahlen sind. Erst in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens wurden die Kosten für Warmwasser zu den Kosten der Unterkunft umsortiert (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 7 und § 77 Abs. 6 SGB II), ohne aber gleichzeitig die Regelbedarfe entsprechend nach unten zu korrigieren.
Zu den übrigen vom Kläger gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Regebedarfe vorgebrachten Argumenten ist auszuführen:
- Anhaltspunkte dafür, dass die EVS 2008 als Datengrundlage nicht ausreichend sein könnten, sind nicht gegeben.
- Die Möglichkeit, die Ausgaben der erfassten unteren Referenzgruppe nur zu einem bestimmten Anteil zu berücksichtigen, wurde vom BVerfG ausdrücklich anerkannt, sofern die Abschläge realitätsnah und nachvollziehbar ermittelt werden (aaO. Rdnr. 170). Warum dies nicht geschehen sein soll, wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch in sonstiger Weise nicht ersichtlich.
- Die Entscheidung, Ausgaben für Tabak und Alkohol nicht zu berücksichtigen (und gleichzeitig die Ausgaben für Mineralwasser um 2,99 EUR zu erhöhen), ist rein politischer Art, in verfassungsrechtlicher Hinsicht vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aber abgedeckt.
- Ebenso gehört die Entscheidung, die Ausgaben für die Nutzung von Kraftfahrzeugen nicht zu berücksichtigen, in den politischen, aber rechtlich nicht überprüfbaren Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der im Ausgleich dafür in nachvollziehbarer Weise durch eine Sonderauswertung den Anteil der Ausgaben für Fahrräder und den öffentlichen Personennahverkehr erhöht hat (BT-Drs. 17/3404 S. 59).
- Dass Stromkosten in den Regelbedarf eingerechnet und nicht in tatsächlicher Höhe als Kosten der Unterkunft erstattet werden, stellt ebenfalls eine politische Entscheidung des Gesetzgebers dar, die rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung zu einer der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten obergerichtlichen Entscheidungen liegt nicht vor. Insbesondere hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 10.06.2011 (Az. L 12 AS 1077/11) die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung ausführlich begründet.
Einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel hat der Kläger nicht geltend gemacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
IV.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin A. ist gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Anschluss an BayLSG, Beschlüsse vom 27.05.2011 Az. L 7 AS 342/11 B PKH und vom 05.07.2011 Az. L 16 AS 310/11 B PKH).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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