Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 423/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 5/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Anzeigefrist für den Beitritt zur freiwilligen Versicherung bei
Geschäftsunfähigen.
Geschäftsunfähigen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. November 2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die freiwillige Mitgliedschaft ab 15.06.1996 in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die am 1935 geborene Klägerin war bis 14.06.1996 bei der Beklagten wegen Bezugs von Arbeitslosenhilfe pflichtversichert. Sie wurde am 21.05.1997 zum ersten Mal in das Bezirkskrankenhaus (BKH) Haar wegen paranoider Psychose eingewiesen (polizeiliche Unterbringung). Zur damaligen Zeit war Rechtsanwältin B. zur Verfahrenspflegerin bestellt. Am 02.07.1997 wurde Rechtsanwältin M. zur Betreuerin bestellt; ihr Aufgabenkreis umfasst Aufenthaltsbestimmung, Zuführung zur ärztlichen Behandlung, Vermögenssorge und Behörden- und Rechtsangelegenheiten. Die Klägerin wurde am 06.08.1997 aus dem Bezirkskrankenhaus Haar entlassen. Sie bezieht ab 01.09.1997 Altersrente.
Die Betreuerin erkundigte sich mit dem Schreiben vom 29.10.1997 bei dem Arbeitsamt München nach dem Bezug von Arbeitslosengeld und erhielt dort am 29.10.1997 die Auskunft, dass die Klägerin seit 15.06.1996 keine Leistungen mehr erhalte und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erloschen sei. Die Betreuerin fragte auch bei der LVA Niederbayern/Oberpfalz sowie privaten Krankenversicherungsunternehmen im Februar und März 1998 wegen Leistungen bzw. Krankenversicherungsschutzes an. Im Dezember 1997 hatte sie die Beklagte an die Entscheidung über die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner erinnert. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.12.1997 diese Versicherung ab. Die Klägerin befand sich im Zeitraum vom 02.03.1998 bis 07.04.1998 ein weiteres Mal im BKH Haar.
Die Betreuerin beantragte mit Schreiben vom 09.03.1998 unter Bezugnahme auf vorangegangene Telefongespräche bei der Beklagten für die Klägerin die Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung und wiederholte den Antrag mit dem weiteren Schreiben vom 16.03.1998 bezüglich einer Versicherung als Schwerbehinderte. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.03.1998 eine freiwillige Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Anmeldefrist versäumt. Bezüglich der freiwilligen Versicherung als Schwerbehinderte habe die Klägerin die in der Satzung geregelte Altersgrenze (55. Lebensjahr) überschritten.
Die Betreuerin hat hiergegen am 13.08.1998 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben und hierbei geltend gemacht, die Klägerin sei wegen paranoider Psychose nicht geschäftsfähig gewesen. Die Krankenhauskosten in Höhe von etwa 50.000,00 DM seien von der Klägerin selbst gezahlt worden. Ein Bescheid über die Beendigung der Arbeitslosenhilfe und des Krankenversicherungsschutzes sei der Klägerin nicht zugegangen. Die Betreuerin hat mit Schreiben vom 07.10.1998 gegen den Bescheid vom 27.03.1998, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, Widerspruch eingelegt.
Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.1998 den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe die Anzeigefrist, die am 14.09.1996 geendet habe, versäumt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht ersichtlich. Der Einwand, es sei keine Information über die Beendigung der Pflichtversicherung bzw. die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung erfolgt, sei nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides herbeizuführen. Geschäftsunfähigkeit habe zur Zeit der Möglichkeit, die Mitgliedschaft freiwillig fortzusetzen, nicht bestanden. Der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung als Schwerbehinderte stehe die Überschreitung der Altersgrenze entgegen.
Die Betreuerin hat mit dem Schreiben vom 13.04.1999 ausgeführt, sie habe erst in der zehnten Woche des Jahres 1998 Kenntnis erhalten, dass die Klägerin im Jahr 1996 "zwangsabgemeldet" worden sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien gegeben.
Das SG hat ein Sachverständigengutachten der Assistenzärztin am BKH Haar B. vom 21.10.1999 eingeholt. Die Sachverständige kommt hier zum Ergebnis, dass bei der Klägerin bereits vor dem Jahr 1996 eine paranoide Schizophrenie vorgelegen habe. Deswegen sei die Erledigung formaler Angelegenheiten (wie z.B. das Ausfüllen von Schriftstücken für die Krankenkasse) unmöglich gewesen. Die Sachverständige hat in der ergänzenden Stellungnahme vom 05.07.2000 noch ausgeführt, dass bei der Klägerin seit Jahren ein seelisch-geistiger Defektzustand vorliege, in dem eine natürliche Willensbestimmbarkeit nicht gegeben gewesen sei. Die Erkrankung und Geschäftsunfähigkeit hätten seit Jahren gedauert und mit Sicherheit bereits im Jahr 1996 bestanden. Demgegenüber hat die Beklagte in den Schriftsätzen vom 09.12.1999 und 08.08.2000 Geschäftsunfähigkeit verneint.
Die Betreuerin hat in der mündlichen Verhandlung am 07.11.2000 vor dem SG ausgeführt, dass die Klägerin ihr mit großem Misstrauen begegnet sei und ihr wesentliche Informationen nicht zugänglich gemacht habe.
Das SG hat mit Urteil vom 07.11.2000 unter Aufhebung der Bescheide festgestellt, dass die Klägerin seit dem 15.06.1996 freiwilliges Mitglied der Beklagten sei. Es hat zur Begründung ausgeführt, aufgrund einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Beitritt am 09.03.1998 wirksam gewesen. Die Klägerin sei seit 1996 geschäftsunfähig gewesen. Bis zur Anordnung der Betreuung am 02.07.1997 sei eine Hemmung der Beitrittsfrist eingetreten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 12.01.2001, mit der sie geltend macht, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stehe entgegen, dass die Betreuerin die versäumte Rechtshandlung nicht rechtzeitig nachgeholt habe, eine Hemmung der Anzeigefrist komme nicht in Betracht. Nach der Bestellung zur Betreuerin hätte die Anzeige der freiwilligen Mitgliedschaft innerhalb von zwei Wochen gestellt werden müssen. Die Betreuerin hätte spätestens seit 06.11.1997 durch das Schreiben der Bundesanstalt für Arbeit vom 29.10.1997 Kenntnis davon gehabt, dass die Klägerin seit 15.06.1996 keine Leistungen mehr beziehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.11.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Betreuerin der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme es nicht nur auf den Wegfall des Hinderungsgrundes, sondern auch auf die Kenntnis der Säumnis an. Das Fortbestehen der Verhinderung sei nicht von der Klägerin bzw. von ihr verschuldet. Erst aufgrund umfangreicher Ermittlungen bei verschiedenen Stellen habe sie Kenntnis über die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung bei der Beklagten erlangt.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist statthaft, weil sie wiederkehrende Leistungen betrifft (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist begründet; das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin ist ab 15.06.1996 nicht freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden.
Gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 Sozialgesetzbuch V (SGB V in der Fassung des Art.1 Nr.2 des Gesetzes vom 21.12.1992 BGBl. I S.2266) können Personen der Versicherung beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren; Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 SGB V werden nicht berücksichtigt. Der Beitritt ist nach § 9 Abs.2 Nr.1 SGB V innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen.
Wie im früheren Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) erhalten ein Recht zur freiwilligen Weiterversicherung grundsätzlich nur solche Personen, bei denen die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung weggefallen sind oder die als Berufsanfänger wegen der Höhe ihres Arbeitsverdienstes von der Versicherungspflicht nicht erfasst werden. § 9 SGB V fasst die Vorgängerregelungen der §§ 176, 176b, 176c und 313 RVO über die freiwillige Versicherung in einer Vorschrift zusammen. Zum Schutz der Versichertengemeinschaft werden die zeitlichen Voraussetzungen zur freiwilligen Fortsetzung der Versicherung verschärft. Entsprechend dem Recht der RVO besteht der Zweck der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung darin, den der Versicherungsnotwendigkeit Nahestehenden die Versicherung nicht zu verschließen, und andererseits darin, den für die Versicherung Ungeeigneten den Weg zur Versicherung zu verschließen (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 9, Rz.2, 3, 7 mit weiteren Hinweisen auf den Regierungsentwurf zum SGB V, BT-Drucksache 11/2237).
In der Literatur wird bei Versäumnis der Anzeigefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs.1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet (Peters in Kasseler Kommentar, § 8 SGB V, Rdnr.33 ff.; § 9 SGB V, Rdnr. 47). Zwar kann ein Rechtsirrtum, der auf mangelnde Rechtskenntnis zurückzuführen ist, das Verstreichen der Frist in der Regel nicht entschuldigen. Eine die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließende verschuldete Rechtsunkenntnis ist aber dann nicht gegeben, wenn die Krankenkasse ihrer durch Verordnung oder Gesetz ausdrücklich vorgegebenen Informationspflicht nicht nachgekommen ist und der Beitrittberechtigte auch auf andere Weise keine Kenntnis über das freiwillige Beitrittsrecht hatte. Der Anwendungsbereich des § 27 SGB X ist jedoch zu eng, um die Fälle befriedigend zu lösen, bei denen eine längerdauernde geistige Behinderung die Anwendung des § 27 SGB X verhindert. Denn nach § 27 Abs.2 SGB X kann nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt - dies ist ein auch bei zumutbarer Sorgfalt unabwendbares Ereignis - unmöglich war. Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit aufgrund einer geistigen oder seelischen Gesundheitsstörung ist jedoch kein derartiges Ereignis. Wird allein auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgestellt, ist das Recht der Krankenkasse als freiwilliges Mitglied beizutreten in unangemessener Weise beeiträchtigt. Denn der Sinn und Zweck für die Anzeige der in der freiwilligen Versicherung gesetzten Ausschlussfrist besteht allein darin, die Krankenkassen davor zu schützen, dass ausgeschiedene Versicherungspflichtige - nach längerer Unterbrechung der Beitragsleistung - erst dann ihrer Kasse wieder beitreten, wenn sie sich krank fühlen. Der Berechtigte soll sich nicht den passenden Zeitpunkt für die Weiterversicherung nach seinem Gutdünken aussuchen können, zumal der Kasse im Fall der Weiterversicherung wirksame Abwehrmöglichkeiten versagt sind. Ein darüber hinausgehender Schutz der Krankenkassen oder der Allgemeinheit wird vom Zweckgedanken nicht gefordert. Im Rahmen des ständigen Mitgliederwechsels bei den Krankenkassen sichert die Weiterversicherung vielmehr nur den Fortbestand eines Versicherungsverhältnisses, das im allgemeinen keine besondere Belastung der Kasse mit sich bringt. Daher geht das schutzwürdige Interesse der Krankenkasse an der Einhaltung der für die Anzeige der Weiterversicherung gesetzten Frist in erster Linie dahin, dass mit der Ausübung des Weiterversicherungsrechts nicht zu Lasten der Kasse manipuliert werden kann (BSG vom 19.06.1963 BSGE 19, 173 f.).
Die herrschende Meinung lässt bei geschäftsunfähigen Beitrittsberechtigten ohne gesetzlichen Vertreter den Beginn der Anzeigefrist erst dann eintreten, wenn der Versicherte geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört (BSG vom 19.06.1993, a.a.O.; BSG vom 27.01.1972 BSGE 34, 22 f.; Peters, a.a.O., Rn.77; Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 9, Rn.47). Sie wendet in diesem Fall § 206 Abs.1 BGB (Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen) entsprechend an. Ist danach eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die gegen sie laufende Verjährung nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt vollendet, in welchem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Bei einer kürzeren Frist tritt diese an die Stelle von sechs Monaten (§ 206 Abs.1 Satz 2 BGB). Die Hemmung hat zur Folge, dass die Verjährung ruht, solange der Hemmungsgrund vorliegt. Im Übrigen schließt die Hemmung nicht aus, dass danach Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorhanden sein können und es somit zu einer weiteren Streckung des Zeitraums kommt, innerhalb dessen der Beitritt angezeigt werden kann (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O.; Dilcher in Staudinger, BGB, § 206, Rz.2, 9 f. m.w.N.).
Die Anwendung dieser Grundsätze bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft am 14.06.1996 (§ 190 Abs.12 SGB V) die Frist nach §§ 9 Abs.2 Nr.1 SGB V solange gehemmt war, als die Klägerin geschäftsunfähig war und nicht unter Betreuung gestanden hatte. Die Geschäftsunfähigkeit der Klägerin ist nicht nur durch das der Beklagten bereits im Verwaltungsverfahren zugeleitete Gutachten des BKH Haar vom 24.06.1997 belegt - dort ist davon die Rede, dass die Klägerin aufgrund der psychischen Erkrankung Hilfe für die Regelung von Behördenangelegenheiten braucht -, sondern auch aufgrund des vom SG eingeholten Sachverständigengutachtens und der ergänzenden Stellungnahme. Die Sachverständige hat hier überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin wegen der paranoiden Schizophrenie formale Angelegenheiten (wie z.B. das Ausfüllen von Schriftstücken für die Krankenkasse) nicht erledigen konnte. Die Geschäftsunfähigkeit hat mit Sicherheit bereits im Jahre 1996 bestanden.
Die Anwendung des § 206 Abs.1 BGB hat zur Folge, dass die Anzeigefrist ruht, solange der Hemmungsgrund, das heißt hier die Geschäftsunfähigkeit vorliegt. Daraus folgt, dass die Dreimonatsfrist erst mit dem Tag nach der Bestellung der Betreuerin, also am 03.07.1997 begonnen hat (§ 26 Abs.1 SGB X i.V.m. §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2 2.Halbsatz BGB). Sie war somit erst am 02.10.1997 abgelaufen. Der Klägerin ist jedoch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs.1 SGB X zu gewähren (vgl. BSG vom 14.09.2002 B 12 KR 14/01 R, Presse-Mitteilung Nr.23/02). War danach jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Frist muss ohne Verschulden versäumt worden sein. Das ist der Fall, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zuzumuten ist. Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt muss die Versäumung der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein. Fehlendes Verschulden wird angenommen, wenn ein Beteiligter so schwer erkrankt ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen anderen beauftragen kann (von Wulffen, SGB X, 4.Aufl., § 27, Rn.5, 6). Umgekehrt wird bei Krankheit Verschulden angenommen, wenn der Beteiligte dennoch selbst das Nötige veranlassen, insbesondere einen anderen mit der Vornahme der Handlung beauftragen konnte. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenden zuzurechnen. Wie bereits ausgeführt worden ist, war die Klägerin aufgrund der paranoiden Psychose nicht in der Lage, für ihre Weiterversicherung zu sorgen und somit den erforderlichen Krankenversicherungsschutz zu erreichen. Auch wenn die Betreuerin entsprechend den Umständen des Einzelfalles wegen mangelnder Kooperation Klägerin zeitraubende Ermittlungen bezüglich der der Klägerin zustehenden Rechte und von ihr zu erfüllenden Verpflichtungen durchführen musste, hätte es nahe gelegen, vorrangig den Krankenversicherungsschutz der Klägerin prüfen zu lassen, zumal sich die Klägerin für längere Zeit im Jahr 1997 im BKH Haar befunden hat. Die Unkenntnis der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit ist kein unverschuldetes Hindernis für die gebotene Fristwahrung. Da die Beklagte, an die die Betreuerin später herangetreten ist, eine große Zahl von Mitgliedern hat, hätte sich eine Anfrage bei dieser Kasse und nicht bei privaten Krankenversicherungsträgern aufgedrängt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die freiwillige Mitgliedschaft ab 15.06.1996 in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die am 1935 geborene Klägerin war bis 14.06.1996 bei der Beklagten wegen Bezugs von Arbeitslosenhilfe pflichtversichert. Sie wurde am 21.05.1997 zum ersten Mal in das Bezirkskrankenhaus (BKH) Haar wegen paranoider Psychose eingewiesen (polizeiliche Unterbringung). Zur damaligen Zeit war Rechtsanwältin B. zur Verfahrenspflegerin bestellt. Am 02.07.1997 wurde Rechtsanwältin M. zur Betreuerin bestellt; ihr Aufgabenkreis umfasst Aufenthaltsbestimmung, Zuführung zur ärztlichen Behandlung, Vermögenssorge und Behörden- und Rechtsangelegenheiten. Die Klägerin wurde am 06.08.1997 aus dem Bezirkskrankenhaus Haar entlassen. Sie bezieht ab 01.09.1997 Altersrente.
Die Betreuerin erkundigte sich mit dem Schreiben vom 29.10.1997 bei dem Arbeitsamt München nach dem Bezug von Arbeitslosengeld und erhielt dort am 29.10.1997 die Auskunft, dass die Klägerin seit 15.06.1996 keine Leistungen mehr erhalte und der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe erloschen sei. Die Betreuerin fragte auch bei der LVA Niederbayern/Oberpfalz sowie privaten Krankenversicherungsunternehmen im Februar und März 1998 wegen Leistungen bzw. Krankenversicherungsschutzes an. Im Dezember 1997 hatte sie die Beklagte an die Entscheidung über die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner erinnert. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.12.1997 diese Versicherung ab. Die Klägerin befand sich im Zeitraum vom 02.03.1998 bis 07.04.1998 ein weiteres Mal im BKH Haar.
Die Betreuerin beantragte mit Schreiben vom 09.03.1998 unter Bezugnahme auf vorangegangene Telefongespräche bei der Beklagten für die Klägerin die Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung und wiederholte den Antrag mit dem weiteren Schreiben vom 16.03.1998 bezüglich einer Versicherung als Schwerbehinderte. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.03.1998 eine freiwillige Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Anmeldefrist versäumt. Bezüglich der freiwilligen Versicherung als Schwerbehinderte habe die Klägerin die in der Satzung geregelte Altersgrenze (55. Lebensjahr) überschritten.
Die Betreuerin hat hiergegen am 13.08.1998 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben und hierbei geltend gemacht, die Klägerin sei wegen paranoider Psychose nicht geschäftsfähig gewesen. Die Krankenhauskosten in Höhe von etwa 50.000,00 DM seien von der Klägerin selbst gezahlt worden. Ein Bescheid über die Beendigung der Arbeitslosenhilfe und des Krankenversicherungsschutzes sei der Klägerin nicht zugegangen. Die Betreuerin hat mit Schreiben vom 07.10.1998 gegen den Bescheid vom 27.03.1998, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, Widerspruch eingelegt.
Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.1998 den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe die Anzeigefrist, die am 14.09.1996 geendet habe, versäumt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht ersichtlich. Der Einwand, es sei keine Information über die Beendigung der Pflichtversicherung bzw. die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung erfolgt, sei nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides herbeizuführen. Geschäftsunfähigkeit habe zur Zeit der Möglichkeit, die Mitgliedschaft freiwillig fortzusetzen, nicht bestanden. Der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung als Schwerbehinderte stehe die Überschreitung der Altersgrenze entgegen.
Die Betreuerin hat mit dem Schreiben vom 13.04.1999 ausgeführt, sie habe erst in der zehnten Woche des Jahres 1998 Kenntnis erhalten, dass die Klägerin im Jahr 1996 "zwangsabgemeldet" worden sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien gegeben.
Das SG hat ein Sachverständigengutachten der Assistenzärztin am BKH Haar B. vom 21.10.1999 eingeholt. Die Sachverständige kommt hier zum Ergebnis, dass bei der Klägerin bereits vor dem Jahr 1996 eine paranoide Schizophrenie vorgelegen habe. Deswegen sei die Erledigung formaler Angelegenheiten (wie z.B. das Ausfüllen von Schriftstücken für die Krankenkasse) unmöglich gewesen. Die Sachverständige hat in der ergänzenden Stellungnahme vom 05.07.2000 noch ausgeführt, dass bei der Klägerin seit Jahren ein seelisch-geistiger Defektzustand vorliege, in dem eine natürliche Willensbestimmbarkeit nicht gegeben gewesen sei. Die Erkrankung und Geschäftsunfähigkeit hätten seit Jahren gedauert und mit Sicherheit bereits im Jahr 1996 bestanden. Demgegenüber hat die Beklagte in den Schriftsätzen vom 09.12.1999 und 08.08.2000 Geschäftsunfähigkeit verneint.
Die Betreuerin hat in der mündlichen Verhandlung am 07.11.2000 vor dem SG ausgeführt, dass die Klägerin ihr mit großem Misstrauen begegnet sei und ihr wesentliche Informationen nicht zugänglich gemacht habe.
Das SG hat mit Urteil vom 07.11.2000 unter Aufhebung der Bescheide festgestellt, dass die Klägerin seit dem 15.06.1996 freiwilliges Mitglied der Beklagten sei. Es hat zur Begründung ausgeführt, aufgrund einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei der Beitritt am 09.03.1998 wirksam gewesen. Die Klägerin sei seit 1996 geschäftsunfähig gewesen. Bis zur Anordnung der Betreuung am 02.07.1997 sei eine Hemmung der Beitrittsfrist eingetreten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 12.01.2001, mit der sie geltend macht, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stehe entgegen, dass die Betreuerin die versäumte Rechtshandlung nicht rechtzeitig nachgeholt habe, eine Hemmung der Anzeigefrist komme nicht in Betracht. Nach der Bestellung zur Betreuerin hätte die Anzeige der freiwilligen Mitgliedschaft innerhalb von zwei Wochen gestellt werden müssen. Die Betreuerin hätte spätestens seit 06.11.1997 durch das Schreiben der Bundesanstalt für Arbeit vom 29.10.1997 Kenntnis davon gehabt, dass die Klägerin seit 15.06.1996 keine Leistungen mehr beziehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.11.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Betreuerin der Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme es nicht nur auf den Wegfall des Hinderungsgrundes, sondern auch auf die Kenntnis der Säumnis an. Das Fortbestehen der Verhinderung sei nicht von der Klägerin bzw. von ihr verschuldet. Erst aufgrund umfangreicher Ermittlungen bei verschiedenen Stellen habe sie Kenntnis über die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung bei der Beklagten erlangt.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist statthaft, weil sie wiederkehrende Leistungen betrifft (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist begründet; das Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin ist ab 15.06.1996 nicht freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden.
Gemäß § 9 Abs.1 Nr.1 Sozialgesetzbuch V (SGB V in der Fassung des Art.1 Nr.2 des Gesetzes vom 21.12.1992 BGBl. I S.2266) können Personen der Versicherung beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren; Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 SGB V werden nicht berücksichtigt. Der Beitritt ist nach § 9 Abs.2 Nr.1 SGB V innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen.
Wie im früheren Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) erhalten ein Recht zur freiwilligen Weiterversicherung grundsätzlich nur solche Personen, bei denen die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung weggefallen sind oder die als Berufsanfänger wegen der Höhe ihres Arbeitsverdienstes von der Versicherungspflicht nicht erfasst werden. § 9 SGB V fasst die Vorgängerregelungen der §§ 176, 176b, 176c und 313 RVO über die freiwillige Versicherung in einer Vorschrift zusammen. Zum Schutz der Versichertengemeinschaft werden die zeitlichen Voraussetzungen zur freiwilligen Fortsetzung der Versicherung verschärft. Entsprechend dem Recht der RVO besteht der Zweck der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung darin, den der Versicherungsnotwendigkeit Nahestehenden die Versicherung nicht zu verschließen, und andererseits darin, den für die Versicherung Ungeeigneten den Weg zur Versicherung zu verschließen (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 9, Rz.2, 3, 7 mit weiteren Hinweisen auf den Regierungsentwurf zum SGB V, BT-Drucksache 11/2237).
In der Literatur wird bei Versäumnis der Anzeigefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs.1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet (Peters in Kasseler Kommentar, § 8 SGB V, Rdnr.33 ff.; § 9 SGB V, Rdnr. 47). Zwar kann ein Rechtsirrtum, der auf mangelnde Rechtskenntnis zurückzuführen ist, das Verstreichen der Frist in der Regel nicht entschuldigen. Eine die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließende verschuldete Rechtsunkenntnis ist aber dann nicht gegeben, wenn die Krankenkasse ihrer durch Verordnung oder Gesetz ausdrücklich vorgegebenen Informationspflicht nicht nachgekommen ist und der Beitrittberechtigte auch auf andere Weise keine Kenntnis über das freiwillige Beitrittsrecht hatte. Der Anwendungsbereich des § 27 SGB X ist jedoch zu eng, um die Fälle befriedigend zu lösen, bei denen eine längerdauernde geistige Behinderung die Anwendung des § 27 SGB X verhindert. Denn nach § 27 Abs.2 SGB X kann nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt - dies ist ein auch bei zumutbarer Sorgfalt unabwendbares Ereignis - unmöglich war. Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit aufgrund einer geistigen oder seelischen Gesundheitsstörung ist jedoch kein derartiges Ereignis. Wird allein auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgestellt, ist das Recht der Krankenkasse als freiwilliges Mitglied beizutreten in unangemessener Weise beeiträchtigt. Denn der Sinn und Zweck für die Anzeige der in der freiwilligen Versicherung gesetzten Ausschlussfrist besteht allein darin, die Krankenkassen davor zu schützen, dass ausgeschiedene Versicherungspflichtige - nach längerer Unterbrechung der Beitragsleistung - erst dann ihrer Kasse wieder beitreten, wenn sie sich krank fühlen. Der Berechtigte soll sich nicht den passenden Zeitpunkt für die Weiterversicherung nach seinem Gutdünken aussuchen können, zumal der Kasse im Fall der Weiterversicherung wirksame Abwehrmöglichkeiten versagt sind. Ein darüber hinausgehender Schutz der Krankenkassen oder der Allgemeinheit wird vom Zweckgedanken nicht gefordert. Im Rahmen des ständigen Mitgliederwechsels bei den Krankenkassen sichert die Weiterversicherung vielmehr nur den Fortbestand eines Versicherungsverhältnisses, das im allgemeinen keine besondere Belastung der Kasse mit sich bringt. Daher geht das schutzwürdige Interesse der Krankenkasse an der Einhaltung der für die Anzeige der Weiterversicherung gesetzten Frist in erster Linie dahin, dass mit der Ausübung des Weiterversicherungsrechts nicht zu Lasten der Kasse manipuliert werden kann (BSG vom 19.06.1963 BSGE 19, 173 f.).
Die herrschende Meinung lässt bei geschäftsunfähigen Beitrittsberechtigten ohne gesetzlichen Vertreter den Beginn der Anzeigefrist erst dann eintreten, wenn der Versicherte geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört (BSG vom 19.06.1993, a.a.O.; BSG vom 27.01.1972 BSGE 34, 22 f.; Peters, a.a.O., Rn.77; Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 9, Rn.47). Sie wendet in diesem Fall § 206 Abs.1 BGB (Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen) entsprechend an. Ist danach eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so wird die gegen sie laufende Verjährung nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt vollendet, in welchem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Bei einer kürzeren Frist tritt diese an die Stelle von sechs Monaten (§ 206 Abs.1 Satz 2 BGB). Die Hemmung hat zur Folge, dass die Verjährung ruht, solange der Hemmungsgrund vorliegt. Im Übrigen schließt die Hemmung nicht aus, dass danach Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorhanden sein können und es somit zu einer weiteren Streckung des Zeitraums kommt, innerhalb dessen der Beitritt angezeigt werden kann (vgl. Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O.; Dilcher in Staudinger, BGB, § 206, Rz.2, 9 f. m.w.N.).
Die Anwendung dieser Grundsätze bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft am 14.06.1996 (§ 190 Abs.12 SGB V) die Frist nach §§ 9 Abs.2 Nr.1 SGB V solange gehemmt war, als die Klägerin geschäftsunfähig war und nicht unter Betreuung gestanden hatte. Die Geschäftsunfähigkeit der Klägerin ist nicht nur durch das der Beklagten bereits im Verwaltungsverfahren zugeleitete Gutachten des BKH Haar vom 24.06.1997 belegt - dort ist davon die Rede, dass die Klägerin aufgrund der psychischen Erkrankung Hilfe für die Regelung von Behördenangelegenheiten braucht -, sondern auch aufgrund des vom SG eingeholten Sachverständigengutachtens und der ergänzenden Stellungnahme. Die Sachverständige hat hier überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin wegen der paranoiden Schizophrenie formale Angelegenheiten (wie z.B. das Ausfüllen von Schriftstücken für die Krankenkasse) nicht erledigen konnte. Die Geschäftsunfähigkeit hat mit Sicherheit bereits im Jahre 1996 bestanden.
Die Anwendung des § 206 Abs.1 BGB hat zur Folge, dass die Anzeigefrist ruht, solange der Hemmungsgrund, das heißt hier die Geschäftsunfähigkeit vorliegt. Daraus folgt, dass die Dreimonatsfrist erst mit dem Tag nach der Bestellung der Betreuerin, also am 03.07.1997 begonnen hat (§ 26 Abs.1 SGB X i.V.m. §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2 2.Halbsatz BGB). Sie war somit erst am 02.10.1997 abgelaufen. Der Klägerin ist jedoch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs.1 SGB X zu gewähren (vgl. BSG vom 14.09.2002 B 12 KR 14/01 R, Presse-Mitteilung Nr.23/02). War danach jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Frist muss ohne Verschulden versäumt worden sein. Das ist der Fall, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zuzumuten ist. Auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt muss die Versäumung der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen sein. Fehlendes Verschulden wird angenommen, wenn ein Beteiligter so schwer erkrankt ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen anderen beauftragen kann (von Wulffen, SGB X, 4.Aufl., § 27, Rn.5, 6). Umgekehrt wird bei Krankheit Verschulden angenommen, wenn der Beteiligte dennoch selbst das Nötige veranlassen, insbesondere einen anderen mit der Vornahme der Handlung beauftragen konnte. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenden zuzurechnen. Wie bereits ausgeführt worden ist, war die Klägerin aufgrund der paranoiden Psychose nicht in der Lage, für ihre Weiterversicherung zu sorgen und somit den erforderlichen Krankenversicherungsschutz zu erreichen. Auch wenn die Betreuerin entsprechend den Umständen des Einzelfalles wegen mangelnder Kooperation Klägerin zeitraubende Ermittlungen bezüglich der der Klägerin zustehenden Rechte und von ihr zu erfüllenden Verpflichtungen durchführen musste, hätte es nahe gelegen, vorrangig den Krankenversicherungsschutz der Klägerin prüfen zu lassen, zumal sich die Klägerin für längere Zeit im Jahr 1997 im BKH Haar befunden hat. Die Unkenntnis der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit ist kein unverschuldetes Hindernis für die gebotene Fristwahrung. Da die Beklagte, an die die Betreuerin später herangetreten ist, eine große Zahl von Mitgliedern hat, hätte sich eine Anfrage bei dieser Kasse und nicht bei privaten Krankenversicherungsträgern aufgedrängt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
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