L 13 R 5553/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 1555/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5553/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aufgrund ihres Rentenantrags vom 27. Juni 2007 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung hat.

Die 1950 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie kam im Oktober 1977 aus der Türkei nach Deutschland. Eine Schule oder eine Berufsausbildung hat sie weder in Deutschland noch in der Türkei absolviert. Mit Ausnahme ihres Namens kann die Klägerin weder deutsch noch türkisch lesen oder schreiben. Zuletzt war sie bis Dezember 2003 als Putzfrau versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2004 ist sie arbeitslos und bezieht zur Zeit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Sie hat fünf Kinder und lebt von ihrem Ehemann getrennt. Der Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt.

Am 27. Juni 2007 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Zu ihrem Antrag gab sie an, wegen seelischer Störungen, Depressionen, eines chronischen Schmerzsyndroms, muskulärer Verspannungen, degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule und einer Fußfehlstellung sich seit Antragstellung für erwerbsgemindert zu halten.

Die Beklagte gewährte stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen in der Fe.-Klinik Bad Bu. in der Zeit vom 1. Augst 2007 bis zum 22. August 2007. Aus dem Entlassbericht vom 29. August 2007 ist zu entnehmen, die Klägerin leide an einer Somatisierungsstörung und einer Dysthymia. Damit könne sie unter Beachtung qualitativer Einschränkungen hinsichtlich der Arbeitshaltung und des Bewegungsapparates noch leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich, Tätigkeiten im Beruf könne sie jedoch nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. September 2007 die Gewährung der begehrten Rente ab; die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, nach den Ausführungen im Entlassungsbericht bestehe zumindest ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit. Daraufhin beauftragte die Beklagte Dr. Kr. mit der Erstellung eines nervenärtzlichen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 26. Februar 2008 teilte dieser eine endoreaktive Dysthymie, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung mit. Als Reinigungskraft könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Leichte Arbeiten seien sechs Stunden und mehr täglich möglich, soweit keine Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erforderlich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2008 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück. Am 30. April 2008 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben.

Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts der Auskünfte wird auf Blatt 17 bis 30 der SG Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. Eg. hat dem SG mit Schreiben vom 7. Juli 2008 mitgeteilt, die Arbeit als Reinigungskraft sei als mittelschwer einzustufen; die Klägerin sei jedoch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollständig zu verrichten. Der Arzt für Allgemeinmedizin Pe. hat dem SG unter dem Datum des 14. Juli 2008 mitgeteilt, die Klägerin sei für leichte Tätigkeiten unterschichtig für höchstens vier Stunden leistungsfähig. Des Weiteren hat das SG Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten von Amts wegen bei Dr. Al. sowie nach § 109 SGG beim Psychiater Be ... Dr. Al. hat in ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 14. November 2008 eine leichte chronische depressive Störung im Sinne einer Dysthymie sowie eine somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Leichte bis mittelschwere Arbeiten seien unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr möglich. Der Psychiater Be. hat in seinem psychiatrischen Gutachten vom 25. Februar 2010 eine chronische mitteigradige depressive Störung und eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Leichte Arbeiten mit weiteren Einschränkungen seien der Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich möglich. Das SG hat mit Urteil vom 16. September 2010 die Klage abgewiesen. Die Kammer habe sich nicht davon überzeugen können, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit den von Dr. Al. und Dr. Kr. beschriebenen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die bei der Klägerin zu beachtenden qualitativen Einschränkungen seien nicht so schwerwiegend, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Soweit außerdem Arbeiten ausgeschlossen seien, die eine Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erforderten, liege auch hierin keine wesentliche qualitative Einschränkung, da im Bereich der der Klägerin grundsätzlich zumutbaren leichten körperlichen Tätigkeiten, für die auch keine Berufsausbildung notwendig sei, eine solche Steuerung regelmäßig nicht erforderlich sei. Es bestehe daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI. Die Klägerin habe aber auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn sie sei in die Gruppe der ungelernten Arbeiter einzustufen, die grundsätzlich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne. Solche Tätigkeiten könne die Klägerin aber noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 25. November 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. Oktober 2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Sie leide an erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen, insbesondere aus den Bereichen Orthopädie und Psychiatrie. Auch bestehe ein chronifiziertes fibromyalgisches Schmerzsyndrom und eine schwere Depression. Hinzu komme eine generalisierte Angststörung. Infolge dieser gesundheitlichen Einschränkungen sei sie außer Stande unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nicht außer Betracht zu lassen sei auch, dass im Rahmen der arbeitsmedizinischen Stellungnahme des Dr. Wi. bereits am 25. März 2008 festgestellt worden sei, sie könne täglich weniger als drei Stunden arbeiten. Es werde im Rahmen dieser Diagnose darauf verwiesen, dass es sich um ein therapeutisch schwer beeinflussbares chronisches Schmerzsyndrom mit verstärkend wirkender depressiver Störung handele, welche ihre Leistungsfähigkeit stark mindere. Trotz entsprechender psychotherapeutischer Behandlungsmaßnahmen sei eine Besserung nicht zu verzeichnen. Auch die medizinische Rehabilitationsmaßnahme aus dem Jahre 2007 habe keine Besserung gebracht. Darüber hinaus sei von Bedeutung, dass sie zu keinem Zeitpunkt eine Schule besucht habe und außer ihrem Namen nichts schreiben könne.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. September 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2008 Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juni 2007 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Die mangelnde Fähigkeit der Klägerin, lesen und schreiben zu können, stellten keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen dar und sei damit nicht durch den deutschen Rentengesetzgeber als versichertes Risiko abgedeckt worden. Im übrigen sei die Klägerin durchaus noch in der Lage, Tätigkeiten, wie z.B. Sortieren, Verpacken, Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Zusammensetzungen von Teilen usw. auszuüben. Aufgrund der Tätigkeit der Klägerin als Reinigungskraft sei bewiesen, dass sie durchaus Arbeiten ausführen könne, die keine Schreib- und Lesefähigkeit voraussetzten. Hilfsweise werde die Klägerin auf Tätigkeiten als Museumsaufseherin, Sortiererin bzw. Verpackerin verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie Prof. Dr. Ber. und eines nervenärztlichen Gutachtens beim Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Facharzt für Psychotherapeutischer Medizin, Psychoanalyse Ma ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 33 bis 43 und 51 bis 90 der Senatsakten Bezug genommen. Prof. Dr. Ber. hat in seinem Gutachten vom 13. April 2011 eine muskuläre Haltungsleistungsschwäche der Rumpfmuskulatur bei Rundrücken, einen Zustand nach Zehenoperationen 1-3 rechts sowie eine somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Allein aus orthopädischer Sicht sei der Klägerin unter Berücksichtigung von qualitativen Funktionseinschränkungen eine Arbeitsleistung von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zumutbar. Der Gutachter Ma. hat in seinem Gutachten vom 14. Juni 2011 ausgeführt, bei der Klägerin liege eine Dysthymia sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei cervicaler Spinalkanalstenose ohne Myelopathie und ohne neurologischen Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation vor. Unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen könne die Klägerin weiterhin ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.

Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben und der Senat eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, konnte der Rechtsstreit ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) entscheiden werden.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 SGG) der Klägerin ist der die Gewährung einer Rente wegen voller und wegen teilweiser Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2008. Dieser Bescheid erweist sich - auch nach Prüfung durch den Senat - nicht als rechtswidrig, die Klägerin wird in ihren Rechten nicht verletzt. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 SGB VI. Voraussetzung einer solchen Rente ist u.a., dass der jeweilige Versicherte voll erwerbsgemindert (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) bzw. teilweise erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) ist. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Senat ist auf Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert ist. Sie ist noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (insbesondere Tätigkeiten als Sortiererin bzw. Verpackerin), - wenn auch mit qualitativen Leistungseinschränkungen (dazu siehe unten) - mindestens sechs Stunden arbeitstäglich (also an fünf Tagen pro Woche) erwerbstätig auszuüben. Vom Vorliegen einer quantitativen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit konnte sich der Senat nicht überzeugen. Für das Vorliegen von Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI ist nicht maßgeblich, welche Diagnosen zu stellen sind, von Bedeutung ist insoweit alleine die Frage, ob der/ die Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich in dem von § 43 SGB VI geforderten Umfang erwerbstätig zu sein.

Vorliegend wird die Leistungsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch die auf orthopädischem Fachgebiet und auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen beeinträchtigt. Jedoch führen die Erkrankungen im beiden Bereichen - weder einzeln noch in ihrer Zusammenschau, noch unter Berücksichtigung der weiteren Erkrankungen der Klägerin - nicht dazu, dass die Klägerin nicht mehr mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort üblichen Bedingungen verrichten könnte. Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Ber. und von Herrn Ma. an.

Auf orthopädischem Fachgebiet hat Prof. Dr. Ber. ausgeführt, es liege eine muskuläre Haltungsleistungsschwäche der Rumpfmuskulatur bei Rundrücken, ein Zustand nach Zehenoperationen 1-3 rechts sowie eine somatoforme Schmerzstörung vor. Röntgenologisch hätten sich mäßige Abnutzung der Bandscheiben an der unteren Halswirbelsäule, im Übrigen altersgrenznormale Befunde in den dargestellten Skelettanschnitten nachweisen lassen. Mit Rücksicht auf die Haltungsleistungsschwäche des Rumpfes, im Besonderen des Rückens mit Fehlhaltung (Hohlrundrücken) seien für die zierliche Klägerin nur leichte körperliche Tätigkeiten in Tagesschicht im Wechselrhythmus zwischen Stehen, Gehen, und Sitzen und ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg zumutbar. Zu meiden seien Kälte, Nässe und Zugluft, sowie Arbeiten auf Leitern und verbunden mit häufigem Treppensteigen. Unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen sei die Klägerin noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Diese Leistungseinschätzung lässt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus den von Prof. Dr. Ber. erhobenen Umständen ableiten, weshalb sich der Senat dieser Einschätzung anschließt.

In seinem nervenärztlichen Gutachten hat Herr Ma. einen unauffälligen körperlichen Untersuchungsbefund erhoben. Die Klägerin habe bei der Untersuchung eher körperlich jünger gewirkt als ihrem biologischen Alter entsprechend. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit sei nicht erkennbar eingeschränkt gewesen. Es sei eine Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der Schulter-Nackenmuskulatur beidseits angegeben worden, außerdem eine Druckschmerzhaftigkeit im Bereich des unteren Drittels beider Unterarme. Ansonsten habe sich auch an den fibromyalgietypischen Tender Points kein Druckschmerz gefunden. Hinweise auf eine Nervenwurzelkompression oder auf eine cervikale Myelopathie hätten nicht bestanden. Der Gutachter hat ausgeführt, es sei insgesamt nachvollziehbar, dass bei den bekannten degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule mit relativer Spinalkanalstenose auch orthopädisch bedingte Schmerzen zumindest zeitweise vorhanden seien; Hinweise auf neurologische Folgeschäden bestünden aber nicht. Die Schmerzen in der Schulter-Nackenregion stünden insgesamt bei den körperlichen Beschwerden der Klägerin im Vordergrund und hätten zumindest partiell eine organische Grundlage. Eine regelmäßige schmerzdistanzierende Behandlung finde jedoch nicht statt. Es werde lediglich bedarfsweise ein starkes Schmerzmittel eingenommen. Im TOMM-Test habe sich eine sehr eindeutige Simulation so mit Sicherheit nicht vorhandener kognitiver Defizite gezeigt, was die Einordnung angegebener psychischer Beschwerden erheblich erschwere. Die Klägerin habe von Ängsten mit einem Zittern berichtet, die ohne Grund kämen, aber beim Busfahren oder in Menschenansammlungen aufträten. Dennoch fahre sie weiterhin auch alleine mit dem Bus zum Arzt, zum Einkaufen in die Stadt, zum Besuch ihrer Kinder. Die Klägerin fliege auch weiterhin regelmäßig alleine in die Türkei in den Urlaub. Vom Ankunftsflughafen aus bis in die Heimatstadt habe sie dann noch eine 180 km Busreise vor sich, die sie offensichtlich problemlos absolvieren könne. Sicherlich habe die Klägerin nach ihrer Darstellung Traumatisierungen durchgemacht (relativ früher Verlust der Eltern, erhebliche Traumatisierungen in der Ehe). Eindeutige Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung bestünden allerdings nicht. Die Klägerin führe zwar ihre Ängste auf die Misshandlung in der Ehe zurück, es würden allerdings keine Flash-back-Symptome und keine entsprechenden Alpträume etc. angegeben. Auch soweit die Klägerin angegeben habe, zwischen 2002 und 2004 täglich bewusstlos geworden zu sein, verwundere, dass dies an keiner Stelle bisher aufgetaucht sei und eine Behandlung wohl nicht erfolgt sei; es hätten sich auch im EEG keine Hinweise auf eine Epilepsie gefunden. Insgesamt bestünden überwiegend auch Zweifel an der Darstellung der Klägerin, dass es sich um psychogen verursachte Ohnmachten gehandelt habe. Eine schwere depressive Herabgestimmtheit habe sich zum Untersuchungszeitpunkt nicht feststellen lassen. Dass überhaupt eine anhaltend über längere Zeit bestehende depressive Störung vorliege, lasse sich alleine aus dem Ergebnis der Untersuchung bei doch massiver auch vorhandener Simulation nicht mit Sicherheit belegen, sei aber unter Mitberücksichtigung der Aktenlage doch zumindest wahrscheinlich. Das Vorliegen einer schweren depressiven Störung oder einer durchgängig mittelschweren depressiven Symptomatik lasse sich allerdings weder aus der Anamnese, noch aus dem Befund oder der Aktenlage mit Sicherheit ableiten. Es bestehe zudem eine erhebliche therapeutische Reserve. Herr Ma. beschreibt die Erkrankungen der Klägerin auf nervenärztlichem Fachgebiet als eine Dysthymia und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei cervicaler Spinalkanalstenose ohne Myelopathie und ohne neurologischen Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation. Der Gutachter hat ausgeführt, die Klägerin könne allermindestens körperlich leichte und mindestens halbschichtig auch mittelschwere Tätigkeiten ohne Gefährdung ihrer Gesundheit weiterhin verrichten. Ständige Überkopfarbeiten seien bei den degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und der dort angesiedelten Schmerzsymptomatik zu meiden. Allein aus nervenärztlicher Sicht jedenfalls bestünden keine gesundheitlichen Bedenken dagegen, die Klägerin Lasten bis 10 kg im Rahmen ihrer Arbeitstätigkeit heben und tragen zu lassen. Bei eingeschränkter psychischer Belastbarkeit im Rahmen der vorhandenen psychischen Störungen könnten der Klägerin keine Nachtschichtarbeit mehr zugemutet werden und auch keine Tätigkeit mit sehr hohen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, wie beispielsweise Tätigkeiten mit sehr hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder sehr hoher Verantwortung. Insgesamt könne die Klägerin ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben.

Von der Richtigkeit dieser Einschätzungen ist der Senat überzeugt. Denn aus dem Gutachten von Herrn Ma. ergibt sich, dass die Klägerin den eigenen Haushalt führt, Kontakt zur Familie und Bekannten hat und auch selbständige Urlaubsreisen in die Türkei unternimmt. Aus dem von Herrn Ma. erhobenen Tagesablauf lassen sich keine Einschränkungen für leichte Tätigkeiten ableiten. Insbesondere lassen sich aus den Schilderungen keine Anhaltpunkte für einen sozialen und emotionalen Rückzug der Klägerin oder sonstige Einschränkungen des täglichen Lebens durch die angegebenen Schmerzen oder psychischen Probleme erkennen. Denn der dortige Tagesablauf stellt sich als recht normaler Alltag dar. Zwar beschreibt die Klägerin in ihrem Tagesablauf, ihr Sohn, der bei ihr wohnt, bügle die Wäsche, weitergehende krankheits- bzw. behinderungsbedingte Einschränkungen lassen sich aber nicht feststellen. Insoweit konnte sich der Senat den schlüssigen Ausführungen der Gutachter Prof. Dr. Ber. und von Herrn Ma. anschlies-sen.

Nicht überzeugen konnte dagegen die Leistungseinschätzung des Psychiaters und Psychotherapeut Be ... Denn die von ihm erhobenen Befunde spiegeln sich in seiner Leistungseinschätzung nicht wider; aus den wenigen von ihm erhobenen Befunden lässt sich nicht schlüssig auf ein auf unter sechs Stunden täglich eingeschränktes Leistungsvermögens schließen. Aus denselben Gründen konnte auch die Einschätzung von Dr. Pe. nicht überzeugen.

Der Senat konnte sich auch nicht den Ausführungen von Dr. Wi. anschließen, die für die Agentur für Arbeit Aalen am 25. März 2008 ein Kurzgutachten gefertigt hat. Auch aus diesem Gutachten lassen sich Befunde nicht ableiten. Alleine die Darstellung von Diagnosen, verbunden mit einer pauschalen Leistungseinschätzung, vermag keine tragfähige Grundlage dafür zu sein, den Senat von der Richtigkeit der Einschätzung zu überzeugen. Maßgeblich ist - wie bereits ausgeführt - eben nicht die Diagnosestellung, sondern die Antwort auf die Frage, ob und in welchem zeitlichen Umfang mit den vorhandenen Erkrankungen und Behinderungen arbeitstäglich noch mindestens leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichtet werden können. Für diese Einschätzung durch den Senat sind schlüssige medizinische Darlegungen erforderlich. Diese hat der Senat in den Gutachten von Prof. Dr. Ber. und von Herrn Ma. gefunden. Insoweit sieht sich der Senat auch durch die Einschätzungen des behandelnden Orthopäden Dr. Eg. und der Gutachter Dr. Kr. sowie Dr. Al. bestätigt.

Die von der Klägerin beklagten Beschwerden und vorhandenen Erkrankungen führen daher jeweils für sich nicht zu einem quantitativ geminderten Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch in ihrer Zusammenschau und unter Berücksichtigung der Weiters von der Klägerin beklagten Beschwerden konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht rentenrechtlich relevant gemindert ist. Die Klägerin ist vielmehr unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Sie hat dabei die von den Gutachtern Prof. Dr. Ber. und Herrn Ma. dargestellten und zuvor genannten qualitativen Leistungseinschränkungen zu beachten. Positiv kann die Klägerin damit noch leichte körperliche Tätigkeiten in Tagesschicht im Wechselrhythmus zwischen Stehen, Gehen, und Sitzen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Dagegen sind Tätigkeiten, die ein Heben und Tragen von Lasten über 5 kg bedingen, in Kälte, Nässe und Zugluft, auf Leitern und mit häufigem Treppensteigen mit ständigen Überkopfarbeiten, mit Nachtschichtarbeit und auch mit sehr hohen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit (z.B. sehr hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder sehr hoher Verantwortung) verbunden sind, zu meiden. Die Wegefähigkeit der Klägerin ist nicht eingeschränkt.

Diese bei der Klägerin vorliegenden Leistungseinschränkungen, die sämtliche nicht ungewöhnlich sind, lassen für sich allein nicht ernstliche Zweifel daran aufkommen, dass die Klägerin nicht mehr wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Jedoch ist auch zu berücksichtigen, ob der praktische Analphabetismus der Klägerin - sie kann nur ihren Namen schreiben bzw. lesen - das noch unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen mögliche Arbeitsfeld erheblich einengt. Das BSG (Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 5 RJ 64/02 R - SozR 4-2600 § 44 Nr. 1= juris Rdnr. 31) hat ausdrücklich betont, dass für die Annahme einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" unter Mitberücksichtigung des Analphabetismus dessen Vorliegen sicher festgestellt sein muss und dieser erst dann eine Rolle spiele, wenn das weite Feld der Tätigkeiten, welche die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erforderten (z.B. Küchenhilfe, Putz- und Reinigungsarbeiten), auf Grund weiterer hinzutretender Behinderungen nicht mehr offen steht. Bei (geschätzt) ca. vier Millionen Analphabeten in der Bundesrepublik Deutschland, die zum Großteil in rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stünden, könne nicht von einem von vornherein verschlossenen Arbeitsmarkt allein wegen des Analphabetismus ausgegangen werden (BSG a.a.O.). Dies zeigt vorliegend auch der berufliche Werdegang der Klägerin, die bisher durchaus in der Lage war, eine angemessene rentenversicherungspflichtige Tätigkeit zu finden und sich hier, ggf. mit entsprechenden Anpassungstechniken, bewährt hat.

Die Klägerin kann mit den vorhandenen qualitativen Leistungseinschränkungen zwar Tätigkeiten als Putzkraft oder Küchenhilfe nicht mehr ausüben, zumutbar sind aber andere leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, nämlich Tätigkeiten als Sortiererin bzw. Verpackerin. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Klägerin eine Tätigkeit als Museumsaufseherin nicht mehr ausüben. Denn insoweit ist die Klägerin angesichts der Ausführungen der Gutachter nicht mehr in der Lage, die geforderte höchste Aufmerksamkeit (vgl. zu den Arbeitsbedingungen die Ausführungen bei www.berufenet.de zum Stichwort Museumsaufseher/Arbeitsbedingungen) aufzubringen.

Jedoch sind der Klägerin andere - von der Beklagten benannte - Tätigkeiten, nämlich solche als Sortiererin bzw. Verpackerin, noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich; für diese Tätigkeiten bedarf die Klägerin des Lesens und Schreibens nicht. Sofern die Klägerin keine Gewichte von mehr als fünf Kg heben und tragen muss, sind ihr derartige Tätigkeiten noch zuzumuten (vgl. zur Zumutbarkeit auch LSG, Urteil vom 6. November 2007 - L 11 R 4184/07), denn bei derartigen Tätigkeiten ist ein Wechselrhythmus zwischen Stehen, Gehen, und Sitzen möglich.

Die Klägerin ist damit nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 3 SGB VI; sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Auch wenn sie Tätigkeiten in ihrem letzten Beruf als Putzfrau nicht mehr mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben kann, hat sie keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 241 SGB VI), denn als ungelernte Arbeiterin ist die Klägerin auf sämtliche leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Derartige Tätigkeiten - insbesondere solche als Sortiererin bzw. Verpackerin - kann die Klägerin aber noch ausüben (dazu siehe zuvor).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin in beiden Instanzen erfolglos geblieben ist. Der Senat hat trotz des von der Klägerin vorgenommenen Täuschungsversuchs (Simulation bei testpsychologischer Untersuchung) von der Auferlegung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG abgesehen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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