Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 25/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 64/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. November 1999 und der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 1997 werden aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Zuziehung der Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten des Vorverfahrens gegen den Bescheid vom 31. Januar 1996 zu erstatten.
III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten eines Widerspruchsverfahrens zu erstatten hat.
Die Klägerin vertreibt Bodenbeläge und Heimtextilien. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 13.04.1995 mit, sie beabsichtige, am 02.05.1995 eine Betriebsprüfung vorzunehmen. Dabei wurde festgestellt, dass die Klägerin in den Jahren 1990, 1992 und 1993 mehr als zwei Betriebsveranstaltungen (Betriebsausflug mit Übernachtung) mit insgesamt 71 Personen durchgeführt hatte.
Mit Schreiben vom 31.01.1996 informierte die Beklagte die Klägerin über das Prüfungsergebnis. Es seien die Entgelte und sonstigen Zuwendungen nicht immer zutreffend beitragsrechtlich beurteilt worden. Aufgrund des Lohnsteuerprüfberichts seien Zuwendungen für mehrtätige Betriebsausflüge nachzuberechnen. Die Zusammenstellung der nachzuberechnenden Beiträge sei der Anlage 01 zu entnehmen. Anlage 1 enthält eine Zuordnung der Beiträge nach Arbeitnehmern und Einzugsstellen.
Die Klägerin bezahlte die geforderten Beiträge an die Einzugsstellen und legte gegen das am 14.02.1996 eingegangene Schreiben vom 31.01.1996 am 28.02.1996 Einspruch ein. Hiervon informierte die Beklagte die AOK Bayern. Laut Aktenvermerk hielt sich die AOK "sowieso für die Bearbeitung zuständig (Prüfung in 1995)".
Am 04.09.1996 bevollmächtigte die Klägerin Rechtsanwältin N. , die sich mit Schreiben vom 16.09.1996 an die Beklagte wandte und den Widerspruch ausführlich begründete.
Am 13.11.1996 wurde die Eingangsbestätigung des Widerspruchs angemahnt. Die Beklagte gab dann der AOK das Widerspruchsbegründungsschreiben zur Kenntnis. Am 28.11.1996 legte die Klägerbevollmächtigte Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Untätigkeit ein. Am 14.01.1997 reagierte dann die Beklagte auf den Widerspruch vom 27.02.1996. Eine Entscheidung über den Widerspruch erfolgte nicht, am 10.03.1997 wurde klägerseits Frist bis 15.04.1997 gesetzt.
Die AOK Bayern, Direktion Reichenhall, teilte der Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 23.12.1996 mit, die Angelegenheit habe eine überraschende Wendung erfahren. Die AOK Bayern sei für die Entscheidung über die Betragshöhe allein zuständig. Für Beitragsnacherhebungen aus nachträglich pauschal versteuerten Bezügen bleibe kein Raum. Die AOK werde die bereits bezahlten Beiträge erstatten. Da aber von Seiten der AOK ein Bescheid nicht ergangen sei, handele es sich bei der Mitteilung, dass die Beiträge erstattet werden, um keine förmliche Abhilfe im Widerspruchsverfahren. Auslagen im Widerspruchsverfahren könnten deshalb nicht übernommen werden.
Entsprechend erklärte Frau N. mit Schreiben vom 06.05.1997 die Hauptsache im Widerspruchsverfahren für erledigt, nachdem zwischenzeitlich alle Krankenkassen die aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 31.01.1996 geforderten Beiträge zurückerstactet hätten. Sie beantragte, die notwendigen Aufwendungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren zu erstatten.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.06.1997 mit der Begründung ab, für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens sei die zuständige Einzugsstelle verantwortlich. § 28 p SGB IV Abs.1 sei nicht anzuwenden, da die Betriebsprüfung bereits am 02.05.1995 stattgefunden habe. Mit Datum vom 31.01.1996 sei die Prüfmitteilung dazu bekannt gegeben worden, die keinen rechtsbehelfsfähigen Bescheid darstelle. Auch müsste ein Widerspruch gegen die Prüfmitteilung als unzulässig, weil gegen eine sachlich nicht zuständige Stelle gerichtet, zurückgewiesen werden. Die Aufwendungen könnten deshalb nicht erstattet werden.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch. Der Auffassung, bei der Prüfmitteilung handele es sich um keinen Verwaltungsakt, wurde nicht gefolgt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.1997 zurückgewiesen. Die Beklagte habe mit ihrer Prüfmitteilung vom 31.01.1996 keinen anfechtbaren Verwaltungsakt erlassen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass diese Prüfmitteilung weder Feststellungen einer vollstreckbaren Beitragsforderung noch Zahlungsaufforderungen enthielt, ferner auch nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war. Außerdem sei die Beklagte nicht zuständig gewesen. Bis 31.12.1995 sei in § 28 h Abs.2 SGB IV geregelt gewesen, dass die Entscheidung über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung die Einzugsstelle zu treffen habe. Ab 01.01.1996 hätten die Rentenversicherungsträger gemäß § 28 p Abs.1 SGB IV Verwaltungsakte erlassen dürfen.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die zum Sozialgericht München erhobene Klage. Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen gemäß § 63 SGB X zu, weil deren Prüfbericht vom 31.01.1996 ein anfechtbarer Verwaltungsakt, gegen den der Widerspruch der Klägerin vom 27.02.1996 zulässig und im Ergebnis auch erfolgreich gewesen war. Am 31.01.1996 sei § 28 p Abs.1 Satz 5 SGB IV in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung anzuwenden. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung die Bescheide. Es sei abzustellen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Prüfbescheides.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.11.1999 abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs.1 Satz 1 SGB X stehe der Klägerin nicht zu. Es fehle bereits an der Kausalität zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde. Nach den Ausführungen der AOK Bayern im Schreiben vom 23.12.1996 führte nämlich eine eigenständige, d.h. vom erhobenen Widerspruch unabhängige Prüfung zu dem Ergebnis, dass Beiträge aus nachträglich pauschal versteuerten Bezügen nicht nachzuerheben seien. Diese Auslegung stehe zudem im Widerspruch zur seinerzeit von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht.
Auch handele es sich bei dem Prüfbericht vom 31.01.1996 nicht um einen Verwaltungsakt der Beklagten im Sinne des § 63 Abs.1 in Verbindung mit § 31 SGB X. Nach objektiv normativer Auslegung des Schreibens vom 31.01.1996 werde erkennbar, dass die Beklagte selbst keine Regelung getroffen habe, sondern nur die Krankenkassen als Einzugsstellen und Meldestellen zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe. Das Schreiben vom 31.01.1996 enthalte demgemäß auch keinen an die Klägerin gerichteten Verfügungssatz, dass Beiträge in einer bestimmten Höhe nachzuentrichten seien. Eine unmittelbare Außenwirkung sei weder beabsichtigt noch objektiv zum Ausdruck gebracht worden. Insbesondere liege bei objektiver Auslegung kein Verwaltungsakt im Sinne des § 28 p Abs.1 Satz 5 SGB IV in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung vor. Es müsse dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei einer im Jahr 1995 noch erfolgten Betriebsprüfung nach dem Übergangsrecht an sich verpflichtet gewesen wäre, einen Bescheid gemäß 28 p Abs.1 Satz 5 SGB IV in der zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfberichts geltenden Fassung zu erlassen. Denn maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt gerichtet und hierbei erfolgreich war, sei ausschließlich die tatsächliche Ausgestaltung der hoheitlichen Maßnahmen, nicht eine fiktive rechtmäßige Form, die gegebenenfalls zum Erfolg des Widerspruchs geführt hätte. Im Übrigen sei durch Art.2 § 15 c SGB IV ausdrücklich geregelt, dass die Prüfung bei den Arbeitgebern nach Art.1 § 28 p SGB IV ab Januar 1996 schrittweise auf die Träger der Rentenversicherung übergehe. Für Prüfungen, die nach dem vormals geltenden Recht durchgeführt wurden, sei die Beitragsnachforderung nach den bis zum 31.12.1995 geltenden Verfahrensbestimmungen nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Demzufolge muss ein objektiver Empfänger die Prüfmitteilung auch so auslegen, dass die Beklagte die einzelnen Krankenkassen zur Nacherhebung von Beiträgen gemäß 28 f Abs.2 SGB IV aufforderte und selbst auf Einwände verzichtete. Die Entscheidung über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe oblag gemäß 28 h Abs.2 SGB IV für den Fall der Einzugsstelle, dass der Träger der Rentenversicherung nach 28 p SGB IV die Prüfung durchgeführt hatte.
Das Sozialgericht hat die Berufung im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob der Widerspruch nur dann erfolgreich im Sinne des § 63 Abs.1 Satz 1 SGB X sein könne, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe.
Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.11.1999 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 09.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die im Widerspruchsverfahren zugezogene Rechtsanwältin zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten sowie des Sozialgerichts. Auf den Akteninhalt, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die das Sozialgericht zugelassen hat, ist begründet.
Die Beklagte hat die der Klägerin im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten gemäß § 63 SGB X zu erstatten.
Die Beklagte hat einen Verwaltungsakt erlassen, der dagegen (fristgerecht) eingelegte Widerspruch war erfolgreich.
Es handelt sich bei dem Schreiben vom 31.01.1996 um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 Satz 1 SGB X. Die Beklagte ist eine Behörde, die eine Regelung im Einzelfall mit Außenwirkung getroffen hat. Es wurden Feststellungen über die Versicherungspflicht gemacht, die Beträge, die die Klägerin zu zahlen hat, beziffert. Der Adressat, die Klägerin, wurde direkt aufgefordert, die Meldungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass der Bescheid vom 31.01.1996 ausdrücklich § 28 p Abs.1 SGB IV als Grundlage benennt. Diese Norm war am 31.01.1996 in Kraft. Die Auffassung der Beteiligten, die Beklagte sei zum Erlass des Bescheides nicht zuständig gewesen, ändert nichts am Rechtscharakter als Verwaltungsakt.
Bezweifelt ein Adressat die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, hat er Widerspruch einzulegen und das Vorverfahren gemäß §§ 78 ff. SGG ist durchzuführen. Nach § 83 SGG beginnt das Vorverfahren mit der Erhebung des Widerspruchs. Unabhängig davon, welche Übergangsregelungen bezüglich der Zuständigkeit zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegolten haben mögen, ist es verständlich, dass der Bürger (wenn keine Rechtsmittelbelehrung erteilt ist) den Widerspruch gegen die Stelle einlegt, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Der Senat stimmt nicht der Auffassung des Erstgerichts über die Auslegung von Verwaltungsakten zu. Maßgeblich ist die Sicht des Adressaten. Auch ein rechtskundiger Adressat könnte nicht vor Einlegung des Widerspruchs zur Überprüfung verpflichtet werden, ob etwa ein anderer Verwaltungsträger für den Erlass des Verwaltungsakts zuständig ist, der Widerspruch deshalb an eine andere Stelle gerichtet werden müsste. Hier fühlt sich der Adressat einer behördlichen Aufforderung belastet und greift zu dem dafür vorgesehen Rechtsbehelf.
Der Widerspruch hat auch zum Erfolg geführt. Ein Widerspruch hat dann "Erfolg" im Sinne des Gesetzes, wenn die Behörde ihm statt gibt: "Einzig auf das Stattgeben kommt es an" (BSG, Urteil vom 21.07.1992, SozR 3-1300 § 63 Nr.3 m.w.N.). Dem Widerspruch wurde stattgegeben, die im Bescheid geforderten Beiträge zurückbezahlt. Es ist ohne Belang, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht hat und welche Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt haben (BSG a.a.O.). Zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde muss lediglich eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehen. Ein solcher kausaler Zusammenhang liegt vor. Aus dem Akteninhalt ergibt sich eindeutig, dass die Einzugsstellen, insbesondere die AOK, vor ihrer Reaktion die Begründung des Widerspruchs abwarten wollten. Es kann selbst bei positivster Sicht von Verwaltungshandeln nicht davon ausgegangen werden, dass ohne Widerspruch der Klägerin die Entscheidung der Beklagten überprüft worden wäre. Der Widerspruch war im Ergebnis erfolgreich, denn seine Erhebung war kausal für die daraufhin erfolgte Abhilfe. Die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, also die Beklagte, hat demgemäß nach § 63 Abs.1 Satz 1 SGB X die Aufwendungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren zu erstatten. Daher kommt auch eine Beteiligung der AOK-Bayern am Verfahren nicht in Betracht.
Die Zuziehung eines Rechtsanwalts war notwendig gemäß § 63 Abs.2 SGB X. Es ist auch erfahrenen Arbeitgebern nicht zumutbar, die Konfusion, die im Zusammenhang mit dem Prüfbericht und der Behandlung des Widerspruchsverfahrens entstanden ist, ohne fachkundige rechtliche Hilfe zu lösen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben. Entscheidungserheblich sind einfache Fragen über die Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes.
II. Es wird festgestellt, dass die Zuziehung der Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten des Vorverfahrens gegen den Bescheid vom 31. Januar 1996 zu erstatten.
III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten eines Widerspruchsverfahrens zu erstatten hat.
Die Klägerin vertreibt Bodenbeläge und Heimtextilien. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 13.04.1995 mit, sie beabsichtige, am 02.05.1995 eine Betriebsprüfung vorzunehmen. Dabei wurde festgestellt, dass die Klägerin in den Jahren 1990, 1992 und 1993 mehr als zwei Betriebsveranstaltungen (Betriebsausflug mit Übernachtung) mit insgesamt 71 Personen durchgeführt hatte.
Mit Schreiben vom 31.01.1996 informierte die Beklagte die Klägerin über das Prüfungsergebnis. Es seien die Entgelte und sonstigen Zuwendungen nicht immer zutreffend beitragsrechtlich beurteilt worden. Aufgrund des Lohnsteuerprüfberichts seien Zuwendungen für mehrtätige Betriebsausflüge nachzuberechnen. Die Zusammenstellung der nachzuberechnenden Beiträge sei der Anlage 01 zu entnehmen. Anlage 1 enthält eine Zuordnung der Beiträge nach Arbeitnehmern und Einzugsstellen.
Die Klägerin bezahlte die geforderten Beiträge an die Einzugsstellen und legte gegen das am 14.02.1996 eingegangene Schreiben vom 31.01.1996 am 28.02.1996 Einspruch ein. Hiervon informierte die Beklagte die AOK Bayern. Laut Aktenvermerk hielt sich die AOK "sowieso für die Bearbeitung zuständig (Prüfung in 1995)".
Am 04.09.1996 bevollmächtigte die Klägerin Rechtsanwältin N. , die sich mit Schreiben vom 16.09.1996 an die Beklagte wandte und den Widerspruch ausführlich begründete.
Am 13.11.1996 wurde die Eingangsbestätigung des Widerspruchs angemahnt. Die Beklagte gab dann der AOK das Widerspruchsbegründungsschreiben zur Kenntnis. Am 28.11.1996 legte die Klägerbevollmächtigte Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Untätigkeit ein. Am 14.01.1997 reagierte dann die Beklagte auf den Widerspruch vom 27.02.1996. Eine Entscheidung über den Widerspruch erfolgte nicht, am 10.03.1997 wurde klägerseits Frist bis 15.04.1997 gesetzt.
Die AOK Bayern, Direktion Reichenhall, teilte der Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 23.12.1996 mit, die Angelegenheit habe eine überraschende Wendung erfahren. Die AOK Bayern sei für die Entscheidung über die Betragshöhe allein zuständig. Für Beitragsnacherhebungen aus nachträglich pauschal versteuerten Bezügen bleibe kein Raum. Die AOK werde die bereits bezahlten Beiträge erstatten. Da aber von Seiten der AOK ein Bescheid nicht ergangen sei, handele es sich bei der Mitteilung, dass die Beiträge erstattet werden, um keine förmliche Abhilfe im Widerspruchsverfahren. Auslagen im Widerspruchsverfahren könnten deshalb nicht übernommen werden.
Entsprechend erklärte Frau N. mit Schreiben vom 06.05.1997 die Hauptsache im Widerspruchsverfahren für erledigt, nachdem zwischenzeitlich alle Krankenkassen die aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 31.01.1996 geforderten Beiträge zurückerstactet hätten. Sie beantragte, die notwendigen Aufwendungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren zu erstatten.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.06.1997 mit der Begründung ab, für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens sei die zuständige Einzugsstelle verantwortlich. § 28 p SGB IV Abs.1 sei nicht anzuwenden, da die Betriebsprüfung bereits am 02.05.1995 stattgefunden habe. Mit Datum vom 31.01.1996 sei die Prüfmitteilung dazu bekannt gegeben worden, die keinen rechtsbehelfsfähigen Bescheid darstelle. Auch müsste ein Widerspruch gegen die Prüfmitteilung als unzulässig, weil gegen eine sachlich nicht zuständige Stelle gerichtet, zurückgewiesen werden. Die Aufwendungen könnten deshalb nicht erstattet werden.
Hiergegen richtete sich der Widerspruch. Der Auffassung, bei der Prüfmitteilung handele es sich um keinen Verwaltungsakt, wurde nicht gefolgt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.1997 zurückgewiesen. Die Beklagte habe mit ihrer Prüfmitteilung vom 31.01.1996 keinen anfechtbaren Verwaltungsakt erlassen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass diese Prüfmitteilung weder Feststellungen einer vollstreckbaren Beitragsforderung noch Zahlungsaufforderungen enthielt, ferner auch nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war. Außerdem sei die Beklagte nicht zuständig gewesen. Bis 31.12.1995 sei in § 28 h Abs.2 SGB IV geregelt gewesen, dass die Entscheidung über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung die Einzugsstelle zu treffen habe. Ab 01.01.1996 hätten die Rentenversicherungsträger gemäß § 28 p Abs.1 SGB IV Verwaltungsakte erlassen dürfen.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die zum Sozialgericht München erhobene Klage. Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der notwendigen Aufwendungen gemäß § 63 SGB X zu, weil deren Prüfbericht vom 31.01.1996 ein anfechtbarer Verwaltungsakt, gegen den der Widerspruch der Klägerin vom 27.02.1996 zulässig und im Ergebnis auch erfolgreich gewesen war. Am 31.01.1996 sei § 28 p Abs.1 Satz 5 SGB IV in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung anzuwenden. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung die Bescheide. Es sei abzustellen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Prüfbescheides.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.11.1999 abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs.1 Satz 1 SGB X stehe der Klägerin nicht zu. Es fehle bereits an der Kausalität zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde. Nach den Ausführungen der AOK Bayern im Schreiben vom 23.12.1996 führte nämlich eine eigenständige, d.h. vom erhobenen Widerspruch unabhängige Prüfung zu dem Ergebnis, dass Beiträge aus nachträglich pauschal versteuerten Bezügen nicht nachzuerheben seien. Diese Auslegung stehe zudem im Widerspruch zur seinerzeit von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht.
Auch handele es sich bei dem Prüfbericht vom 31.01.1996 nicht um einen Verwaltungsakt der Beklagten im Sinne des § 63 Abs.1 in Verbindung mit § 31 SGB X. Nach objektiv normativer Auslegung des Schreibens vom 31.01.1996 werde erkennbar, dass die Beklagte selbst keine Regelung getroffen habe, sondern nur die Krankenkassen als Einzugsstellen und Meldestellen zur Mängelbeseitigung aufgefordert habe. Das Schreiben vom 31.01.1996 enthalte demgemäß auch keinen an die Klägerin gerichteten Verfügungssatz, dass Beiträge in einer bestimmten Höhe nachzuentrichten seien. Eine unmittelbare Außenwirkung sei weder beabsichtigt noch objektiv zum Ausdruck gebracht worden. Insbesondere liege bei objektiver Auslegung kein Verwaltungsakt im Sinne des § 28 p Abs.1 Satz 5 SGB IV in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung vor. Es müsse dahingestellt bleiben, ob die Beklagte bei einer im Jahr 1995 noch erfolgten Betriebsprüfung nach dem Übergangsrecht an sich verpflichtet gewesen wäre, einen Bescheid gemäß 28 p Abs.1 Satz 5 SGB IV in der zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfberichts geltenden Fassung zu erlassen. Denn maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt gerichtet und hierbei erfolgreich war, sei ausschließlich die tatsächliche Ausgestaltung der hoheitlichen Maßnahmen, nicht eine fiktive rechtmäßige Form, die gegebenenfalls zum Erfolg des Widerspruchs geführt hätte. Im Übrigen sei durch Art.2 § 15 c SGB IV ausdrücklich geregelt, dass die Prüfung bei den Arbeitgebern nach Art.1 § 28 p SGB IV ab Januar 1996 schrittweise auf die Träger der Rentenversicherung übergehe. Für Prüfungen, die nach dem vormals geltenden Recht durchgeführt wurden, sei die Beitragsnachforderung nach den bis zum 31.12.1995 geltenden Verfahrensbestimmungen nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Demzufolge muss ein objektiver Empfänger die Prüfmitteilung auch so auslegen, dass die Beklagte die einzelnen Krankenkassen zur Nacherhebung von Beiträgen gemäß 28 f Abs.2 SGB IV aufforderte und selbst auf Einwände verzichtete. Die Entscheidung über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe oblag gemäß 28 h Abs.2 SGB IV für den Fall der Einzugsstelle, dass der Träger der Rentenversicherung nach 28 p SGB IV die Prüfung durchgeführt hatte.
Das Sozialgericht hat die Berufung im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob der Widerspruch nur dann erfolgreich im Sinne des § 63 Abs.1 Satz 1 SGB X sein könne, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe.
Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.11.1999 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 09.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die im Widerspruchsverfahren zugezogene Rechtsanwältin zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten sowie des Sozialgerichts. Auf den Akteninhalt, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die das Sozialgericht zugelassen hat, ist begründet.
Die Beklagte hat die der Klägerin im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten gemäß § 63 SGB X zu erstatten.
Die Beklagte hat einen Verwaltungsakt erlassen, der dagegen (fristgerecht) eingelegte Widerspruch war erfolgreich.
Es handelt sich bei dem Schreiben vom 31.01.1996 um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 Satz 1 SGB X. Die Beklagte ist eine Behörde, die eine Regelung im Einzelfall mit Außenwirkung getroffen hat. Es wurden Feststellungen über die Versicherungspflicht gemacht, die Beträge, die die Klägerin zu zahlen hat, beziffert. Der Adressat, die Klägerin, wurde direkt aufgefordert, die Meldungen zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass der Bescheid vom 31.01.1996 ausdrücklich § 28 p Abs.1 SGB IV als Grundlage benennt. Diese Norm war am 31.01.1996 in Kraft. Die Auffassung der Beteiligten, die Beklagte sei zum Erlass des Bescheides nicht zuständig gewesen, ändert nichts am Rechtscharakter als Verwaltungsakt.
Bezweifelt ein Adressat die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, hat er Widerspruch einzulegen und das Vorverfahren gemäß §§ 78 ff. SGG ist durchzuführen. Nach § 83 SGG beginnt das Vorverfahren mit der Erhebung des Widerspruchs. Unabhängig davon, welche Übergangsregelungen bezüglich der Zuständigkeit zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegolten haben mögen, ist es verständlich, dass der Bürger (wenn keine Rechtsmittelbelehrung erteilt ist) den Widerspruch gegen die Stelle einlegt, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Der Senat stimmt nicht der Auffassung des Erstgerichts über die Auslegung von Verwaltungsakten zu. Maßgeblich ist die Sicht des Adressaten. Auch ein rechtskundiger Adressat könnte nicht vor Einlegung des Widerspruchs zur Überprüfung verpflichtet werden, ob etwa ein anderer Verwaltungsträger für den Erlass des Verwaltungsakts zuständig ist, der Widerspruch deshalb an eine andere Stelle gerichtet werden müsste. Hier fühlt sich der Adressat einer behördlichen Aufforderung belastet und greift zu dem dafür vorgesehen Rechtsbehelf.
Der Widerspruch hat auch zum Erfolg geführt. Ein Widerspruch hat dann "Erfolg" im Sinne des Gesetzes, wenn die Behörde ihm statt gibt: "Einzig auf das Stattgeben kommt es an" (BSG, Urteil vom 21.07.1992, SozR 3-1300 § 63 Nr.3 m.w.N.). Dem Widerspruch wurde stattgegeben, die im Bescheid geforderten Beiträge zurückbezahlt. Es ist ohne Belang, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht hat und welche Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt haben (BSG a.a.O.). Zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde muss lediglich eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehen. Ein solcher kausaler Zusammenhang liegt vor. Aus dem Akteninhalt ergibt sich eindeutig, dass die Einzugsstellen, insbesondere die AOK, vor ihrer Reaktion die Begründung des Widerspruchs abwarten wollten. Es kann selbst bei positivster Sicht von Verwaltungshandeln nicht davon ausgegangen werden, dass ohne Widerspruch der Klägerin die Entscheidung der Beklagten überprüft worden wäre. Der Widerspruch war im Ergebnis erfolgreich, denn seine Erhebung war kausal für die daraufhin erfolgte Abhilfe. Die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, also die Beklagte, hat demgemäß nach § 63 Abs.1 Satz 1 SGB X die Aufwendungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren zu erstatten. Daher kommt auch eine Beteiligung der AOK-Bayern am Verfahren nicht in Betracht.
Die Zuziehung eines Rechtsanwalts war notwendig gemäß § 63 Abs.2 SGB X. Es ist auch erfahrenen Arbeitgebern nicht zumutbar, die Konfusion, die im Zusammenhang mit dem Prüfbericht und der Behandlung des Widerspruchsverfahrens entstanden ist, ohne fachkundige rechtliche Hilfe zu lösen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen der Klägerin.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben. Entscheidungserheblich sind einfache Fragen über die Rechtsnatur eines Verwaltungsaktes.
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