L 8 SB 2438/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 4460/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2438/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) sowie die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" streitig.

Bei der 1977 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt K. (VA) mit Bescheid vom 08.09.1999 unter Berücksichtigung einer Beckenosteotomie links bei Hüftdysplasie beiderseits und einer thorakolumbalen Skoliose einen GdB von 30 seit 31.05.1999 fest.

Am 13.02.2006 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erhöhung des GdB und begründete dies mit einer Verschlimmerung der Beckenosteotomie links und (neu) einer Beckenosteotomie rechts (angeborene Behinderung). Das Landratsamt K. (LRA) holte von dem Orthopäden Dr. A. den Bericht vom 15.02.2006 über die stationäre Behandlung der Klägerin im Rotes-Kreuz-Krankenhaus in F. vom 09.01. bis 21.01.2006 ein, in deren Verlauf bei ihr ein kniechirurgischer Eingriff (OP nach Tönnis, modifiziert nach Anton in minimal-invasiver Technik bei Coxarthrose) durchgeführt worden war. Der Ärztliche Dienst des LRA äußerte sich hierzu dahingehend, dass die Funktionsstörungen Beckenosteotomie beidseits, Hüftdysplasie beidseitig und Wirbelsäulenverformung einen GdB von 30 bedingten und eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin nicht eingetreten sei. Auch nach der jetzt durchgeführten Beckenosteotomie rechts sei weiterhin ein GdB von 30 angemessen (gutachtliche Stellungnahme Dr. S. vom 07.05.2006). Mit Bescheid vom 09.05.2006 lehnte das LRA den Neufeststellungsantrag der Klägerin mangels wesentlicher Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin ab.

Dagegen legte die Klägerin am 01.06.2006 Widerspruch ein, ohne diesen weiter zu begründen. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes (Dr. K. vom 24.07.2006), nach der davon auszugehen sei, dass die korrigierende Operation keine Befundverschlechterung, sondern eine Besserung gebracht habe, wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2006 zurück.

Am 22.09.2006 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie zunächst einen GdB von mindestens 50 und später auch (Schriftsatz vom 25.03.2008) den Nachteilsausgleich G geltend machte. Sie brachte vor, durch die am 10.01.2006, 06.03.2006 und 30.08.2006 wegen einer Verschlimmerung ihres Hüftleidens durchgeführten Operationen (Beckenosteotomie rechts und Folgeoperationen - Metallentfernungen -) sei keine Verbesserung, sondern eine weitere Verschlimmerung eingetreten. Es habe durch diese Operationen nicht mehr der vor der ersten Operation im Januar 2006 bestehende Zustand erreicht werden können. Ihre Hüfterkrankungen seien mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten. Hinzu kämen die thorakolumbale Skoliose mit multiplen Blockaden der Hals- und Brustwirbelsäule sowie eine nach dem Bescheid vom 08.09.1999 aufgetretene Coxarthrose. Ferner bestehe bei ihr eine Beinlängendifferenz von ca. ein cm sowie ein Knick-, Senk- und Spreizfuß beiderseits, eine Hochtonschwerhörigkeit und ein Tinnitus links sowie Kurzsichtigkeit und eine Endomitrose. Die Klägerin legte neben dem OP-Bericht der Orthopädischen Klinik M. vom 31.08.2006 den Bericht dieser Klinik über ihre stationäre Behandlung vom 29.08.2006 bis 05.09.2006, Befundberichte der Orthopäden Dr. S. vom 20.07.2006 und Prof. Dr. I. vom 14.04.2005 sowie den Untersuchungsbericht des HNO-Arztes Dr. E. vom 20.09.2005 (Diagnosen: Zustand nach Hörsturz links, Tinnitus und Hochtonschwerhörigkeit links, ausgeschlossenes Akustikusneurinom links) vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lägen vor.

Das SG hörte zunächst Dr. S. und Dr. A. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. S. berichtete am 18.12.2006 unter Vorlage von Behandlungs- und Untersuchungsberichten der Orthopädischen Klinik M., des Berichts des Radiologen Dr. R. vom 28.07.2006 über die CT der Hüftgelenke beiderseits (27.07.2006) und des Operationsberichts von Dr. A. vom 10.01.2006 über die Behandlung der Klägerin seit November 2003. Er gab an, sie klage immer noch über starke Schmerzen vor allem bei Lagewechsel sowie beim Stehen und Laufen. Im Sitzen sei es nach ihren Angaben einigermaßen erträglich. Er teile die Auffassung des Ärztlichen Dienstes des Beklagten nicht und schätze den GdB auf orthopädischem Gebiet auf 40. Dr. A. teilte in seinem am 07.03.2007 beim SG eingegangenem Schreiben den von ihm am 21.07.2005 erhobenen Hüftbefund und die von ihm gestellten Diagnosen mit und gelangte zu der Einschätzung, ein GdB von 30 sei "in Ordnung". Eine Verschlechterung könne sich durch eine Zunahme der Coxarthrose ergeben. Die Bewegungsmaße im Bereich der rechten Hüfte hätten 0-0-90 ° betragen. Dr. A. reichte medizinische Berichte der Klägerin nach.

Mit Schriftsatz vom 19.11.2007 unterbreitete der Beklagte der Klägerin unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 12.11.2007 ein Vergleichsangebot (GdB 40 vom 13.02.2006 bis 31.12.2006, GdB 30 ab 01.01.2007), das die Klägerin am 25.03.2008 mit der Begründung ablehnte, sie habe Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50 sowie auch des Nachteilsausgleichs "G".

Nach schriftlicher Anhörung von Dr. E., der unter dem 26.05.2008 unter Beifügung der Audiogramme vom 20.09.2005 und 06.02.2008 angesichts eines 16%igen Hörverlusts links noch von einer Normalhörigkeit ausging und der Klägerin einen zentral weitgehend kompensierten Tinnitus bescheinigte, beauftragte das SG den Orthopäden Dr. T. mit der Erstattung eines fachärztlichen Gutachtens. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 17.04.2008 diagnostizierte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 23.06.2008 eine Hüftdysplasie beidseits, eine Beckenumstellungsosteotomie beidseits mit noch einliegendem Osteosynthesematerial rechts und endgradiger Bewegungseinschränkung beidseits (GdB 10) sowie eine Thorakolumbalsklerose ohne radikuläre Ausfallsymptomatik und ohne funktionelle Beeinträchtigung (GdB 30). Insgesamt bestehe ein GdB von 30. Die im Jahr 2006 auch am rechten Becken erfolgte Umstellungsosteotomie habe - bezogen auf die Funktionsbeeinträchtigung im Vergleich zum Bescheid vom 08.09.1999 - keine wesentliche Verbesserung der Beweglichkeit gebracht. Sie habe aber eher zu einer Verbesserung als zu einer Verschlechterung im Sinne der Langzeitprognose der Hüftdysplasie geführt. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" lägen nicht vor. An der Bewertung der mit dem Hüftgelenksleiden der Klägerin verbundenen Funktionseinschränkungen mit einem GdB von 10 hielt Dr. T. auch in seiner ergänzenden Äußerung vom 28.08.2008 in Kenntnis der Einwände der Klägerin gegen sein Gutachten vom 06.08.2008 fest. Er führte hierzu aus, es bestehe im Bereich beider Hüftgelenke eine endgradige Bewegungseinschränkung. Eine Einschränkung der Drehfähigkeit habe nicht nachgewiesen werden können.

Anschließend holte das SG auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von der Orthopädin Dr. S. das unter Berücksichtigung der Ergebnisse des neurologischen Zusatzgutachtens von Dr. R. vom 30.04.2009 erstattete orthopädische Sachverständigen-gutachten vom 13.07.2009 ein. Der Sachverständige Dr. R. diagnostizierte bei der Klägerin eine perioperative Läsion des N. cutanaeus femoralis rechtsseitig mit Sensibilitätsstörung im Bereich der Außenseite des rechten Oberschenkels, einen unspezifischen Attackenschwindel, aber keinen Hinweis auf eine zugrunde liegende spezifische neurologische Erkrankung, anamnestisch eine Migräne ohne Aurasymptomatik mit geringer Attackenfrequenz, einen chronischen Spannungskopfschmerz und ein reaktiv depressives Syndrom und bewertete diese Gesundheitsstörungen jeweils mit einem GdB von 10 und den Gesamt-GdB auf seinem Fachgebiet mit 20. Die Sachverständige Dr. S. stellte die Diagnosen einer fortgeschrittenen Dysplasie-Coxarthrose rechts mit Zustand nach Beckenosteotomie nach Hart, einen Trochanterhochstand rechts, eine ausgeprägte muskuläre Insuffizienz, ein chronisches Schmerzsyndrom mit Einschränkung der Streckung und Beugung sowie erhebliche Einschränkung der Abduktion und der Rotation (GdB 30) und eine Dysplasie-Coxarthrose links mit Zustand nach Beckenosteotomie nach Tönnis links, ein Trochanterhochstand mit deutlicher Muskelinsuffizienz links und Einschränkungen der Beuge-, Streck- und Rotationsfähigkeit (GdB 20) sowie eine Thorakolumbalskoliose, eine Facettengelenksarthrose LWS, eine Muskelinsuffizienz der Lendenwirbelsäule mit Verkürzung des Musculus psoas und Musculus quadratus lumborum (GdB 10). Unter Einbeziehung des GdB auf neurologischem Gebiet (20) schätze sie den Gesamt-GdB auf orthopädischem und neurologischem Gebiet auf 50. Seit dem Bescheid vom 08.09.1999 sei eine wesentliche Änderung eingetreten, die in einer erheblichen Bewegungseinschränkung und Muskelinsuffizienz des rechten Hüftgelenks sowie einer mäßigen Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks mit Muskelinsuffizienz bestehe. Die wesentliche Änderung sei nach der Hüftoperation am 10.01.2006 nebst Nachoperationen eingetreten, die zu keiner Besserung, sondern zu einer Verschlimmerung der Beschwerden geführt habe. Es sei zu einer zunehmenden Bewegungseinschränkung sowie zu einem chronischen Schmerzzustand mit Schonhinken gekommen. Die Gewährung des Merkzeichens "G" werde empfohlen.

Danach gab der Beklagte ein weiteres Vergleichsangebot ab (GdB 40 vom 13.02.2006 bis 31.12.2006 (Konsolidierung), GdB 30 vom 01.01.2007 bis 16.11.2008, GdB 40 ab 17.11.2008 -Nachweis der Verschlimmerung), mit dem zusätzlich ein chronisches Schmerzsyndrom und psychovegetative Störungen (GdB 20) berücksichtigt wurden, das die Klägerin unter Hinweis auf die Beurteilungen von Dr. S. und Dr. R. ablehnte.

Auf Hinweise des SG, den Bewertungen der Sachverständigen Dr. S. dürfte aus Rechtsgründen nicht zu folgen sein, da die Regelungen der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG), eine einheitliche Bewertung des beidseitigen Hüftleidens erforderten, machte die Klägerin geltend, das Gutachten von Dr. S. und deren Beurteilungen stehe im Einklang mit den VG. Selbst wenn die von der Sachverständigen angenommenen Teil-GdB-Werte für die rechte und linke Hüfte (30+20) zu einem GdB-Wert zusammenzufassen wären, ergäbe sich auf orthopädischem Gebiet ein GdB von 40 und unter Berücksichtigung der Behinderung auf neurologischem Gebiet (GdB 20) der von Dr. S. ermittelte Gesamt-GdB von 50.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.04.2010 wies das SG die Klage ab. Es hielt - gestützt auf das orthopädische Gutachten von Dr. T. - bei der Klägerin auf orthopädischem Gebiet einen GdB von 30 für angemessen. Dem Gutachten von Dr. S. folge es nicht, da die für jede Körperseite gesonderte Bewertung des Hüftleidens zu einer nicht zulässigen doppelten Berücksichtigung dieser Funktionsbeeinträchtigung führe, die den Vorgaben der VG, nach denen die beidseitige Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB-Wert zu berücksichtigen sei, entgegenstehe. Auch unter Berücksichtigung der bei der Klägerin vorliegenden Skoliose ergebe sich orthopädischerseits ein GdB von 30. Hinzu kämen die von Dr. R. genannten und jeweils mit einem GdB von 10 zu bewertenden Funktionsstörungen auf neurologischem Gebiet. Funktionsstörungen auf augenärztlichem und HNO-ärztlichem Gebiet lägen nicht vor. Insgesamt bedingten die Funktionsstörungen der Klägerin einen GdB von 30, da die nur mit einem GdB von 10 bewerteten Funktionsstörungen nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führten. Die auf den Nachteilsausgleich G gerichtete Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da die Klägerin ihr Ziel auf einfacherem und schnellerem Weg, nämlich durch einen entsprechenden Antrag beim Beklagten, erreichen könne. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet.

Dagegen hat die Klägerin am 21.05.2010 Berufung eingelegt, mit der sie einen GdB von mindestens 50 und weiterhin den Nachteilsausgleich G geltend macht. Sie stützt sich auf das vom SG auf ihren Antrag eingeholte Gutachten von Dr. S., die zu Recht einen GdB von 50 angenommen habe. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 15.04.2010, wonach die VG der Bewertung der Sachverständigen nicht entgegenstünden. Selbst wenn man der Bewertung ihres Hüftleidens mit zwei Behinderungsgraden (GdB 30 links und GdB 20 rechts) nicht folgen würde, ergäbe sich für das beidseitige Hüftleiden ein GdB von 40. Bei dem vom Beklagten angesetzten GdB von 20 bis 30 für die Beeinträchtigungen beider Hüftgelenke seien die bloßen Bewegungseinschränkungen berücksichtigt, nicht aber die ausgeprägte Hüftdysplasie beiderseits, ein Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Hüftgelenks, ein Schonhinken rechts und die weiteren von Dr. S. insoweit beschriebenen Funktionsstörungen, so dass auch deshalb ein höherer GdB anzunehmen sei. Unter Berücksichtigung der auf neurologischem Gebiet bestehenden Funktionsstörungen, die auch nach der Beurteilung von Dr. K. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.11.2009 einen GdB von 20 bedingten, liege insgesamt ein GdB von 50 vor. Zu Unrecht habe das SG auch die auf den Nachteilsausgleich G gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Der Antrag auf diesen Nachteilsausgleich sei von ihr mit Schriftsatz vom 25.03.2008 gestellt worden. Ihre behandelnden Ärzte und die Sachverständigen seien zu den gesundheitlichen Voraussetzungen dieses Nachteilsausgleichs befragt worden. Spätestens mit seiner ablehnenden Stellungnahme vom 11.11.2009 zum Gutachten von Dr. S. unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 09.11.2009 habe der Beklagte die Feststellung des Nachteilsausgleiches G abgelehnt. Eines gesonderten Antrages außerhalb des laufenden gerichtlichen Verfahrens sei insoweit nicht erforderlich gewesen. Selbst wenn im Schriftsatz des Beklagten vom 11.11.2009 kein Widerspruchsbescheid zu sehen sei, hätte das SG die Klage nicht - noch dazu überraschend - als unzulässig abweisen dürfen. Der Mangel des fehlenden Vorverfahrens könne auch noch im Berufungsverfahren durch Aussetzung des Verfahrens und Nachholung des Vorverfahrens geheilt werden. Sie sei weiterhin nicht bereit, das vom Beklagten unterbreitete Vergleichsangebot anzunehmen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 9. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 und den Nachteilsausgleich "G" ab 8. Februar 2006 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass den Schmerzen der Klägerin durch die Tenorierung eines chronischen Schmerzsyndroms und dessen Bewertung mit einem GdB von 20 bereits ausreichend Rechnung getragen worden sei. Insoweit werde auch an dem am 11.11.2009 unterbreiteten Vergleichsangebot festgehalten. Ein höherer GdB sei angesichts des objektiven medizinischen Sachverhalts nicht gerechtfertigt. Die Frage nach den Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G stelle sich angesichts der hierfür erforderlichen Schwerbehinderteneigenschaft weiterhin nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30. Der Nachteilsausgleich G ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist der Bescheid vom 09.05.2006 (Widerspruchsbescheid vom 25.08.2006), mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, dem Antrag der Klägerin auf Erhöhung des bisherigen GdB von 30 zu entsprechen. Hierbei handelt es sich um einen (ablehnenden) Bescheid nach § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) - soweit vorliegend relevant - inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).

Das SG ist in seiner Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Bewertungskriterien der VG zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin gegenüber der letzten maßgeblichen Feststellung (Bescheid vom 08.09.1999) nicht wesentlich verschlimmert haben und weiterhin keinen höheren GdB als 30 bedingen. Diese Beurteilung gründete sich im Wesentlichen auf die vom SG eingeholten Sachverständigengutachten, die Angaben der gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin und die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte. Eine Würdigung der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen durch den Senat ergibt, dass die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden ist.

Die Klägerin leidet an einer Hüftdysplasie beidseits und an einem Zustand nach Beckenumstellungsosteotomie beidseits mit endgradiger Bewegungseinschränkung im Bereich beider Hüftgelenke. Bei einer Hüftdysplasie richtet sich die Höhe des GdB nach der Instabilität und der Funktionsbeeinträchtigung (VG Teil B 18.14). Das beidseitige Hüftleiden der Klägerin ist von dem erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. T. mit einem GdB von 10 bewertet worden. Die auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. S. hat für das Hüftleiden rechts einen GdB von 30 und für das linksseitige Hüftleiden einen GdB von 20 angenommen. Sie hat also die beiden Hüftgelenke jeweils einzeln bewertet.

Der Senat folgt im Wesentlichen der Beurteilung von Dr. T., weil diese im Einklang mit den VG und den im Bereich der Hüftgelenke erhobenen Befunden steht. Eine beidseitige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) ist nach Teil B 18.14 der VG mit einem GdB von 20 bis 30 zu bewerten. Die VG sehen mithin bei einer beidseitigen Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke einen einheitlichen GdB-Wert vor, so dass sich eine gesonderte Bewertung der Beeinträchtigung des einzelnen Hüftgelenks (bei einem beidseitigen Hüftleiden) schon aus diesem Grund verbietet. Hinzu kommt, dass nach Teil A 2 e) der VG bestimmte Funktionssysteme, wozu auch die Beine gehören, im Allgemeinen zusammenfassend beurteilt werden sollen. Funktionseinschränkungen im Bereich beider Hüftgelenke sind mithin nicht einzeln, sondern mit einem GdB zu bewerten. Der davon abweichenden Ansicht der Klägerin kann nicht gefolgt werden.

Nach den VG (Teil B 18.14) sind - ebenso wie nach den AHP - beidseitige Funktions(Bewegungs)einschränkungen mit einem Teil-GdB zu bewerten. Die vom Klägerbevollmächtigten auch in der mündlichen Verhandlung vertretene Ansicht findet in den VG (AHP) keine Stütze.

Daraus folgt, dass die Bewertung der Sachverständigen Dr. S. schon diesen rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Teil-GdB-Werte - wie hier mit 30 und 20 erfolgt - sind bei einem beidseitigen Hüftgelenksleiden nicht anzusetzen, so dass auch kein entsprechender "Gesamt-GdB" - hier 40 - zu bilden ist.

Die VG eröffnen bei einer beidseitigen Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades einen Bewertungsspielraum von 20 bis 30. Die bei der Klägerin vorliegende Bewegungseinschränkung hat allenfalls dieses Ausmaß. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des orthopädischen Gutachtens von Dr. T. vom 23.06.2008 fest. Die von diesem im Bereich der Hüftgelenke erhobenen Bewegungsmaße (Streckung/Beugung 0-0-130 rechts und links) waren erheblich günstiger als die Bewegungsmaße (0/10/90), die einen GdB von 20 bis 30 rechtfertigen. Dr. T. kommt deshalb auch zu dem Ergebnis, dass das Hüftgelenksleiden der Klägerin maximal mit einem GdB von 10 zu bewerten ist. Nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. S. vom 13.07.2009 ergaben sich bei der Untersuchung der Klägerin Bewegungsmaße von rechts 0-10-90 und links 0-10-110. Damit waren sie zwar ungünstiger als die Bewegungsmaße, die Dr. T. bei seiner Untersuchung erhoben hat. Eine Bewegungseinschränk-ung mittleren Grades, bei der die Streck- und Beugungsfähigkeit bis zu 0-30-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit eingeschränkt sein muss, bestand aber beidseits nicht. Vielmehr war die Beweglichkeit des linken Hüftgelenks sogar besser als für eine Bewegungseinschränkung geringen Grades erforderlich. Die Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Hüftgelenks entsprach (lediglich) den Anforderungen für eine Einschränkung geringen Grades. Einen höheren GdB als 20 bis 30 bedingt das Hüftgelenksleiden der Klägerin damit auch nach den von Dr. S. erhobenen Befunden nicht. Da die Beweglichkeit des linken Hüftgelenks mit den Maßen 0-10-110 nicht einmal geringgradig eingeschränkt ist, käme auf der Grundlage dieser Angaben von Dr. S. auch nur die Bewertung mit einem GdB von 20 in Betracht. Deutliche bzw. erhebliche Bewegungseinschränkungen im Bereich der Hüftgelenke ergeben sich - entgegen den Ausführungen von Dr. S. in ihrem Gutachten - aus den von ihr mitgeteilten Bewegungsmaßen nicht.

Die Voraussetzungen für einen teilweise (13.02.2006 bis 31.12.2006 und ab 17.11.2008) höheren GdB - wie vom Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren vergleichsweise vorgeschlagen - sind der Senat nicht als nachgewiesen an. Dagegen sprechen vor allem die von den Sachverständigen Dr. T. am 17.04.2008 und Dr. S. am 24.06.2009 erhobenen Befunde, insbesondere das durch die festgestellten Bewegungsmaße belegte (geringgradige) Ausmaß der vorliegenden Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. S. geltend macht, mit ihrem Hüftgelenksleiden seien nicht nur Bewegungseinschränkungen, sondern auch weitere Gesundheitsstörungen (z.B. ausgeprägte Hüftdysplasie beiderseits, Schmerzsyndrom und Schonhinken rechts) verbunden, die einen höheren GdB begründeten, ist darauf hinzuweisen, dass Gesundheitsstörungen, d.h. ein abnormer körperlicher Zustand, nur dann einen GdB (von mindestens 10) bedingt, wenn eine entsprechende Funktionsminderung vorliegt. Dass die Hüftdysplasie beiderseits und die von Dr. S. - mit Ausnahme des Schmerzsyndroms - beschriebenen weiteren Gesundheitsstörungen zusätzlich zu den Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke weitere Funktionsminderungen zur Folge haben, ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden Gutachten nicht.

Zusätzlich zu berücksichtigen sind allerdings das chronische Schmerzsyndrom und psychovegetative Störungen, die vom Beklagten in Anlehnung an die Beurteilung von Dr. R. in seinem neurologischen Gutachten vom 30.04.2009 mit einem GdB von 20 berücksichtigt worden sind. Ob insbesondere das dem Hüftgelenksleiden der Klägerin zuzuordnende chronische Schmerzsyndrom gesondert zu bewerten ist, hält der Senat zumindest für zweifelhaft. Eine Erhöhung des höchstens mit einem GdB von 20 zu bewertenden Hüftgelenksleiden um 10 Punkte erscheint ihm sachgerechter. Ein GdB von 30 für das Hüftgelenksleiden einschließlich des chronischen Schmerzsyndroms ist angemessen.

Die vom Beklagten als thorakolumbale Skoliose bezeichnete Funktionsstörung im Bereich der Wirbelsäule der Klägerin bedingt allenfalls einen GdB von 10. Nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. T. besteht insoweit keine radikuläre Ausfallsymptomatik und keine funktionelle Beeinträchtigung. Soweit Dr. T. in seinem Gutachten insoweit einen GdB von 30 annimmt, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige hat dies mit einer durch die Thorakolumbalskoliose bedingten mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Wirbelsäule mit funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten begründet. Gleichzeitig führt er aus, die Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule sei nicht wesentlich eingeschränkt. Von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (in zwei Wirbelsäulenabschnitten), die nach Teil B 18.9 der VG mit einem GdB von 30 zu bewerten wären, kann jedoch bei fehlenden Ausfallerscheinungen und im Wesentlichen uneingeschränkter Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule nicht die Rede sein. Vielmehr bestehen allenfalls geringe funktionelle Auswirkungen, die keinen höheren GdB als 10 bedingen. Auch die Sachverständige Dr. S. nimmt für die Thorakolumbalskoliose - unter zusätzlicher Nennung einer Facettengelenksarthrose LWS, einer Muskelinsuffizienz der Lendenwirbelsäule mit Verkürzung des Musculus psoas und Musculus quadratus lumborum - einen GdB von lediglich 10 an. Aufgrund der erhobenen Befunde ist ein höherer GdB nicht gerechtfertigt.

Hinzu kommen noch die zusätzlich zu berücksichtigenden psychovegetativen Störungen der Klägerin, die ebenfalls keinen höheren GdB als 10 bedingen. Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen - wie hier - sind nach Teil B 3.7 der VG mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Dr. R. hat in seinem neurologischen Gutachten vom 30.04.2009 ein reaktiv-depressives Syndrom diagnostiziert und hierfür einen GdB von 10 angenommen. Dieser Bewertung folgt der Senat. Er sieht keinen Anlass, den vorgegebenen Bewertungsspielraum voll nach oben (GdB 20) auszuschöpfen.

Entsprechendes gilt auch für die von Dr. R. in seinem Zusatzgutachten jeweils mit einem Teil-GdB von 10 bewertete Läsion des N. cutanaeus femoralis, den Attackenschwindel, die Migräne und den chronischen Spannungskopfschmerz. Soweit Dr. R. wegen diesen Funktionsstörungen einen GdB von 20 angenommen hat, erhöht dieser lediglich aus geringen, mit Teil-GdB-Werten von jeweils 10 gebildete Teil-GdB den Gesamt-GdB nicht.

Weitere Funktionsstörungen mit einem GdB von mindestens 10, insbesondere auf augenärztlichem und HNO-ärztlichem Gebiet, liegen bei der Klägerin nicht vor. Dies hat schon das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht ausgeführt, ohne dass sich die Klägerin hiergegen mit der Berufung gewandt hat. Die bei der Klägerin vorliegende Kurzsichtigkeit bedingt ebenso wenig einen GdB von mindestens 10 wie der ihr von dem HNO-Arzt Dr. E. am 26.05.2008 bescheinigte 16%ige Hörverlust und der zentral weitgehend kompensierte Tinnitus. Dr. E. ging hierbei zu Recht noch von einer Normalhörigkeit aus, so dass eine einen GdB von mindestens 10 bedingende Funktionsstörung zu verneinen ist.

Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 30. Bei Teil-GdB-Werten von höchstens 30 (Hüftgelenksleiden und chronisches Schmerzsyndrom), 10 (Skoliose) und 10 (psychovegetative Störungen) ist unter Berücksichtigung der Beurteilungsregel, wonach zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (Teil A 3d)ee) der VG), ein höherer Gesamt-GdB als 30 nicht gerechtfertigt.

Der medizinische Sachverhalt ist geklärt. Weiterer Ermittlungen bedarf es nicht.

Die Berufung der Klägerin ist auch insoweit unbegründet, als sie sich dagegen richtet, dass das SG die auf den Nachteilsausgleich G gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen hat. Es liegt nicht nur kein - eventuell im gerichtlichen Verfahren nachzuholendes - Vorverfahren vor, wie die Klägerin geltend macht, sondern es fehlt insoweit schon an einer Verwaltungsentscheidung des Beklagten. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.05.2006 ist die Feststellung des Nachteilsausgleiches G nicht abgelehnt worden. Die Klägerin hatte die Feststellung dieses Nachteilsausgleichs mit ihrem Neufeststellungsantrag vom Februar 2006 auch nicht beantragt. Im erstinstanzlichen Verfahren (Schriftsatz vom 25.03.2008) hat die Klägerin den Nachteilsausgleich G - und zwar mittels Klageerweiterung - erstmals geltend gemacht. Sie hat damit die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung dieses Nachteilsausgleichs beantragt, so bis heute kein Antrag nach dem SGB IX - wie erforderlich - gestellt worden ist. Dementsprechend hat der Beklagte hierüber auch noch keine Entscheidung getroffen, die gerichtlich anfechtbar wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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