Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 127/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 78/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. April 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin zur Wahl der Vertreterversammlung der Beklagten zuzulassen ist und entsprechend eine Urwahl durchzuführen ist.
Die F. , deren erster Listenvertreter der bevollmächtigte C. T. (Rechtsanwalt) und deren Stellvertreter Dr.K. H. (Tierarzt, Rentner, Philosoph) ist, wurde der Beklagten am 05.11.1998 vorgelegt. Beigefügt war die aus 878 Blättern bestehende Unterstützerliste. Sie enthält 4.006 jeweils auf der Anlage 4 SVWO geleistete Unterschriften. Nachdem die Rückseite der Anlage 4 leer war, führte die Beklagte eine stichprobenweise Umfrage bei Listenunterzeichnern durch, um aufzuklären, ob den Unterzeichnern die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen hatte. Der Wahlausschuss der Beklagten beschloss in seiner Sitzung am 30. Dezember 1998, die F. wegen Ungültigkeit zurückzuweisen (§ 23 Abs.2 Satz 1 Nr.4 und Satz 2 SVWO). Die Entscheidung wurde zum einen damit begründet, dass die Rückseite der Anlage 4 SVWO nicht vorgelegt wurde, wobei es sich um einen nicht mehr zu beseitigenden Formmangel handele. Außerdem wurde darauf hingewiesen, der Listenvertreter selbst habe eingeräumt, nicht allen Listenunterzeichnern habe die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen. Es sei, anders als das BayLSG im Jahr 1981 aufgrund anderer gesetzlicher Rahmenbedingungen ausgeführt hatte, jetzt nicht mehr ausreichend, dass nur Gelegenheit gegeben sei, die vollständige Liste einzusehen.
Das Sozialgericht München hatte zuvor mit Beschluss vom 17.12. 1998 den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen eines Wahlverstoßes abgelehnt. Der erkennende Senat hatte die Entscheidung im Beschluss vom 23.12.1998 (L 4 351/98 KR ER) bestätigt und ausgeführt, die Ermittlungen der Klägerin stellten keinen Rechtsverstoß dar.
Der Bevollmächtigte der Klägerin legte mit Schreiben vom 11.01. 1999 Beschwerde gegen den Beschluss des Wahlausschusses vom 30.12.1998 ein. Daraufhin fand am 19.01.1999 eine Sitzung des Landeswahlausschusses für die Sozialversicherungswahlen im Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit statt. Laut Niederschrift erklärte der Listenvertreter dort auf Befragen, die Initiative für die Freie Liste sei vom Ehepaar A. ausgegangen. Herr A. habe früher im kommunistischen Ungarn gelebt, dann 30 Jahre in der Schweiz. Er besitze die schweizer Staatsangehörigkeit, seine Frau auch die deutsche. Beide hätten gute Erfahrungen mit der in der Schweiz praktizierten Demokratie gemacht. Herr A. sei jetzt interessiert, die Demokratie in Deutschland zu vervollständigen. Ärzte, Zahnärzte und andere Organisationen, z.B. Sportvereine, Apotheker, hätten bei der Beschaffung der Unterschriften geholfen, außerdem natürlich die Kandidaten selbst. Die Kandidaten seien von dem Ehepaar A. benannt worden, vor allem aus deren Bekanntenkreis. Frau A. gab an, teilweise habe sie die Unterstützerlisten persönlich weitergegeben, teilweise verschickt. Die vollständige Kandidatenliste habe sie beigefügt. Auf die Frage des Vorsitzenden des Landeswahlausschusses, welche Unterlagen über die Beibringung der Unterschriften und dergleichen vorhanden seien, erklärte Herr A. , er sei nicht mehr bereit, weitere Auskünfte zu erteilen. Der Listenvertreter führte hierzu aus, er halte es nicht für zulässig, wenn der Landeswahlausschuss Ermittlungen dahingehend durchführen wolle, ob und inwieweit bei der Unterschriftsleistung die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen habe. Er halte das Nachschieben von Gründen für die Zurückweisung der Liste nicht für zulässig. Sein Stellvertreter ging davon aus, weitere Ermittlungen würden Verdachtsmomente voraussetzen. Da solche nicht bestünden, halte er weitere Ermittlungen für überflüssig.
Der Landeswahlausschuss hat die Beschwerde mit Beschluss vom 19.01.1999 zurückgewiesen. Die Vorschlagsliste sei nach § 23 Abs.2 Nr.4 SVWO ungültig, weil sich nicht nachweisen lasse, dass die Form des § 15 Abs.1 Satz 2 SVWO, wonach die nach § 48 Abs.2 SGB IV mindestens notwendigen 2.000 Unterschriften nach dem Muster der Anlage 4 beizubringen seien, gewahrt worden sei. Es lasse sich nicht feststellen, ob bei der Unterschriftensammlung jedem Listenunterzeichner die vollständige Vorschlagslis- te vorgelegt worden sei. Der Wahlausschuss gehe mit dem Bundeswahlbeauftragten und den Landeswahlbeauftragten davon aus, dass die Vorschlagsliste nicht schon deswegen ungültig wäre, wenn allein feststünde, dass als Unterstützungsliste nur die erste Seite, nicht auch die zweite Seite bzw. Rückseite des Musters der Anlage 4 SVWO verwendet worden wäre. Es bleibe jedoch zweifelhaft, ob mindestens für die notwendigen 2.000 Unterschrif- ten die Seite 2 bzw. Rückseite und, was entscheidend ist, die vollständige Vorschlagsliste jedem Unterzeichner unmittelbar vorgelegen haben. Da das für die Aktion maßgebende Ehepaar A. Auskünfte über die hierüber vorhandenen schriftlichen Unterlagen und über die Identität der eingeschalteten Sammler nicht mehr gebe und sich auch der Listenvertreter sowie sein Stellvertreter gegen weitere Ermittlungen wenden, trügen sie die Nachteile der nicht aufklärbaren Voraussetzungen des objektiven Wahlrechts. Es habe auch nicht ein Informationsmangel, verursacht durch die Beschwerdegegnerin vorgelegen.
Nachdem die Beigeladenen zu 2) und 3) eine gemeinsame Liste vorgelegt hatten, fand in der Wählergruppe der Versicherten keine Wahlhandlung statt. Der Wahlausschuss gab das Ergebnis am 03.02.1999 bekannt.
Am 02.03.1999 wurde Klage zum Sozialgericht München erhoben. Am 29.03.1999 (L 4 B 88/99 KR ER) wies der erkennende Senat die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 12.03.1999 zurück, mit dem festgestellt werden sollte, die Freie Liste sei zur Wahl zuzulassen. Am 22.07.1999 beantragte der Bundeswahlbeauftragte seine Beiladung und legte sein Schrei- ben an den AOK Bundesverband vom 20.11.1998 vor, worin er sei- ne Rechtsauffassung äußerte, dem Unterzeichner müsse nicht die Originalvorschlagsliste vorgelegt werden, es genüge die Vorlage einer Kopie. Den für den Unterstützer maßgebenden Hinweis, dass er Anspruch habe, in die vollständige Vorschlagsliste Einblick zu nehmen, könne er aus der Unterstützerliste entnehmen. Es sei nicht erforderlich, dass auf der Rückseite einer Unterstützerliste die Anmerkungen abgedruckt seien. Der Bundeswahlbeauftragte wurde mit Beschluss vom 04.04.2001 gemäß § 75 Abs.1 Satz 1 SGG beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26.04. 2001 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin, die Wahlentscheidung des Wahlausschusses der Beklagten zur Sozialwahl von 1999 vom 30.12.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Urwahl zur Sozialwahl 1999 durchzuführen, wobei für diese Urwahl die Klägerin als Freie Liste zuzulassen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom selben Tag abge- wiesen. Die Klage sei gemäß § 57 SGB IV i.V.m. § 131 Abs.4 SGG als Wahlanfechtungsklage zulässig, jedoch nicht begründet. Die Friedenswahl sei rechtmäßig, da sich nicht feststellen lasse, dass mindestens 2.000 Unterzeichnern der Freien Liste die vollständige Bewerberliste tatsächlich vorgelegen habe. Bei der Unterschriftensammlung sei dem Listenunterzeichner die vollständige Vorschlagsliste, auf der alle Bewerber und Listenvertreter mit Namen und Anschriften aufgeführt sind, vorzulegen. Die Nichteinhaltung dieser Formvorschrift ergebe sich für das Gericht aus der von der Beklagten durchgeführten Umfrage, deren Zulässigkeit das BayLSG in den vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestätigt habe. Die Klägerin trage die Feststellungslast hierfür, da sich nicht nachweisen lasse, ob mindestens 2.000 Unterzeichnern der Freien Liste die vollständige Bewerberliste tatsächlich vorgelegen habe.
Mit der hiergegen am 29.05.2001 eingelegten Berufung trägt der Bevollmächtigte der Klägerin vor, das Sozialgericht habe sich von einem formalistischen Beweisversuch der Beklagten beein- drucken lassen und dessen Ergebnis falsch interpretiert. Die Befragungsaktion sei unzulässig gewesen. Das Gericht habe sich auch über die in der Verhandlung geäußerte Ansicht des Vertreters des Bundeswahlbeauftragten hinweg gesetzt. Die Beklagte habe der Klägerin ein verfälschtes Formular zugeschickt. Die Rückseite des Formulars müsse nicht vorgelegt werden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.03.2002 gibt Dr.H. an, er habe die Ausgabe der Listen koordiniert und immer Wert darauf gelegt, dass die Listenverteiler angehalten wurden, die vollständige Vorschlagsliste bei der Unterschriftensammlung vorzulegen.
Der Klägerbevollmächtige beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.04.2001 und die Entscheidung des Wahlausschusses vom 30.12.1998 und die des Beschwerdeausschusses vom 19.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine unverzügliche Urwahl zur Sozialwahl 1999 durchzuführen und bei dieser Urwahl die Klägerin als "Freie Liste" zuzulassen.
Der Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung voll inhaltlich an und weist noch darauf hin, die Anmerkungen zu den Unterstützerlisten seien nach einhelliger Auffassung aller Wahlbeauftragten des Bundes und der Länder lediglich Handlungsanweisungen. Das Fehlen der Anmerkungen auf der Rückseite der Unterstützerliste sei unschädlich. Die Vorschlagslisten seien jedoch den Listenunterzeichnern vorzulegen. Der Unterzeichner sei jedoch nicht verpflichtet, Einsicht zu nehmen. Unterzeichne ein Unterstützer also die Unterstützerliste, so stehe fest, dass er entweder die Vorschlagsliste eingesehen hat oder hierauf zulässigerweise verzichtet hat. Er könne ohne weiteres, z.B. wenn die Vorschlagsliste nicht vorliegen würde, darauf verzichten, die Vorschlagsliste zu unterstützen. Die Frage, ob die Vorschlagsliste tatsächlich vorgelegen habe und eingesehen wurde, sei danach nicht mehr von Relevanz und insofern nachträglich erst recht nicht überprüfbar. Auf jeden Fall sei eine Hochrechnung oder sogar eine Umkehr der Feststellungslast unzulässig.
In der mündlichen Verhandlung stellt der Vertreter der Beigeladenen zu 1) keinen Antrag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung des Wahlausschusses sei bereits viermal überprüft worden, im Rahmen der nunmehr zum fünften Mal beantragten Überprüfung seien keinerlei neue Argumente vorgetragen worden. Die Kosten für eine Urwahl würden sich auf ca. 4 Millionen Euro belaufen.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) schließen sich dem Antrag der Beklagten an.
Dem Senat liegen die Unterlagen der Beklagten sowie die Akten des Sozialgericht München und die Beschluss- und Beschwerdeakten vor. Auf den Akteninhalt, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß § 143 SGG statthaft und bedarf nicht der Zulassung nach § 144 Abs.1 SGG.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zur Zulässigkeit der Klage hat das Sozialgericht richtig ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 57 SGB IV gegeben sind. Die Klägerin als Freie Liste im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 1 Nr.4 ist gemäß § 57 Abs.2 SGB IV berechtigt, die Wahl durch Klage anzufechten. Sie hat gegen die Entscheidung des Wahlausschusses Beschwerde eingelegt, so dass die Klage nicht wegen § 57 Abs.4 SGG unzulässig ist. Auch der allgemein geltende, höchstrichterlich bestätigte Wahlrechtsgrundsatz, dass eine Wahlanfechtung nicht auf Fehler gestützt werden kann, durch die das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden kann, steht einer Zulässigkeit der Wahlanfechtung nicht entgegen (s. hierzu Meyer, Kass. Komm. Anmerkung 9 zu § 57 SGB IV mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall würde eine Zulassung der Freien Liste das Wahlergebnis beeinflussen.
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass sowohl die Entscheidung des Beschwerdeausschusses der Beklagten wie die des Landeswahlausschusses, die Klägerin nicht zur Wahl zuzulassen, rechtmäßig sind. Die Liste ist ungültig gemäß § 23 Abs.2 Nr.4 i.V.m. § 15 Abs.1 Satz 4 der Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO) vom 20. Juli 1997 (BGBl.I S.1946). Nach § 23 SVWO hat der Wahlausschuss zu entscheiden, ob eine vor- gelegte Liste gültig ist. Ungültig ist eine Vorschlagsliste (§ 23 Abs.2 Satz 1 Ziff.4 SVWO), die nicht die Form des § 15 Abs.1 Satz 1, 2 und 4 SVWO wahrt. Nach § 15 Abs.1 Satz 2 muss die Unterstützerliste nach dem Muster der Anlage 4 beigebracht werden. Die Anlage 4 enthält bereits auf ihrer Vorderseite die Forderung, dass dem Unterstützer die vollständige Vorschlags- liste vorzulegen ist. Der Senat hat hierzu bereits mit Beschluss vom 29.03.1999 (L 4 B 88/99 KR ER) ausgeführt, dass wegen der Verweisung in § 15 Abs.1 Satz 2 SVWO auf die Anlage 4 der Wortlaut der Anlage 4 Inhalt des Normgebots des § 15 SVWO wird. Das bedeutet, für eine wirksame Unterschriftsleistung ist Voraussetzung, dass zur Zeit dieser Unterschrift dem Unterschreibenden die aktuelle Bewerberliste vollständig vorzulegen ist. Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundeswahlbeauftragen (jedenfalls bis November 1998). Von diesem Tag datiert nämlich dessen Schreiben an den AOK Bundesverband, worin er mitteilt, dem Listenunterzeichner sei bei der Unterschriftensammlung die vollständige Vorschlagsliste vorzulegen, was jedoch nicht das Original sein müsse. Es genü- ge die Vorlage einer Kopie. Wenn er jetzt im Schreiben vom 12.10.2001 an den Senat bereits aus der Tatsache der Unterschrift den Schluss zieht, dass der Unterstützer entweder die Vorschlagsliste eingesehen hat oder er zulässigerweise darauf verzichtet hat, kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Die Frage, ob die Vorschlagsliste tatsächlich vorgelegen hat, ist im Gegensatz dazu, ob sie auch eingesehen wurde, auch nach der Unterschriftleistung von Relevanz und vom Wahlausschuss überprüfbar. Die Überprüfungsberechtigung hat der Senat bereits 23.12.1998 (L 4 B 351/98 KR ER) bestätigt. Die von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen haben zu Zweifeln Anlass gegeben, ob den Unterzeichnenden die Liste tatsächlich vorgelegt wurde. Nach Auffassung des Senats wurden diese Zweifel durch die Befragung der Listenvertreter und des Ehepaars A. in der Sitzung des Landeswahlausschusses vom 19. Januar 1999 nicht ausgeräumt, sondern eher bestärkt. Frau A. kann nämlich lediglich bestätigen, sie habe die vollständige Kandidatenliste jeweils den Unterstützerlisten, die sie an die Sammler verteilt hat, beigefügt. Wie die Unterschriftensammler dann vorgegangen sind, ist offen und hätte angesichts des dringenden Verdachts eines Verstoßes gegen § 15 Abs.1 Satz 2 SVWO nachgeprüft werden müssen. Dieser Nachprüfung haben sich aber sowohl Herr und Frau A. wie die Listenvertreter vor dem Landeswahlausschuss widersetzt. Damit konnte der Landeswahlausschuss nicht von der Vorlage der Vorschlagsliste bei Unterschriftleistung von mindestens 2.000 Unterstützern ausgehen. Die rechtlichen Gründe, die die Listenvertreter gegen weitere Ermittlungen vorgebracht haben, sind nicht stichhaltig. Ermittlungen nach der Vorlage der vollständigen Vorschlagsliste ist nicht unzulässiges Nachschieben von Gründen. Zum einen hat bereits der Wahlausschuss der Beklagten auf die fehlende Vorlage hingewiesen, sie jedoch nicht mehr für relevant gehalten. Zum anderen ist, wie das BSG festgestellt hat (Urteil vom 06.02. 1991, SozR 3-2400 § 57 Nr.1) Streitgegenstand eines Wahlanfechtungsverfahrens die Einhaltung des objektiven Wahlrechts, nicht die Durchsetzung subjektiver Rechte. Die Klägerin hat somit die Folge der Nichtermittelbarkeit der Einhaltung formellen Rechts zu tragen.
Der Senat könnte auch zu keinem anderen Ergebnis kommen, wenn, wie im Urteil vom 25.11.1981 von ihm entschieden, auch nach der Neufassung der SVWO noch gelten sollte, dass es ausreicht, dass die Listenunterzeichner Gelegenheit hatten, die vollständige Vorschlagsliste einzusehen. Anders als im damals zu entscheidenden Fall kann nämlich jetzt nicht einmal davon ausgegangen werden, dass die vollständige Vorschlagsliste bei Ableistung der Unterschrift griffbereit war. Dass dies im Fall der Freien Liste in mindestens 2.000 Fällen so war, ist weder durch Angaben der Listenvertreter noch des die Liste initiierenden Ehepaares A. belegt. Im Übrigen sind deren Angaben widersprüchlich. Frau A. hat vor dem Landeswahlausschuss gesagt, sie habe sich um die Ausgabe der Listen gekümmert. Wenn nun der stv. Listenvertreter Dr.H. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angibt, er habe die Ausgabe der Listen koordiniert und die Listenverteiler zur Vorlage der vollständigen Vorschlagslisten angehalten, trägt dies zu den Zweifeln im Umgang mit den Listen bei.
Wahlausschuss und Landeswahlausschuss konnten bei dem bekannten Sachverhalt - eine weitere Aufklärung war nicht möglich - die Klägerin nicht zulassen. Auch der wirtschaftliche Aufwand einer Sozialversicherungswahl erfordert penible Einhaltung der gesetzlichen Regeln. Mit der darauf gerichteten Forderung des Wahlausschusses sind die bestehenden SVWO-Normen - und das hat der Senat zu prüfen - nicht verletzt worden.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
Da das Bundessozialgericht im gegen das Urteil vom 25.11.1991 anhängigen Revisionsverfahren ausdrücklich über die Vorlage der Listen nicht mehr entscheiden musste, lässt der Senat die Revision zu (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin zur Wahl der Vertreterversammlung der Beklagten zuzulassen ist und entsprechend eine Urwahl durchzuführen ist.
Die F. , deren erster Listenvertreter der bevollmächtigte C. T. (Rechtsanwalt) und deren Stellvertreter Dr.K. H. (Tierarzt, Rentner, Philosoph) ist, wurde der Beklagten am 05.11.1998 vorgelegt. Beigefügt war die aus 878 Blättern bestehende Unterstützerliste. Sie enthält 4.006 jeweils auf der Anlage 4 SVWO geleistete Unterschriften. Nachdem die Rückseite der Anlage 4 leer war, führte die Beklagte eine stichprobenweise Umfrage bei Listenunterzeichnern durch, um aufzuklären, ob den Unterzeichnern die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen hatte. Der Wahlausschuss der Beklagten beschloss in seiner Sitzung am 30. Dezember 1998, die F. wegen Ungültigkeit zurückzuweisen (§ 23 Abs.2 Satz 1 Nr.4 und Satz 2 SVWO). Die Entscheidung wurde zum einen damit begründet, dass die Rückseite der Anlage 4 SVWO nicht vorgelegt wurde, wobei es sich um einen nicht mehr zu beseitigenden Formmangel handele. Außerdem wurde darauf hingewiesen, der Listenvertreter selbst habe eingeräumt, nicht allen Listenunterzeichnern habe die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen. Es sei, anders als das BayLSG im Jahr 1981 aufgrund anderer gesetzlicher Rahmenbedingungen ausgeführt hatte, jetzt nicht mehr ausreichend, dass nur Gelegenheit gegeben sei, die vollständige Liste einzusehen.
Das Sozialgericht München hatte zuvor mit Beschluss vom 17.12. 1998 den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen eines Wahlverstoßes abgelehnt. Der erkennende Senat hatte die Entscheidung im Beschluss vom 23.12.1998 (L 4 351/98 KR ER) bestätigt und ausgeführt, die Ermittlungen der Klägerin stellten keinen Rechtsverstoß dar.
Der Bevollmächtigte der Klägerin legte mit Schreiben vom 11.01. 1999 Beschwerde gegen den Beschluss des Wahlausschusses vom 30.12.1998 ein. Daraufhin fand am 19.01.1999 eine Sitzung des Landeswahlausschusses für die Sozialversicherungswahlen im Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit statt. Laut Niederschrift erklärte der Listenvertreter dort auf Befragen, die Initiative für die Freie Liste sei vom Ehepaar A. ausgegangen. Herr A. habe früher im kommunistischen Ungarn gelebt, dann 30 Jahre in der Schweiz. Er besitze die schweizer Staatsangehörigkeit, seine Frau auch die deutsche. Beide hätten gute Erfahrungen mit der in der Schweiz praktizierten Demokratie gemacht. Herr A. sei jetzt interessiert, die Demokratie in Deutschland zu vervollständigen. Ärzte, Zahnärzte und andere Organisationen, z.B. Sportvereine, Apotheker, hätten bei der Beschaffung der Unterschriften geholfen, außerdem natürlich die Kandidaten selbst. Die Kandidaten seien von dem Ehepaar A. benannt worden, vor allem aus deren Bekanntenkreis. Frau A. gab an, teilweise habe sie die Unterstützerlisten persönlich weitergegeben, teilweise verschickt. Die vollständige Kandidatenliste habe sie beigefügt. Auf die Frage des Vorsitzenden des Landeswahlausschusses, welche Unterlagen über die Beibringung der Unterschriften und dergleichen vorhanden seien, erklärte Herr A. , er sei nicht mehr bereit, weitere Auskünfte zu erteilen. Der Listenvertreter führte hierzu aus, er halte es nicht für zulässig, wenn der Landeswahlausschuss Ermittlungen dahingehend durchführen wolle, ob und inwieweit bei der Unterschriftsleistung die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen habe. Er halte das Nachschieben von Gründen für die Zurückweisung der Liste nicht für zulässig. Sein Stellvertreter ging davon aus, weitere Ermittlungen würden Verdachtsmomente voraussetzen. Da solche nicht bestünden, halte er weitere Ermittlungen für überflüssig.
Der Landeswahlausschuss hat die Beschwerde mit Beschluss vom 19.01.1999 zurückgewiesen. Die Vorschlagsliste sei nach § 23 Abs.2 Nr.4 SVWO ungültig, weil sich nicht nachweisen lasse, dass die Form des § 15 Abs.1 Satz 2 SVWO, wonach die nach § 48 Abs.2 SGB IV mindestens notwendigen 2.000 Unterschriften nach dem Muster der Anlage 4 beizubringen seien, gewahrt worden sei. Es lasse sich nicht feststellen, ob bei der Unterschriftensammlung jedem Listenunterzeichner die vollständige Vorschlagslis- te vorgelegt worden sei. Der Wahlausschuss gehe mit dem Bundeswahlbeauftragten und den Landeswahlbeauftragten davon aus, dass die Vorschlagsliste nicht schon deswegen ungültig wäre, wenn allein feststünde, dass als Unterstützungsliste nur die erste Seite, nicht auch die zweite Seite bzw. Rückseite des Musters der Anlage 4 SVWO verwendet worden wäre. Es bleibe jedoch zweifelhaft, ob mindestens für die notwendigen 2.000 Unterschrif- ten die Seite 2 bzw. Rückseite und, was entscheidend ist, die vollständige Vorschlagsliste jedem Unterzeichner unmittelbar vorgelegen haben. Da das für die Aktion maßgebende Ehepaar A. Auskünfte über die hierüber vorhandenen schriftlichen Unterlagen und über die Identität der eingeschalteten Sammler nicht mehr gebe und sich auch der Listenvertreter sowie sein Stellvertreter gegen weitere Ermittlungen wenden, trügen sie die Nachteile der nicht aufklärbaren Voraussetzungen des objektiven Wahlrechts. Es habe auch nicht ein Informationsmangel, verursacht durch die Beschwerdegegnerin vorgelegen.
Nachdem die Beigeladenen zu 2) und 3) eine gemeinsame Liste vorgelegt hatten, fand in der Wählergruppe der Versicherten keine Wahlhandlung statt. Der Wahlausschuss gab das Ergebnis am 03.02.1999 bekannt.
Am 02.03.1999 wurde Klage zum Sozialgericht München erhoben. Am 29.03.1999 (L 4 B 88/99 KR ER) wies der erkennende Senat die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 12.03.1999 zurück, mit dem festgestellt werden sollte, die Freie Liste sei zur Wahl zuzulassen. Am 22.07.1999 beantragte der Bundeswahlbeauftragte seine Beiladung und legte sein Schrei- ben an den AOK Bundesverband vom 20.11.1998 vor, worin er sei- ne Rechtsauffassung äußerte, dem Unterzeichner müsse nicht die Originalvorschlagsliste vorgelegt werden, es genüge die Vorlage einer Kopie. Den für den Unterstützer maßgebenden Hinweis, dass er Anspruch habe, in die vollständige Vorschlagsliste Einblick zu nehmen, könne er aus der Unterstützerliste entnehmen. Es sei nicht erforderlich, dass auf der Rückseite einer Unterstützerliste die Anmerkungen abgedruckt seien. Der Bundeswahlbeauftragte wurde mit Beschluss vom 04.04.2001 gemäß § 75 Abs.1 Satz 1 SGG beigeladen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26.04. 2001 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin, die Wahlentscheidung des Wahlausschusses der Beklagten zur Sozialwahl von 1999 vom 30.12.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Urwahl zur Sozialwahl 1999 durchzuführen, wobei für diese Urwahl die Klägerin als Freie Liste zuzulassen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom selben Tag abge- wiesen. Die Klage sei gemäß § 57 SGB IV i.V.m. § 131 Abs.4 SGG als Wahlanfechtungsklage zulässig, jedoch nicht begründet. Die Friedenswahl sei rechtmäßig, da sich nicht feststellen lasse, dass mindestens 2.000 Unterzeichnern der Freien Liste die vollständige Bewerberliste tatsächlich vorgelegen habe. Bei der Unterschriftensammlung sei dem Listenunterzeichner die vollständige Vorschlagsliste, auf der alle Bewerber und Listenvertreter mit Namen und Anschriften aufgeführt sind, vorzulegen. Die Nichteinhaltung dieser Formvorschrift ergebe sich für das Gericht aus der von der Beklagten durchgeführten Umfrage, deren Zulässigkeit das BayLSG in den vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestätigt habe. Die Klägerin trage die Feststellungslast hierfür, da sich nicht nachweisen lasse, ob mindestens 2.000 Unterzeichnern der Freien Liste die vollständige Bewerberliste tatsächlich vorgelegen habe.
Mit der hiergegen am 29.05.2001 eingelegten Berufung trägt der Bevollmächtigte der Klägerin vor, das Sozialgericht habe sich von einem formalistischen Beweisversuch der Beklagten beein- drucken lassen und dessen Ergebnis falsch interpretiert. Die Befragungsaktion sei unzulässig gewesen. Das Gericht habe sich auch über die in der Verhandlung geäußerte Ansicht des Vertreters des Bundeswahlbeauftragten hinweg gesetzt. Die Beklagte habe der Klägerin ein verfälschtes Formular zugeschickt. Die Rückseite des Formulars müsse nicht vorgelegt werden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.03.2002 gibt Dr.H. an, er habe die Ausgabe der Listen koordiniert und immer Wert darauf gelegt, dass die Listenverteiler angehalten wurden, die vollständige Vorschlagsliste bei der Unterschriftensammlung vorzulegen.
Der Klägerbevollmächtige beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.04.2001 und die Entscheidung des Wahlausschusses vom 30.12.1998 und die des Beschwerdeausschusses vom 19.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine unverzügliche Urwahl zur Sozialwahl 1999 durchzuführen und bei dieser Urwahl die Klägerin als "Freie Liste" zuzulassen.
Der Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung voll inhaltlich an und weist noch darauf hin, die Anmerkungen zu den Unterstützerlisten seien nach einhelliger Auffassung aller Wahlbeauftragten des Bundes und der Länder lediglich Handlungsanweisungen. Das Fehlen der Anmerkungen auf der Rückseite der Unterstützerliste sei unschädlich. Die Vorschlagslisten seien jedoch den Listenunterzeichnern vorzulegen. Der Unterzeichner sei jedoch nicht verpflichtet, Einsicht zu nehmen. Unterzeichne ein Unterstützer also die Unterstützerliste, so stehe fest, dass er entweder die Vorschlagsliste eingesehen hat oder hierauf zulässigerweise verzichtet hat. Er könne ohne weiteres, z.B. wenn die Vorschlagsliste nicht vorliegen würde, darauf verzichten, die Vorschlagsliste zu unterstützen. Die Frage, ob die Vorschlagsliste tatsächlich vorgelegen habe und eingesehen wurde, sei danach nicht mehr von Relevanz und insofern nachträglich erst recht nicht überprüfbar. Auf jeden Fall sei eine Hochrechnung oder sogar eine Umkehr der Feststellungslast unzulässig.
In der mündlichen Verhandlung stellt der Vertreter der Beigeladenen zu 1) keinen Antrag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung des Wahlausschusses sei bereits viermal überprüft worden, im Rahmen der nunmehr zum fünften Mal beantragten Überprüfung seien keinerlei neue Argumente vorgetragen worden. Die Kosten für eine Urwahl würden sich auf ca. 4 Millionen Euro belaufen.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) schließen sich dem Antrag der Beklagten an.
Dem Senat liegen die Unterlagen der Beklagten sowie die Akten des Sozialgericht München und die Beschluss- und Beschwerdeakten vor. Auf den Akteninhalt, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß § 143 SGG statthaft und bedarf nicht der Zulassung nach § 144 Abs.1 SGG.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zur Zulässigkeit der Klage hat das Sozialgericht richtig ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 57 SGB IV gegeben sind. Die Klägerin als Freie Liste im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 1 Nr.4 ist gemäß § 57 Abs.2 SGB IV berechtigt, die Wahl durch Klage anzufechten. Sie hat gegen die Entscheidung des Wahlausschusses Beschwerde eingelegt, so dass die Klage nicht wegen § 57 Abs.4 SGG unzulässig ist. Auch der allgemein geltende, höchstrichterlich bestätigte Wahlrechtsgrundsatz, dass eine Wahlanfechtung nicht auf Fehler gestützt werden kann, durch die das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden kann, steht einer Zulässigkeit der Wahlanfechtung nicht entgegen (s. hierzu Meyer, Kass. Komm. Anmerkung 9 zu § 57 SGB IV mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall würde eine Zulassung der Freien Liste das Wahlergebnis beeinflussen.
Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass sowohl die Entscheidung des Beschwerdeausschusses der Beklagten wie die des Landeswahlausschusses, die Klägerin nicht zur Wahl zuzulassen, rechtmäßig sind. Die Liste ist ungültig gemäß § 23 Abs.2 Nr.4 i.V.m. § 15 Abs.1 Satz 4 der Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO) vom 20. Juli 1997 (BGBl.I S.1946). Nach § 23 SVWO hat der Wahlausschuss zu entscheiden, ob eine vor- gelegte Liste gültig ist. Ungültig ist eine Vorschlagsliste (§ 23 Abs.2 Satz 1 Ziff.4 SVWO), die nicht die Form des § 15 Abs.1 Satz 1, 2 und 4 SVWO wahrt. Nach § 15 Abs.1 Satz 2 muss die Unterstützerliste nach dem Muster der Anlage 4 beigebracht werden. Die Anlage 4 enthält bereits auf ihrer Vorderseite die Forderung, dass dem Unterstützer die vollständige Vorschlags- liste vorzulegen ist. Der Senat hat hierzu bereits mit Beschluss vom 29.03.1999 (L 4 B 88/99 KR ER) ausgeführt, dass wegen der Verweisung in § 15 Abs.1 Satz 2 SVWO auf die Anlage 4 der Wortlaut der Anlage 4 Inhalt des Normgebots des § 15 SVWO wird. Das bedeutet, für eine wirksame Unterschriftsleistung ist Voraussetzung, dass zur Zeit dieser Unterschrift dem Unterschreibenden die aktuelle Bewerberliste vollständig vorzulegen ist. Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Bundeswahlbeauftragen (jedenfalls bis November 1998). Von diesem Tag datiert nämlich dessen Schreiben an den AOK Bundesverband, worin er mitteilt, dem Listenunterzeichner sei bei der Unterschriftensammlung die vollständige Vorschlagsliste vorzulegen, was jedoch nicht das Original sein müsse. Es genü- ge die Vorlage einer Kopie. Wenn er jetzt im Schreiben vom 12.10.2001 an den Senat bereits aus der Tatsache der Unterschrift den Schluss zieht, dass der Unterstützer entweder die Vorschlagsliste eingesehen hat oder er zulässigerweise darauf verzichtet hat, kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Die Frage, ob die Vorschlagsliste tatsächlich vorgelegen hat, ist im Gegensatz dazu, ob sie auch eingesehen wurde, auch nach der Unterschriftleistung von Relevanz und vom Wahlausschuss überprüfbar. Die Überprüfungsberechtigung hat der Senat bereits 23.12.1998 (L 4 B 351/98 KR ER) bestätigt. Die von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen haben zu Zweifeln Anlass gegeben, ob den Unterzeichnenden die Liste tatsächlich vorgelegt wurde. Nach Auffassung des Senats wurden diese Zweifel durch die Befragung der Listenvertreter und des Ehepaars A. in der Sitzung des Landeswahlausschusses vom 19. Januar 1999 nicht ausgeräumt, sondern eher bestärkt. Frau A. kann nämlich lediglich bestätigen, sie habe die vollständige Kandidatenliste jeweils den Unterstützerlisten, die sie an die Sammler verteilt hat, beigefügt. Wie die Unterschriftensammler dann vorgegangen sind, ist offen und hätte angesichts des dringenden Verdachts eines Verstoßes gegen § 15 Abs.1 Satz 2 SVWO nachgeprüft werden müssen. Dieser Nachprüfung haben sich aber sowohl Herr und Frau A. wie die Listenvertreter vor dem Landeswahlausschuss widersetzt. Damit konnte der Landeswahlausschuss nicht von der Vorlage der Vorschlagsliste bei Unterschriftleistung von mindestens 2.000 Unterstützern ausgehen. Die rechtlichen Gründe, die die Listenvertreter gegen weitere Ermittlungen vorgebracht haben, sind nicht stichhaltig. Ermittlungen nach der Vorlage der vollständigen Vorschlagsliste ist nicht unzulässiges Nachschieben von Gründen. Zum einen hat bereits der Wahlausschuss der Beklagten auf die fehlende Vorlage hingewiesen, sie jedoch nicht mehr für relevant gehalten. Zum anderen ist, wie das BSG festgestellt hat (Urteil vom 06.02. 1991, SozR 3-2400 § 57 Nr.1) Streitgegenstand eines Wahlanfechtungsverfahrens die Einhaltung des objektiven Wahlrechts, nicht die Durchsetzung subjektiver Rechte. Die Klägerin hat somit die Folge der Nichtermittelbarkeit der Einhaltung formellen Rechts zu tragen.
Der Senat könnte auch zu keinem anderen Ergebnis kommen, wenn, wie im Urteil vom 25.11.1981 von ihm entschieden, auch nach der Neufassung der SVWO noch gelten sollte, dass es ausreicht, dass die Listenunterzeichner Gelegenheit hatten, die vollständige Vorschlagsliste einzusehen. Anders als im damals zu entscheidenden Fall kann nämlich jetzt nicht einmal davon ausgegangen werden, dass die vollständige Vorschlagsliste bei Ableistung der Unterschrift griffbereit war. Dass dies im Fall der Freien Liste in mindestens 2.000 Fällen so war, ist weder durch Angaben der Listenvertreter noch des die Liste initiierenden Ehepaares A. belegt. Im Übrigen sind deren Angaben widersprüchlich. Frau A. hat vor dem Landeswahlausschuss gesagt, sie habe sich um die Ausgabe der Listen gekümmert. Wenn nun der stv. Listenvertreter Dr.H. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angibt, er habe die Ausgabe der Listen koordiniert und die Listenverteiler zur Vorlage der vollständigen Vorschlagslisten angehalten, trägt dies zu den Zweifeln im Umgang mit den Listen bei.
Wahlausschuss und Landeswahlausschuss konnten bei dem bekannten Sachverhalt - eine weitere Aufklärung war nicht möglich - die Klägerin nicht zulassen. Auch der wirtschaftliche Aufwand einer Sozialversicherungswahl erfordert penible Einhaltung der gesetzlichen Regeln. Mit der darauf gerichteten Forderung des Wahlausschusses sind die bestehenden SVWO-Normen - und das hat der Senat zu prüfen - nicht verletzt worden.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
Da das Bundessozialgericht im gegen das Urteil vom 25.11.1991 anhängigen Revisionsverfahren ausdrücklich über die Vorlage der Listen nicht mehr entscheiden musste, lässt der Senat die Revision zu (§ 160 Abs.2 Nr.1 SGG).
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