Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 756/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 81/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 08.03.2001 und des Bescheides vom 06.04.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.1999 verurteilt, den Klägern zu 1) und 2) die Kosten des Arzneimittels Herceptin in Höhe von 9.600,- DM (= 4.896 Euro) zu erstatten.
II. Die Beklagte hat den Klägern zu 1) und 2) die außergerichtlichen Kosten der Berufung in voller Höhe und des Klageverfahrens zur Hälfte zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für das Medikament Herceptin in Höhe von 9.600,- DM (= 4.896 Euro).
Die am 1932 geborene Versicherte, die an einem metastassierenden Mamma-Karzinom litt, befand sich deswegen im Mai und Juni 1998 in stationärer Behandlung. Sie verstarb am 18.04.1999 und wurde von den Klägern zu 1) und 2) aufgrund des Testamentes vom 01.04.1990 zu gleichen Teilen beerbt.
Sie unterzog sich ab Mai 1998 einer Hyperthermiebehandlung und beantragte am 25.06.1998 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Hyperthermiebehandlung und während der stationären Behandlung verordneter Arzneimittel. Mit Schreiben vom 09.07. 1998 lehnte die Beklagte Kostenübernahme für die ambulante Hyperthermiebehandlung ab.
Die Ärztin Dr.S. aus der vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis Dres.D. beantragte mit Schreiben vom 08.12. 1998 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Therapie des Mamma-Karzinom mit dem monoklonalen Antikörper HER-II (Herceptin); das Medikament solle schnellstmöglich in mehreren Behandlungsabschnitten an vier aufeinanderfolgenden Wochen als Infusion eingesetzt werden.
Die Beklagte wies die Ärztin mit dem Schreiben vom 05.01.1999, unter Bezugnahme auf diese Anfrage, von dem die Versicherte einen Durchschlag erhalten hatte, darauf hin, dass im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung bei entsprechender medizinischer Indikation und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nur solche Arzneimittel verordnet werden könnten, die vom Bundesgesundheitsamt zugelassen oder registriert seien. Nach dem Arzneimittelgesetz könnten in Einzelfällen Arzneimittel, die im Herkunftsland zugelassen seien und vertrieben werden dürften, auf Einzelverordnung in die Bundesrepublik Deutschland importiert werden. Diese Voraussetzungen lägen für das Arzneimittel vor. Nach einem weiteren Hinweis auf die Risiken des Einsatzes ausländischer Arzneimittel führte die Beklagte noch Folgendes aus:"Ob im Einzelfall ein ausländisches Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung zum Einsatz kommen soll, entscheidet der behandelnde Vertragsarzt nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen. Eine gesonderte Genehmigung durch die Krankenkasse ist nicht erforderlich." Die Gemeinschaftspraxis Dr.D. erstellte am 05.01.1999 und am 13.01.1999 jeweils eine privatärztliche Verordnung für das Medikament Herceptin. Die Kosten für das Rezept vom 05.01.1999 beliefen sich auf 4.700,- DM und für das Rezept vom 13.01.1999 auf 4.900,-DM. Die Arzneimittel wurden bei einer Apotheke in N. beschafft, das Rezept vom 13.01.1999 trägt den Stempel der Apotheke 19.01.1999; das Rezept vom 05.01.1999 trägt lediglich den Stempel der Apotheke ohne Datum.
Mit Schreiben vom 08.03.1999 teilte Dr.S. der Beklagten mit, dass die Therapie mit Herceptin durchgeführt worden sei und bat die Beklagte, die Kosten in vollem Umfang zu übernehmen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.04.1999 die Kostenübernahme mit der Begründung ab, das Medikament Herceptin sei derzeit nur in den USA zugelassen; es dürfe daher im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu Lasten der Kasse verordnet werden.
Die Versicherte erteilte am 10.04.1999 den Klägern zu 1) und 2) eine notarielle Generalvollmacht zur Besorgung aller persönlichen, rechtlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, auch für die unbeschränkte gerichtliche und außergerichtliche Vertretung über ihren Tod hinaus.
Dr.S. beantragte mit Schreiben vom 05.07.1999 bei der Beklagten ein weiteres Mal die Kostenübernahme für die Infusionstherapie mit Herceptin. Die Klägerin zu 1) legte am 12.07. 1999 unter anderem gegen die Ablehnung der Kostenübernahme Widerspruch ein.
Der von der Beklagten gehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Gutachter Dr.S.) kam in der Stellungnahme vom 13.07.1999 zu dem Ergebnis, Herceptin könne zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn eine immunhistochemische Untersuchung vorliege; diese Untersuchung sei bei der Versicherten nicht vorgenommen worden.
Der Kläger zu 2) schloss sich am 10.10.1999 dem Widerspruchs- verfahren an. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.1999 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.04.1999 mit der Begründung zurück, Herceptin sei ein nicht zugelassenes Fertigarzneimittel. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfe ein Arzneimittel, dessen erforderliche Zulassung versagt worden sei, grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden.
Die Kläger zu 1) und 2) haben am 14.12.1999 beim Sozialgericht München (SG) Klage auf Erstattung der Kosten für das Präparat Herceptin erhoben und eine gutachtliche Stellungnahme des Herstellers G. , Inc. (San Francisco, Ca.) über die Anwendung und Wirksamkeit des Präparats vorgelegt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat dem SG mit Schreiben vom 30.01.2001 mitgeteilt, dass das Arzneimittel Herceptin (Hersteller H. AG) seit dem 28.08.2000 EU-weit zugelassen ist.
Das SG hat mit Urteil vom 08.03.2001 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung sowie des Arzneimittels Herceptin. Das Medikament sei vor dem 28.08. 2000 in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen gewesen. Ein Arzneimittel, das zulassungspflichtig ist, sei ohne Zulassung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger zu 1) und 2) vom 03.04.2001, mit der sie geltend machen, es habe bei der Versicherten ein Notfall vorgelegen und die Beklagte habe die Übernahme der Kosten für das Arzneimittel Herceptin zugesagt. Die Beklagte hat im Erörterungstermin vom 17.01.2002 eine Kostenübernahme erneut abgelehnt und die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat mit Beschluss vom 05.02.2002 die Streitsache, soweit sie die Kostenerstattung der Hyperthermie-Behandlung betrifft, abgetrennt und unter einem neuen Aktenzeichen fortgeführt; die Kläger haben nach Ermittlung des Senats über die wissenschaftliche Anerkennung dieser Therapiemethode, die noch nicht vorliegt, die Berufung zurückgenommen.
Die Kläger zu 1) und 2) beantragen sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 08.03.2001 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 06.04.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.1999 zu verurteilen, die Kosten des Arzneimittels Herceptin in Höhe von 9.700,- DM (= 4.946 Euro) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, sie habe in ihrem Schreiben vom 05.01.1999 kein verbindliches Versprechen abgegeben, bei einem Antrag auf Kostenübernahme einen positiven Bescheid zu erlassen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebenden Betrag von 1.000,- DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.). Der Senat konnte mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 SGG).
Die Berufung ist auch begründet; das angefochtene Urteil ist abzuändern, da es bezüglich der hier streitigen Kostenübernahme für Arzneimittel einen Anspruch der Kläger zu 1) und 2) zu Unrecht verneint hat. Denn die Beklagte ist aufgrund der am 05.01.1999 gegebenen Zusicherung zur Übernahme der Kosten des Arzneimittels Herceptin verpflichtet gewesen. Da die Versicherte sich das Medikament auf eigene Kosten beschafft hat, geht der Anspruch auf Erstattung dieser Kosten (§ 34 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X - SGB X).
Inhaber dieses Anspruchs auf eine einmalige Leistung sind die Kläger zu 1) und 2) als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Tode der Versicherten. Sie sind kraft testamentarischer Verfügung der Versicherten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Inhaber der Forderung geworden (§§ 1922, 2039, 2064 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 58 Sozialgesetzbuch I -SGB I-).
Durch die Zusage ist die Beklagte verpflichtet worden, einen bestimmten Verwaltungsakt, d.h. hier die Kostenerstattung der beiden privatärztlichen Verordnungen des Arzneimittels Herceptin, vorzunehmen. Nach der Legaldefinition des § 34 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ist die Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte schriftliche Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Ein praktisches Bedürfnis für die Erteilung einer Zusicherung besteht nicht nur bei Verwaltungsakten, die im Ermessen der Behörde stehen, oder bei denen der Behörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, sondern auch in der gebundenen Verwaltung. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in zahlreichen Fällen für Recht erkannt, dass bei außervertraglichen Leistungen die Versicherten vor Beschaffung der Leistung mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten haben. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 Nr.15; BSG vom 16.12.1993 SozR 3-2500, § 12 Nr.4). Die Versicherte und deren behandelnde Ärztin haben sich insofern richtig verhalten, als sie mit den Schreiben vom 25.06.1998 und insbesondere vom 08.12.1998 die Beklagte um Zustimmung zu der damals noch außervertraglichen Therapie mit dem Arzneimittel Herceptin gebeten haben.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ihr Schreiben vom 05.01.1999 eine verbindliche Zusicherung und nicht lediglich eine Aufklärung, Beratung oder Auskunft (§§ 13, 14, 15 SGB I). Die Zusicherung unterscheidet sich von diesen Formen des Verwaltungshandelns durch ihren Inhalt und ihre Wirkung. Zwar geht der Beratung und Auskunft gleichfalls ein entsprechendes Begehren des Bürgers voraus. Die Auskunft ist aber nur eine unverbindliche Wissensmitteilung bezüglich Sach- bzw. Rechtsfragen. Der Beratung fehlt es an dem Willen, eine Rechtsfolge zu setzen (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 34 Rn.6 m.w.N. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung).
Eine Zusicherung hat vielmehr die Aufgabe, dem Adressaten als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Verwaltungsaktes Gewissheit zu verschaffen (BSG SozR 2200 § 1237 Nr.10; BSGE 56, 249; BSGE 61, 123). Die Zusicherung ist somit eine Selbstverpflichtung der Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen. Die Auslegung, ob ein Verwaltungsakt erlassen werden soll und mit welchem Inhalt, richtet sich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen. Hierbei ist § 133 BGB entsprechend heranzuziehen (BSG vom 13.03.1975, SozR 2200 § 1409 Nr.2).
Bei der Auslegung ist das gesamte Verhalten des Erklärenden zu berücksichtigen. Neben dem Erklärungswortlaut kommt es auch auf die Begleitumstände, insbesondere den Zweck der Erklärung an. Das danach maßgebende Gesamtverhalten des Erklärenden ist vom Standpunkt dessen zu bewerten, für den die Erklärung bestimmt ist (Empfängerhorizont). Maßgebend ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deren innerer, sondern der erklärte Wille, wie ihn bei objektiver Würdigung die Empfänger, d.h. hier die Versicherte und deren behandelnde Ärztin, verstehen konnten (BSG a.a.O.; BSG vom 01.03.1979 BSGE 48, 56). Es ist also nicht darauf abzustellen, was die Beklagte mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern wie die Empfänger des Schreibens vom 05.01.1999 die Erklärung verstehen durften (BSG vom 08.12.1993 SozR 3-1300 § 34 Nr.2).
Diesen Grundsätzen hat sich auch die neueste Rechtsprechung des BSG angeschlossen (Urteil vom 11.07.2000 SozR 3-1300 § 39 Nr.7). Danach ist die in einer Zusicherung, die ein Verwaltungsakt ist, erforderliche Regelungswirkung darin zu sehen, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage durch eine verbindliche Feststellung geklärt werden soll. Eine Regelung ist anzunehmen, wenn durch die Äußerung der Behörde Meinungsverschiedenheiten oder Unklarheiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses oder einzelner Rechte oder Pflichten daraus beseitigt werden sollen. So liegt der Fall hier.
Die Versicherte und deren Ärztin durften aufgrund des Schreibens vom 05.01.1999 davon ausgehen, dass die Beklagte nach einer entsprechenden Verordnung ohne Weiteres die Kosten für das Arzneimittel Herceptin übernehmen würde. Denn dieses Schreiben bezieht sich auf einen konkreten Sachverhalt; es ist die Antwort auf die Anfrage der Versicherten bzw. deren Ärztin auf Kostenübernahme für eine monoklonale Antikörper HER-II-Therapie vom 08.12.1998 gewesen. Denn im Betreff des Schreibens vom 05.01.1999 wird exakt auf die Anfrage der Ärztin Dr.S. vom 08.12.1998 bezüglich der Kostenübernahme für Herceptin verwiesen. Das Schreiben der Beklagten hatte auch eine erhebliche Bedeutung für die Fortsetzung der Therapie der damals schon schwer kranken Versicherten und deren finanzieller Dispositionen. Die Adressaten des Schreibens konnten also den Inhalt der Zusicherung nur so verstehen, dass sie ausnahmsweise berechtigt waren, ein damals noch nicht vom Bundesgesundheitsamt zugelassenens Arzneimittel auf Kosten der Beklagten einzusetzen. Zu berücksichtigen ist schließlich auch der Umstand, dass aufgrund der schweren Erkrankung der Versicherten - sie ist ungefähr drei Monate nach Erhalt der Zusicherung verstorben - die Therapie mit Herceptin nach Auffassung der Ärztin der letzte Versuch einer lebensrettenden Maßnahme war. Sie hat in ihrer Anfrage vom 08.12.1998 auf die Dringlichkeit der Behandlung mit Herceptin hingewiesen. Da die Beklagte zur Erteilung der Zusicherung zuständig gewesen und die Schriftform eingehalten worden ist, ist sie für die Beklagte verbindlich. Offensichtlich ist die Beklagte damals selbst von der Wirksamkeit der Zusage ausgegangen; anderenfalls wäre der Bescheid vom 06.04.1999, mit dem sie die Kostenübernahme für das Medikament Herceptin anschließend abgelehnt hat, aus ihrer Sicht nicht erforderlich gewesen.
In diesem Bescheid liegt jedoch nicht eine rechtswirksame Rücknahme der Zusicherung (§ 34 Abs.2 i.V.m. § 45 SGB X). Nach § 34 Abs.2 SGB X finden auf die Rücknahme der Zusicherung §§ 44 und 45 SGB X entsprechende Anwendung. Es ist hier von § 45 SGB X auszugehen, da die Zusicherung ein begünstigender, jedoch rechtswidriger Verwaltungsakt gewesen ist. Denn zulassungsplichtige Arzneimittel dürfen in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur verordnet werden, wenn sie im Zeitpunkt der Verordnung zugelassen sind. Sie dürfen also nicht verordnet werden, wenn im Sinne des Arzneimittelgesetzes die Zulassung zum Verkehr förmlich versagt worden ist (BSG vom 08.06.1993 BSGE 72, 252) oder wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde oder weil der Hersteller die Zulassung überhaupt nicht beantragt hat (BSG vom 23.07.1998 BSGE 82, 233). § 45 SGB X erlaubt jedoch die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur unter Beachtung der Regelung des Vertrauenschutzes (§ 45 Abs.2 SGB X). Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Im vorliegenden Fall hat die Versicherte aufgrund der Zusicherung alsbald nach der Erstellung der beiden privatärztlichen Verordnungen die Medikamente auf eigene Kosten beschafft, und diese wurden in Form von Infusionen zur Therapie eingesetzt. Damit steht der Vertrauensschutz wegen der Vermögensdispositionen bezüglich einer einmaligen Leistung der Rücknahme der Zusicherung entgegen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die das Berufen auf den Vertrauensschutz ausschließen (§ 45 Abs.2 Satz 3 SGB X).
Ebensowenig greift § 34 Abs.3 SGB X ein, der die Bindung an die Zusicherung wegfallen lässt, wenn sich nachträglich die konkrete Sach- oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis dieser Umstände die Zusicherung nicht abgegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte abgeben dürfen. Da die Änderung nach Abgabe der Zusicherung eingetreten sein muss, liegt ein Fall des § 34 Abs.3 SGB X nicht vor, wenn die Behörde sich bei Erteilung der Zusicherung irrt und dies später bemerkt. Auch die Tatsache, dass das Arzneimittel Herceptin am 28.08.2000 in den Staaten der EU zugelassen war, fällt nicht unter § 34 Abs.3 SGB X; denn ab diesem Zeitpunkt unterlag das Arzneimittel der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 31 SGB V).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Der Senat weist die Beklagte abschließend noch darauf hin, dass sie auf der Grundlage der Regelung des § 119 SGG verpflichtet ist, die Akten, soweit sie den zu entscheidenden Fall betreffen, geordnet und vollständig vorzulegen. Mit dieser Verpflichtung ist es nicht zu vereinbaren, wenn, wie im vorliegenden Fall, die prozessentscheidende Zusicherung sich nicht in den Kassenakten befindet, sondern erst von den Klägern zu 1) und 2) dem SG vorgelegt werden musste.
II. Die Beklagte hat den Klägern zu 1) und 2) die außergerichtlichen Kosten der Berufung in voller Höhe und des Klageverfahrens zur Hälfte zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für das Medikament Herceptin in Höhe von 9.600,- DM (= 4.896 Euro).
Die am 1932 geborene Versicherte, die an einem metastassierenden Mamma-Karzinom litt, befand sich deswegen im Mai und Juni 1998 in stationärer Behandlung. Sie verstarb am 18.04.1999 und wurde von den Klägern zu 1) und 2) aufgrund des Testamentes vom 01.04.1990 zu gleichen Teilen beerbt.
Sie unterzog sich ab Mai 1998 einer Hyperthermiebehandlung und beantragte am 25.06.1998 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Hyperthermiebehandlung und während der stationären Behandlung verordneter Arzneimittel. Mit Schreiben vom 09.07. 1998 lehnte die Beklagte Kostenübernahme für die ambulante Hyperthermiebehandlung ab.
Die Ärztin Dr.S. aus der vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis Dres.D. beantragte mit Schreiben vom 08.12. 1998 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Therapie des Mamma-Karzinom mit dem monoklonalen Antikörper HER-II (Herceptin); das Medikament solle schnellstmöglich in mehreren Behandlungsabschnitten an vier aufeinanderfolgenden Wochen als Infusion eingesetzt werden.
Die Beklagte wies die Ärztin mit dem Schreiben vom 05.01.1999, unter Bezugnahme auf diese Anfrage, von dem die Versicherte einen Durchschlag erhalten hatte, darauf hin, dass im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung bei entsprechender medizinischer Indikation und unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nur solche Arzneimittel verordnet werden könnten, die vom Bundesgesundheitsamt zugelassen oder registriert seien. Nach dem Arzneimittelgesetz könnten in Einzelfällen Arzneimittel, die im Herkunftsland zugelassen seien und vertrieben werden dürften, auf Einzelverordnung in die Bundesrepublik Deutschland importiert werden. Diese Voraussetzungen lägen für das Arzneimittel vor. Nach einem weiteren Hinweis auf die Risiken des Einsatzes ausländischer Arzneimittel führte die Beklagte noch Folgendes aus:"Ob im Einzelfall ein ausländisches Arzneimittel im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung zum Einsatz kommen soll, entscheidet der behandelnde Vertragsarzt nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen. Eine gesonderte Genehmigung durch die Krankenkasse ist nicht erforderlich." Die Gemeinschaftspraxis Dr.D. erstellte am 05.01.1999 und am 13.01.1999 jeweils eine privatärztliche Verordnung für das Medikament Herceptin. Die Kosten für das Rezept vom 05.01.1999 beliefen sich auf 4.700,- DM und für das Rezept vom 13.01.1999 auf 4.900,-DM. Die Arzneimittel wurden bei einer Apotheke in N. beschafft, das Rezept vom 13.01.1999 trägt den Stempel der Apotheke 19.01.1999; das Rezept vom 05.01.1999 trägt lediglich den Stempel der Apotheke ohne Datum.
Mit Schreiben vom 08.03.1999 teilte Dr.S. der Beklagten mit, dass die Therapie mit Herceptin durchgeführt worden sei und bat die Beklagte, die Kosten in vollem Umfang zu übernehmen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.04.1999 die Kostenübernahme mit der Begründung ab, das Medikament Herceptin sei derzeit nur in den USA zugelassen; es dürfe daher im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu Lasten der Kasse verordnet werden.
Die Versicherte erteilte am 10.04.1999 den Klägern zu 1) und 2) eine notarielle Generalvollmacht zur Besorgung aller persönlichen, rechtlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, auch für die unbeschränkte gerichtliche und außergerichtliche Vertretung über ihren Tod hinaus.
Dr.S. beantragte mit Schreiben vom 05.07.1999 bei der Beklagten ein weiteres Mal die Kostenübernahme für die Infusionstherapie mit Herceptin. Die Klägerin zu 1) legte am 12.07. 1999 unter anderem gegen die Ablehnung der Kostenübernahme Widerspruch ein.
Der von der Beklagten gehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Gutachter Dr.S.) kam in der Stellungnahme vom 13.07.1999 zu dem Ergebnis, Herceptin könne zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn eine immunhistochemische Untersuchung vorliege; diese Untersuchung sei bei der Versicherten nicht vorgenommen worden.
Der Kläger zu 2) schloss sich am 10.10.1999 dem Widerspruchs- verfahren an. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.1999 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.04.1999 mit der Begründung zurück, Herceptin sei ein nicht zugelassenes Fertigarzneimittel. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfe ein Arzneimittel, dessen erforderliche Zulassung versagt worden sei, grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden.
Die Kläger zu 1) und 2) haben am 14.12.1999 beim Sozialgericht München (SG) Klage auf Erstattung der Kosten für das Präparat Herceptin erhoben und eine gutachtliche Stellungnahme des Herstellers G. , Inc. (San Francisco, Ca.) über die Anwendung und Wirksamkeit des Präparats vorgelegt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat dem SG mit Schreiben vom 30.01.2001 mitgeteilt, dass das Arzneimittel Herceptin (Hersteller H. AG) seit dem 28.08.2000 EU-weit zugelassen ist.
Das SG hat mit Urteil vom 08.03.2001 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Hyperthermie-Behandlung sowie des Arzneimittels Herceptin. Das Medikament sei vor dem 28.08. 2000 in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen gewesen. Ein Arzneimittel, das zulassungspflichtig ist, sei ohne Zulassung von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger zu 1) und 2) vom 03.04.2001, mit der sie geltend machen, es habe bei der Versicherten ein Notfall vorgelegen und die Beklagte habe die Übernahme der Kosten für das Arzneimittel Herceptin zugesagt. Die Beklagte hat im Erörterungstermin vom 17.01.2002 eine Kostenübernahme erneut abgelehnt und die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat mit Beschluss vom 05.02.2002 die Streitsache, soweit sie die Kostenerstattung der Hyperthermie-Behandlung betrifft, abgetrennt und unter einem neuen Aktenzeichen fortgeführt; die Kläger haben nach Ermittlung des Senats über die wissenschaftliche Anerkennung dieser Therapiemethode, die noch nicht vorliegt, die Berufung zurückgenommen.
Die Kläger zu 1) und 2) beantragen sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts München vom 08.03.2001 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 06.04.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.1999 zu verurteilen, die Kosten des Arzneimittels Herceptin in Höhe von 9.700,- DM (= 4.946 Euro) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, sie habe in ihrem Schreiben vom 05.01.1999 kein verbindliches Versprechen abgegeben, bei einem Antrag auf Kostenübernahme einen positiven Bescheid zu erlassen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebenden Betrag von 1.000,- DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.). Der Senat konnte mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs.2 SGG).
Die Berufung ist auch begründet; das angefochtene Urteil ist abzuändern, da es bezüglich der hier streitigen Kostenübernahme für Arzneimittel einen Anspruch der Kläger zu 1) und 2) zu Unrecht verneint hat. Denn die Beklagte ist aufgrund der am 05.01.1999 gegebenen Zusicherung zur Übernahme der Kosten des Arzneimittels Herceptin verpflichtet gewesen. Da die Versicherte sich das Medikament auf eigene Kosten beschafft hat, geht der Anspruch auf Erstattung dieser Kosten (§ 34 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X - SGB X).
Inhaber dieses Anspruchs auf eine einmalige Leistung sind die Kläger zu 1) und 2) als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Tode der Versicherten. Sie sind kraft testamentarischer Verfügung der Versicherten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Inhaber der Forderung geworden (§§ 1922, 2039, 2064 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 58 Sozialgesetzbuch I -SGB I-).
Durch die Zusage ist die Beklagte verpflichtet worden, einen bestimmten Verwaltungsakt, d.h. hier die Kostenerstattung der beiden privatärztlichen Verordnungen des Arzneimittels Herceptin, vorzunehmen. Nach der Legaldefinition des § 34 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ist die Zusicherung eine von der zuständigen Behörde erteilte schriftliche Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Ein praktisches Bedürfnis für die Erteilung einer Zusicherung besteht nicht nur bei Verwaltungsakten, die im Ermessen der Behörde stehen, oder bei denen der Behörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, sondern auch in der gebundenen Verwaltung. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in zahlreichen Fällen für Recht erkannt, dass bei außervertraglichen Leistungen die Versicherten vor Beschaffung der Leistung mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten haben. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 Nr.15; BSG vom 16.12.1993 SozR 3-2500, § 12 Nr.4). Die Versicherte und deren behandelnde Ärztin haben sich insofern richtig verhalten, als sie mit den Schreiben vom 25.06.1998 und insbesondere vom 08.12.1998 die Beklagte um Zustimmung zu der damals noch außervertraglichen Therapie mit dem Arzneimittel Herceptin gebeten haben.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ihr Schreiben vom 05.01.1999 eine verbindliche Zusicherung und nicht lediglich eine Aufklärung, Beratung oder Auskunft (§§ 13, 14, 15 SGB I). Die Zusicherung unterscheidet sich von diesen Formen des Verwaltungshandelns durch ihren Inhalt und ihre Wirkung. Zwar geht der Beratung und Auskunft gleichfalls ein entsprechendes Begehren des Bürgers voraus. Die Auskunft ist aber nur eine unverbindliche Wissensmitteilung bezüglich Sach- bzw. Rechtsfragen. Der Beratung fehlt es an dem Willen, eine Rechtsfolge zu setzen (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 34 Rn.6 m.w.N. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung).
Eine Zusicherung hat vielmehr die Aufgabe, dem Adressaten als verbindliche Zusage über das zukünftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Verwaltungsaktes Gewissheit zu verschaffen (BSG SozR 2200 § 1237 Nr.10; BSGE 56, 249; BSGE 61, 123). Die Zusicherung ist somit eine Selbstverpflichtung der Behörde zu einem späteren Tun oder Unterlassen. Die Auslegung, ob ein Verwaltungsakt erlassen werden soll und mit welchem Inhalt, richtet sich nach den für Willenserklärungen maßgebenden Auslegungsgrundsätzen. Hierbei ist § 133 BGB entsprechend heranzuziehen (BSG vom 13.03.1975, SozR 2200 § 1409 Nr.2).
Bei der Auslegung ist das gesamte Verhalten des Erklärenden zu berücksichtigen. Neben dem Erklärungswortlaut kommt es auch auf die Begleitumstände, insbesondere den Zweck der Erklärung an. Das danach maßgebende Gesamtverhalten des Erklärenden ist vom Standpunkt dessen zu bewerten, für den die Erklärung bestimmt ist (Empfängerhorizont). Maßgebend ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deren innerer, sondern der erklärte Wille, wie ihn bei objektiver Würdigung die Empfänger, d.h. hier die Versicherte und deren behandelnde Ärztin, verstehen konnten (BSG a.a.O.; BSG vom 01.03.1979 BSGE 48, 56). Es ist also nicht darauf abzustellen, was die Beklagte mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern wie die Empfänger des Schreibens vom 05.01.1999 die Erklärung verstehen durften (BSG vom 08.12.1993 SozR 3-1300 § 34 Nr.2).
Diesen Grundsätzen hat sich auch die neueste Rechtsprechung des BSG angeschlossen (Urteil vom 11.07.2000 SozR 3-1300 § 39 Nr.7). Danach ist die in einer Zusicherung, die ein Verwaltungsakt ist, erforderliche Regelungswirkung darin zu sehen, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage durch eine verbindliche Feststellung geklärt werden soll. Eine Regelung ist anzunehmen, wenn durch die Äußerung der Behörde Meinungsverschiedenheiten oder Unklarheiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses oder einzelner Rechte oder Pflichten daraus beseitigt werden sollen. So liegt der Fall hier.
Die Versicherte und deren Ärztin durften aufgrund des Schreibens vom 05.01.1999 davon ausgehen, dass die Beklagte nach einer entsprechenden Verordnung ohne Weiteres die Kosten für das Arzneimittel Herceptin übernehmen würde. Denn dieses Schreiben bezieht sich auf einen konkreten Sachverhalt; es ist die Antwort auf die Anfrage der Versicherten bzw. deren Ärztin auf Kostenübernahme für eine monoklonale Antikörper HER-II-Therapie vom 08.12.1998 gewesen. Denn im Betreff des Schreibens vom 05.01.1999 wird exakt auf die Anfrage der Ärztin Dr.S. vom 08.12.1998 bezüglich der Kostenübernahme für Herceptin verwiesen. Das Schreiben der Beklagten hatte auch eine erhebliche Bedeutung für die Fortsetzung der Therapie der damals schon schwer kranken Versicherten und deren finanzieller Dispositionen. Die Adressaten des Schreibens konnten also den Inhalt der Zusicherung nur so verstehen, dass sie ausnahmsweise berechtigt waren, ein damals noch nicht vom Bundesgesundheitsamt zugelassenens Arzneimittel auf Kosten der Beklagten einzusetzen. Zu berücksichtigen ist schließlich auch der Umstand, dass aufgrund der schweren Erkrankung der Versicherten - sie ist ungefähr drei Monate nach Erhalt der Zusicherung verstorben - die Therapie mit Herceptin nach Auffassung der Ärztin der letzte Versuch einer lebensrettenden Maßnahme war. Sie hat in ihrer Anfrage vom 08.12.1998 auf die Dringlichkeit der Behandlung mit Herceptin hingewiesen. Da die Beklagte zur Erteilung der Zusicherung zuständig gewesen und die Schriftform eingehalten worden ist, ist sie für die Beklagte verbindlich. Offensichtlich ist die Beklagte damals selbst von der Wirksamkeit der Zusage ausgegangen; anderenfalls wäre der Bescheid vom 06.04.1999, mit dem sie die Kostenübernahme für das Medikament Herceptin anschließend abgelehnt hat, aus ihrer Sicht nicht erforderlich gewesen.
In diesem Bescheid liegt jedoch nicht eine rechtswirksame Rücknahme der Zusicherung (§ 34 Abs.2 i.V.m. § 45 SGB X). Nach § 34 Abs.2 SGB X finden auf die Rücknahme der Zusicherung §§ 44 und 45 SGB X entsprechende Anwendung. Es ist hier von § 45 SGB X auszugehen, da die Zusicherung ein begünstigender, jedoch rechtswidriger Verwaltungsakt gewesen ist. Denn zulassungsplichtige Arzneimittel dürfen in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur verordnet werden, wenn sie im Zeitpunkt der Verordnung zugelassen sind. Sie dürfen also nicht verordnet werden, wenn im Sinne des Arzneimittelgesetzes die Zulassung zum Verkehr förmlich versagt worden ist (BSG vom 08.06.1993 BSGE 72, 252) oder wenn eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die arzneimittelrechtliche Zulassung nicht ergangen ist, weil das Zulassungsverfahren zwar eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen wurde oder weil der Hersteller die Zulassung überhaupt nicht beantragt hat (BSG vom 23.07.1998 BSGE 82, 233). § 45 SGB X erlaubt jedoch die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur unter Beachtung der Regelung des Vertrauenschutzes (§ 45 Abs.2 SGB X). Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Im vorliegenden Fall hat die Versicherte aufgrund der Zusicherung alsbald nach der Erstellung der beiden privatärztlichen Verordnungen die Medikamente auf eigene Kosten beschafft, und diese wurden in Form von Infusionen zur Therapie eingesetzt. Damit steht der Vertrauensschutz wegen der Vermögensdispositionen bezüglich einer einmaligen Leistung der Rücknahme der Zusicherung entgegen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die das Berufen auf den Vertrauensschutz ausschließen (§ 45 Abs.2 Satz 3 SGB X).
Ebensowenig greift § 34 Abs.3 SGB X ein, der die Bindung an die Zusicherung wegfallen lässt, wenn sich nachträglich die konkrete Sach- oder Rechtslage derart ändert, dass die Behörde bei Kenntnis dieser Umstände die Zusicherung nicht abgegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte abgeben dürfen. Da die Änderung nach Abgabe der Zusicherung eingetreten sein muss, liegt ein Fall des § 34 Abs.3 SGB X nicht vor, wenn die Behörde sich bei Erteilung der Zusicherung irrt und dies später bemerkt. Auch die Tatsache, dass das Arzneimittel Herceptin am 28.08.2000 in den Staaten der EU zugelassen war, fällt nicht unter § 34 Abs.3 SGB X; denn ab diesem Zeitpunkt unterlag das Arzneimittel der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 31 SGB V).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Der Senat weist die Beklagte abschließend noch darauf hin, dass sie auf der Grundlage der Regelung des § 119 SGG verpflichtet ist, die Akten, soweit sie den zu entscheidenden Fall betreffen, geordnet und vollständig vorzulegen. Mit dieser Verpflichtung ist es nicht zu vereinbaren, wenn, wie im vorliegenden Fall, die prozessentscheidende Zusicherung sich nicht in den Kassenakten befindet, sondern erst von den Klägern zu 1) und 2) dem SG vorgelegt werden musste.
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